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Dreizehntes Kapitel.
Böse Worte

Ah, du hier, Alter!« rief Goring, sich seines Ueberziehers entledigend. »Was für eine finstere Miene! Spinnen verschluckt, was?«

»Nein, aber Schmutz,« versetzte Kinloch mit zornfunkelnden Augen. »Dank der Ehre, dein Kamerad zu sein, tischt man mir derlei Dinge auf – ich komme von Frau Travenor.«

»Die abgeschmackte Gans!« versetzte Goring, gelassen seinen Rock aufhängend. »Was hat denn die wieder zu tratschen?«

»Das solltest du mit ihr selbst abmachen,« erwiderte Kinloch, ins Herrenstübchen tretend, dessen rotverschleierte Lampe zur Zeit nur leere Stühle beschien.

»Nun, nun, Alter,« sagte Goring ihm nachfolgend und die Thüre hinter sich schließend, »was hat dich denn so in Harnisch gebracht?«

Der tiefe Ernst auf Kinlochs Gesicht machte ihn jetzt doch betroffen.

»Du wirst natürlich sagen, die Sache gehe mich nichts an, du findest ja sogar, daß sie die Travenors nichts angehe.«

»Die Travenors sind mir schnuppe, aber ...«

»Mich wirst du wenigstens anhören?«

»Gewiß, schieß los!« erwiderte Goring, sich in einen Lehnstuhl werfend und eine Cigarre ansteckend.

Einige Sekunden herrschte unheimliches Schweigen – die bekannte Stille vor dem Sturm.

»Ich höre,« begann Kinloch, »daß du Fräulein Summerhayes rücksichtslos in der Leute Mäuler gebracht hast, dabei ihre Verwandten nicht besuchst, Briefe nicht einmal beantwortest, aber häufig hierherkommst, um das unerfahrene Kind zu heimlichen Zusammenkünften zu verleiten.«

»Stimmt, bis auf die Bezeichnung ›heimlich‹. Meinetwegen kann uns die ganze Welt unter den alten Bäumen spazieren sehen – verflucht genußreiche Stunden, sag' ich dir! Und was das Altweibergeschwätz hier herum anbetrifft, so kümmert sich in unsern Kreisen kein Mensch darum.«

Kinloch setzte sich an den Tisch und stützte, nach Selbstbeherrschung ringend, den Kopf in die Hand.

»Ich habe dich dem jungen Mädchen vorgestellt und fühle mich einigermaßen verantwortlich.«

»O bitte, dein zartes Gewissen nicht damit zu beschweren! Nachdem ich sie einmal gesehen hatte, wäre es mir auch ohne deinen Beistand gelungen, die Bekanntschaft fortzusetzen ... das schlägt ja in mein Fach!« sagte Goring selbstgefällig vor sich hin lächelnd.

»Dann will ich meine Verantwortlichkeit etwas weiter zurückführen – ohne mich hättest du nie von Barton gehört ...«

»Sehr wahr gesprochen, nur war dir meine Begleitung so unerwünscht, daß du wirklich deine Hände in Unschuld waschen kannst! Bitte, weiter im Text! Was steht eigentlich zu Diensten?«

»Daß du dich deutlich erklärst, ob du das Mädchen zu heiraten gedenkst, andernfalls aber das Verhältnis abbrichst. Entscheide dich!«

Ein kurzes Schweigen – dann schallendes Gelächter. »Entscheide dich! Rot oder schwarz – Kaffee oder Thee? Und gesetzten Falls, ich habe weder zum einen noch zum andern Lust, was für eine erschreckliche Drohung hast du denn dann bereit?« fragte Goring mit einem Lächeln, das Kinloch rasend machte.

Eine Weile schwieg er – am liebsten hätte er den Lacher halbtot geprügelt, aber damit wären weder Peggys, noch die militärischen Interessen sehr gefördert worden. Aufstehen und hinausgehen? Peggys traurige, hilflose Augen ließen ihn nicht vom Fleck. Und Tom Somersets Geschichte? Nun, er konnte ja einen Probepfeil abschießen!

»Und wenn ich mich nicht entscheide?« fuhr Goring frech fort. »Wenn ich mich weigere, auf Kommando des Hauptmanns Kinloch zu handeln, welches Strafgericht schüttelst du dann aus dem Aermel, wenn ich bitten darf?«

»Den Rubin, womit sich Gassepah Jheel deine Hilfe erkauft hat,« versetzte Kinloch mit gedämpfter Stimme.

