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Zweites Kapitel.

In der Subura war man erst spät am Morgen auf. War man im kaiserlichen Rom des Domitian auch schon frühzeitig auf dem Forum und in den Basiliken, wo die Geschäftigkeit begann, wo die Prozesse vorbereitet wurden, und früh auch auf dem Velabrum, wo ein Teil der Märkte lag, in der Subura war man spät auf. Die Häuser und die kleinen Läden wurden erst nach der fünften Morgenstunde geöffnet, und kein Fußgänger ließ auf dem geborstenen Pflaster aus großen flachen Steinen seinen Schritt erklingen.

Das war an diesem Morgen reingewaschen vom Regen, und die Gossen links und rechts eilten murmelnd wie Bächlein dahin oder überstürzten sich in kleinen Strudeln über die aus steckengebliebenen Abfällen gebildeten Hindernisse. Ab und zu kläffte bereits ein Hund an der Tür, gewahrte den Abfall und begann zu schnüffeln. Etwas weiter hin antwortete ein zweiter Hund, ein dritter. Die Straßenkinder kamen zum Vorschein, ungewaschene kleine Verbrecher. Sie spielten Morra mit den Fingern nur aus Vergnügen am Raten oder um Geld, um einen oder zwei As, auf den mitten in der engen Gasse in die steinernen Quadrate geschnittenen Linien, oder Dame oder Bickelspiel.

Über dem schmutzigen, grauen Prospekt der höheren und niedrigeren Häuser – die Straße verengte sich nach unten zu und ward nach obenhin weiter –, längs den verwitterten Mauern, den farblosen Luken und Türen, den Gossen und Abfällen und den wirren Kinderköpfchen lag nach der Regennacht das reine, dünne, glänzende, feine Morgenlicht des Lenzes. Der Himmelsstreifen, der sich zwischen den einander zugeneigten Dächerlinien zickzackförmig hinzog und immerfort gebrochen ward, blaute in klarer Tiefe. Ein kristallhelles und zugleich zartes Licht fiel aus dem Aprilhimmel über die Straße. Sonnenschein überleuchtete wie mit einem dünnen goldenen Glanze das graue Gestein und färbte es rötlich. Durch geöffnete Türen wurden kleine Innenräume sichtbar von dunkler, verschwommener Farbe, plötzlich von Sonnenstrahlen durchschossen, von Sonnenpuder überstäubt. Ab und zu zeichnete sich darin die eckige Linie einer Bank, eines Tisches, eines braunen Kruges ab, der aufleuchtete wie von Chrysopras überblitzt. Ein Gemüseladen, der geöffnet war, bot plötzlich einen Farbenrausch dar mit seinen aufgestapelten grünen Oliven, gelben Zitronen und den dunkelvioletten Früchten des Brotbaumes.

Auch die Taberne des Nilus ward geöffnet, Riegel knarrten. Nilus war da und exerzierte seine Sklaven. Sie schlossen alle Läden auf und schleppten aus einem Brunnen zur Seite des Schuppens Eimer voll Wasser herauf. Sie erschienen mit großen Besen, gossen ihre Eimer aus und reinigten die Räume, während sie den Abfall über die Schwelle auf die Straße hinausfegten. Es sah fast so aus, als wollten sie mit diesem Abfall die noch schlaftrunkenen Galli hinausfegen. Die Bettelpriester, die ab und zu den Besen in ihrem Rücken spürten, erschienen auf schwankenden Füßen, reckten sich, während sie die glattrasierten Köpfe zur Seite neigten und die stoppelbärtigen, unrasierten Gesichter von Trunkenheit verzerrt schienen. Nilus, der in der geöffneten Tür des Stalles stand, befahl ihnen, sie sollten ihren Esel holen und endlich gehen. Der letzte, der Archigallus, kam mit dem Schrein, in dem die Göttin verwahrt war.

Die Sklaven leerten einen Eimer Wasser nach dem andern aus und fegten, fegten, zogen die Bänke und die Tafeln über die Schwelle hinaus, säuberten sie. Nilus sattelte seinen eigenen Esel und die beiden Esel iahten. Als sie iahten, kläfften die Hunde und Nilus stieg auf und ritt davon. Zwei riesengroße leere Körbe hingen zu beiden Seiten des Sattels. Zwei seiner Sklaven folgten ihm in ihrem Sklaventrab. Er begab sich nach dem Velabrum, nach dem großen Markt, um Einkäufe zu machen. Die kleinen Geschäfte in der Stadt verachtete er, wiewohl er es nicht unterlassen konnte, auf den Haufen scharlachroter Tomaten verstohlen einen prüfenden Blick zu werfen.

Die Galli klommen undankbar und unwirsch, verhöhnt von den reinemachenden Sklaven, die etwas von Läusen riefen, den höher gelegenen Hügel hinan, wo sich die Subura weitete. Sie hatten den kleinen Schrein auf den Esel gebunden. Mißmutig entfernten sie sich, während sie sich immerfort umwandten und den Sklaven Scheltworte zuriefen. Die Hunde kläfften sie an. Das Haus des Leno ward geöffnet. Taurus erschien auf einen Augenblick, blickte nach dem Himmel, nickte ermutigend. Nach dem Regen ein schöner Tag, und gewiß auch ein schöner Abend! Einen schönen Abend mußte man haben, um die Dirnen thronen zu lassen. An schönen Abenden war die Subura überfüllt von Spaziergängern und Bummlern. Dann hockten sie nicht alle bei Nilus. Wenn man ein Leno war, so mußte man all seine Hoffnungen auf den Zufall setzen, auf die Göttin des zufälligen Glückes, auf Fors Fortuna. Gestern hatte sie ihm kaum gelächelt.

Er rief ein paar Worte hinein. Die Dirnen kamen verschlafen hervor. Sie warm unfrisiert. Ihre Schultern hatten sie in Brusttücher gehüllt. Sie begannen den Tag mißmutig wie die Galli, die dort drüben rings um ihren Esel müde in der sonnendurchglühten Straße verschwanden. Taurus gebot ihnen unwirsch, sie sollten sich sputen, und sie gingen, acht müde Dirnen, mit schleppenden Schritten. Sie gingen die Subura hinunter inmitten der Gassenjungen, die fluchten, weil sie quer durch ihr Spiel gehen mußten, und ihnen gemeine Worte nachriefen. Sie gaben gemeine Worte zurück.

Die acht gingen zu der Tonstrix, zur Gymnasium, die ihnen zunächst wohnte. Aber als sie anlangten, sahen sie, daß die Dirnen aus dem Hause des Pampus schon vor ihnen da waren. Gymnasium, die vor ihrer Schwelle auf einem Schemel saß, schaute zu, die Hand vor den Augen. Ihr fettes, weißes Gesicht war bereits geschminkt. Sie selbst war schon von ihrer Tonstrix frisiert und konnte so ihr Geschäft überwachen. Ihre Sklavin frisierte sämtliche Dirnen des Viertels. Die des Pampus waren heute zuerst da, die des Taurus mußten warten. Wahrhaftig, da kamen auch die der Galla, die von dem alten Weib dort unten an der Ecke! Die der Galla würden am längsten warten müssen.

Die Tonstrix frisierte geschickt, behende und liebenswürdig eine Dirne nach der andern in ihrem kleinen geöffneten Laden. Darin stand nichts anderes als ein Tisch und ein Schemel, auf dem die Dirne faß. Ein glatter, metallener Spiegel. Ein kupfernes Gefäß auf der Schwelle voll glühender Kohle, darin ein Eisen. Die irdenen Töpfchen und Pfannen, die Vasen, die Flaschen auf dem Tisch und die Tonstrix hinter den zu frisierenden Köpfen, immerfort geschäftig, den ganzen Morgen hindurch, immerfort auf den Füßen, immer mit einem freundlichen Worte für jede der Dirnen. Die Tonstrix der Gymnasium wußte am Morgen eine jede der Dirnen in gute Laune zu versetzen. Das Haar wurde gebürstet, gekämmt, glänzend gemacht. Dann wurde es gebrannt, gelockt, hochgebunden und breit, mit vielen Nadeln befestigt, oft auch mit künstlichen Blumen an den Schläfen geschmückt. Das Gesicht wurde mit einer Schicht von gestampfter Gerste und Eiweiß überzog«!, die Röte wurde angedeutet durch den Schaum von roter Nitrumseife, die Augen wurden mit Blau ummalt, die Brauen dunkel gefärbt mit blauem und schwarzem Antimonium, die Lippen purpurn mit billiger Mehlpomade.

