Otto von Corvin
Pfaffenspiegel
Otto von Corvin

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V

Sodom und Gomorrha

    »Es ist kein feyner Leben auf erden, denn gewisse zinß haben von seinem Lehen, eyn Hürlein daneben und unserem Herre Gott gedienet.«

Die Reformation wurde recht eigentlich durch das Schandleben der römisch-katholischen Geistlichen hervorgerufen, denn der Ablaßunfug war nur die nächste Veranlassung. Es verlohnt sich daher schon der Mühe, einen Blick in diese geistliche Kloake zu tun und zu prüfen, woher es kommt, daß gerade diejenigen, welche durch ihre Stellung vorzugsweise dazu berufen waren, den Menschen als Muster der Sitte voranzugehen, sich durch die zügellosesten sinnlichen Ausschweifungen so sehr befleckten, daß sie dadurch den allgemeinen Abscheu gegen sich hervorriefen.

Die schaffende und erhaltende Kraft oder Macht, die wir Gott nennen, hat allen lebenden Geschöpfen den Geschlechtstrieb gegeben. Sie machte ihn zu dem mächtigsten Triebe, weil sie damit die Fortpflanzung verband, worauf sie bei allen organischen Geschöpfen besonders vorsorglich bedacht war,– ja, sie stellte es nicht in den freien Willen, dem Geschlechtstriebe zu folgen, sondern zwang dazu, ihm zu folgen, indem sie die unnatürliche Unterdrückung desselben empfindlich strafte. Der gewaltsam unterdrückte Geschlechtstrieb macht Tiere toll und Menschen zu Narren, wie wir an einigen Beispielen im Kapitel von den Heiligen gesehen haben.

Die Befriedigung des Geschlechtstriebes ist also eine Naturpflicht und an und für sich ebenso erlaubt und unschuldig wie die Befriedigung des Durstes. Vom sittlichen Standpunkt aus beurteilt, verdienen der Fresser und der Säufer in nicht geringerem Grade unsern Tadel als der in der sinnlichen Liebe ausschweifende Wollüstling, und die seltsame und verkehrte Ansicht, wodurch wir selbst die naturgemäße Befriedigung des Geschlechtstriebes gleichsam zu einem Verbrechen oder doch zu einer Handlung stempeln, deren man sich schämen muß, verdanken wir einzig und allein der mißverstandenen, verunstalteten, christlichen Religion.

Das gesellschaftliche Zusammenleben macht es durchaus notwendig, daß die Leidenschaften der Menschen geregelt werden, sei es nun durch die sogenannte Sitte oder durch Gesetze. Wollte ein jeder seinen Leidenschaften die Zügel schießen lassen, so würden sich Staat und Gesellschaft bald in wilde Anarchie auflösen. Damit ein jeder Bürger, auch der schwächste, im Genuß seines Lebens und Eigentums selbst gegen den stärksten geschützt sei, muß jeder seinen natürlichen Leidenschaften eine vom Gesetz bestimmte Grenze setzen, welche von den Vollziehern dieser Gesetze, hinter denen die Gesamtkraft des Volkes steht, sorgfältig bewacht und geschützt wird.

Die Erfahrung lehrt, daß der Geschlechtstrieb gar oft die gewaltigsten und verderblichsten Wirkungen hervorbringt, und so mußte er denn natürlich auch die ganz besondere Aufmerksamkeit der Gesetzgeber in Anspruch nehmen. Sie fanden in der Ehe das geeignetste Mittel, den Folgen geschlechtlicher Ausschweifungen vorzubeugen, und alle zivilisierten Völker alter und neuerer Zeit betrachten die Ehe als die festeste Grundlage des Staatslebens und in jeder Hinsicht als ein höchst segensreiches und die Menschen veredelndes Institut.

Die christliche Kirche verkannte die Wichtigkeit der Ehe durchaus nicht, und da sie unablässig bemüht war, den größtmöglichsten Einfluß auf die Menschen zu erlangen, so bemächtigte sie sich auch vorzugsweise der Ehe, obwohl dieselbe die Kirche nicht mehr berührt wie jede andere gesellschaftliche Einrichtung, und behauptete, daß zur Schließung derselben die priesterliche Einsegnung durchaus nötig sei; ja, sie ging so weit, daß sie diese rein gesellschaftliche Übereinkunft, über welche höchstens dem Staat eine Kontrolle zusteht, für ein sogenanntes Sakrament erklärte.

Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, daß die Päpste selbst die schamlosesten Betrügereien nicht scheuten, wenn es die Vergrößerung ihrer Macht galt, und so kann es uns nicht mehr besonders auffallen, wenn wir nachweisen, daß sie auch in bezug auf die Ehe wahrhaft lächerliche Inkonsequenzen begingen.

Die Ehe, dieses heilige Sakrament, wurde den Geistlichen verboten, weil es sie verunreinige! – Den wahren Grund dieses Verbotes habe ich bei Erwähnung Gregors VII. im vorigen Kapitel erwähnt, und der angegebene Zweck wurde damit erreicht, obwohl dadurch Folgen erzeugt wurden, welche der römischen Kirche fast ebenso großen Nachteil brachten wie den Menschen im allgemeinen.

Die Geistlichen wurden durch das Zölibat – so nennt man die erzwungene Ehelosigkeit römischer Priester – völlig isoliert und ihre Verbindung mit den übrigen Menschen und dem Staat zerrissen, dafür aber desto fester an die Kirche, das heißt an den Papst, gefesselt; denn dieser ist es ja, von dem jeder römisch-katholische Geistliche in höchster Instanz sein zeitliches Heil zu erwarten hat. Der alte Vizegott im Rom ist ihm Familie und Vaterland. Ein echt römisch-katholischer Geistlicher kann gar kein guter Patriot oder Staatsbürger sein.

Was kümmern sich die Päpste um die abscheulichen Folgen des Zölibats. Sie wollen unumschränkt herrschen um jeden Preis, wenn auch durch ihren schändlichen Egoismus die Moralität der ganzen Welt samt dem Christentum zugrunde geht. Die Heiligen Väter in Rom werden durch nichts anderes bewegt als durch ihren Eigennutz, welche erhabenen Gründe sie auch mit salbungsvollen Worten zur Bemäntelung desselben vorbringen mögen.

Weder Tonsur noch Weihen vermögen es, den Geistlichen die »menschlichen Schwächen«, wie man dummerweise die Regungen des Naturtriebes häufig nennt, abzustreifen. Die Natur respektiert einen geweihten Pfaffenleib ebensowenig wie den irgendeines anderen tierischen Organismus und kämpft mit ihm um ihr Recht. Diese Kämpfe endeten bei gewissenhaften Geistlichen, denen es mit ihrem Keuschheitsgelübde ernst war, gar häufig mit Selbstmord oder Wahnsinn oder mit unnatürlicher Befriedigung des Geschlechtstriebes oder mit freiwilliger Verstümmelung. Der schlechtere Teil der Geistlichen, die ich hauptsächlich mit »Pfaffen« meine, betrachtet dagegen die Ehe als eine Fessel, von der sie der gute Gregor befreit hat, und tut wie jener Mönch, der nach langen Kämpfen endlich dem Rate eines alten Praktikus folgte: »Wenn mich der Teufel reizt, so tue ich was er will, und dann hört der Kampf auf.« Sie wissen sich, was die Befriedigung des Geschlechtstriebes anbetrifft, für die Ehe schadlos zu halten, indem sie nach Clemens VI. Ausdruck »wie eine Herde Stiere gegen die Kühe des Volkes wüten«.