Goring wurde leichenblaß – Staunen, Grauen, Schuldbewußtsein sprachen aus seinen Zügen. Tom Somerset hatte nicht zu viel gesagt – die ganze Geschichte mußte wahr sein, Gorings Augen verrieten es. Aber nur eine verhängnisvolle Sekunde lang beraubte ihn der Schreck seiner Findigkeit, dann raffte er sich auf und sagte wegwerfend: »Ich weiß nicht, was du damit sagen willst – habe in meinem Leben weder von dem Kerl, noch von einem Rubin gehört, das kann ich dir schwören.«

Wenn Kinloch eines weiteren Beweises bedurft hätte, da war er, und Goring selbst, dem's ja nicht an Verstand gebrach, fühlte wohl, daß er in der ersten Bestürzung einen falschen Zug gemacht hatte. Daß er mit der Sache zu thun gehabt hatte, konnten in Indien gar zu viele bezeugen.

»Das Schwören würde ich mir abgewöhnen,« versetzte Kinloch hart. »Willst du etwa behaupten, daß du nie mit einem gewissen Perry im Chorbowli Dâk-Bungalow zusammen warst, dessen Gefangener, ein Dacoit, auf deinem eigenen Polopony entfloh?«

Goring schien ernstlich nachzudenken.

»Ja ... ja ... es dämmert mir so etwas ...«

»Die Flucht eines berüchtigten Räubers, der Verlust eines Pferdes sind doch keine so unwesentlichen Ereignisse! Du mußt ein sehr schlechtes Gedächtnis haben! Die Sache ist noch keine vier Jahre her.«

Auf Gorings Gesicht stieg eine flammende Röte auf.

»Meine Vergangenheit scheint dir ja sehr am Herzen zu liegen!« witzelte er.

»Du liegst mir ganz und gar nicht am Herzen! Ich erfuhr rein zufällig von deinen Erlebnissen.«

»Woher denn ... Perry ist tot ...«

»Ach so! Du erinnerst dich seiner doch? Ja, er ist tot, aber Tote reden mitunter, hinterlassen zuweilen Briefe – Perry sogar einen recht wichtigen – von Gassepah Jheel.«

»Von ... Gassepah ... das ... das glaube ich nicht.«

Goring stand auf; er schien um zehn Jahre gealtert zu sein, so blaß und hohläugig war er.

»Er hat ihm aber doch geschrieben, und zwar um sich bei Perry zu bedanken für die Großmut des Kameraden, der ihm zur Freiheit verholfen und ihm seinen Pony ... hm ... verkauft habe.«

»Die Sache mag noch so verdächtig aussehen,« brauste Goring auf, »unschuldig bin ich doch! Mit den sogenannten unwiderleglichen Beweisen hat man schon manchen Unschuldigen verurteilt! Nimm Rücksicht aufs Regiment und besinne dich zweimal, ehe du diese Geschichte aufwärmst.«

»Das Regiment kommt dabei nicht ins Spiel ...«

»Aber das Mädchen? Ihretwegen setzest du mir die Daumschrauben an?«

Kinloch stand auf und begann im Zimmer hin und her zu gehen. Von Gorings Schuld war er im Innersten überzeugt, auch hatte er den Mann in seiner Gewalt. Aber durfte er ihn mit dieser Ueberzeugung zur Heirat zwingen, durfte er auch nur zugeben, daß Peggy seine Frau ward?

Aber wenn ihr Ruf, ja ihr Leben gefährdet waren? Wenn Goring sie verließ, so war es bei ihrer leidenschaftlichen Natur gar nicht anders möglich, als daß sie hinsiechen und auslöschen würde. »Schwindsucht,« würden die Leute sagen, die das arme Waldblümchen unter die vielen Summerhayes auf dem Kirchhof betten würden.

Und wenn ihres Herzens Sehnen erfüllt, sie die Frau dieses hübschen, gewandten Schlingels wurde? Kinloch sah ihn prüfend an – es konnte ja sein, daß sie sich glücklich fühlen, ihn günstig beeinflussen und zu einem besseren Menschen machen würde! Eine Frau, die schön ist und gut, hat ungeheuere Macht, und Peggy war gut. Hier eine Möglichkeit, dort Gewißheit – nun, die Möglichkeit sollte beiden gegönnt sein!

