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Im goldenen Nordwesten.

Ein Prairiebrand. (Nach London News.)

Westlich vom Red River of the North liegt ein Land, so groß wie manches Königreich, größer als Preußen. Bis vor zwanzig Jahren war dieses 141,000 englische Quadratmeilen umfassende Territorium in den geographischen Handbüchern kurz abgethan, etwa mit den Worten: »gehört zu den wildesten Theilen der Vereinigten Staaten, ist zum größten Theile unbekannt, wenig bevölkert und die Heimstätte kriegerischer Indianerstämme.« Im Westen reicht dieses Gebiet bis zur Mündung des Yellowstoneflusses, im Süden bis zum Keya Paha und dem Niobrara; durch den wilden Missouri wird es von Nordwest nach Südost in zwei Hälften getheilt. Große Länderstrecken der östlichen Hälfte und fast der gesammte Westen dieses Gebietes sind noch ödes Wüstenland, bald endlose flache Prairien, wogenden Grasseen gleich, bald welliges Land, sogenannte ›rollende Prairie‹, die sich nach Südwesten hin zu immer höheren, wilderen Zügen emporschiebt, um endlich in den aus buntfarbigem Thon gebildeten, nur für den Naturfreund und Geologen interessanten Bad Lands und in den nadelholzbekleideten, goldberühmten Schwarzen Bergen ihre höchsten Erhebungen zu finden. Baumlos ist dieses endlose Gebiet, nur an den zahlreichen Seen und größeren oder kleineren Strombetten finden wir spärliche Waldungen von Eichen, Baumwollen- und Hickoryholz; sonst ist alles Prairie bestanden von dem langen, wogenden Büffelgrase, unter welches sich bunte sternförmige Astern und seltsame Sonnenblumen, die eine Höhe von acht Fuß erreichen, malerisch mischen. Das ist Dakota, das neuerdings zu einem Doppelstaate erhobene Land, welches dereinst dazu berufen sein wird, eine große Rolle in der Reihe der Staaten der Union zu spielen.

In gewisser Hinsicht ist die Geschichte dieses Doppelstaates nicht unähnlich der Californiens. Zwar wurde schon seit einer Reihe von Jahren der Missouri durch Dampfer befahren, welche die Verbindung zwischen den am Strom gelegenen Militärstationen und den wenigen Plätzen unterhielten, an welchen ein lebhafter Tauschhandel mit den Indianern betrieben wurde, zwar hatte auch schon die Northern Pacificbahn ihre Schienenwege bis zum Herzen Dakotas, bis zum Missouriufer vorgeschoben, zunächst aber waren es doch wohl die Schwarzen Berge (Black Hills), welche die Aufmerksamkeit der Welt auf Dakota lenkten, jenes Eldorado, dessen Name für eine Reihe von Jahren den Traum aller Goldsucher und Abenteurer bildete. Durch die ungebührlich aufgebauschten Schilderungen des außerordentlichen Reichthumes an dem verführerischen Metall angelockt, zogen Tausende und Tausende zu jenen im Südwesten Dakotas gelegenen schwarzen Bergen, und ob auch ganze Schaaren unter den Pfeilen und Beilen der über das unbefugte Eindringen in ihre Jagdgründe erzürnten Dakotas fielen, so erschienen doch immer neue verwegene Abenteurer, um ihren Golddurst zu stillen oder – sich bittere Enttäuschungen zu holen.

Die Schwarzen Berge füllten sich mit Menschen, in den tief einsam gewesenen Thälern entwickelte sich Leben; Orte wuchsen empor, vor Allem wurden Deadwood und Custer City die Mittelpunkte eines geschäftigen Treibens, wie es die Pioniere von 1849 im oberen Sakramentothale geführt haben mögen. Deadwood wuchs innerhalb weniger Jahre zu einer Stadt mit 10,000 Einwohnern empor und nannte sich stolz: ›Die Metropole der Schwarzen Berge.‹

Ward eine besonders vielversprechende Mine aufgefunden, sofort wurde in ihrer Nähe eine Stadt ›ausgelegt‹, mit hochklingendem Namen, wie Golden City, Silverton, Diamond, Montezuma belegt, und 48 Stunden später zählte dieselbe vielleicht schon 1000 Einwohner und waren ein Dutzend Wirthschaften im Betriebe. Am dritten Tage wurden möglicherweise zwei Farobanken eröffnet, am vierten schon erschien eine tägliche Zeitung in Riesenformat, und man zahlte bereits 500 Dollars für Bauplätze.

So war die Städtegründung in den Black Hills, in Dakota. Eisenbahnen und Transportgesellschaften beeilten sich, Verbindungen mit den Goldländern zu schaffen; auf allen Bahnhöfen, in allen Städten wurden Plakate, Pamphlete und Eisenbahnkarten zu Millionen verstreut mit der riesigen Aufschrift: ›The Goldland of the world!‹ ›Ask for tickets, for to become rich!‹ (›Das Goldland der Welt!‹ ›Nehmt Billete, um reich zu werden!‹), und allwöchentlich strömten Tausende und Tausende dem Fabellande zu. Die Eisenbahnen und Transportgesellschaften, sowie Händler, welche die Gelegenheit zu benutzen verstanden, machten glänzende Geschäfte.