Diese Pfaffen nennt der heilige Bernhard »Füchse«, die den Weinberg des Herrn verderben und die Enthaltsamkeit nur zum Deckel der Schande und Wollust brauchen, vor denen schon der Apostel Petrus gewarnt habe. »Man müsse«, fährt er fort, »ein Vieh sein, um nicht zu merken, daß man allen Lastern Tür und Tor öffne, wenn man rechtmäßige Ehen verdamme«.

Jesus war selbst nicht verheiratet; aber bei vielen Gelegenheiten äußerte er sich über die Ehe und erkannte sie als eine durch göttliche Anordnung geheiligte Anstalt anMatth. 5, 31, 32; 19, 3-7, 9.; ja, wir wissen, daß er mit seiner Mutter und seinen Jüngern einer Hochzeitsfeier in Kana in Galiläa beiwohnteJoh. 2, 2., was er nicht getan haben würde, wenn er die Ehe überhaupt als eine unsittliche Verbindung erkannt hätte.

Die Apostel hatten darüber ganz dieselben Ansichten. Paulus nennt die Ehe einen in allen Betrachtungen ehrwürdigen StandHebr. 13,4. und erklärt sogar die Untersagung derselben für eine Teufelslehre1. Tim. 4, 3.. Kurz, nach allen in der Bibel enthaltenen Lehren des Christentums ist das Band, welches die Ehe um Mann und Weib schlingt, ein höchst ehrwürdiges.

Die Christen der ersten Zeit waren auch weit davon entfernt, die Ehe der Geistlichen als etwas Unerlaubtes zu betrachten, ja, sie setzten dieselbe bei ihnen sogar voraus. Petrus selbst, dessen Nachfolger die Päpste sein wollen, und die meisten der Apostel waren verheiratet. Paulus verlangt von den Bischöfen und Diakonen, daß sie im ehelichen Stande leben sollten. Er schreibt an Thimotheus: »Ein wahres Wort: wer ein Bischofsamt sucht, der strebt nach einem edeln Geschäft. Ein Bischof muß deswegen tadellos sein, eines Weibes Mann, nüchtern, ernst, wohlgesittet, zum Lehrer tüchtig; kein Trunkenbold, nicht streitsüchtig (nicht schmutziger Habgier ergeben), sondern sanft, friedliebend, frei von Geiz; der seinem Hause gut vorstehe, der seine Kinder im Gehorsam erhalte mit allem Ernst: denn wer seinem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie kann er die Gemeinde Gottes regieren1. Tim. 3, 1-5.? Die Diakonen seien eines Weibes Männer, wohl vorstehend ihren Kindern und ihren HäusernTim. 1, 3 u. 12.

An Titus schreibt er: »Deswegen habe ich Dich in Kreta zurückgelassen, damit Du das, was noch fehlt, vollends in Ordnung brächtest und in jeder Stadt Priester (Älteste) ansetzest, wie ich Dir aufgetragen habe; wenn nämlich jemand unbescholtenen Rufes ist, eines Weibes Mann, der gläubige Kinder hatTit. 1, 5-6.

Diese Stellen, welche noch durch zahlreiche andere vermehrt werden könnten, sprechen so deutlich, daß es kaum begreiflich erscheint, wie die Päpste es wagen konnten, die Rechtmäßigkeit des Zölibats der Geistlichen aus der Bibel beweisen zu wollen. Sie würden auch mit diesem Gesetz nie durchgedrungen sein, wenn nicht schon seit früherer Zeit in der christlichen Kirche die Idee von der Verdienstlichkeit des ehelosen Lebens gespukt hätte.

Wie diese dem Christentum so durchaus fremde Ansicht von der Ehe in demselben allmählich Wurzel faßte, auseinanderzusetzen, würde sehr weitläufig sein, und da ich hier mich darauf nicht einlassen kann, so will ich mich bemühen, den Gang der Sache in flüchtigen Umrissen zu skizzieren.

Zur Zeit als Jesus auftrat, hatte der Glauben an die alten Götter eigentlich längst aufgehört. Der öffentliche Gottesdienst bestand in leeren Zeremonien, und an die Stelle der Religion war die Philosophie getreten. Selbst das Volk nahm teil an den philosophischen Streitigkeiten wie heutzutage an den religiösen und hing teils diesen, teils jenen der unendlich vielen aufgestellten Systeme an.

Als nun das Christentum entstand und die Zahl der Anhänger desselben sich vermehrte, wurden auch die alten philosophischen Ansichten, deren man sich nicht so schnell entäußern konnte, in dasselbe mit hinübergenommen, und man versuchte es, so gut es anging, dieselben mit den christlichen Lehren zu vereinigen.

Die reine Philosophie – Vernunftwissenschaft, Erkenntnislehre – kann nie Schwärmerei erzeugen, welche eine entschiedene Feindin der Vernunft ist; werden ihr aber religiöse Bestandteile beigemischt, so kann sie gar leicht nicht allein zur Schwärmerei, sondern selbst zum wütendsten Fanatismus führen. Aber fast alle philosophischen Systeme jener Zeit hatten religiöse Bestandteile in sich aufgenommen, teils griechischen, altorientalischen, ägyptischen oder jüdischen Ursprungs, und ihre Anhänger und Bekenner waren meistens Gnostiker, das heißt Geheimwisser oder Offenbarungskundige. In diese Systeme kam nun noch das christliche Element, und das Resultat dieser Vereinigung waren oft sehr erhabene, aber noch häufiger höchst abgeschmackte Lehrbegriffe über Gott, Weltschöpfung, die Person Jesu, den Ursprung des Übels, das Wesen des Menschen usw. Wir haben es hier nur mit ihren Ansichten über die Ehe zu tun.

Vorherrschend unter den Offenbarungs-Philosophen war die Ansicht, daß die Materie – das Körperliche – die Quelle alles Bösen und daß die Welt nicht durch den höchsten Gott, sondern durch ein ihm untergeordnetes, unvollkommeneres Wesen – Demiurg (Werkmeister) – geschaffen sei. Der Körper des Menschen stehe unter der Herrschaft der Materie und der bald mehr oder minder bösartig gedachte Demiurgos, und das Heil des menschlichen Geistes bestehe darin, daß es sich von den Fesseln der Materie und des Demiurgos losmache und zu dem höchsten Gott zurückkehre. Mit anderen Worten heißt das: der Mensch soll ein rein geistiges Leben führen und alle vom Körper ausgehenden sinnlichen Regungen wie einen Feind bekämpfen.

Hieraus geht schon deutlich hervor, daß die Ansichten dieser Schwärmer der geschlechtlichen Vereinigung und der Ehe nicht günstig sein konnten. Ehe ich einige dieser Ansichten namhaft mache, muß ich noch vom Briefe des Paulus an die Korinther reden, welcher auf diese »Philosophie« von bedeutendem Einfluß war.

Die Christen in Korinth konnten sich über ihre Meinung von der Ehe nicht einigen und baten den Apostel Paulus um Belehrung. Dieser erfüllte ihr Begehr, und was er ihnen antwortete, kann jeder in der Bibel nachlesen (1. Korinth. Kap. 7). Aus diesem Schreiben geht hervor, daß es Paulus für besser hielt, unverheiratet zu bleiben; aber er erklärt ausdrücklich, daß er mit diesem Rate den Christen keine Schlinge werfen wollte, und daß derjenige, der es für besser halte zu heiraten, damit durchaus keine Sünde begehe. (1. Korinth. 7, 32).

Vergleichen wir die in diesem Briefe enthaltenen Ratschläge mit seinen an andern Stellen stehenden Aussprüchen über die Ehe, so möchte man mit dem römischen Statthalter Festus ausrufen: »Paule, dein vieles Wissen macht dich rasen!« Allein in dem Briefe selbst ist der Schlüssel zu seiner Handlungsweise enthalten: »Ich wollte euch aber vor Sorgen bewahren.«

Die Christen erwartete damals eine stürmische Zeit der Verfolgungen und Trübsal, dann auch die baldige Wiederkehr Jesu zum Weltgericht, und dieser Glauben hatte auf die Antwort des Paulus unverkennbaren Einfluß. Ein Unverheirateter wird die Leiden des Lebens meistens leichter ertragen als ein Familienvater; das wird jeder fühlen, der eine Familie hat.