Die Tonstrix verrichtete dies alles beinahe mechanisch und sehr geschickt und behende, ein wenig derb zwar mit dieser allzu groben Schminke, die ab und zu nochmals aufgelegt werden mußte, wenn die Tagesbeschäftigung der Dirnen es erforderte. Aber sie tat es liebenswürdig, lächelnd und geschmackvoll, und die Dirne zog sich nach der Prozedur gefallsüchtig ihr Pallielum um die Schultern, schüttelte die Franzen auf und ging zurück, um sich, falls es der Wirt wünschte, vorn auf das hohe Gestühl zu setzen, über dem Namen, Preis und Eigenschaften verzeichnet waren.

Lavinius Gabinius kam vorüber, und die Dirnen des Taurus, die wartend dasaßen, zeigten ihn sogleich der Gymnasium und den andern.

»Das ist der Dominus der Grex, die hier spielen wird. Gestern abend war er mit der ganzen Eaterva bei Nilus.«

Neugierig blickte Gymnasium ihn an. Der Dominus trat näher, grüßte und redete Gymnasium höflich, aber dennoch wie ein Mann von Bedeutung an.

»Ich bin hier bei Gymnasium, nicht wahr?«

»Jawohl!« bestätigte die dicke Einstmalige mit fettem Lächeln in höflichem Ton. »Ihr seid der Dominus?«

»Der bin ich. Ich brauche Eure Hilfe, Gymnasium. Bei meiner Truppe habe ich augenblicklich keinen Haarkünstler. Könnt Ihr mir behilflich sein bei den Haartrachten meiner Komödianten, die keine Maske tragen? In drei Tagen soll die erste Vorstellung stattfinden im Theater des Pompejus.«

»Wenn Ihr meine Tonstrix anweisen könnt, wie die Haartrachten sein sollen.«

»Die Perücken und die griechischen Abbildungen habe ich bei mir, Gymnasium, und denke mir, daß einer so tüchtigen Tonstrix wie der Eurigen das alles leicht fallen wird. Kommt also, ich bitte Euch, wenn es Euch möglich ist, heute gegen neun Uhr ins Theater. Jetzt muß ich zu den Ädilen.«

»Das ist ein weiter Weg, Dominus.«

»Besonders für den, der ihn zu Fuß zurücklegen muß. Eine Sänfte ist leider nicht zu haben für einen Dominus Gregis, Gymnasium, nicht einmal ein Carpentum auf zwei flinken Rädchen mit einem Pferdchen davor.«

»Aber vielleicht ein Esel, Dominus?«

»Ich will lieber zu Fuß gehen, Gymnasium. Das erhält jung und gelenkig. Darf ich auf Euch rechnen mit der Tonstrix? Gegen die neunte Stunde im Theater?«

»Beim Pollux, ich werde Euch nicht warten lassen, Dominus.«

Der Dominus grüßte und ging weiter. Er war an diesem Morgen als erster aufgestanden in seiner kleinen Kammer, die hoch gelegen war in dem fünf Stockwerke hohen Hause hinter der Subura, nicht weit entfernt von den Thermen des Titus, wo er sein Bad genommen.

Seine Truppe hatte er zurückgelassen unter der Obhut des Senex, des einzigen Freigelassenen unter den Komödianten. Er hatte ihm Geld gegeben, damit er sie alle baden und essen lasse. In unmittelbarer Nähe, in den Thermen, bot sich dazu Gelegenheit. In der steigenden Aprilsonne ging er weiter zum Forum, zu den Ädilen, die ihm Botschaft übersandt, daß sie ihn erwarteten.

Doch oben in dem Hause schliefen die meisten Komödianten noch. Sie schliefen fester als ihr Dominus, sie lagen nebeneinander auf ihren dünnen, schmutzigen Matratzen und benutzten den Arm als einziges Kissen, den Mantel als einzige Decke. Gleich Käfigen stapelten sich in diesen Häusern der neuen Gegend die Kämmerchen übereinander. Seit die Thermen des Titus beinahe vollendet waren, war dies ein Spekulationsbau. Er sollte Tausenden von geringeren Bürgern und Freigelassenen, deren Existenz von den neuen Bädern abhing, Unterkunft gewähren: Maurern, Zimmerleuten, Händlern mit Brennmaterial, Mosaiklegern, Malern, Massierern und Fabrikanten von Essenzen, während auch kleine Eßläden und kleine Kneipen für all das Volk eingerichtet waren zwischen den prächtigen Thermen, dem ungeheuren Bogenbau des Colosseums und der Fontäne der Meta Sudans. All dieser armselige Lärm und Wirrwarr, der sich im Schatten dieser modernen, riesenhaften Architekturen abspielte, barg sich in den flüchtig zusammengezimmerten, meist hölzernen Häusern, die schon gleich nach ihrer Vollendung seltsame, schiefe Linien aufwiesen. Wenn die Karren voll schwerer Steinbrücke in der Richtung der Thermen und des Colosseums, die beide, wiewohl noch nicht vollendet, schon eingeweiht und im Gebrauch waren, rasselnd über den vom Regen durchweichten Sandweg holperten, schien das ganze Haus, in dem die Komödianten Unterkunft gefunden, in seinen schwachen Grundfesten zu erzittern, wie bei einem Erdbeben.

Allein die Komödianten schliefen, und auch der Senex drehte sich noch einmal auf die andere Seite. Sie hatten gestern abend bei Nilus gut gegessen, waren ermüdet von der Reise, hatten keinerlei Sorgen für den Tag, höchstens am Abend eine Probe. Aber weder die Palliatae noch die Mimus-Spiele waren für die erste Aufführung angesetzt.

In dem Kämmerchen, das sie mit dem Dominus und der Ersten Sklavenrolle teilten, waren Cäcilius und Cäcilianus erwacht. Sie erwachten gleichzeitig, weil sie fest aneinandergeschmiegt geschlafen hatten unter einem Mantel. Die blonden Köpfe lagen auf einem als Kissen, dienenden Kleiderbündel. Gleichzeitig lichteten sie sich auf und rieben sich die Augen. Die Strahlen der Aprilsonne verscheuchten ihre Schläfrigkeit. Aber die Ersten Sklavenrollen schliefen noch immer.

»Der Dominus ist fort,« sagte Cäcilianus. Er, der Jüngste, war etwas kleiner, etwas zarter gebaut als das Brüderchen, aber im übrigen sahen sich die Zwillinge völlig ähnlich. Sie sprachen einander meistens ihre Worte nach, sofern sie nicht gleichzeitig sprachen.

»Der Dominus ist fort,« sagte Cäcilius, noch bevor Cäcilianus ausgeredet hatte.

Sie blickten einander an.

»Er ist zu den Ädilen,« sagten sie gleichzeitig.

»Mit den Verträgen...«

»... den Verträgen.«

»Syrus schläft noch...«

»... wie ein Ochse.«

»Laß ihn nur...«

»...schlafen!«

»Bist du noch müde?«

»... du müde?«

»Nein.«

»Nein.«

Sie lächelten einander schalkhaft zu, umarmten sich wie an jedem Morgen. Dann sprang Cäcilius auf und begann in einem Winkel unter einem Bündel Kleidern zu suchen.

»Aufgepaßt!« rief Cäcilianus warnend, während er den schlafenden Syrus verstohlen ansah.

Aber Cäcilius zählte sein Geld, indem er ihm den Rücken zuwandte.

»Nicht mehr viel,« sagte er.

»Nicht mehr viel?« fragte Cäcilianus. »Und der Dominus? Er wühlte unter dessen verlassener Matratze.

»Hat alles mitgenommen.«

»Alles mitgenommen,« bestätigte Cäcilius.