Die Elemente, die so in's Land gezogen wurden, waren freilich nicht die besten. Der Abschaum der Menschheit, Abenteurer, Gauner, Subjekte, die hinlänglich Grund hatten, den bleigefüllten Stäben und Revolvern der heiligen Hermandad aus dem Wege zu gehen, daneben verfehlte Existenzen, bankerotte Kaufleute, relegirte Studenten und verkannte Genies – das waren die Menschen, welche berufen waren, an der Spitze der Civilisation zu schreiten. Natürlich nur im buchstäblichen Sinn des Worts; sie bildeten die Vorläufer, die Plänklerschaar, welche der echten Civilisation die Wege zu bahnen hatte. Mochte auch das Treiben dieser Gesellschaft einem wüst zusammenschlagenden Meere gleichen, in dem Hunderte und Tausende spurlos versanken, mochte auch ein gut Theil all dieser Abenteurer ›in ihren Stiefeln‹ oder an einem gar zu engen hanfenen Halsbande sterben, das Endresultat war doch, daß sie den Boden, den Humus schufen, auf welchem wahre Civilisation Fuß fassen konnte.

Die Schätze Dakotas und seines Goldlandes wurden noch rascher, als diejenigen Californiens erschöpft; ein Unglück für den Augenblick, doch ein Glück, wie sich allmählich herausstellte. Der Gehalt an edlen Mineralien entsprach nicht den überschwenglichen Erwartungen, welche das Abenteurerthum an die Schwarzen Berge gestellt hatte, und enttäuscht legte mancher wilde ›Grenzer‹ die Spitzaxt und die Schaufel bei Seite und griff zum Pfluge. Und siehe da, das Gold, welches in der Erde in zu ungenügender Menge enthalten war, um den unersättlichen Durst der Menge zu stillen, wogte in üppiger Fülle über dem Boden, in Gestalt endloser Weizenfelder.

Entlang der Eisenbahnen, entlang der Ströme, wo nur Verbindung mit der civilisirten Welt herzustellen war, da wuchsen kleine Farmhäuser empor, vereinzelt und kleine Städtchen bildend. Immer mächtiger und unabsehbarer wurden die Weizenfelder; die Bevölkerung Dakotas, 1860 nur 4839 Seelen zählend, war bis 1880 schon auf 170,000 angewachsen, und immer breiter wurden die Wogen der Einwanderung. Im Jahre 1881 betrug die Zahl der Neueingewanderten 40-50,000, und namentlich waren es Norweger, Schweden und Deutsche, die Dakota zu ihrer neuen Heimstätte machten.

Für den Ruhm des neugeborenen Landes zu sorgen, ließen sich natürlich die hauptsächlich interessirten Eisenbahnen angelegen sein, welche von der Regierung viele Millionen Acres Land geschenkt erhalten hatten. Um dieses Land zu realisiren, mußten Käufer herbeigezogen werden und so wurden die alten, nicht mehr recht zutreffenden Superlativüberschriften der Karten und Fahrpläne einfach abgeändert, um nunmehr also zu lauten: › The land of Plenty!‹, › the wheatfields of the world!‹, › the garden of the golden Northwest!‹ (›Das Land des Überflusses!‹, ›die Weizenfelder der Welt!‹, ›der Garten des goldenen Nordwesten!‹)

Und wiederum kamen Tausende und Tausende, um in dem gelobten Lande mühelos reich zu werden oder aber – sich neue Enttäuschungen zu holen.

Dieses echte Wunder- und Werdeland habe ich mehrmals durchflogen, und viel des Interessanten gab es zu sehen. Zum ersten Male bereiste ich den Nordwesten im Sommer und Herbst des Jahres 1881, ein Jahr später überschritt ich zum dritten Male den Red River, den Nil des amerikanischen Nordwestens, um bei Fargo in das weizenberühmte Dakota einzutreten. Jetzt hatte das gelegentlich meines ersten Besuches noch im Baby-Alter stehende Städtchen bereits eine Bevölkerung von 8000 Einwohnern, und alle Neuerungen der Civilisation waren zu finden: schöne breite Straßen mit Pferdebahnen, Telegraphen- und Telephonleitungen durch die ganze Stadt; am Abende flammte sogar zu meiner größten Überraschung von einem gegen 180 Fuß hohen, aus Eisenstangen zusammengenieteten Thurme das Licht der Neuzeit hernieder, eine electrische Sonne, welche den ganzen Ort erhellte und weit hinaus in die Prairie leuchtete. Appleton's General Guide zufolge war die Bevölkerung von Fargo bis zum Jahre 1888 auf 10,000 gestiegen. Außerdem werden daselbst angeführt 28 Hotels, 12 Kirchen, 4 Banken, 6 Zeitungen, 1 Opernhaus, 1 Theater, 1 Stadthaus, 1 Hochschule, ferner Wasserwerke, Mühlen, Brauereien, Elevators u. s. w.

Überall waren Zimmerleute und Maurer in voller Thätigkeit, den aus der Prairie hervorwachsenden Häusern neue hinzuzufügen, überall sprach man von neuen Unternehmungen und überall trug man sich mit kühnen Hoffnungen für die Weiterentwickelung.

Man sah zumeist nur kräftige Männer mit breiten Schultern und derben schwieligen Fäusten. Die Kleidung bestand vielfach aus dicken blauen, mitunter auch rothen Jacken, derben braunen Hosen und langen Stiefeln. Auf die Köpfe waren Filze von nicht zu bestimmender Farbe gedrückt.

Und ließ man den Blick von dem Eisenbahnstationsgebäude, das mehr einem Stapelplatze für landwirthschaftliche Maschinen glich, rings über die weite Landschaft schweifen, so sah man einen im Winde wogenden unabsehbaren Ocean von goldenen Weizenfeldern.