Dieser Brief des Paulus diente den Verteidigern des Zölibats der Geistlichen als Hauptstütze; sie vergaßen dabei aber außer den besonderen Umständen, unter denen er geschrieben wurde, daß er an alle Christen zu Korinth und nicht allein an die Geistlichen geschrieben war; und hätte man die in ihm in bezug auf die Ehe enthaltenen Ratschläge allgemein als Befehl anerkennen wollen, so würde das Christentum bald ein Ende gehabt haben, indem seine Anhänger ausgestorben wären. – Denn, wenn Paulus sagt: wer heiratet, tut wohl; wer nicht heiratet, tut besser, so sagt er doch auch: Es ist dem Menschen gut, daß er kein Weib berühre. Das hätten sich die Geistlichen, welche das Zölibat verteidigen, nur ebenfalls merken und als einen Befehl erachten sollen. Ehe ist besser als Hurerei, und was Paulus darüber dachte, geht aus folgendem hervor:

Durch die Ratschläge des Apostels, vielleicht auch dadurch verführt, daß die Frauen, welche Ehelosigkeit gelobten, von der christlichen Gemeinde erhalten und oft zu untergeordneten Kirchenämtern – zu Diakonissinnen – gewählt wurden, versprachen mehrere Witwen in Korinth, sich nicht wieder zu verheiraten. Die jungen Weiber hatten sich jedoch zuviel Kraft zugetraut. Die Ehelosigkeit wurde ihnen höchst unbequem, und viele von ihnen hätten gern wieder geheiratet, wenn sie es wegen ihres Gelübdes gedurft hätten. Aber der »Fleischesteufel« – um auch einmal diesen beliebten pfäffischen Ausdruck zu gebrauchen – kehrt sich an kein Gelübde und plagte die armen, verliebten Weiberchen so sehr, daß sie es endlich machten wie der oben erwähnte Mönch und ihm den Willen taten, damit sie nur Ruhe gewannen. – Sie waren aber sehr schwer zu beruhigen, und ihr unzüchtiges Leben fing an, Aufsehen zu machen. Paulus fand sich dadurch veranlaßt, zu verordnen, daß diese Frauen, wenn sie Neigungen dazu bekämen, trotz ihres Gelübdes lieber heiraten als ein unzüchtiges Leben führen sollten, »damit nicht den Gegnern des Christentums dadurch eine willkommene und gerechte Veranlassung gegeben werde, dasselbe zu verlästern«.

Die Päpste handelten jedoch ganz anders wie der Apostel. Ihnen war es nur um Ausrottung der Ehe unter den Priestern zu tun, und sie gestatteten sogar gegen eine Geldabgabe außereheliche, geistlich-fleischliche Ausschweifungen, unbekümmert um das Ärgernis, welches dadurch gegeben wurde: ja, sie gingen selbst mit dem schändlichsten Beispiel voran!

Von ihnen gilt, was Paulus ahnungsvoll vorhersah: »Bestimmt aber sagt der Geist, daß in den letzten Zeiten einige vom Glauben abfallen werden, achtend auf Irrgeister und Teufelslehren, die mit Scheinheiligkeit Lügen verbreiten, gebrandmarkt am eigenen Gewissen, die verbieten zu heiraten und gewisse Speisen zu genießen, welche Gott geschaffen, daß sie dankbar genossen werden von den Gläubigen und von denen, welche die Wahrheit erkannt.« Doch ich will wieder zu unseren Offenbarungsnarren zurückkehren und anführen, was einige Sekten derselben von der Ehe hielten.

Julius Cassianus, ein Hauptnarr, erklärte die Ehe für Unzucht, und die ganze zahlreiche Sekte der Enkratiten floh die Berührung der Weiber überhaupt als eine Sünde. Zu ihnen gehörten die Abeloniten in der Gegend von Hippo in Afrika, die sich durchaus des geschlechtlichen Umgangs enthielten. Um aber die Vorschrift des Paulus (1. Korinth. 7, 29), daß »diejenigen, die Weiber haben, seien als hätten sie keine«, buchstäblich zu erfüllen, nahmen die Männer ein Mädchen und die Weiber einen Knaben zur beständigen Gesellschaft zu sich, um in Verbindung mit dem andern Geschlecht, aber doch außer der Ehe zu leben.

Ein gewisser Marzion, der von dem Heidentum zum Christentum übertrat, trieb es mit der Entsagung besonders weit und litt wahrscheinlich am Unterleibe, denn dafür sprechen seine hypochondrischen Lebensansichten. Seine Genossen redete er gewöhnlich an: Mitgehaßte und Mitleidende! – Dieser trübselige Narr erklärte jedes Vergnügen für eine Sünde; er verlangte, daß jeder von den schlechtesten Nahrungsmitteln leben sollte, und von der Ehe wollte er vollends nichts wissen, denn diese erschien ihm als eine privilegierte Unzucht. Er verlangte von seinen Anhängern, wenn sie verheiratet waren, daß sie sich von ihren Weibern trennten oder doch das Gelübde leisteten, sie nicht als ihre Weiber zu betrachten. – Diese Sekte bestand bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts unter besonderen Bischöfen.

Manche Lehren dieser philosophischen Christensekten führten zur Auflösung aller sichtlichen Ordnung. Kapokrates, der wahrscheinlich zur Zeit des Kaisers Hadrian in Alexandrien lebte, lehrte, daß die Befriedigung des Naturtriebes nie unerlaubt sein könne und daß die Weiber von der Natur zum gemeinschaftlichen Genusse bestimmt wären. Wer sich der sittlichen Ordnung unterwerfe, der bleibe unter der Macht des Erdgeistes; sich aber allen Lüsten ohne Leidenschaft hingeben, heiße gegen ihn kämpfen und ihm Trotz bieten.

Ein anderer Schwärmer namens Marzius führte geheimnisvolle Zeremonien ein und machte besonders die Weiber damit bekannt, wodurch bei ihnen alle Schamhaftigkeit vernichtet wurde. Von den Anhängern des Kapokrates erzählt man, daß sie bei ihren Versammlungen die Lichter verlöschten und untereinander das taten, wobei sich übrigens niemand gern leuchten läßt. Die Adamiten trieben es ähnlich. Vor ihrem Tempel, den sie das Paradies nannten, war eine bedeckte Halle. Unter dieser entkleideten sie sich und marschierten dann nackt und paarweise in die Versammlung. Hier ergriff jedes Männlein ein Fräulein – und das nannte man die mystische Vereinigung. Ganz so wie bei unsern gut protestantischen Muckerversammlungen. Die Seelenbräute sind eine uralte Erfindung.

Andere Häretiker – so hieß die ganze Klasse dieser seltsamen Philosophen – gestatteten zwar die Ehe, verhinderten aber die Schwangerschaft, indem sie es machten wie Onan, der Erzvater der Onanie.

Montanus, der in der Mitte des zweiten Jahrhunderts in Phrygien lebte, sagte, daß Jesus und die Apostel der menschlichen Schwäche viel zu viel nachgesehen hätten. Er verachtete alles Irdische und legte auf die Ehelosigkeit sehr großen Wert.

Die Valesier, eine Sekte des dritten Jahrhunderts, zwangen ihre Anhänger zur Kastration, ja, sie trieben dieselbe so leidenschaftlich, daß sie gar häufig Fremde durch List in ihre Häuser lockten und diese unangenehme Operation mit ihnen vornahmen.