»Der Senex wird Geld haben,« sagte Cäcilianus.

»Ah bah!« sagte Cäcilius verächtlich. »Ich will nichts von dem Senex. Steh jetzt auf! Wir wollen baden gehen. Ich habe genug.«

»Dann werden wir sehen.«

»... werden wir sehen.«

Sie schlüpften zum Zimmer hinaus. Jeder trug ein kleines Bündel in der Hand.

In den übrigen Kämmerchen, deren Türen geöffnet waren, sahen sie, wie die übrigen Komödianten noch schliefen. Die beiden Knaben sprangen Hals über Kopf die schmale Holztreppe hinunter. Sie kamen bei einem Kupferschmied vorbei, der bereits in seiner Werkstätte hämmerte, und hell tönte der Klang durch das Haus über die hohle, hölzerne Treppe. Im untersten Stockwerk war der rechts gelegene Raum von einer Wäscherei eingenommen. Der Besitzer war mit seinen Knechten bereits an der Arbeit, und neugierig schauten die Knaben sich um.

»Was wollt ihr?« rief der Wäschermeister.

Lächelnd schauten die Knaben hinein. Sie sahen, wie in den länglichen Bottichen singende Knechte tanzten und sprangen. Die tanzten und sprangen im Takt über die ausgebreiteten, gewaschenen Togen, die gewalkt werden sollten. Sie sahen die Wäscherinnen, die die gewaschenen und mit den Füßen rein getanzten Togen in die mit Kreidewasser gefüllten Bottiche tauchten. Dann sahen sie noch andere Knechte, die die Togen an Stangen aufhingen. Die hingen auf der Arbeitsstätte wie fleckenlose, weiße Halbkreise, faltenlos gestreckt, an den Enden befestigt, und fingen, weiß wie Kreide und bleich wie Schnee, einen beinahe bläulichen Widerschein des zarten Lenzlichtes auf, das durch hohe geöffnete Fenster ungehindert eindrang und das die Togen zurückwarfen, so daß die ganze Arbeitsstätte in bläulichem Weiß schimmerte.

Das bläuliche Weiß legte sich auf die behaarten Arme der Sklaven, auf ihre tanzenden Füße, auf die in Kreidewasser getauchten Arme, die mit Kreidewasser bespritzten Gesichter und auf die mit weißen Tüchern umwundenen Köpfe der Sklavinnen. Das bläuliche Weiß ward auch sichtbar auf den weiß getünchten Wänden. Es war eine unendliche, wie Azur schimmernde Reinheit von ausgebreiteten Togen, auf denen die Wäscher tanzten, die die Wäscherinnen wuschen, während das schmutzige Wasser durch eine Öffnung entströmte in den übervollen Rinnstein.

»Sieh nur, Cäcilius!« sagte Cäcilianus.

»Wie die Kerle tanzen: Eins zwei drei vier fünf, eins zwei drei.«

»Eins zwei drei vier fünf; eins zwei drei,« rief Cäcilius und klatschte in die Hände.

»Es ist genau so wie der Tanz im Mimus.«

»Nein, nicht ganz so: wir tanzten eins zwei drei vier: eins zwei: lang, kurz-kurz-kurz, lang, lang.«

»Komödianten!« riefen die Wäscher verächtlich.

»Weib-Kerlchen!« riefen schimpfend die Wäscherinnen.

»Hübsche Mäulchen!« schimpften die Wäscher.

»Ihr möchtet uns wohl haben, was?« antworteten die Knaben.

Die Wäscherinnen bewarfen sie mit einer Handvoll kreidehaltiger Flüssigkeit.

Die Knaben steckten die Zunge aus und wichen zurück. Aus dem über der Arbeitsstätte des Wäschers gelegenen Raum kam ein Sklavenhändler mit seinen Sklaven zum Vorschein. Er führte sie zum Markt. Es waren zwei Rubier darunter und eine gewiß sehr kostbare Sklavin. Die war dicht verschleiert.

»Nußköpfe!« riefen die Knaben den Negern lächelnd zu. »Laßt euch weiß waschen bei dem Wäscher hier!«

Wieder bespritzten die Wäscherinnen die Knaben mit Kreide- Wasser und die Knaben spuckten zurück. Der Sklavenhändler schalt, weil das Kreidewasser die seinen Schleier der kostbaren Sklavin befleckte und die Wäscherinnen lachten. Der Händler ging davon mit seiner Sklavin und den beiden Negern. Die »Kostbare« lüftete ihren Schleier, als sie den übervollen Rinnstein überschreiten mußten.

Die Knaben standen auf der Straße.

»Baden?« fragte Cäcilianus.

»Ja, baden,« sagte Cäcilius bejahend.

Bei dieser Vorstellung von Wasser leuchteten ihre Augen auf. Aber erst irrten sie noch ein wenig neugierig umher. Sie hatten Rom vergessen, seit sie als ganz kleine Knaben im Mimus getanzt hatten. Seither waren sie mit der Truppe gereist, seither hatte der Dominus sie Komödie spielen gelehrt, seither beschuhten sie sich mit dem Soccus, wie sie sich ein wenig hochtrabend auszudrücken pflegten, dem niedrigen Komödienschuh im Gegensatz zu dem besohlten, tragischen Cothurnus mit dem hohen Absatz. Wie hatten sie üben müssen: ihre Stimme und ihre Gebärden mit Arm und Hand und Fuß, ihre Haltung und die zierlichen Bewegungen in den Falten von Kleid und Mantel!

»Ist das schon drei Jahre her?« fragte Cäcilianus, obwohl er es ganz genau wußte.

»Drei Jahre,« sagte Cäcilius bestätigend.

»Damals haben wir nur die kleinen Satyrn oder den Cupido im Mimus getanzt.«

»Jetzt spielen wir die ersten Frauenrollen.«

Sie lächelten einander voller Genugtuung zu.

»Cäcilius,« sagte Cäcilianus, »meinst du, daß wir jetzt die Bacchides spielen werden?«

»Oder die Menächmi?«

»Ich möchte lieber die Bacchides spielen.«

»Ich auch. Dann spielen wir die Zwillingsschwestern, die beiden Bacchides, die Meretrices.«

»Und sonst? In den Menächmi spiele ich...«

»Spielst du die Erotium? Ich spiele sie nicht, sondern die Matrona, die Frau des Menächmus in Epidaurus.«

»Nein, spiel du nur die Erotium und ich die Matrona, die Frau des Menächmus.«

»Die Matrona ist eigentlich eine Rolle für Clarus,« sagte Cäcilius verächtlich.

Sie blickten sich zweifelnd an. Sie liebten einander sehr. Sie gönnten sich gegenseitig die Rolle der Erotium, die reizende Rolle der Dirne, aber keiner von ihnen konnte der langweiligen Rolle der Matrona Geschmack abgewinnen.

»Der Dominus wird es schon entscheiden.«

»... wird es schon entscheiden,« sagte der allzeit fügsame Cäcilianus. »Sieh nur, wie schön es hier ist!«

Sie blickten beide um sich.

»Ja, und größer, großartiger als in Antiochia.«

»In Damaskus.«

»In Alexandria sogar.«

Sie standen da und schauten um sich. Vor ihnen erhob sich wie eine ungeheure Ellipse der riesengroße, halbrunde Bau des Kolosseum mit seinen drei Umgängen auf unten dorischen, dann jonischen, endlich korinthischen Säulen. Der goldgraue Travertin schimmerte in der Sonne. Ehrfurchtgebietend war dieses flavische Amphitheater, dieser zyklopische, moderne Bau, der unter Vespasian, des jetzigen Kaisers Vater, begonnen, den Titus, »die Wonne des menschlichen Geschlechts«, eingeweiht hatte. Nun hatte ihn der Sohn des Vespasian und Bruder des Titus, Kaiser Domitian, nahezu vollendet. Karren mit Marmor- und Steinklötzen rasselten in langen Reihen daher. Die Architekten und ihre Tausende von Sklaven wimmelten noch zwischen den Bogen umher, und doch sollten hier bereits in vier Tagen die zirzensischen Spiele stattfinden. Unzählige Marmorstatuen krönten den höchsten Umgang, hoben sich mit leuchtend weißer, erstarrter und versteinerter Gebärde von dem tiefen Azur des Himmels ab.