Auf der Weiterfahrt gen Westen passirte ich die Ländereien eines Großgrundbesitzers, die berühmte Dalrymple-Farm. Was würden unsere Bauern sagen, sähen sie, wie man in Dakota Weizen schneidet. Da war eine ganze Armee von Menschen, Thieren und Maschinen colonnenartig vor den zu mähenden Weizenfeldern aufgestellt. Commandoworte ertönten: die erste Maschine bewegte sich vorwärts und begann einen breiten Streifen der goldenen, Frucht niederzulegen. In kleiner Entfernung folgte eine zweite Maschine, um einen neuen Gürtel des Getreides hinwegzufressen; hinter ihr eine dritte, vierte und so fort, eine Maschine immer hinter und neben ihrer Vorgängerin beginnend. Und da flogen die Garben, mit dünnem Draht geheftet, gleich fertig gebunden aus den Maschinen heraus, um von den nachfolgenden Leuten zu größeren Haufen zusammengestellt zu werden.

Diese 20 Meilen westlich von Fargo gelegene Dalrymple-Farm umfaßte zur Zeit meines Besuches einen Ländercomplex von 20,000 Acres und wurde durch eine Armee von über 1000 Mann mit 200 Pflügen, 115 Mäh- und Bindemaschinen und 20 Dampfdreschmaschinen bestellt und warf gegen 560,000 bushel Weizen ab.

Ich besichtigte diese Riesenfarm in Gesellschaft eines für ›Weizen‹ fanatisch enthusiasmirten Bewohners der Stadt Fargo, welcher, nachdem ich die Erntethätigkeit auf diesem unermeßlichen Gebiete mehrere Stunden lang mit offenem Munde bewundert hatte, mich nun noch zu einem weiteren halben Dutzend von annähernd ebenso großen Riesenfarmen hinführen wollte, damit ich von einer jeden derselben ein naturgetreues Bild für die ›Gartenlaube‹ zeichnen möge. Ich verzichtete auf das Vergnügen, derartige malerische Darstellungen von Weizenfeldern beim Dutzend anzufertigen, machte mich auf gute Manier von dem traurig und enttäuscht mir nachblickenden Weizenfanatiker los, und dampfte weiter gen Westen, an einer Anzahl von kleinen, zumeist aus Holzhäusern bestehenden Orten vorüber, die sich vielfach wie ein Ei dem anderen glichen. Unter diesen betreffs der dereinstigen Weltherrschaft auf einander bitter eifersüchtigen Nestchen befand sich zweifelsohne auch manch todtgeborenes Kind, wenn auch die von der Eisenbahngesellschaft oder den Gründern der Orte massenhaft vertheilten Pamphlete die lieblichsten Zukunftsbilder vor den Augen des Lesers erstehen ließen.

Welche Quantitäten derartiger von Eisenbahngesellschaften und Städtegründern erzeugten Reklamen verbreitet werden, übersteigt alle Begriffe. An allen Ecken und Enden des großen Westens wird gegründet, ge-› boomed‹ und ge-› puffed‹ und durch enorme Reklame sucht man es zu erreichen, daß das Geschäft und der Zudrang von Einwanderern ja nicht in's Stocken gerathe. Unablässig wird hinausposaunt, wie der oder jener Ort Aussicht habe, alle Nachbarstädte zu überflügeln, daneben greift man zu dem beliebten Mittel, durch interessante Illustrationen für das Lieblingskind Reklame zu machen. Da wird z. B. auf einem und demselben Bilde das Wachsthum der ›Zukunfts-Metropole‹, einstweilen noch Embryostadt, in seinen verschiedenen Stadien auf's Drastischste dargestellt. Ein einzelnes Bildchen gibt zunächst eine Ansicht des Baugrundes anno 1879. Grundbesitzer sind Prairiehunde, Eulen und Klapperschlangen. Noch mehr Effekt macht ein anderes oft gewähltes Bild: endlose öde Prairie; im Grase versteckt lungern einige blutdürstige Rothhäute, um ein paar in der Ferne daherziehende unglückliche Auswanderer abzuschlachten. Und nun kommt das in drei Felder getheilte Haupttableau. Links oben: ›Neu-Paris anno 1880.‹ Schon erhebt sich inmitten der Prairie ein einzelnes Haus. Rechts oben: ›Neu-Paris anno 1881.‹ Wir sehen den Beginn einer Stadt; eine handvoll Häuser, eine Schule und eine primitive Kirche sind bereits vorhanden. Unteres Haupttableau: ›Neu-Paris anno 1889.‹ Die frühere Prairie ist bedeckt mit einem Häusermeer. Die stolzen Thürme zahlreicher Kirchen ragen empor. Durch die Straßen der schönen Stadt eilen Pferdebahnwagen; rechts und links erheben sich großartige Hotels und Bankgebäude.

Zumeist sind solchen Abbildungen wie auch den dazugehörigen Beschreibungen immer eine gute Portion von Übertreibungen hinzugefügt, Übertreibungen, die in ihrer Überschwenglichkeit manchmal klar vor Augen liegen und sehr oft den beißenden Spott der östlichen Zeitungen herausfordern. Zur Erheiterung des freundlichen Lesers will ich zwei dieser Parodien hier wiedergeben. Die erste, vom Brooklyn Eagle veröffentlichte, betitelt sich:

 

Farmerleben in Dakota.