Es war ein merkwürdiger Fall für Kinloch – er zwang einen Mann, den er im innersten Herzen verachtete, das Mädchen zu heiraten, das er selbst von ganzer Seele liebte!

»Ja, es geschieht um des Mädchens willen,« erwiderte Kinloch endlich auf Gorings letzte Frage. »Du hast deine gefährliche Macht an ihr geübt, sie glaubt an dich und hält dich für einen Gott.«

»Worin du andrer Ansicht bist ...«

»Lassen wir meine Ansichten unerörtert. Ich hoffe, du wirst ihr den schönen Wahn nicht zerstören ... sie liebt dich ...«

»Und ich habe sie rasend gern!«

»Andre auch – ihrer Schwester bricht das Herz um sie! Du hast ihren Ruf geschändet ...«

»Das Mädchen ist engelrein!«

»Wem sagst du das? Ich weiß es, aber die Leute hier denken anders. Ich glaube, daß sie einen guten Einfluß auf dich ausüben wird – ich wünsche und hoffe es wenigstens.«

»O, Peggys Gewissen reicht vollkommen für zwei aus, darauf kannst du dich verlassen, und sie wickelt mich um den kleinen Finger, die kleine Heilige! Uebrigens – es ist mir sehr schmeichelhaft, daß du meine Braut so zu schätzen weißt.«

»Heiligen begegnet man eben nicht alle Tage, dafür interessiert deine Braut sich für mich nicht im geringsten. Bitte, sag' mir jetzt, wozu du entschlossen bist?«

»Mit Vergnügen,« versetzte Goring, dessen Selbstgefühl sich fabelhaft rasch erholt hatte. »Nun, da du dein Pulver verschossen, mich der größten Schlechtigkeiten bezichtigt und dich so unangenehm als möglich gemacht hast, darf ich vielleicht auch zu Wort kommen! Die Geschichte von dem Rubin war ja sehr verblüffend, aber vielleicht verblüfft's dich noch mehr, wenn ich dir sage, daß ich dieses Mal eigens nach Nieder-Barton kam, um Peggy zu heiraten.«

Tiefes Schweigen und ein Blick, dem selbst Goring nicht standhalten konnte.

»Siehst du, ich habe in letzter Zeit Glück gehabt – auf dem Turf. Jetzt habe ich drei Tage Urlaub und gedenke, sie mir zu drei Wochen verlängern zu lassen. – Wenn einer heiraten will, kann man ihm doch den Urlaub nicht verweigern, was meinst du?«

»Schwerlich ... höchstens, weil das Regiment nächste Woche von Aldershot abzieht.«

»Um so lieber bleib' ich weit davon, die Geschichte mit dem Train ist mir zu langweilig.«

»Und wann willst du Hochzeit halten?«

»Nächste Woche – hier. Habe alles fix und fertig.«

»Etwas plötzlich, wie mir scheint.«

»O Peggy weiß schon, daß eine Soldatenfrau immer marschbereit sein muß!«

»Da wirst du doch morgen mit den Travenors sprechen?«

»Ja, in den sauren Apfel werde ich beißen müssen. Sie sind mir zwar unausstehlich, er, mit seinem Stierkopf und sie, die helle Trauerweide. Möchtest du nicht den Brautwerber spielen und die Geschichte für mich abmachen?«

»Nein, ich danke sehr.«

»Jedenfalls aber wirst du mein Brautführer!«

»Lieber nicht!«

»Kinloch – ich, will dir etwas sagen! Du brauchst mir denn doch nicht Blicke zuzuwerfen, als ob ich der Abschaum der Menschheit wäre! Ich habe mir heute viel von dir gefallen lassen, ich thue, was du haben willst, aber nun will ich nicht angesehen und behandelt werden wie ein Schuft! Das geht mir denn doch über die Hutschnur und mein Trauzeuge mußt du sein.«

»Warum?«

»Erstens weil du die Leute kennst, dann weil ein Regimentskamerad dabei sein muß, um der Sache ein Ansehen zu verleihen – einen andern werde ich mich hüten, herzubitten – und auch weil sie etwas auf dich hält und gekränkt wäre, wenn du absagtest.«

Der letzte Grund mochte Kinloch umgestimmt haben, denn er sagte nach kurzem Zögern: »Gut denn, ich werde kommen.«