»Schön ist das.«

»Großartig, nicht?«

Sie blickten empor und starrten auf die vielen Bildnisse. Die Karrenführer schrien und fluchten. Die Knaben wären beinahe überfahren worden.

»Sieh nur die neue Fontäne!« sagte Cäcilius, indem er auf die Meta Sudans zeigte, die Domitian hatte errichten lassen. Die runden Wasserstrahlen perlten gleich einem Sonnenschirm aus der bronzenen Kugel, die die Fontäne krönte.

»Sieh dort den Bogen des Titus!«

»Den Bogen des Titus!«

Sie blickten nach dem Titusbogen, den der Senat und das Volk von Rom dem göttlichen Titus, dem Triumphator über die Juden, errichtet hatte.

Weiter noch als der Titusbogen erstreckte sich das säulenreiche Forum. Es leuchtete herüber mit seinen Säulen, lauter Säulen, mit seinen Tempeln und Basiliken.

»Wollen wir schauen gehen?« fragte Cäcilianus einladend.

»Wollen wir nicht erst baden?«

Sie erkundigten sich, wo die Thermen des Titus gelegen seien. Denn hier war alles neu. Sie kannten weder die Straßen noch die Plätze. Die neuen hohen Häuser reckten sich verblüffend um sie her, rochen nach frischem Kalk, nach Holz und nach Farbe. Doch plötzlich erkannten sie die Thermen ganz deutlich: viereckige Mauern, darin Nischen mit Bildnissen, davor Pforten und Gärten.

»Wie groß das alles!«

»Und schön!«

Bewundernd eilten sie nach den Thermen. Die füllten sich bereits. Auch die Knaben drängten sich an den Ostiarii, den Türhütern, vorüber. Sie bezahlten ihre Tesserae, die sie zum Eintritt berechtigten, fanden den Preis teuer und raunten sich verstohlen etwas zu.

»Zum Tepidarium?« fragte Cäcilianus.

»Wird teuer sein,« antwortete Cäcilius bedenklich zögernd. »Lieber nur zum Frigidarium!«

Cäcilianus, liebenswürdig wie immer, fügte sich seinem Bruder. Also nur kaltes Wasser! Sie gaben ihre Bündelchen in Verwahrung, warfen ihre grauen Tuniken ab, standen nackt da, sprangen ins Wasser.

Im Frigidarium tummelten sich die Schwimmer. Oben auf einem Umgang saßen die, welche gebadet hatten, lesend oder schauend. Über dem Frigidarium rankten sich durch ein Flechtwerk Kletterrosen, die in jäher Lenzesblüte sich erschlossen und Blätter fallen ließen bei der leisesten Brise, die sie durchschauerte. Das Wasser blaute silbern überglänzt in dem noch zarten Aprilmorgen zwischen dem weißen Gestein des viereckigen, weiten Bassins und fing die Schatten der Rosenranken, der Rosenblätter, der Blumenblätter auf. Die Badenden, Häßliche und Dickbäuchige, sprangen wirr durcheinander und scherzten, im Wasser planschend. Die beiden Knaben schwammen und zogen aller Augen auf sich, weil sie so schön und einander so ähnlich waren. Seite an Seite schwammen sie, genossen das Wasser mit einem Lächeln des Wohlbehagens, tauchten unter, spielten zusammen. Alte Kerle riefen ihnen begehrlichen Auges etwas zu. Sie antworteten, niemals um ein Wort verlegen. Scherz folgte auf Scherz, Wortspiel auf Wortspiel, und die Wasser plätscherten in dem leuchtenden Sonnenlicht zwischen Scherz und Wortspiel. Immer wieder wurde ihnen von den andern Badenden etwas ins Ohr geraunt. Sie waren daran gewöhnt und warfen ein Wort zurück, ein schmutziges oft, oder spien aus zum Zeichen der Verachtung vor dem, der sie aufforderte. Wie die beiden einander gleichenden Knaben so daherschwammen Seite an Seite, fielen sie allen andern auf, weil sie so schön wirkten zwischen all den Hageren und Dickbäuchigen, so blondlockig zwischen den Kahlen, so rosig zwischen den gallig Gelben und Fahlen. Ihre aus dem Wasser emporragenden Köpfe mit den feuchten Locken waren so rund, ihre Brust und ihre Schultern so zart und dennoch breit, ihre Arme so rund und dennoch stark, ihre Hände so kräftig und dennoch fein, ihre Rücken so jung und dennoch fest von prächtiger Jugendkraft. Während sie schwammen, blühten immer wieder ihre Füße empor, deren Sohlen in dem Sonnenlicht zwischen den herabfallenden Blumenblättern rosig schimmerten. Sie lächelten, und ihre länglichen blauen Augen leuchteten vor Wohlbehagen.

»Fremde?« fragten die Badenden die Capsarii, die beim Ankleiden halfen und die Kleidungsstücke in Verwahrung nahmen.

»Wer weiß?«

»Patrizier? Junge Patrizier?«

»Nein.« Die Capsarii wiesen auf die kleine Nische, in der die schmutzigen grauen Tuniken und die kleinen Bündelchen lagen.

»Aber wer denn? Was denn?«

Die Zwillinge saßen jetzt auf dem Rande des Bassins und ließen ihre Füße in das Wasser baumeln.

»Reibe mich, Cäcilianus,« sagte Cäcilius, »hier am Halse Wegen meiner Stimme. Dann werde ich dich auch reiben.«

Sie rieben einander abwechselnd in kleinen Zwischenräumen die Halsmuskeln wegen ihrer Stimmen. Denn man hatte sie gelehrt, daß dieses Reiben die Stimme kräftige. Sie rieben einander auch die Rücken, indem sie abwechselnd auf dem Bauche lagen im Schatten der Rosen.

»Wer seid ihr?« fragten die Badenden neugierig.

»Wer?« gab Cäcilius zurück, indem er sich dumm stellte.

»Du!«

»Er?« fragte Cäcilius und wies auf Cäcilianus.

»Und du?«

»Ja, ja!«

»Wer wir beide sind?«

»Beim Herkules, ja! Wer ihr beide seid?«

»Ach so, wer ich bin?«

»Nein!« sagte Cäcilianus. »Wer ich bin?«

»Ich bin er,« sagte Cäcilius.

»Und er ist ich,« sagte Cäcilianus. »Wir beide zusammen sind Wir.«

»Seid ihr Zwillinge?« fragten die Badenden. Es waren auch alte Kerle darunter.

»Ob ich ein Zwilling bin?« fragte Cäcilius, sich dumm stellend.

»Ob ihr Zwillinge seid.«

»Ach so, ob ich ein Zwilling bin?« wiederholte Cäcilianus, sie zum Narren haltend.

»Sagt einmal,« sagte Cäcilius neckend, »wollt ihr wissen, wer von uns der Zwilling des andern ist?«

»Er«, sagte Cäcilianus, indem er auf sein Brüderchen zeigte, »ist mein Zwilling.«

»Und ich bin der seine,« fügte Cäcilius hinzu, indem er auf sein Brüderchen deutete.

Sie wollten sich ausschütten vor Lachen und purzelten in das Wasser übereinander.

»Was treibt ihr?« fragten die Badenden. Sie sahen wohl ein, daß diese beiden Spaßvögel, so jung noch und ohne Pädagogen oder sonstiges Geleite, keine Patrizier sein konnten.

»Wer? Ich?« fragte Cäcilius.

»Fragst du, was ich treibe?« fiel Cäcilianus ein.

»Ich bin Präfekt von Antiochia,« sagte Cäcilius prahlerisch.

»Und ich Kaiser von Alexandria,« sagte protzig Cäcilianus.

Sie wollten sich ausschütten vor Lachen.

Aber die Badenden begriffen.