» Yes, sir« versicherte auf's Neue der Dakotamann, als die versammelten Ackerbauer vom Trinkstande zurücktraten und sich um den rothglühenden Ofen gruppirten, »yes, sir, wir da draußen betreiben alles in ziemlich großem Maßstabe. So sah ich auf einer unserer Farmen einen Mann im Frühjahre ausziehen, und er pflügte immerfort bis zum Einbruch des Herbstes eine einzige grade Furche, dann wendete er um und erntete auf dem Rückwege.«

»Aber wo schlief denn dieser Mann nur, um Gotteswillen?« warf einer der erstaunten Zuhörer ein. »Nahm er etwa ein Zelt mit sich?«

»O nein, Herr! Sie folgten ihm nach mit einem Hotel, und er hatte seine Leute, die ihn beim Pflügen ablösten. Wir haben einige derartige große Farmen draußen, meine Herren. Ein Freund von mir besaß eine solche, welche er als Pfand gegen eine geliehene Summe einsetzte, und ich versichere auf mein Wort, dieses Pfand war an dem einen Ende bereits verfallen, bevor die Nachricht von der Verschreibung an das andere Ende der Besitzung gedrungen war. Die Farm war in Countys eingetheilt.« Die Eintheilung der amerikanischen Staaten in ›Countys‹ entspricht der Eintheilung unserer Länder in Provinzen.

Ein Murmeln des Erstaunens durchlief die Versammlung; der Farmer aus Dakota aber fuhr fort: »Ich erhielt, gerade als ich von Hause wegreiste, einen Brief von einem Manne, der in meinem Obstgarten wohnt. Der Brief war, obwohl er ohne Aufenthalt Tag und Nacht weiter befördert worden, drei volle Wochen unterwegs, bevor er an meiner Behausung anlangte.«

»Die Entfernungen sind also sehr groß draußen, wie mir scheint?« fragte ein Landwirth aus Neu-Utrecht.

»Ziemlich, ziemlich!« entgegnete sein Kollege aus Dakota. »Und das Unangenehmste ist, es reißt die Familien so auseinander. Zwei Jahre früher sah ich eine ganze Familie in Trauer und Betrübniß versetzt; die Weiber weinten, die Kinder schrieen und die Hunde heulten. Einer meiner Leute hatte gerade sein Lagerzelt auf sieben Viergespanne von Maulthieren verpackt und stand eben im Begriff, seinen Angehörigen Lebewohl zu sagen.«

»Wohin ging denn die Reise?« fragte neugierig ein Mann aus Gravesend.

»Nun, er ging nur über die Hälfte des Grundstückes, um die Schweine zu füttern,« war die gelassene Entgegnung.

»Kehrte er jemals zu seiner Familie zurück?«

»Bis jetzt ist er noch nicht wieder angelangt,« erwiderte der Gefragte. »Wir senden sehr oft jung verheirathete Eheleute aus, die Kühe zu melken, und in der Regel bringen die Kinder derselben die Milch nach Hause.«

»Ich hörte, daß dort schöne, reichhaltige Minen vorhanden seien,« warf hier ein Rübenpflanzer aus Jamaica ein.

»Gewiß, gewiß, doch sehen wir den Quarz nur als unnützes Spielzeug an,« antwortete der Farmer aus Dakota, die Schneide seines Messers am Fingernagel prüfend. »Es würde sich nicht lohnen, den Boden aufzuwühlen, da wir mehr Geld mit unserem Weizen verdienen können. Ich bestellte im letzten Frühjahr allein an 8900 Countys Weizenland.«

»Wie viel Acres würden das sein?«

»O, wir zählen nicht nach Acres, sondern nur nach Countys. Im vergangenen Jahre löste ich aus meinem Weizen allein 68,000,000 Dollars, und ich habe die Absicht, in der nächsten Saison gegen 80-100 Countys mehr aufzubrechen.«

»Wie in Dreiteufelsnamen erhalten Sie denn Hülfe zu solchen kolossalen Unternehmungen?« fragte der erstaunte Neu-Utrechter.

»O, die Arbeitslöhne sind billig. Sie können Hülfe genug haben für 29 bis zu 48 Dollars pro Tag. Ich bezahle niemals über 38 Dollars Tagelohn.«

»Ist das Land billig?«

»Im Gegentheil, Land ist teuer. Nicht daß es etwas kostete, es kostet nicht im Geringsten; aber die Gesetze unseres Staates erlauben nur, so und so viel oder gar nichts zu nehmen. Ich war vom Glücke begünstigt. Ich besaß nämlich einen Freund in Yankton, welcher eine Bill vor der Legislatur durchbrachte, auf Grund welcher mir ganz ausnahmsweise gestattet wurde, 420,000 Quadratmeilen zu nehmen, welches die kleinste Farm im ganzen Territorium ist.«

»Nun sagt,« sprach der Wirth des Saloons, als die vor Erstaunen sprachlos gewordenen Zuhörer noch dabei waren, die letzte Aussage des Dakotamanns zu verdauen, »ist denn all das wahr, was Ihr bis jetzt erzählt habt?«

»Ich denke so,« erwiderte der Farmer, »wenigstens weichen meine Angaben nur wenig von denen ab, welche ich heute Morgen in einer Dakota-Zeitung las, in welche man mir meine Stiefel eingewickelt hatte. Ich habe mich nicht erkühnt, so viel zu behaupten, als die Zeitung thut, es würde mir sonst sicherlich nicht Einer geglaubt haben. – Doch im Vertrauen, Herr Wirth, ich bezahle morgen. Ich wohne ganz in der Nachbarschaft, in der Myrtle Avenue.« –

 

Eine zweite Parodie solcher Überschwenglichkeiten ist der nachfolgende, einer Milwaukeer Zeitung entnommene Artikel:

 

Ein wunderbares Klima.