Die Lehren dieser Schwärmer, besonders über das Verdienst der Ehelosigkeit, fanden in der christlichen Kirche sehr großen Beifall, und besonders waren es die des Montanus, welche sowohl unter den Geistlichen als Laien großen Anhang fanden. Wenn nun auch die römische Kirche schon frühzeitig jede kirchliche Gemeinschaft mit den Montanisten abbrach, so behielt sie doch ihre Lehre über die Fasten und das Verdienstliche der Ehelosigkeit.

Daß alles Irdische verachtet werden müßte, wurde bald der allgemeine, unter den orthodoxen Christen geltende Grundsatz. Wie den Anhängern des Montanus war ihnen Jesus und seine Jünger viel zu milde und nachsichtig, und auf welche Abwege sie durch ihre asketische Schwärmerei gerieten, haben wir im ersten Kapitel gesehen.

Je mächtiger der Geschlechtstrieb war und je mehr sinnliches Vergnügen seine Befriedigung gewährte, desto verdienstlicher erschien es, ihn zu bekämpfen, und diejenigen, denen es vollkommen gelang, standen im höchsten Ansehen und waren Gegenstand der allgemeinen Bewunderung.

Die Kirchenväter in den ersten Jahrhunderten waren meistens der Ansicht, daß die Seelen gefallener Geister zur Strafe in einen Körper gebannt wären und daß die sittliche Freiheit des Menschen in der Fähigkeit bestände, sich durch Besiegung »des Fleisches« aus der niederen Ordnung emporzuschwingen. – Der Irrtum lag in der Übertreibung; setzt man statt »Besiegung« und Abtötung Herrschaft, so wird wohl jeder Vernünftige mit der Lehre einverstanden sein.

Die Ehe hielt man zwar nicht eigentlich für böse; allein man betrachtete sie als ein notwendiges Übel zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts und zur Verhinderung der Ausschweifungen, von dem man so wenig als nur möglich Gebrauch machen müsse; man würdigte das schönste Verhältnis zu einer bloßen Kinderbesorgungsanstalt herab.

Die Vorliebe für den ehelosen Stand wurde immer allgemeiner und stieg zum Fanatismus, so daß einer der ältesten Kirchenlehrer, Ignatius, sich zu der Erklärung gezwungen sah, daß es sündlich sei, sich der Ehe aus Haß zu entziehen.

Der Philosoph Justinus, welcher den Märtyrertod erduldete, hielt es für sehr verdienstlich, wenn man den Geschlechtstrieb ganz und gar unterdrücke, indem man sich dadurch dem Zustande der Auferstandenen annähere. Er verwarf daher auch die Ehe ganz und gar und verwies auf Jesus, der nur deshalb von einer Jungfrau geboren sei, um zu zeigen, daß Gott auch Menschen hervorbringen könne ohne geschlechtliche Vermischung. Einen Jüngling, der sich selbst kastrierte, lobte er sehr.

Athenagoras und andere, die nicht so strenge waren, gaben die Ehe nur wegen der Kindererzeugung zu. Clemens von Alexandrien verteidigte zwar die Ehe und wies auf das Beispiel der Apostel hin; allein er gestand doch zu, daß derjenige vollkommener sei, welcher sich der Ehe enthalte.

Origenes, der sich selbst entmannte, sein Schüler Hierax und Methodius verdammten die Ehe, und ihre Lehren fanden unter den Mönchen Ägyptens großen Beifall.

Einer der heftigsten Eiferer gegen die Ehe war Quintus Septimus Florenz Tertullian, Priester zu Karthago. Er erklärte die Ehe zwar nicht für böse, aber doch für unrein, so daß sich der Mensch derselben schämen müsse. Die zweite Ehe nannte er geradezu Ehebruch. Auf die Frage, was aber aus dem Menschengeschlecht werden solle, wenn die Ehe aufhöre, antwortete er, »es kümmere ihn wenig, ob das Menschengeschlecht ausstürbe; man müsse wünschen, daß die Kinder bald stürben, da das Ende der Welt bevorstände.« – Und Tertullian war selbst verheiratet.

Die Lehren dieses sehr geachteten Kirchenvaters waren von sehr großem Einfluß. Die Geistlichen, welche diese Ansichten von der Verdienstlichkeit der Enthaltsamkeit verbreiteten und anpriesen, mußten natürlich mit dem Beispiel vorangehen, und sie hatten in jener Zeit auch noch die besten praktischen Gründe, sich der Ehe zu enthalten, da sie es ja hauptsächlich waren, welche den Verfolgungen zum Opfer fielen.

So kam es denn allmählich, daß die verheirateten Kirchenlehrer in eine Art von Verachtung gerieten, und dieser Umstand war ein Beweggrund mehr für die Geistlichen, sich der Ehe zu enthalten. Fanatische Bischöfe wußten es bei den ihnen untergebenen Geistlichen mit Gewalt durchzusetzen, daß sie sich nicht verheirateten, und das Volk sah immer mehr in dem ledigen Stand einen höheren Grad der Heiligkeit.

Diese Ansicht war schon im fünften Jahrhundert ziemlich allgemein, und diejenigen Geistlichen, welche nicht aus Überzeugung unverheiratet blieben, taten es aus Scheinheiligkeit, und die verheiratet waren, wußten den Glauben zu erwecken, als lebten sie mit ihren Frauen wie mit Schwestern. Fälle von Selbstentmannung kamen häufig vor; aber dessenungeachtet war um diese Zeit die Ehelosigkeit der Geistlichen weder allgemein, noch wurde sie von der Kirche geboten.

Der erste Versuch hierzu geschah im vierten Jahrhundert auf der in Spanien von neunzehn Bischöfen abgehaltenen Synode zu Elvira (zwischen 305-309). Hier wurde es nicht nur verboten, Verheiratete als Priester anzustellen, sondern man untersagte auch denen, die bereits im Ehestand lebten, den geschlechtlichen Umgang mit ihren Weibern.

Andere Synoden folgten dem Beispiel, und da man nun sehr häufig den unverheirateten Geistlichen den Vorzug gab, so bewog dies viele zum ehelosen Leben, und der Scheinheiligkeit und Heuchelei waren Tür und Tor geöffnet.

Auf der ersten allgemeinen Kirchenversammlung zu Nizäa (325) stellte ein spanischer Bischof den Antrag, die Ehe der Priester allgemein zu untersagen; allein da erhob sich Paphnutius, Bischof von Ober-Thebais, ein achtzigjähriger, in der höchsten Achtung stehender, unverheirateter Mann, und verteidigte die Ehe mit solcher Wärme und so überzeugend, daß sich die Versammlung damit begnügte, den Geistlichen die Beischläferinnen zu verbieten. – Doch selbst die Erlaubnis, sich zu verheiraten, brachte den dazu geneigten Priestern wenig Nutzen, denn der Zeitgeist erklärte sich nun einmal gegen die Ehe.

Einen bedeutenden Einfluß auf diese Zölibatsschwärmerei hatte das Mönchswesen. Den fanatischen Mönchen war die Ehe und jede geschlechtliche Berührung ein Greuel; ja, sie gingen in ihrem verkehrten Eifer so weit, daß sie sogar die Frauen verfluchten und behaupteten, daß man sie gleich einer ansteckenden Seuche oder gleich giftigen Schlangen fliehen müsse. Sie riefen sich, wenn sie einander begegneten, Sentenzen zu, welche sie immer daran erinnern sollten, daß das Weib zu verachten sei, wie z. B. »Das Weib ist die Torheit, welche die vernünftigen Seelen zur Unzucht reizt«, und dergleichen.