»Ihr seid Gaukler und zu den Megalesia hergekommen?« sagten die Badenden. »Was macht ihr? Tanzt ihr auf dem Seil?«

»Pff!« machten die beiden Knaben verächtlich. »Man denke sich! Wir!«

»Aber was denn? Doch gewiß tanzen?« fragten die Badenden.

»Nun ja, tanzen.«

»Singen?«

»Ja, singen.«

»Was sonst noch?«

»Singen und tanzen und rezitieren.«

»Senare und Septenare.«

»Ihr seid also Histriones?«

»Komödianten, ja, aber Comoedi.«

»Ah, Komödianten!«

»Natürlich, ihr dummen Esel!«

»Es sind die Komödianten,« sagten die Badenden zueinander, während sie sich gegenseitig unterrichteten. »Es sind Komödianten und gehören zu der Grex, die soeben eingetroffen ist.«

»Natürlich sind es die jungen Frauenrollen.«

Cäcilius und Cäcilianus schnitten Grimassen.

»Ihr seid natürlich die alten Weiberrollen!«

Allein die Badenden duldeten die Frechheit der Knaben, weil sie so schön und weil sie Zwillinge waren. Inzwischen hatten die beiden ihre Bündelchen zurückgefordert. Sie nahmen ihre gestickten Tuniken heraus und ihre gelben Schuhe mit den langen Wadenbändern.

»Beim Herkules!« riefen spöttisch die Badenden. Währenddessen kämmten die Knaben einander das blonde Haar, packten die grauen Tuniken in das Bündel und baten den Capsarius, es aufzubewahren.

»Beim Pollux! Wie schön sie jetzt sind!« riefen die Badenden spöttisch aus. »Fors Fortuna möge euch beistehen! Eure Abenteuer mögen euch wohl bekommen! Man sehe sich nur diese blonden Zierbengel an! Wollt ihr nicht ein wenig mitkommen? Wollt ihr mich nicht lehren, wie man Senare deklamiert oder Septenare? Was wollt ihr lieber?«

Aber die Knaben waren um keine Antwort verlegen. Sie erwiderten die Scherze frech und zweideutig, da wo es angebracht war, und verließen wippenden Schrittes die Thermen.

»Unter den Badenden sind keine Vornehmen zu dieser Stunde,« sagte Cäcilius verächtlich.

»Nein, zu dieser Stunde des Tages! Hast du gehört, daß sie uns für Patrizier ...?«

»Hielten? Ja.«

»Vielleicht sind wir ...«

»Wohl gar Patrizier? Wer weiß? Wir sind Findlinge oder gestohlene Kinder.«

»In Syrakus verkauft.«

»Ja, wir sind gestohlene Patrizierkinder. Wer weiß, ob nicht gar die Kaiserin unsere Mutter ist?«

»Und unser Vater?« .

»Ein Komödiant. Die Kaiserin hat Paris, den Pantomimus, zum Geliebten ...«

»Ja, zum Geliebten gehabt. Der Kaiser hat ihn kreuzigen lassen.«

»Ja, kreuzigen. Vielleicht sind wir ...«

»Wer weiß?«

Während all dieser Mutmaßungen streckten sie die Nase in den Wind und eilten zurück, am Kolosseum und an der Meta Sudans vorüber. Bei der Fontäne stand an einer kleinen Bude ein Händler mit Ölkrapfen.

»Ich habe Hunger,« sagte Cäcilianus.

»Ich auch.«

Sie kauften Ölkrapfen und verspeisten sie. Die Vorübergehenden schauten sich nach ihnen um, wahrend sie essend dastanden in ihren gelben, gestickten Tuniken und mit den langen, blonden Locken. Die Vorübergehenden riefen ihnen etwas zu. Es waren Arbeiter und kleine Kaufleute. Die Knaben streckten ihnen die Zunge heraus. Dann gingen sie weiter durch den Bogen des Titus und sahen sich innerhalb des Bogens die Reliefs an.

»Der jüdische Kronleuchter!« sagte Cäcilius grinsend.

»Ein komisches Ding, dieser Kronleuchter!« meinte Cäcilianus bewundernd, während sie weiterliefen.

»Sieh nur!« sagte Cäcilius. »Der Palatin!«

»Schön!« meinte Cäcilianus bewundernd.

Schimmernd hob sich der flavische Palast am blauen Himmel ab. Die schweren Säulen schienen sich in dem bereits von Lenzesschwüle zitternden Licht dort oben auf dem Palasthügel zu verflüchtigen. Das reich mit Marmorbildwerken geschmückte Giebeldreieck zeichnete sich mit monumentaler Regelmäßigkeit ab, ein episches Gedicht in Marmor, eine Allegorie stolzer Majestät. Die bronzenen Ziegel leuchteten wie goldene Schnörkel, und eine Flucht von Treppen führte hinauf nach der Area Palatina, dem Platz, wo die Sonne glühte in den Helmen der prätorianischen Wachen, die dort auf ihre langen Speere gelehnt standen. Rotumsäumte Togen und farbige Mäntel sah man auf und ab wogen.

»Da wohnt der Kaiser,« sagte Cäcilianus,

»Ja, Domitian.«

Schwarze Sklaven schrien, daß Platz gemacht werde. Mit Peitschen beschrieben sie weite Bogen. Sänften folgten ihnen auf dem Fuß und Carpenta mit einem oder mit zwei Pferden bespannt. Fußgänger wichen den Fuhrwerken aus. Cäcilius und Cäcilianus wurden auf die schmalen Fußsteige der Sacra Via gedrängt. Die Stufen hinab schritten die Senatoren, die Konsulare, die Vornehmen. Sie waren zum Morgenempfang, zur Salutatio, beim Kaiser gewesen. Ihre Züge waren bleich und straff. Nie wußte ein Mensch ...

Die Knaben empfanden, daß dies die Großstadt war. Sie preßten sich dicht aneinander, wurden indes gedrängt, gedrängt, beiseite gedrängt.

»Komödianten!« riefen entrüstet die Vornehmen, die ihre am Fuße der Palasttreppe wartenden Sänften erreichen wollten. »Jagt die Komödianten fort!«

Die Sklaven beschrieben weite Bogen mit ihren Peitschen.

»Gemeine Neger!« schalt Cäcilius. »Schmutzige Nußköpfe, wollt ihr wohl das Schlagen lassen, wollt ihr wohl mein Brüderchen nicht schlagen!«

»Aus dem Weg!«

»Komödianten!« schalt nun auch das Volk, nachdem die Vornehmen gescholten hatten. »Seht sie nur an mit ihren langen Haaren und ihren gelben Dirnenröcken! Seht nur, wie sie mit ihren Tanzschuhen über die Sacra Via laufen! Schämen sie sich nicht? Seiltänzer, Komödianten, Schandbuben! Was haben die hier auf den Treppen des Palastes zu suchen? Jagt sie davon! Komödiantenpack! Was haben die hier zu suchen? Jagt sie davon!«

Dem Cäcilianus ward angst. Er drückte sich fest an Cäcilius, der den Arm um ihn legte. Cäcilianus wurde wütend und schrie:

»Elende Flegel seid ihr! Wenn wir spielen, dann könnt ihr wohl laufen, dann drängt ihr euch halb tot auf den obersten Rängen, um uns zu sehen. Müßt ihr uns schelten? Mußt du mich stoßen, du scheußlicher Neger, du Rußkopf?«

»Theaterpack seid ihr, Schreihälse von den Brettern, Larven! Versteckt euch lieber hinter euren Masken! Komödianten!«

Cäcilianus lehnte sich dicht an seinen Bruder und begann zu weinen. Der Pöbel fing an, mit Schmutz nach ihnen zu werfen, allein die Vornehmen befahlen ihnen, dies zu unterlassen. Zornig und entrüstet bestiegen sie ihre Sänften. Inmitten des heftigen Drängens ertönte ein Knallen von vielen Peitschen. Wer getroffen ward, schalt die Peitschensklaven.

»Wenn sie gleich Komödianten sind!« brummte ruhig eine rauhe, barsche Stimme. »Was hat denn das zu sagen? Geht ihr eures Weges! hört ihr nicht? Sonst schreibe ich ein Epigramm auf die römischen Protzen und Gaffer am Fuße des Palastes unseres göttlichen Jupiter-Domitianus und schlage euch damit um die Ohren!«

Die Umstehenden lachten, entwaffnet.