»Colonel Douan, Redakteur des ›Argus‹ in Fargo, Dakota, schildert in der letzten Nummer seines Blattes die kolossalen Verheerungen, die der letzte Januarsturm, ein ganz unerhörtes Ereigniß in dem sonnig-warmen Dakota, angerichtet hat. Die größte Verwüstung verursachte dieser kamtschadalische Äolus an den Fruchthainen des Dakotaischen ›Gartens der Götter‹. Man schätzte, daß am Morgen nach dem Ereigniß im Umkreise von 75 Meilen rings um Fargo nahezu an 9,500,500,500,500,500,500 Centner Orangen, Bananen, Pomeranzen, Ananas und Heidelbeeren unter den Bäumen verstreut lagen. Dakota, ein echter Prairiestaat, hat bekanntlich nur einen ungemein spärlichen Baumwuchs aufzuweisen. Von den aufgezählten Fruchtsorten würde keine einzige daselbst fortkommen, und wer da weiß, was die schrecklichen Winterstürme des Nordwestens zu bedeuten haben, der wird die bittere Ironie des obigen Artikels verstehen. In Major Chapin's 10,000 Acres großem Baumgarten war der Grund einen Fuß hoch mit sechs Zoll im Durchmesser haltenden Apfelsinen besät. Es wäre unmöglich gewesen, dieselben aufzulesen, man hätte denn mehr Arbeiter importiren müssen als die Manitoba- und die Nordpacific-Eisenbahnen innerhalb eines Monates zu befördern im Stande gewesen wären. So entschied sich der ehrenwerthe Major nach einer Berathung mit seinen Freunden dahin, 100,000 seiner selbstgezüchteten Dakota-Schweine auf diesen ungeheuern Bankettplatz zu treiben. Diese mit tropischen Früchten gemästeten Thiere sind von einer Güte und Qualität, die in keinem zweiten Lande unter oder über der Sonne ihresgleichen hat. Völlig ausgewachsen, erreichen diese Schweine die Größe eines egyptischen Nilpferdes, dabei haben sie ein Gewicht von 25,000 Pfund oder 12½ Tons. Das Fleisch der einen Hinterkeule dieser Thiere hat einen an das delikateste Büffelfleisch erinnernden Geschmack, das der anderen ist ähnlich dem feinsten › sugar cured bacon.‹ (Ein sehr beliebtes amerikanisches Nationalgericht.) Das rechte Schulterstück ersetzt vollkommen das vorzüglichste Hirschfleisch, das linke würde selbst von einem alten Jäger mit dem saftigsten Lendensteak einer Bergziege verwechselt werden. An Wohlgeschmack kommt die eine Hälfte der Brust derjenigen eines fetten Truthahnes gleich, die andere macht selbst das schönste Stück einer frisch von den Sellerywiesen aufgeflogenen Wildente vergessen. Inwendig, wo gewöhnliche Schweine nichts wie unnütze Därme, Wursthäute und andere wenig appetitliche Eingeweide haben, sind die herrlichen Dakotaschweine mit exquisiten Würsten, mit Plumpuddings und Äpfelsauce vollgepfropft, und die Köpfe sind wahre Juwelenkästchen voll Mandeln, Rosinen und vorzüglichem Confect. Die Zähne bestehen aus dem schönsten Elfenbein und sind sehr häufig mit dem reinsten Dakotagolde plombirt. Zwanzig Pfund dieses für Messergriffe und Visitenkartentäschchen verwendbaren Elfenbeines sind der gewöhnliche Ertrag eines dieser Vierfüßler. Die Schwänze, welche zwischen 3 bis 5½ Fuß Länge variiren, werden im ganzen Lande als Reitpeitschen verwendet, die Ohren hingegen sind als Geldbörsen sehr begehrte und gern gesehene Weihnachtsgeschenke für beliebte Prediger und erfindungsreiche Redakteure.« –

Doch genug davon.

Den ganzen Tag hindurch ging die Fahrt durch die endlose Prairie, die sich nur darum so oceanglatt aufgerollt zu haben schien, damit die in wunderbarem, rothgoldigen Lichte erstrahlende Abendsonne noch im Scheiden jedes ihrer zitternden Gräser treffen und streifen möge. Am Abend erreichte ich die unweit des Missouri gelegene Stadt Bismarck, die in ihrem schnellen Wachsthum gleichfalls ein beredtes Zeugniß von dem Unternehmungsgeiste der Amerikaner und dem rapiden Wachsthum des Nordwestens ablegt. Als am 19. Mai 1873 der Kanzler des deutschen Reiches dem Sekretär der Nordpacificbahn schrieb, er fühle sich ganz außerordentlich geschmeichelt, daß man die Stadt am Übergange genannter Bahn über den Missouri nach ihm benannt habe, da bestand selbige ›Stadt‹ aus drei Holzhäusern und fünf Leinwandzelten, in der ein kleines Häuflein verwegener Abenteurer einen verzweifelten Kampf um's Dasein führte. Heute hat die Stadt über 5000 Einwohner und erhebt sich in derselben das Staatscapitol, denn Bismarck ist zur Hauptstadt von Norddakota erwählt worden. Ferner besitzt die Stadt zwölf Hotels, fünf Kirchen, vier Banken, ein Theater, ein Seminar und verschiedene andere hervorragende Gebäude. Zwei eiserne Brücken überspannen den nahegelegenen Strom, die eine führt nach dem gegenüberliegenden Fort Abraham Lincoln, über die andere donnern die Züge der Nordpacificbahn dahin, Bismarck mit der gleichfalls aufblühenden Stadt Mandan verbindend.