Was die allgemein auf das höchste verehrten Mönche als verwerflich bezeichneten, erschien nun auch den Laien so, und wenn sich auch nicht jeder zum Mönchsleben stark genug fühlte, so suchte man doch, selbst in der Welt lebend, soviel als möglich Ansprüche auf asketische Heiligkeit zu erwerben.

Dies Streben nach Heiligkeit erzeugte heldenmütige Entschlüsse, die zwar subjektiv immer zu bewundern sind, aber doch mit Bedauern darüber erfüllen, daß soviel moralisches Pulver ins Blaue hinein verschossen wurde.

Jünglinge und Jungfrauen schwärmten für die Keuschheit.

Pelagius, später Bischof von Laodicea, bewog noch im Brautbett seine Braut zu einem enthaltsamen Leben; andere wurden in derselben kritischen Lage von ihren Bräuten dazu beredet. Einige Beispiele habe ich schon früher angeführt.

Einzelne Sekten, wie die Eustathianer und Armenier, erklärten jetzt geradezu, daß kein Verheirateter selig werden könne, und wollten von verehelichten Priestern weder das Abendmahl annehmen noch sonst mit ihnen irgendeine Gemeinschaft haben. Da sie aber auch das Fleischessen für sündlich erklärten und behaupteten, daß die Reichen, wenn sie nicht ihrem ganzen Vermögen entsagten, nicht selig werden könnten, so wurden ihre Lehren auf einem Konzil als irrtümlich verdammt.

Das weitere Umsichgreifen des Mönchswesens erzeugte ein immer allgemeineres Vorurteil gegen die Ehe, und die verheirateten Priester bekamen einen immer schwierigeren Stand.

Viele der Kirchenväter, deren Schriften allgemeine Verbreitung fanden, waren mit asketischen Ansichten aufgewachsen und eiferten heftig gegen die Ehe. Dies taten Eusebius und Zeno, Bischof von Verona, derselbe, der erklärte, daß es der größte Ruhm der christlichen Tugend sei, die Natur mit Füßen zu treten.

Ambrosius, römischer Statthalter der Provinz Ligurien und Aemilien, trat zum Christentum über und wurde acht Tage nach seiner Taufe zum Bischof von Mailand gemacht. Er kannte kaum die christlichen Lehren, und da er nicht hoffen konnte, sich durch Gelehrsamkeit auszuzeichnen, so versuchte er es durch ein asketisches Leben. – Da es bis dahin noch für Ketzerei galt, die Ehe zu verdammen – die Apostel waren ja verheiratet gewesen –, so gestand er ihr immer noch einiges Gute zu; aber er konnte in den Anpreisungen des ehelosen Lebens kein Ende finden und hatte es besonders darauf abgesehen, den Jungfrauen ihre Jungfrauschaft zu erhalten. Maria stellte er ihnen beständig als Muster auf und erzählte die seltsamsten Wunder, die stattgefunden haben sollten, um die Jungfrauschaft dieses oder jenes Mädchens zu retten. Ja, er ging so weit, die Kinder zum Ungehorsam gegen die Eltern zu verführen, indem er in einem Aufrufe an die Jungfrauen sagte: »überwinde erst die Ehrfurcht gegen deine Eltern! Wenn du dein Haus überwindest, so überwindest du auch die Welt.«

Er erzeugte in Mailand durch seine Predigten einen solchen Keuschheitsfanatismus unter den Mädchen, daß die jungen Männer in Verzweiflung gerieten und vernünftige Eltern ihren Töchtern verbieten mußten, seine Predigten zu besuchen. Sein Ruf war so weit verbreitet, daß man ihm aus Afrika Jungfrauen zusandte, damit er sie zur Keuschheit verführe.

Augustin, der nach einem wilden Leben zum Christentum übertrat und endlich auch Bischof von Hippo wurde, verdammte zwar die Ehe ebenfalls nicht geradezu, trug aber durch seine Schriften sehr viel zur Zölibatsschwärmerei bei. Er lehrte, daß der unverheiratete Sohn und die unverheiratete Tochter weit besser seien als die verehelichten Eltern, und sagte: »Die ehelose Tochter wird im Himmel eine weit höhere Stufe einnehmen als ihre verehelichte Mutter: ihr Verhältnis wird zueinander sein wie das eines leuchtenden und eines finstern Sterns.«

Die Ehe zwischen Joseph und Maria stellte er als Muster einer Ehe auf, denn sie lebten im ehelichen Verhältnis, hatten sich aber gegenseitig Enthaltsamkeit gelobt. Früher sei die Ehe notwendig gewesen, um das Volk Gottes fortzupflanzen, jetzt aber, da das Christentum bereits verbreitet sei, müsse man auch diejenigen, welche sich Kinder zeugen wollten, zur Enthaltsamkeit ermahnen. Man müsse wünschen, daß alles ehelos bleibe, damit die Stadt Gottes eher voll und das Ende der Welt beschleunigt würde. – übrigens forderte Augustin von den Geistlichen nicht durchaus Ehelosigkeit.

Von dem allergrößten Einfluß auf das Zölibat und auf das Mönchsleben war der uns schon bekannte Hieronymus. Er hatte selbst aus Erfahrung die Macht des Geschlechtstriebes kennengelernt und schildert seine Kämpfe so lebhaft, daß es Grauen erregt.

»Ich«, schrieb er an Eustochium, »der ich mich aus Furcht vor der Hölle zu solchem Gefängnis verdammte, der ich mich nur in der Gesellschaft von Skorpionen und wilden Tieren befand, befand mich doch oft in den Chören von Mädchen. Das Gesicht war blaß vom Fasten, und doch glühte der Geist von Begierden im kalten Körper, und in dem vor dem Menschen schon erstorbenen Fleische loderte das Feuer der Wollust. Von aller Hilfe entblößt, warf ich mich zu den Füßen Jesu, benetzte sie mit meinen Tränen, trocknete sie mit meinen Haaren, und das widerspenstige Fleisch unterjochte ich durch wochenlanges Hungern.«

Besonders eifrig bemüht war auch Hieronymus, die Frauen für das enthaltsame Leben zu gewinnen. Dies gelang ihm vortrefflich, denn durch seinen Umgang mit den vornehmen Römerinnen hatte er sich eine sehr genaue Kenntnis des weiblichen Herzens und seiner schwachen Seiten erworben.

Eine Stelle in seinen Briefen zeigt dies schon deutlich und beweist, daß die Weiber vor tausend Jahren nicht anders waren als sie es heutzutage sind. Er schreibt nämlich an ein junges Mädchen, welchem der Aufenthalt im Hause der Mutter zu enge wird:

»Was willst du, ein Mädchen von gesundem Körper, zart, wohlbeleibt, rotwangig, vom Genusse des Fleisches und Weins und vom Gebrauch der Bäder aufgeregt, bei Ehemännern und Jünglingen machen? Tust du auch das nicht, was man von dir verlangt, so ist es doch schon ein schimpfliches Zeugnis für dich, wenn solche Dinge von dir verlangt werden. Ein wollüstiges Gemüt verlangt unanständige Dinge desto brennender, und von dem, was nicht erlaubt ist, macht man sich desto lockendere Vorstellungen.

Selbst dein schlechtes und braunes Kleid gibt ein Kennzeichen deiner verborgenen Gemütsart ab, wenn es keine Falten hat, wenn es auf der Erde fortgeschleppt wird, damit du größer zu sein scheinst; wenn es mit Fleiß irgendwo aufgetrennt ist, damit zugleich das Garstige bedeckt werde und das Schöne in die Augen falle. Auch ziehen deine schwärzlichen und glänzenden Hosen, wenn du gehst, durch ihr Rauschen die Jünglinge an sich.