»Wer ist das?« fragten sie.

»Wißt ihr das nicht? Natürlich Martial, der Spanier.«

»Nein, Römer schon seit langem.«

»Nun ja, der Dichter. Er macht Epigramme.«

»Und was für gemeine Nadelstiche.«

»An denen man aber stirbt.«

Die Umstehenden hörten voller Interesse zu und lächelten befriedigt, während ihre gereizte Stimmung mit dem Winde verwehte. Die Sklaven knallten mit den Peitschen. Eine Sänfte nach der andern verschwand, vornehm sich wiegend.

»Seid ihr Komödianten?« fragte Martial.

»Ja, Herr,« antwortete Cäcilius, während er noch immer den einen Arm um Cäcilianus geschlungen hielt, der ängstlich weinte. Zu Cäcilianus:

»So weine doch nicht!«

»Spielt ihr?«

»Während der Megalesia hier im Theater des Pompejus.«

»Beim Pollux! Ihr seid ein paar reizende, kleine Komödianten. Sklaven?«

»Ja, Herr, Sklaven unseres Dominus Gregis. Ihr wißt wohl, des Lavinius Gabinius. Seine Truppe ist sehr berühmt.«

»Lavinius Gabinius, natürlich.«

»Richtig.«

Cäcilius lächelte vertraulich. Das war wenigstens ein gebildeter Mann, dieser Herr in seiner nicht sehr langen und auch nicht gerade ganz sauberen Toga, dieser Martial, der allem Anschein nach Epigramme dichtete, an denen man starb. Sicherlich ein bekannter Dichter in Rom. Obwohl er Martials Namen noch nie gehört hatte, sagte Cäcilius:

»Ich kenne Euch auch.«

»So?« sagte Martialis lächelnd.

»Natürlich. Wer kennt denn Martialis, den Epigrammendichter, nicht? Ihr schreibt giftig.«

»Hast du sie denn gelesen?«

»Ob ich sie gelesen habe!« log Cäcilius, und ihn beschlich die Furcht, Martial könne ihn bitten, eines zu rezitieren.

Allein Martial griff in die Falten seines Gürtels.

»So, hier hast du das letzte, das du noch nicht gelesen hast und das du nun nicht mehr bei den Buchhändlern im Argiletum zu kaufen brauchst.«

Martial reichte Cäcilius ein dünnes, sehr kleines Büchelchen aus Pergament in jener Form, in der die leichte Literatur zu erscheinen pflegte, zum Unterschied von den langen gewichtigeren und anspruchsvolleren Papyrusrollen.

»Ich danke Euch, Herr,« sagte Cäcilius erfreut, während er das Büchelchen in seinen Gürtel schob.

Unterdessen ließ sich eine ruhige Stimme auf der Treppe hören.

»Martial!«

Hastig wandte sich Martial um. Das Volk stand noch immer neugierig umher, aber es schrie und schalt nicht mehr. Die Sänften verschwanden eine nach der andern. Einige von ihnen wurden von Matronen bestiegen.

»Stell dir doch vor,« flüsterte Cäcilius, um Cäcilianus zum Lachen zu bringen, »daß unsere Mutter vielleicht in einer dieser Sänften sitzt.«

»Wir sitzen gewiß nicht darin,« brummte Cäcilianus, noch immer weinend und dicht an sein Brüderchen geschmiegt.

»Edler Plinius!« Hastig begrüßte Martial den, der ihn soeben gerufen hatte und nun die Stufen herabstieg, einen noch ziemlich jungen Mann von sehr vornehmem Äußeren, mit seinen Zügen, liebenswürdig, mit aristokratischer Stimme und Gebärde. »Seid mir gegrüßt! Wie Ihr seht, wartete ich Eurem Wunsche gehorsam hier auf Euch, bis Ihr von unserm guten Flavius zurückkehrtet.«

»Geht Ihr jetzt mit mir nach Laurentum, um mit den andern Freunden bei mir zu speisen?«

»Mit Freuden, mein liebenswerter Freund und Beschützer! Dieser Mittag wird der Götter würdig sein.«

»Aber mit wem steht Ihr da? Wer sind diese jungen Knaben, die aussehen, wie ...?«

»Wie Komödianten, die sie in der Tat auch sind. Ich habe sie soeben gegen diese Protzen in Schutz genommen und gegen den Pöbel, der sie natürlich schmähte.«

»Ihr habt gut daran getan, daß Ihr Eurem Herzen folgtet, ebenso wie Eure Epigramme oft scharf sein können. Also Komödianten sind sie?«

»Ebenso sicher, wie sie wie Komödianten aussehen, geliebter Freund. Der Grex, die an den Megalesia hier spielen wird, der Grex des Lavinius Gabinius gehören sie an.«

»Aber dann ... Mir fällt soeben ein, Martial, ich habe niemand, keine Mimen, keine Tänzerinnen, die unser Mahl heute etwas erheitern könnten, wenn, wir einen Augenblick vom eigenen Geplauder ausruhen wollen. Ich bin ein schlechter Gastgeber, daß ich daran nicht früher gedacht habe, und auch mein Freigelassener Hermes verdient Tadel, weil er mich nicht daran erinnert hat. Da die Megalesia bevorstehen, wird es schwer halten, gute Künstler zu finden. Denn sie alle bereiten jetzt Spiel und Tanz und Mimus vor. Was meint Ihr? Sollten diese Knaben uns nicht dienen können? Sie sehen verständig aus und gebildet.«

»Ich zweifle nicht daran, bester Freund.«

»Wie heißt du?« fragte Plinius den Cäcilius.

Ungeachtet seines ziemlich jungen Alters – er war kaum fünfunddreißig Jahre alt – besaß Plinius eine ruhige Würde, die den Römer aus altem Geschlecht kennzeichnete. Etwas Vornehmes, das dennoch liebenswürdig blieb, weil es durchaus natürlich war, klang aus seiner ruhigen, etwas hohen Stimme.

»Cäcilius, alleredelster Herr,« antwortete Cäcilius.

Martial lachte.

»Beim Herkules! Das ist lustig. Also wie Ihr selber, Freund. Denn, lieber Cäcilius, unser hoher Beschützer heißt Gaius Plinius Cäcilius Secundus.«

»Aber ich heiße nur Cäcilius, edler Martial,« sagte Cäcilius sich entschuldigend, »und mein Zwillingsbruder Cäcilianus.«

»Also, Cäcilius und Cäcilianus,« hub Plinius der Jüngere – also genannt zum Unterschied von seinem verstorbenen Oheim, dem großen Naturforscher – von neuem an, »könnt ihr, liebe Knaben, mitkommen nach unserer Villa bei Laurentum, um unser Gastmahl mit Gesang, Tanz und Vortrag zu erheitern?«

Cäcilius und Cäcilianus, sehr überrascht, beratschlagten miteinander hochrot und strahlenden Auges. Sie verstanden sich in einem einzigen Augenblick.

»Alleredelster Herr,« sagte Cäcilius, »mein Brüderchen meint gleich mir, daß es uns gewiß zu hoher Ehre und großem Vorteil gereichen würde, so wir nicht fürchten müßten, daß unser Dominus, wenn wir so lange fortbleiben ...«

»Unruhig werden wird,« vollendete Cäcilianus schüchtern, weil Cäcilius plötzlich verlegen stecken blieb.

»Wir können ihm Botschaft senden,« meinte Plinius beruhigend.

»Dann, Herr ...«

Plinius winkte einem seiner Klienten, die in dichten Reihen auf den Treppen des flavischen Palastes zauderten. Cäcilius nannte die Straße.

»Der Dominus wird im Theater sein, wenn er von den Ädilen zurückkommt.«

»Er mußte zu Gymnasium wegen der Frisuren,« wagte Cäcilianus einzuwerfen.

»Zu wem?« fragte Plinius.