Bevor wir in Bismark einliefen, sahen wir von Süden her einen funkelnden Streifen eilig heranschreiten, ein Prairiefeuer, welches gleich einer feurigen Schlange über die Seiten und Gipfel einzelner Hügel dahinkroch. Die Brände der mit weniger hohem Grase bestandenen Prairien haben nicht viel zu bedeuten, mit Leichtigkeit gehen Menschen wie Thiere der Feuerlinie aus dem Wege, die zumeist an den von den Farmern zum Schutze ihrer Felder mit dem Pfluge aufgeworfenen Furchen erstirbt. Loht aber einmal das über mannshohe Gras und Gestrüpp des fetteren Bodens empor und bläst dazu ein Wind aus vollen Backen, dann heißt es »Rette sich, wer kann!« Jede verzögerte Sekunde ist eine Möglichkeit der Rettung weniger; überall springen, durch voraneilende Funken erzeugte Feuerpyramiden empor; Meteoren gleich fliegen Myriaden Büschel brennenden Grases durch die Luft, überall neue Tänzer erweckend; in wenig Minuten ist die ganze Landschaft ein einziger, ungeheurer Höllenpfuhl, der mit der Schnelligkeit des Windes vorwärtsschreitet und in kurzer Zeit das eiligste Roß überflügelt.

Ein solcher Prairiebrand suchte im April des Jahres 1889 das südliche Dakota heim. Von den winterlichen ›Blizzards‹ war es verschont geblieben; eine ungewöhnlich warme Witterung, welche bis in den Januar hinein anhielt, machte die Bewohner so übermüthig, daß sie Landpartien veranstalteten, wobei der leinene Staubkittel und der Strohhut zum Scherz eine Rolle spielten. Da, mit einem Schlage, nahte sich ganz unerwartet das Verhängniß. Auf der fünf Meilen von Highmore entfernten Farm des James Ingram gerieth die Scheune in Brand, und zwar durch einen Feuerfunken, welcher aus der Pfeife des Eigenthümers flog. Da ein heftiger Wind wehte, wurde das Feuer schnell durch die Prairie weiter verbreitet und fegte mit rasender Wuth über das ganze Land, der Feuerfurchen spottend, welche der Farmer vorsorglich um sein Gehöft zieht. Die Luft war so trocken, daß die Flammen blitzähnlich weithin schossen und das Gras auf den Prairien wie Pulver Feuer fing.

Es war der verheerendste Brand, der die Prairien des südwestlichen Dakota jemals heimgesucht hat. Ganze Dörfer brannten nieder, Hunderte von Familien wurden obdachlos und verloren ihre ganze Habe. Zahlreiche Menschen und ganze Viehheerden kamen in den Flammen um, so daß sich der Verlust auf Millionen von Dollars bezifferte. –

So verderblich diese Prairiebrände auch sind, so werden sie in ihren Wirkungen auf Thier- und Menschenleben mitunter doch noch übertroffen durch die Wirbelstürme, welche dem Sommer, und die ›Blizzards‹, die dem Winter angehören.

Diese überaus großartigen und verderblichen Naturerscheinungen, die man früher darum weniger beachtet hatte, als sie der öden Prairie keinen erheblichen Schaden zuzufügen vermochten, lernte man erst mit dem allmählichen Vorwärtsdringen der weißen Ansiedler gen Westen genauer kennen, zumal sie sich für die Werke der sich eben ausbreitenden Kultur mitunter zu wahren Heimsuchungen gestalteten. Den häufigsten Schauplatz dieser Naturerscheinungen bilden die Staaten Dakota, Nebraska, Iowa, Kansas und Illinois. Stürme, welche an Heftigkeit kaum ihres Gleichen haben, pflegen hier fast alljährlich aufzutreten und haben namentlich in dem letzten Jahrzehnt eine so verheerende Kraft entfaltet, daß sich der Bewohner der gefährdeten Regionen bei jedem Anzeichen drohender Witterung ein Schrecken bemächtigt.

Das Schicksal des deutschen Städtchens Neu Ulm in Minnesota, welches im Jahre 1881 durch einen Tornado fast völlig zerstört wurde, ist auch in Europa bekannter geworden. Dasselbe Schauspiel wiederholte sich ein Jahr später in Iowa, woselbst eine Anzahl von Städtchen so schwer heimgesucht wurden, daß der Gouverneur des Staates in einem Aufrufe um Hilfe diesen Orkan als die härteste Katastrophe bezeichnete, die den Staat je betroffen habe. Nur eine einzige Woche später, und es ereignete sich die völlige Zerstörung des Städtchens Emmetsburg, während welcher Katastrophe gegen 100 Menschen das Leben verloren.

Im Jahre 1883 suchten schwere Wirbelstürme Minnesota und Dakota heim. Welche Gewalt dieselben entwickelten, ergiebt sich daraus, daß ein Eisenbahnzug aus den Schienen gehoben und umgestürzt wurde, wobei 34 Personen schwer verletzt wurden.