Deine Brüste werden durch Binden zusammengepreßt, und der verengte Busen wird durch die Gürtel in die Höhe getrieben. Die Haare senken sich sanft entweder auf die Stirn oder auf die Ohren herab. Das Mäntelchen fällt zuweilen nieder, um die weißen Schultern zu entblößen, und dann bedeckt es wieder eilends, als wenn es nicht gesehen werden sollte, dasjenige, was es mit Willen aufgedeckt hatte.«

Um die Mädchen zu verführen, Jesum zum Bräutigam zu erwählen, gebrauchte er oft sehr seltsame Mittel, indem er dieses zarte Verhältnis höchst üppig und unzart schilderte. So schreibt er zum Beispiel an Eustochium: »Es ist der menschlichen Seele schwer, gar nichts zu lieben; etwas muß geliebt werden. Die fleischliche Liebe wird durch die geistliche überwunden. Seufze daher und sprich in deinem Bette: des Nachts suche ich denjenigen, den meine Seele liebt. Dein Bräutigam muß in deinem Schlafgemach nur mit dir scherzen. Bitte, sprich zu deinem Bräutigam, und er wird mit dir sprechen. Und hat dich der Schlaf überfallen, so wird er durch die Wand kommen, seine Hand durch das Loch stecken und deinen Bauch berühren.«

Die keusche Ehelosigkeit erschien Hieronymus als das Höchste, und von der Ehe weiß er nur das zu rühmen, – daß aus ihr Mönche und Nonnen erzeugt würden!

In sehr heftigen Streit geriet er mit Jovian, welcher die Ehe verteidigte. Er bekämpfte die Lehren desselben mit großer Gewandtheit, wenn uns auch die beigebrachten Argumente sehr häufig ein Lächeln ablocken.

In einer seiner Streitschriften führt er den Jovian redend ein. Er läßt ihn fragen, wozu Gott die Zeugungsglieder geschaffen und warum er die Sehnsucht nach Vereinigung in den Menschen gelegt habe? – Darauf antwortet Hieronymus, daß diese Körperteile geschaffen wären, um den Flüssigkeiten, mit denen die Gefäße des Körpers bewässert sind, Abgang zu verschaffen!

»Auf das Aber«, fährt er fort, »daß die Geschlechtsorgane selbst, der Bau der Zeugungsteile, die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib, und die Gebärmutter, welche geeignet ist zur Empfängnis und der Ernährung der Frucht, einen Geschlechtsunterschied zeigen, will ich in Kürze antworten.

Wir sollen wohl deshalb nie aufhören, der Wollust zu frönen, damit wir nie vergebens diese Glieder mit uns herumtragen? Warum soll wohl da die Witwe ehelos bleiben, wenn wir bloß dazu geboren sind, nach Weise des Viehes zu leben? Was brächte es mir denn für Schaden, wenn ein anderer meine Frau beschläft? – Was will da der Apostel, daß er zur Keuschheit auffordert, wenn sie gegen die Natur ist? Gewiß verdient es der Apostel, der uns zu seiner Keuschheit auffordert, zu hören: warum trägst du dein Schamglied mit dir herum? Warum unterscheidest du dich von dem Geschlecht der Weiber durch Bart, Haare und durch andere Beschaffenheit der Glieder? usw. Laßt uns Jesum nachahmen, der sich der Zeugungsglieder nicht bediente und sie doch hatte.«

Die Art und Weise, wie der heilige Hieronymus die Ehe bekämpfte, fand indessen wenig Beifall, wenn auch sehr viele mit ihm in der Hauptsache übereinstimmten, und er sah sich genötigt, sich zu verteidigen.

»In Streitschriften«, sagte er, »hat man mehr Freiheit als im Lehrvortrag und kann sich in ihnen selbst einer Art von Verstellung bedienen, um seinen Feind desto besser zu Boden zu stürzen.«

So schreibt er gegen einen Mönch, der ihn in Verdacht bringen wollte, daß er die Ehe überhaupt verdamme, ganz in der alten Art und schließt: »Weg mit dem Epikur, weg mit dem Aristippus! Sind die Sauhirten nicht mehr da, dann wird auch die trächtige Sau nicht mehr grunzen. Will er nicht gegen mich schreiben, so vernehme er mein Geschrei über so viele Länder, Meere und Völker hinweg: Ich verdamme nicht das Heiraten! Ich will, daß jeder, welcher etwa wegen nächtlicher Besorgnisse nicht allein liegen kann, sich ein Weib nehme.«

Im ersten Kapitel habe ich angegeben, wie sich die Republik der christlichen Gemeinde allmählich in eine Despotie verwandelte. Diese Veränderung, in Verbindung mit dem mächtigen Einfluß des Mönchswesens, wirkte für die Priesterehe sehr nachteilig. Ihre Gegner traten immer entschiedener auf, und von der öffentlichen Meinung unterstützt, folgten immer mehr Konzilien dem Beispiele des von Elvira.

Ein allgemeines Verbot der Priesterehe war indessen bis zum Ende des vierten Jahrhunderts noch nicht gegeben worden; aber dessenungeachtet verdankte sie ihr Fortbestehen weniger der Anerkennung ihrer Rechtmäßigkeit, als vielmehr einer teils auf besonderen Ansichten, teils auf dem Gefühl der Unausführbarkeit der strengen Grundsätze begründeten Nachsicht von Seiten der Bischöfe, während fortdauernd das Bestreben dahin gerichtet war, ihr völlig ein Ende zu machen.

Einen sehr bedeutenden Anteil an der Unterdrückung der Priesterehen von Seiten der Machthaber der Kirche hatten der Geiz und die Geldgier derselben. War es den Priestern erlaubt zu heiraten, so fiel auch ihr Nachlaß an ihre rechtmäßigen Kinder, und alles, was mit List und Betrug zusammengescharrt war, ging der Kirche verloren.

Da ich keine Geschichte der Kämpfe um die Priesterehe schreiben, sondern mehr das Verderbliche des Zölibats zeigen will und auch dargetan habe, wie die Idee von der Verdienstlichkeit der Ehelosigkeit unter den Christen Eingang gewann, so kann ich mich in bezug auf den ersten Punkt um so kürzer fassen, als ich im Verfolg des zweiten noch genötigt sein werde, auf jene Kämpfe zurückzukommen.

Die griechische Kirche hatte die Überzeugung gewonnen, daß ein so unnatürliches Gesetz wie das Zölibat ohne die größten Nachteile nicht durchführbar sei, und auf einer unter Justinian II. im kaiserlichen Palast Trullus gehaltenen Synode (692) wurde beschlossen, daß die Geistlichen nach wie vor heiraten und mit ihren Weibern leben könnten. Dieser vernünftige Beschluß behielt in der griechischen Kirche bis auf den heutigen Tag seine Geltung.

Die Trullische Synode begnügte sich aber nicht allein damit, die Priesterehe stillschweigend zu gestatten, wie es die von Nizäa tat, denn dies würde am Ende wenig geholfen haben, sondern sie verordnete: daß ein jeder, der es wagte, den Priestern und Diakonen nach ihrer Ordination die eheliche Gemeinschaft mit ihren Weibern zu untersagen, abgesetzt werden sollte. Ferner, daß diejenigen, welche ordiniert werden und unter dem Vorwande der Frömmigkeit nun ihre Weiber fortschickten, exkommuniziert werden sollten.

Die Päpste Konstantin und Hadrian I. waren vernünftig genug, die Beschlüsse der Trullischen Synode zu billigen, und Papst Hadrian II. (867-873) war selbst verheiratet. Noch am Anfang des elften Jahrhunderts kann man es als Regel annehmen, daß überall der bessere Teil der Geistlichen in einer rechtmäßigen Ehe oder doch wenigstens in einem Verhältnis lebte, welches der Ehe gleichgeachtet wurde. Die Päpste Viktor II., Stephan IX. und Nikolaus II. setzten jedoch die Versuche fort, die Priesterehe abzuschaffen; aber der Hauptfeind derselben war Gregor VII.; er verbot sie geradezu und zwang die schon verheirateten Priester, ihre Weiber zu verlassen.