»Zur Gymnasium!« rief Martial laut lachend aus. »Ich kenne sie und ihre Tonstrix. Ja, edler Freund, in der Subura haben sich antike Gewohnheiten und antike Namen erhalten.«

»Oder«, sagte Cäcilius nach kurzem Nachdenken, »vielleicht ist er bei Nilus, dem Ägypter.«

Der Klient nahm von allem Notiz, machte sich auf den Weg,

»Wir wohnen ...,« rief Cäcilianus ihm nach.

»Ja,« rief Cäcilius, seinen Bruder unterbrechend, »hinter der Subura, im Hause mit den fünf Stockwerken, wo der Wäscher rechts ...«

»Und links der Sklavenhändler,« rief Cäcilianus dem Klienten nach, der davoneilte.

»Könnt ihr nun mitkommen, Knaben?« fragte Plinius der Jüngere.

»Wir stehen Euch zu Diensten, alleredelster Herr!« sagte Cäcilius feierlich. Er witterte reichen Gewinn, gute Speisen und Freude und blinzelte seinem Brüderchen zu.

Plinius winkte. Ein geräumiges Hexapherum, das von sechs starken nubischen Sklaven getragen wurde, brach sich Bahn. Sechs andere, sich stets ablösende Nubier folgten. Zwei Vorläufer knallten mit Peitschen. Die Sänfte, sowie die spärliche Kleidung der Sklaven war reich, einfach, geschmackvoll.

»Steigt ein, Martial!« sagte Plinius einladend.

Martial stieg ein nach einigen Höflichkeitsbezeigungen. Der arme Epigrammendichter setzte sich halb liegend, während er lächelnd das mollige Polster genoß. Plinius folgte ihm.

»Steigt ein, ihr Knaben!« sagte Plinius und lud sie mit der Hand ein.

»Wir, Herr?« fragte Cäcilius zögernd und Cäcilianus deutete auf sich mit fragender Gebärde.

»Steigt ein!«

Die Knaben waren an alles, besonders auch an Überraschungen gewöhnt. Sie stiegen mit großer Feierlichkeit ein. Sie setzten sich dem vornehmen Plinius und dem liebenswürdigen Martial gegenüber. Plinius winkte mit der Hand den Klienten zu – welche Menge hatte er! –, die sich verneigten. Die beiden Knaben rümpften die Nasen, weil der Pöbel und die Protzen staunend dastanden, und blickten verächtlich über ihre Köpfe hinweg.

»Niemand wagt uns mehr zu schelten,« flüsterte Cäcilianus seinem Brüderchen zu.

»Und du«, gab Cäcilius flüsternd zurück, »sitzest in einer Sänfte genau wie deine Mutter.«

»Wie verlief die Salutatio?« fragte Martial mit leiser Stimme.

Plinius antwortete flüsternd. Der Kaiser habe die entbotenen Senatoren, Konsularbeamten und Vornehmen lange warten lassen. Dann sei er mit düsterer Miene erschienen, habe wenig gesprochen, sei wieder verschwunden, während er seinen mißtrauischen Blick hinter sich gesandt habe.

»Ich reiche ihm immer Honig in Epigrammen,« flüsterte Martial. »In der vergangenen Nacht wurde ich entboten. Es ist mir gelungen, ihn einen Augenblick zum Lachen zu bringen. Ich habe ihn unverhüllt mit Jupiter verglichen. Verzeiht mir, edler Plinius! Aber ich kann nicht anders. Glaubt mir, es ist besser, wenn ich den Schurken auch weiterhin mit Jupiter vergleiche.«

»Es sei Euch verziehen,« flüsterte Plinius, »wenn Ihr es allzeit in so kunstvoll ziseliertem Latein tut. Dann ist Euch alles verziehen. Aber wir müssen auf unserer Hut sein. Diese Knaben ...«

»Nein, sie sind keine Angeber. Sie denken jetzt nur an die Sänfte. Seht nur, wie sie die Armlehnen aus Ebenholz betasten, wie sie das Elfenbein streicheln und sich in die Polster schmiegen. Nein, diese Knaben denken an ganz andere Dinge.«

Plinius lächelte freundlich. Er begriff und entschuldigte alles, weil er alles begriff. Er seufzte tief auf und glaubte, er könne wohl diesmal unbesorgt sein, daß Domitian ... Dennoch, wer konnte es wissen! Eine Laune des Kaisers, der so oft schon Unschuldige ... Allein er wies die Sorgen von sich, sehnte sich nach seinem Landhaus, nach dem Mahl, zu dem er Gäste geladen hatte.

»Womit werden unsere blonden Komödianten uns aufwarten?« fragte er die Knaben.

Cäcilius und Cäcilianus befragten sich, in den weichen Polstern gewiegt, mit den Augen. Sie verstanden einander. Sie begriffen, daß dieser Herr ein sehr vornehmer, sehr liebenswerter, sehr milder Herr war, der nichts anderes verlangte als Vortrag, Tanz und Gesang. Sie wußten auch, nachdem sie diesen einen Blick gewechselt hatten, beide, was sie singen, tanzen und spielen würden.

»Hero und Leander, Herr,« sagte Cäcilius. »Aus dem Griechischen nach Kallimachos. Es ist sehr schön. Aber wie ist es mit der Musik?«

»Vielleicht könnte Zosimos, mein Freigelassener ...«

»Spielt er die Flöte, Herr?«

»Gut sogar.«

»Dann ...«

Cäcilius lächelte, gleich als wolle er sagen, daß es dann gewiß gelingen werde.

Plinius hatte seine Freude an diesen beiden kleinen Komödianten.

»Wie lange spielt ihr schon, ihr Knaben?«

Cäcilius berichtete es ihm, und er hörte freundlich zu. Denn er war ungeachtet seiner vornehmen Würde von Natur aus freundlich auch zu den Geringsten. Cäcilius berichtete ihm, sie beide seien entweder Findlinge oder gestohlene Kinder und schon im zartesten Kindesalter in den Besitz des Lavinius Gabinius geraten, der sehr gut, genau wie ein Vater, für sie gesorgt habe.

»Der Dominus hat uns sofort eine sehr gute Erziehung zu teil werden lassen, edler Herr. Er hat uns auf der Schule zu Syrakus bei einem Grammatista buchstabieren lernen lassen und die reine Aussprache von Vokal und Konsonant, und wann man atmen muß und wann nicht. Dann lernten wir bei einem Grammatikus zugleich mit Grammatik auch Musik und Flötenspiel und uns richtig bewegen. Wir lernten alles, was mit dem Rhythmus zusammenhängt. Ein tüchtiger Rhetor zu Syrakus lehrte uns sprechen und erzählen, eine kurze Erzählung wiedergeben, sie ihm nacherzählen, wenn er sie erzählt hatte, z.B. aus den Metamorphosen des Ovid, Herr. Wir haben Cicero lesen müssen, Herr, und lernten zu gleicher Zeit tanzen, und als wir tanzen und spielen konnten, lehrte Lavinius Gabinius uns Komödie spielen. Wir lernten Menander griechisch und Plautus und Terenz lateinisch spielen. Er lehrte uns alle Rollen, Herr, auch den Senex und den Miles Gloriosus und den Geizhals. Aber ganz besonders erzog er uns für die ersten Frauenrollen. Er ließ unsere Stimmen ausbilden, so daß wir uns nicht zu fürchten brauchen, in großen Theatern aufzutreten. Wenn es mir vergönnt ist, dies zu sagen, Herr, so sind wir mit Eurer gütigen Erlaubnis Comoedi, gute Schauspieler, und nicht Histriones, wie das unwissende Volk heutzutage alles nennt.«

Cäcilius machte ein sehr gelehrtes, etwas gewichtiges Gesicht, und Plinius lächelte. In seine Polster zurückgelehnt, sah er mit einem wohlwollenden Lächeln die beiden Knaben an und freute sich ihrer. Sie waren beide so fein und zierlich, sie hatten ihrer intelleltuellen Erziehung eine gewisse Verfeinerung zu verdanken, durch die sie sich im Verein mit ihrer ungewöhnlichen, blonden Schönheit von gar so vielen andern Gauklern unterschieden. Wie frei und dennoch bescheiden, mit welchem Takt – Plinius flüsterte es Martial zu – saßen sie ihm da gegenüber, nicht allzu bequem hingestreckt, ehrfurchtsvoll, ein wenig aufrecht sitzend und dennoch ruhig und ungezwungen! Wie zierlich sprachen sie ihr Latein nun, da sie es zierlich sprechen wollten, was in der Taberne und in den Thermen nicht nötig war, ein wenig mit zusammengekniffenen Lippen, ein wenig mit dem gewählten Bombast des Comoedus aus dem höheren Lustspiel, aber ohne einen einzigen Fehler und in gefälligem Periodenbau, mit wahrhaft literarischem Anstrich!