Am 14. April 1886 wurden die Bewohner von St. Cloud in Minnesota von einem Tornado überrascht, der nicht nur überaus heftig, sondern auch in seiner Erscheinung höchst eigenartig war. Ohne Vorboten schoß der Wirbelsturm herab, um aufspringend von der Bahn, sich wieder und wieder zur Zerstörung zu senken, bis er aufsteigend verschwand. In St. Cloud wurden hundert Häuser vernichtet; von hier zog der Sturm nach Sauk Rapids, woselbst seine Wuth den Höhepunkt erreichte. In wenigen Minuten waren ganze Straßenfronten in Trümmerhaufen verwandelt. Ein Bach, der in der Nähe der Stadt fließt, wurde trocken gesogen und der Schlamm seines Grundes in breiten Streifen rechts und links über das Land gespritzt. Die Breite des Wirbelsturmes betrug nur 800 Fuß, die Länge der Bahn etwa 12 englische Meilen, und doch bezifferte sich der Verlust an Menschenleben auf 75 Todte, außerdem zählte man über 200 Verwundete.

Diese westlichen Tornados entstehen zumeist urplötzlich und verrichten ihr Zerstörungswerk in wenigen Minuten. Der Sturm erscheint in Gestalt einer pfeilschnell sich umdrehenden Säule, und ist die wirbelnde Bewegung das charakteristische Moment. Welche schauderhafte Geißel diese Tornados für manche Gebiete der Union sind, so namentlich auch für die südöstlichen Staaten, beweist der Bericht der › U. S. Signal Office‹ für das Jahr 1884. An einem Tage, dem 19. Februar, kamen nicht weniger denn 45 Tornados zum Ausbruche und wurden durch dieselben 800 Menschen getödtet, 2500 verwundet und 15,000 ihres Obdaches beraubt. Im ganzen Jahre wurden 1054 Personen getödtet und über 3800 verwundet. Manche Distrikte werden so häufig von Wirbelstürmen durchzogen, daß man die Besiedelung der Lieblingsbahnen derselben hat aufgeben müssen.

Nicht viel weniger verderblich gestalten sich die winterlichen ›Blizzards‹, die Schneestürme.

Die letzten blutrothen Blätter des Sumachstrauches sind gesunken; wochenlang schon sind die Tage klar und heiter gewesen; die Luft ist rein und trocken, der Himmel wolkenlos. Eine eigenthümliche, melancholisch stimmende Ruhe liegt über den unermeßlichen Prairien, und Nichts verkündet, daß der ›Indianersommer‹, die schönste Jahreszeit in Nordamerika, zu Ende geht und der schlimme Gast vor der Thür steht, vor welchem selbst der wetterfesteste Dakotamann den allergrößten Respekt hat. Noch folgen sich einige dieser stimmungsvollen Tage; da, als abermals eine leichte Röthe im Osten das Aufsteigen der Sonne verkündet, umzieht sich der Horizont allgemach mit grauen, schweren Dünsten, die langsam, langsam immer näher schleichen. Gegen Mittag senkt sich über die Hügel ein feiner, weißer Nebel, die Umrisse derselben leicht verhüllend, wie etwa ein Traum die Gedanken umschleiert. Langsam und unmerklich kriecht der Nebel die Flußthäler entlang; Alles rings umher ist still, regungslos – die Natur bereitet sich zum Sterben vor. Leise, leise weht eine feine Flocke hernieder. Der erfahrene Trapper und die Indianer verstehen vollkommen diese Zeichen. Sobald wie möglich suchen sie die ebene Prairie zu verlassen und irgend eine geschützte Niederung, eine Schlucht oder das ausgetrocknete Bette eines Stromes zu erreichen, um unter diesem Schutze den ›Blizzard‹, den mörderischen Schneesturm, vorübergehen zu lassen.

Nicht lange mehr läßt dieser auf sich warten. Der Flöckchen und Flocken werden mehr und mehr; ihre Flugrichtung wird eine immer schrägere, je mehr sich der Wind zum Sturme steigert. Hat derselbe seine Höhe erreicht, so werden die feinen Flocken mit einer solchen Kraft getrieben, daß ihre Wirkung auf das Gesicht tausend Nadelstichen gleicht. Die Augen offen zu halten, ist schier ein Ding der Unmöglichkeit, und durch das beständige Bombardement werden die Sinne so in Verwirrung gebracht, daß jedes Ortsgefühl verschwindet. Beispiele sind vorhanden, daß Farmer, die während eines solchen Unwetters von ihren Wohnhäusern nur bis zu den Ställen zu gehen versuchten, ihren Weg verloren, in die Prairie geriethen und wenige Schritte von ihrem Herd entfernt den Erfrierungstod starben.

Befällt der Sturm einen Zug von Reisenden und mit der Natur des Sturmes nur wenig vertraute Personen, so sind denselben Stunden schrecklichsten Leidens gewiß und mögen sie von Glück sagen, wenn sie unter dieser fürchterlichen Vereinigung von Kälte, Schnee und Sturm nicht in kurzer Zeit ein trauriges Ende finden.

Der Schneepflug beim Angriff.