»Abgemacht! Mir ist die Kehle ausgetrocknet – ich will uns etwas zu trinken bestellen.«

»Mir nicht,« entgegnete Kinloch kurz. »Gute Nacht.«

Damit war in recht zahmer und alltäglicher Weise eine Unterredung abgeschlossen, die leicht hätte tragisch enden können, und Herr und Frau Travenor konnten ihren Augen kaum trauen, als Hauptmann Goring andern Tags in tadellosem Besuchsanzug Der englische Offizier trägt nur im Dienst Uniform. Anm. d. Uebers., mit einer Nelke im Knopfloch, an ihre Thüre klopfte. Und zu welchem Zweck? Mit einem Heiratsantrag in aller Form und der Bitte, daß die Hochzeit in acht Tagen stattfinde!

»Mittwoch in acht Tagen!« sagte Frau Travenor nachher freudebebend zu ihrem Gatten. »Bis Sonnabend muß er sich aber doch gedulden! In zehn Tagen können wir ja beim besten Willen nicht fertig sein, und was würden die Leute dazu sagen? Es sähe ja so überstürzt aus!«

»Wenn's sein muß, je eher desto besser – eine bittere Arznei muß man schnell schlucken,« brummte Travenor. »Der Kerl ist mir wie Gift, aber ich heirate ihn ja nicht, sondern Peggy – hoffentlich flucht sie dem Tag nie! Schwatzen kann er und liebenswürdig war er heut, als ob er mir einen Gaul anhängen wollte, aber das sage ich dir – nach der Hochzeit kommt er mir nicht mehr über die Schwelle!«

»Gewiß, Hans, aber Peggy zuliebe und um der Leute willen wirst du doch alles anständig machen wollen? Ich möchte die Hodsons, die Wades, die Herricks, Hills und Knoxes einladen und diese Einladungen heute noch durch den ›Fuchs‹ herumschicken, damit's nicht so überstürzt aussieht.«

»Es ist aber überstürzt, und ich weiß eigentlich nicht warum?«

»Weil sein Regiment im nächsten Monat nach Irland verlegt wird, das ist doch hinreichend Grund dafür.«

»Hinreichend? Hm ... ich glaube daß diese unmäßige Eile und diese beispiellose Liebenswürdigkeit tiefere Gründe haben, als wir beide uns träumen lassen! Doch darüber bin ich ganz deiner Meinung, Hanna – die Hochzeit muß anständig gefeiert werden, muß aussehen, als ob wir uns drüber freuten, wenn mir's auch eher zu Mut sein wird wie bei einem Leichenbegängnis, und anstandshalber werden wir ihn auch bis dahin täglich hier haben müssen. Sorge du für Einladungen und Bewirtung – fünfzig Pfund gebe ich Peggy fürs Hochzeit- und Reisekleid. Wenn sie den andern genommen hätte, den Kinloch, würd' ich ihr hundert gegeben haben und eine Mitgift.«

»Ich will alles besorgen ganz in deinem Sinn,« erwiderte die Gattin demütig. »Meine Privatkasse soll auch dran glauben. – Ah, Jopp!« setzte sie hinzu, als der alte Gärtner plötzlich hinter der Buchsbaumhecke auftauchte, »ich kann Ihnen eine große Neuigkeit erzählen! Sonnabend in acht Tagen wird Fräulein Peggy Frau Hauptmann Goring. Was sagen Sie dazu?«

Damit kostete Frau Hanna die erste Wonne des Triumphs, denn der Alte hatte oft mißbilligend den Kopf geschüttelt zu Peggys abendlichen »Spaziergängen«.

»Gar nichts sag' ich,« lautete die Antwort. »Sag' überhaupt nicht viel, sehe um so mehr. Hab' meine Augen offen.«

»Gefällt Ihnen der Hauptmann Goring?«

»Nein, der andre, der gefällt mir. Ist ein rechter Herr, und wenn ich ihn im ›Weißen Hund‹ treffe, läßt er mir immer ein Glas einschenken.«

»Und deshalb gefällt er Ihnen!« rief Frau Hanna, sich von ihm abwendend.