Der Kampf der Geistlichen um ihre Rechte als Menschen dauerte zwei Jahrhunderte. Endlich unterlagen sie; aber dieser Sieg brachte der römischen Kirche keinen Segen. Die traurigen Folgen des Zölibats riefen, wie ich schon im Eingange bemerkte, die Reformation hervor. Aber selbst diese vermochte es nicht, den Starrsinn der Päpste zu brechen. Die Fürsten drangen bei der Trientiner Kirchenversammlung auf Abschaffung des Zölibats, welches als die Wurzel alles Übels betrachtet wurde; aber vergebens; das Zölibat wurde von diesem Konzil bestätigt, und seine Beschlüsse gelten noch bis heute.

Das Vorurteil von der Verdienstlichkeit der Selbstquälerei und der Vorzug, welchen fanatische Bischöfe den unbeweibten Geistlichen gaben, bewogen viele von diesen zum ehelosen Leben, wenn auch ihre Neigungen damit durchaus nicht übereinstimmten. Sie wußten es indessen schon anzustellen, daß sie den Schein der Heiligkeit bewahrten, dabei aber doch dem brüllenden Fleischesteufel im geheimen opferten. Sehr günstig war dafür die seltsame Sitte, daß unverheiratete Geistliche oder auch Laien Jungfrauen zu sich ins Haus nahmen, welche gleichfalls Keuschheit gelobt hatten. – Diese Jungfrauen nannte man Agapetinnen oder Liebesschwestern. Mit diesen lebten die Geistlichen »in geistiger Vertraulichkeit und platonischer Liebe«. Sie waren fortwährend mit ihnen beisammen und schliefen sogar meistens mit ihnen in einem Bette, behaupteten aber, daß sie eben nur miteinander schliefen.

Dies zu glauben, – nun dazu gehört eben Glauben. Von einigen weiß man mit Bestimmtheit, daß sie mitten in den Flammen der Wollust unverletzt blieben. Der heilige Adhelm zum Beispiel legte sich zu einem schönen Mädchen, das sich alle Mühe gab, das geistliche Fleisch rebellisch zu machen. Der Heilige benahm sich aber wie die drei Männer im feurigen Ofen und bannte den Unzuchtsteufel durch fortwährendes Psalmensingen.

Ich kannte einen zwanzigjährigen Dragonerfähnrich, dem dies Kunststück ohne Psalmensingen gelang. Wahrscheinlich ging es ihm und St. Adhelm wie jenem Abt in Baden, von dem uns Hämmerlin, Kanonikus zu Zürich und Propst zu Solothurn (starb 1860) erzählt, der sich zur Gesellschaft zwei hübsche Dirnen holen ließ, und als sie nun da waren, höchst ärgerlich ausrief: »Die verfluchten Versuchungen, gerade jetzt bleiben sie aus!« Das faule Leben, welches die Pfaffen führten, und die asketischen Übungen, welche sie mit sich vornahmen, waren der Keuschheit nichts weniger als günstig. Von den geachtetsten und würdigsten Kirchenlehrern aus den ersten Jahrhunderten, denen es mit Besiegung des Geschlechtstriebes vollkommen ernst war, wissen wir, wieviel ihnen derselbe zu schaffen machte und welche Kämpfe sie zu bestehen hatten.

Basilius hatte sich in eine reizende Einöde zurückgezogen; aber er gestand, daß er wohl dem Getümmel der Welt, aber nicht sich selbst entgehen könne. »Was ich nun in dieser Einsamkeit Tag und Nacht tue«, schreibt er an einen Freund, »schäme ich mich fast zu sagen; – indem ich die innewohnenden Leidenschaften mit mir herumtrage, bin ich überall gleicherweise im Gedränge. Deshalb bin ich durch diese Einsamkeit im ganzen nicht viel gefördert worden.«

Gregor von Nazianz behandelte seinen Körper auf härteste Weise, aber dessenungeachtet klagt er über die unaufhörlichen Neigungen zur Wollust, über die Anfälle des Teufels und seine eigene Schwäche. Er droht seinem rebellischen Fleisch, es durch Schmerzen aller Art so zu entkräften, daß es ohnmächtiger als ein Leichnam werden solle, wenn es nicht aufhören würde, seine Seele zu beunruhigen. Aber gerade seine Kasteiungen machten ihn so entzündbar, daß er einst, als ein Verwandter mit einigen Frauen in die Nähe seiner Wohnung zog, aus dieser flüchtete, um nur seine Keuschheit zu retten!

Ähnliche Beispiele haben wir schon im zweiten Kapitel kennengelernt. Alle diese heiligen Männer sind entzündbar wie Streichhölzchen und gleichen jenem würdigen Priester aus dem Gebiete von Nursia, welcher gewissenhaft und standhaft genug war, seine Frau nach seiner Ordination zu fliehen. Als er hochbetagt war, erkrankte er an einem Fieber und war im Begriff, sein Leben zu enden, als seine Frau sich liebevoll über ihn beugte, um zu lauschen, ob er noch atme. Da raffte der Sterbende seine letzten Lebenskräfte zusammen und rief: »Fort, fort, liebes Weib, tu das Stroh hinweg, noch lebt das Feuer!«

Climakus wußte ebenfalls aus Erfahrung, daß der »Fleischesteufel« der am härtesten zu besiegende ist. Er sagte: »Wer sein Fleisch überwunden hat, hat die Natur überwunden, ist über die Natur, ist ein Engel. – Ich kann mit David sagen, daß ich in mir den Gottlosen wahrgenommen, der durch seine Wut meine Seele änstigte, – durch Fasten und Abtötung verlor er seine Hitze, und da ich ihn wieder suchte, fand ich kein Merkmal seiner Gewalt mehr in mir.« Warum er ihn aber wieder suchte, das hat der fromme Mann vergessen anzugeben.

Der heilige Bernhard war ebenfalls ehrlich genug, die Macht dieses »Gottlosen« anzuerkennen: »Diesen Feind können wir weder fliehen noch in die Flucht schlagen, wenngleich Hieronymus die Flucht vor dem Weibe anrät, als der Pforte des Teufels, der Straße des Lasters, – der Mann ist eine Stoppel, nähert er sich, so brennt er.«

Was manche Heilige für wunderliche Dinge vornahmen, um die verzehrende Liebesglut zu ersticken, haben wir schon früher gesehen. Der heilige Abt Wilhelm legte sich auf ein Bett von glühenden Kohlen und lud seine Verführerin ein, sich zu ihm zu legen! Ja, dieser Heilige ließ das Grab seiner verstorbenen Geliebten öffnen, weil er das Andenken an sie nicht ausrotten konnte, und nahm ihren faulenden Körper mit in seine Zelle, um ihn sich als Stärkungsmittel unter die Nase zu halten, wenn ihn der Fleischesteufel kitzelte.

Solche Kämpfe hatten also sogar Heilige zu bestehen und gestanden ihre Schwachheit ein; aber wie wenige Heilige gibt es unter den Geistlichen! Die meisten gleichen wohl dem heiligen Augustin, Bischof von Hippo, der bekannte, daß er einst Gott gebeten habe, »er möge ihm die Gabe der Keuschheit verleihen, aber nicht sogleich, indem er wolle, daß seine wollüstigen Triebe erst gesättigt werden möchten.« Dann ist die Keuschheit freilich leicht.

So stark nun auch der Glauben in der ersten Zeit des Christentums war, so hieß es ihm doch etwas zu viel zumuten, nichts Böses zu denken, wenn ein junger Mann und ein junges Weib in einem Bette schliefen, und viele vernünftige Kirchenlehrer trachteten danach, dies anstößige und verdächtige Zusammenleben zu bekämpfen.