Die Gefahr beruht weniger in der mit dem ›Blizzard‹ verbundenen Kälte, als in der ungemeinen Schärfe des Windes, welcher gleich einem Messer schneidet und jedes Atom von Lebenswärme aus den Gliedern treibt. Ein dicker Winterüberzieher schützt nicht mehr als ein Fetzen Musselin gegen das Wüthen des Schneesturmes, der, von den eisigen Gebieten Alaskas und den nördlichen britischen Besitzungen kommend, in der Regel drei Tage lang aus dem Norden bläst, dann plötzlich umschlägt und wieder drei Tage lang mit ungeschwächten Kräften sein Wüthen von Süden her fortsetzt. Glücklicher Weise treten für gewöhnlich diese äußerst schweren ›Blizzards‹ nur etwa 5-6 Mal während eines Winters auf, ja im Jahre 1882 wurde Nord-Dakota nur von einem in den Monat März fallenden Schneesturm betroffen. Dagegen hat sich der Winter 1880-1881 mit seinen gegen 60 schweren Stürmen für immer denkwürdig in die Chroniken des amerikanischen Nordwestens eingeschrieben. Der erste Schnee fiel früh im October, und von dieser Zeit bis zum April führte der Winter ein unerhört strenges Regiment. Überall lag der Schnee 6-20 Fuß hoch; einige Schneewehen erreichten sogar eine Stärke von über 50 Fuß. Weit und breit war Alles unter diesen enormen Massen begraben; die Menschen litten schrecklich, und die Thiere starben zu Tausenden. Jede Verbindung war abgeschnitten. Die Passagiere der Eisenbahnzüge waren nicht selten inmitten der ödesten Prairien zu tagelanger Haft verurtheilt; in mehreren Fällen waren sie, als endlich Befreiung kam, dem Hungertode nahe.

Das Abgraben der Schneemassen.

Ein Mann in Dakota, welcher zwei Nachbarfamilien, die über nicht so feste und sichere Behausungen zu verfügen hatten, bei sich aufgenommen, sah sich gezwungen, die Bretterhäuser dieser Familien, ja seine eigenen Möbel, Betten, Kisten, Koffer und Kasten als Feuerungsmaterial zu benutzen. An einer anderen Stelle verließ die Bewohnerschaft eines ganzen Dorfes aus ökonomischen Rücksichten ihre Häuser und versammelte sich in einem großen Raume, wo ein mit dem Holze der Schuppen beständig genährtes Feuer unterhalten wurde.

Das Wegschaffen der Schneeblöcke.

Ähnliche Zustände fanden statt während der durch eine ganz abnorme Kälte sich auszeichnenden Winter 1885 auf 1886 und 1887 auf 1888. Der verderblichste Schneesturm des Jahres 1888 war derjenige, welcher am 11. Januar anhob und sich über Dakota, Minnesota, Wisconsin, Iowa und Nebraska verbreitete. Das Schneetreiben und die Kälte waren entsetzlich; das Quecksilber sank auf 30, stellenweise sogar bis auf 40° unter dem Gefrierpunkte. Hunderte von Menschen fanden ihren Tod.

Derartige Winter machen namentlich den Eisenbahnen viel zu schaffen, und die Arbeiten, die unternommen werden müssen, um die Geleise frei zu halten, sind geradezu erstaunlich. Die ›Northwestern-Company‹ zahlte 1881 allein über 1¼ Millionen Mark für Freilegung der Schienenwege. Diese Gesellschaft hatte beständig 34 mächtige Schneepflüge in Thätigkeit, ohne indeß der furchtbaren Schneemassen Herr werden zu können. Wie ungeheuer diese Massen waren, dürfte aus der Thatsache zu ersehen sein, daß ein 48,000 Pfund schwerer Schneepflug, der noch dazu mit 80,000 Pfund Eisen belastet und von sechs hinter einander gespannten Lokomotiven getrieben wurde, vollständig machtlos war, eine ihm entgegenstehende Schneewand zu durchbrechen. Als nach der furchtbaren Attake die Werkleute den immensen Pflug besichtigten, fanden sie, daß derselbe trotz seines 128,000 Pfund schweren Gewichtes wie eine Feder zurückgeschlagen und gegen einige Bäume geschleudert worden war, woselbst die ganze Maschinerie bis zum Schmelzen der Schneemassen im Frühling liegen bleiben mußte. Die Schneewehe hatte eine Mächtigkeit von 52 Fuß.

Einige Bahngesellschaften suchten ihre Linien frei zu halten, indem sie Tausende von Arbeitern anstellten, die den Schnee in große Blöcke von der Breite des ganzen Bahnbettes und 12 Fuß Länge zu zerschneiden hatten. Diese Blöcke wurden dann, durch Stricke und Planken zusammengehalten, mittelst einer vorgespannten Lokomotive an freiere Plätze geschafft, wo sie mit leichter Mühe aufgebrochen und beseitigt werden konnten.

Nicht immer aber war der Erfolg ein den ungeheuern Arbeiten entsprechender. So hatte man an einer Stelle nach fürchterlicher Mühe 324,000 Kubikyards Schnee hinweggeschafft, aber ein plötzlich sich aufmachender Wind füllte innerhalb acht Stunden die ganzen Öffnungen wieder zu.

So ging es fort bis zum Frühjahr, welches mit seiner ungewöhnlichen Sonnengluth die ungeheueren Schneemassen überraschend schnell zum Schmelzen brachte. In Folge dessen schwollen alle Flüsse und Ströme zu enormer Höhe an und verursachten jene furchtbaren Überschwemmungen des Missouri, Ohio und Mississippi, welche, wie ich im Jahrgange 1884 der ›Gartenlaube‹ geschildert habe, viele tausend Menschen um ihre Heimstätten brachten.

So hat, wie allerorten auf Erden, der Mensch auch hier unausgesetzt den Kampf gegen die ihm feindlichen Elemente zu führen.


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