Ihr schwaches Herz pochte wild und die mageren Hände glühten fieberhaft. Nach all dem Jammer, der qualvollen Spannung und Angst, der Nadelstiche und dem grausamen Mitleid, das sie von ihren Nachbarn hatte ertragen müssen, konnte sie ja jetzt als Siegerin vor die Oeffentlichkeit treten. Ihre Schwester wurde die Frau eines hübschen, eleganten, reichen Mannes, obendrein eines Offiziers! Noch ehe Goring das Haus verlassen hatte – er blieb volle drei Stunden, allerdings größtenteils mit Peggy allein im rosenumrankten Wohnzimmer! – waren zwanzig Briefchen an die besten Familien der Umgegend geschrieben, die samt und sonders die Aufforderung enthielten, der Trauung ihrer Schwester, Margarete Summerhayes mit Hauptmann C. V. Goring von I. M. Regiment Scharfschützen beizuwohnen. – Wie hübsch sich das ausnahm!

Frau Travenor legte ihre Briefsammlung in ein Körbchen, das dem »Fuchs« anvertraut wurde. Dann wurden Köchin und Hausmädchen in Kenntnis gesetzt vom Bevorstehenden und äußerten gebührende Verwunderung und Freude. Nach Tisch ging Frau Travenor ins Dorf, um die Schneiderin auf volle acht Tage zu bestellen, begegnete drei oder vier Bekannten, die ihre Mitteilung ernst und etwas ungläubig aufnahmen – das war die Lichtseite der Sache! Die Schattenseiten waren Gorings herablassende Liebenswürdigkeit, ihres Mannes mürrische Miene und die Aussicht, Peggy zu verlieren.

Goring widmete sich seiner Braut sehr viel, spielte Croquet und Tennis im Travenorschen Garten und begleitete die Damen sogar nach Bridgefort, wo sie Einkäufe zu machen hatten. Peggy blühte wie eine Rose; die dunkeln Ränder um die Augen, Mattigkeit und Blässe waren wie weggezaubert. So nahte der Tag heran und war schließlich da, ein wolkenloser, sonniger Septembertag. Die Kirche war reich mit Blumen geschmückt, die Glocken ertönten feierlich und anhaltend und von vier Pfarrsprengeln strömten die Leute herbei, um Peggy Summerhayes am Altar zu sehen, und sie brauchten sich den Weg nicht gereuen zu lassen.

In einem weißseidenen Schleppkleid, Schleier und lebenden Blüten glich diese Braut mehr einem Traumgebilde, als einem irdischen Mädchen. Ihre einzige Brautjungfer, Nancy Belt, nahm sich in grüner Gaze äußerst vorteilhaft aus, und Hauptmann Kinloch als Brautführer bildete eine Zierde des Festes. Travenor hatte sich zwar nicht zu einem neuen Anzug bequemt, war aber auch im alten Bratenrock ein stattlicher Brautvater, und Frau Hanna sah in zarter Fliederfarbe mit einem reizenden Hütchen, strahlenden Augen und blühenden Wangen selbst wie ein junges Mädchen aus.

Das Frühstück im Gutshaus war üppig und festlich, die Geschenke waren groß an Zahl, wenn auch nicht an Wert, bis auf ein Uhrenarmband von Whiting, ein Perlenhalsband vom Bräutigam und eine kostbar eingerichtete Reisetasche von Hauptmann Kinloch. Die ganze Sache verlief stattlich und glänzend, und die halb neidischen, halb verdutzten Gäste wußten nicht recht, was für Gesichter sie machen sollten, besonders als Peggy in einem Reisekleid von höchstem Schick (aus Bridgefort!) und einem Londoner Hütchen in dem flotten Viktoriawagen (auch aus Bridgefort!) Platz nahm und mit strahlendem Gesichtchen an der Seite des eleganten jungen Gatten unter einem Schauer alter Pantoffeln Nach englischer Sitte werden dem jungen Paar alte Pantoffeln nachgeworfen. Anm. d. Uebers. davonfuhr.

Als sich die Gäste mitsamt den Taglöhnerskindern, die in der Scheune bewirtet worden waren, endlich verzogen hatten, die Speisenüberreste untergebracht waren, das Silber beiseite geräumt und der Eßtisch zusammengeschoben, ging Frau Travenor in ihr Schlafzimmer hinauf, warf sich auf ihr Bett und weinte sich aus.

Hauptmann Kinloch wechselte im »Weißen Hund« seinen Anzug und machte an diesem Abend noch einen Spaziergang von zwanzig Meilen.


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