Martial stimmte ihm lächelnd zu. Die Knaben blickten voller Interesse durch die Vorhänge der Sänfte. Die Sonne war glutvoll durchgebrochen und leuchtete in sommerlichem Glanze. Durch die Porta Capena eilten die nubischen Träger Ostia entgegen. Die fernen Berge im Osten hoben sich mit zarten opalfarbenen Umrissen von dem türkisblauen Himmel ab. Die Schirmtannen mit ihren dunklen Kronen bildeten einen eigenartigen Gegensatz zu der Zartheit all dieser Farbentöne. In der Ferne lief der Aquädukt der Aqua Claudia mit seinen erst breiten, dann in der Perspektive schmäler werdenden Bogen mit der Via Appia parallel. Die Grabmäler schimmerten grell. Die weiter hinauf in ihren Gärten gelegenen Lufthäuser leuchteten mit ihren über die Hügel hingestreuten mattweißen Flächen, und die grasigen Hügel zur Seite des Weges grünten in üppigen Wiesen dem Horizont entgegen. Eine Herde wolliger Schafe tummelte sich darauf und weidete in der Üppigkeit der langen, wogenden Halme. Eine Hirtenflöte erklang.

»Sie laufen gut,« pries Martial die Träger. »Es ist ein langer Weg bis Laurentum.«

»Der Weg ist schlammig vom gestrigen Regen,« antwortete Plinius. »Das ist sowohl für uns wie auch für sie angenehmer als der lockere Sand. Zu Pferde ist es ja immer am angenehmsten. Aber wenn ich zum Kaiser entboten bin, muß ich schon die Sänfte benutzen.«

Dabei entfaltete er seine breite Toga, weil sie ihm unbequem war, und atmete tief auf in seiner, mit goldenen Palmenzweigen bestickten Galatunika. Während einiger Zeit schwiegen Plinius und Martial, schläfrig geworden durch das stetige gleichmäßige Wiegen der Träger, das diese nicht ganz verhindern konnten, wie sehr sie auch bemüht waren, einander abwechselnd, je zwei und zwei, die Sänfte auf ihren Schultern im Gleichgewicht zu halten. Die beiden Knaben indes schliefen nicht, sondern empfanden dieses sanfte Wiegen auf den immerfort sich ablösenden Sklavenschultern wie etwas Köstliches. Unablässig blickten sie hinaus. Die schwitzenden Sklaven glänzten wie polierte Bronze, wie Kupfer leuchtete ihr Körper im Sonnenschein. Ein goldener Glanz breitete sich über die schweißtriefende Schwärze ihrer muskelstarken Arme, bläuliche Schattenspiele zeigten sich auf ihrer haarigen Brust. Sooft Cäcilius und Cäcilianus sie anschauten, blickten sie lächelnd auf, weil diese kleinen Komödianten Sklaven waren wie sie, und die Knaben lächelten pfiffig und voller Freude an der Situation zurück.

Je weiter sie die Stadt hinter sich ließen, um so üppiger grünten die Hügel. Unter dem glatten, blauen, schon sommertiefen Himmel, an dem hier und dort große, weiße Wolkenberge trieben, legte sich das Lenzlicht über die weite Landschaft der in immer weiterer Ferne verschwindenden Hügel, wimmelte das junge Grün, waren die Wiesen wie übersprenkelt von Tausenden von Maßliebchen, golden überglänzt von Tausenden von Butterblumen. Die breitgehörnten Büffel glänzten mit ihren leuchtend schwarzen Flanken, über die sich das Licht ergoß. Sie durchbrüllten die schwüle Atmosphäre. Ihre rufenden Hirten ritten rings um sie her und trieben sie immer wieder zusammen. Zur Seite links floß träge die Tiber, Ostia entgegen, mit ihren breiten, gelblich blonden Wassern, in denen sich der Widerschein der Wolken und tiefer noch der blaue Glanz des Himmels spiegelte. Ein Duft von Thymian, Gras, Blumen, Wasser, Licht und Luft wogte im Verein mit dem Summen der Bienen ohne Unterlaß um die in stets gleichem Rhythmus schwankende Sänfte.

»Du,« sagte plötzlich Cäcilianus zu seinem Brüderchen, »das paßt uns recht, das Getragenwerden, nicht wahr?«

»Kannst du die Rolle der Hero noch?« fragte Cäcilius. »Ich will dann Leander spielen.«

»Ja, du Leander. Aber die Musik?« antwortete Cäcilianus flüsternd, und ein Zweifel war in seiner Stimme hörbar.

»Die Musik? Wir werden sehen.«

Plötzlich sank des Cäcilianus Kopf auf die Schulter des Bruders, und er schlief ein. Auch die beiden Freunde schliefen. Cäcilius berechnete im stillen, daß der vornehme Plinius wohl steinreich sein müsse, daß aber der nette Martial mit seiner possierlichen kurzen Toga sicherlich keinen As besitze. Wieder schaute er hinaus, weil die Träger um eine Ecke bogen, links, beim fünfzehnten Meilenstein. Wie flink und gleichmäßig hatten sie getragen! Die Hälfte des Weges mochten sie wohl schon zurückgelegt haben, so rechnete er im stillen aus. Denn er erinnerte sich dessen, was er Plinius und Martial hatte sagen hören, als sie über die Entfernung der Villa bei Laurentum gesprochen. Dichte Haine aus Pinien und Lorbeer grünten zu beiden Seiten des Weges, und in der Luft war ein lautes Summen wie von tausenden von Insekten. Wie köstlich duftete es hier! Während er den Lenzesduft einatmete, entsann er sich – seltsam – des eigenartigen Komödiantengeruchs, der sich bemerkbar machte, sobald sie spielten, des Geruchs von Kosmetika und Perücken, der in seiner Erinnerung unzertrennlich war von dem Rhythmus der Senare und Septenare. Ohne es zu bedauern, daß er dem edlen Plinius gefolgt, dachte er dennoch daran, daß der Dominus jetzt gewiß im Theater des Pompejus sei, und daß der Klient ihn dort suchen werde. Plötzlich packte ihn die Neugierde, wie wohl das Theater aussehen mochte, das er noch nicht kannte und in dem er binnen wenigen Tagen spielen sollte.

Da wehte jählings eine salzige Brise herüber. Cäcilius, dessen Brüderchen noch immer angelehnt dasaß, blickte hinaus. Wirklich, dort drüben sah er, o so tief, das Tyrrhenische Meer blauen. Wie blau die See und der Himmel und die ganz fernen Hügel von Latium! Dunkel die See und tiefer, lichter der Himmel und höher. Am leuchtendsten die Hügel, doch ferner, alles blau, dann das dunklere Grün der Wälder und die gelbliche Farbe des Grases, und dann all die Butterblumen und all die Maßliebchen. Aber währenddessen war der Dominus im Theater, um alles zu prüfen. Schade war es, daß sie nicht...

Die Peitschen der Vorläufer knallten. Was mochte das bedeuten?

Cäcilius blickte hinaus und sah, daß sie das Landhaus erreicht hatten. Zwischen zwei Portiken ein weiter Vorhof, strenge mit seinen steil geschnittenen, großen Buchsbäumen, eine halbmondförmige Portikus wie ein D, aus Säulen gebildet, zwischen denen Sklaven herbeieilten.

»Wir sind da,« sagte Plinius, indem er die Augen öffnete. Martial tat das gleiche, und Cäcilius weckte Cäcilianus.

 


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