Dies tat unter andern schon der heilige Chrysostomus. Er schrieb: »Ich preise glücklich diejenigen, welche mit Jungfrauen zusammen wohnen und keinen Schaden nehmen, und wünschte selbst, daß ich solche Stärke hätte; auch will ich glauben, daß es möglich sei, solche zu finden. Aber ich wünsche auch, daß die, welche mich tadeln, mich überzeugen könnten, daß ein junger Mann, welcher mit einer Jungfrau zusammen wohnt, sich an ihrer Seite befindet, mit ihr an einem Tische speist, sich mit ihr den ganzen Tag unterhält, mit ihr, um ein anderes zu verschweigen, lächelt, scherzt, schmeichelnde und liebkosende Worte wechselt, von Begierde ferngehalten werden könne.–Ich habe vernommen, daß viele zu Steinen und Statuen Neigung empfunden haben. Vermag aber so viel ein Kunstwerk, was muß da erst vermögen ein zarter lebender Körper?«

Jedenfalls mußte solches Zusammenleben den Weltkindern Stoff zum Spott und zur Verdächtigung geben, und wenn man einen Pfaffen angreifen wollte, so griff man ihn immer zuerst bei seiner Liebesschwester an. Viele Jungfrauen bestanden zwar auf Untersuchung ihrer Jungfrauschaft durch Hebammen; aber der heilige Cyprian meint mit Recht: »Augen und Hände der Hebammen können auch getäuscht werden.«

Am sichersten war es freilich, wenn der Geistliche den Beweis seiner Unschuld führen konnte, wie der Patriarch Acacius, der von der Kirchenversammlung zu Seleucia (489) der Unzucht beschuldigt wurde. Er hob seine Kutte auf und bewies den ehrwürdigen Vätern durch den Augenschein, daß Unzucht bei ihm ein Ding der Unmöglichkeit sei.

Schon Tertullian spricht von der oftmals vorkommenden Schwangerschaft solcher »Jungfrauen« und von den verbrecherischen Mitteln, die sie anwendeten, dieselbe zu verheimlichen; denn damals konnten sie sich noch nicht damit entschuldigen, daß sie einen Papst gebären würden, wie es später oftmals vorkam, als die Lehre geltend gemacht wurde, daß der Vater der Päpste der – Heilige Geist sei!

Die Synode von Elvira fand es auch schon für nötig, ihr Augenmerk auf die platonischen Bündnisse zu richten, und verordnete, daß Bischöfe und Geistliche nur Schwestern oder Töchter (aus früherer Ehe erzeugte) bei sich haben sollten, welche das Gelübde der Keuschheit geleistet hatten. Aber in den Verordnungen des Erzbischofs Egbert von York (um 750) finden wir Strafen festgesetzt für Bischöfe und Diakonen, welche mit Mutter, Schwester usw., ja mit vierfüßigen Tieren Unzucht treiben! Ein Beweis, daß solche Vergehungen vorkamen.

Später suchte man dem Übel dadurch zu steuern, daß man das Alter, welches die Liebesschwestern haben mußten, sehr hoch ansetzte. Schon Theodosius II. sah sich genötigt, zu bestimmen, daß die im Dienste der Kirche stehenden Diakonissinnen über sechzig Jahre alt sein mußten, da es vorgekommen war, daß ein Diakon eine vornehme Frau in einer Kirche von Konstantinopel geschändet hatte. Dieses Alter schützte jedoch nicht gegen die Unzucht, und ein ungenannter Bischof, der dagegen eiferte, kannte die geile Natur der Pfaffenspatzen – so nannte man später die Franziskaner zum Unterschied von den Dominikanern, die Schwalben hießen –, indem er schrieb: »Auch nicht ein altes, noch häßliches Frauenzimmer sollen die Geistlichen in ihr Haus nehmen, weil man da, wo man vor Verdacht sicher ist, am schnellsten sündige; auch die Lust sich nicht an das Häßliche kehre, indem der Teufel ihr das hübsch mache, was abscheulich ist.«

Den Beweis, wie früh sich schon die verderblichen Folgen des Vorurteils gegen die Priesterehe zeigten, liefern die Beschlüsse der ersten Konzilien. Das zu Elvira sah sich schon genötigt, Strafen festzusetzen gegen unzüchtige Geistliche. »Wenn ein im Amte befindlicher Bischof, Priester oder Diakon«, heißt einer ihrer Beschlüsse, »gefunden worden ist, der Unzucht getrieben hat, so soll er auch am Ende seines Lebens nicht zur Kommunion gelassen werden.«

Das Konzil zu Neu-Cäsarea bestimmte, daß ein solcher Geistlicher abgesetzt werde und Buße tun solle. Ja, diese Beschlüsse redeten auch schon von Knabenschändungen und Sodomiterei mit Tieren.

Doch was nützen alle strengen Strafbestimmungen, wenn sie gegen eine Sache gerichtet sind, welche der Natur durchaus entgegen ist; sie können höchstens bewirken, daß sich die mit der Strafe Bedrohten mehr Mühe geben, ihre Handlungen zu verheimlichen; und schon die hier genannten Kirchenversammlungen reden von Frauen der Geistlichen, die ihre im Ehebruch erzeugten Kinder umbrachten.

Gar viele Geistliche, die sich nach ihrer Ordination nicht von ihren Frauen trennen wollten, gelobten, sich ihrer zu enthalten; aber der heilige Bernhard sagt: »Eine Frau haben und mit dieser nicht sündigen, ist mehr als Tote erwecken.« – Wie oft wurde nicht dieses Gelübde gebrochen, und wie oft wurde es nicht eben mit dieser Absicht geleistet! War ein Geistlicher gewissenhaft, so hatte er den größten Schaden davon, denn die mit der Enthaltsamkeit ihres Mannes unzufriedene Frau suchte sich einen Stellvertreter, und zeigten sich die Folgen dieses Umganges, dann kam der unschuldige Mann in Verdacht, sein Gelübde gebrochen zu haben.

Daß die Frauen der Geistlichen sich gar häufig auf solche Weise und manchmal selbst mit der Erlaubnis oder mit Wissen ihrer Männer entschädigten, beweisen abermals die Bestimmungen des schon oft genannten Konzils von Elvira. Eine derselben lautet: »Wenn die Frau eines Geistlichen hurt und ihr Mann dies weiß und sie nicht sogleich verstößt, so soll er auch nicht am Ende des Lebens die Kommunion empfangen.«

Doch nicht allein die Ehe der Geistlichen, ja sogar die der Laien wurde von der Kirche auf das sorgfältigste überwacht. Ich finde augenblicklich dafür keinen früheren Beweis als in dem Buch von den Kirchenstrafen, welches Regino, Abt von Prüm, im Jahre 909 auf Befehl des Erzbischofs Rathbod von Trier schrieb. Dort heißt es: »Der Verehelichte, der sich 40 Tage vor Ostern und Pfingsten oder Weihnachten, an jeder Sonntagsnacht, am Mittwoch oder Freitag, von der sichtbaren Empfängnis bis zur Geburt des Kindes von der Frau nicht enthält, muß, wenn ein Sohn geboren wird, 30 Tage, wenn eine Tochter geboren wird, 40 Tage Buße tun. Wer in der Quadragesima (der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern) seiner Frau beiwohnt, muß ein Jahr Buße tun oder 16 Solidos an die Kirche bezahlen oder unter die Armen verteilen. Tut er es in der Besoffenheit und zufällig, so darf er nur 40 Tage Buße tun. – Jeder muß sich vor Empfang des Abendmahls der Frau sieben, fünf oder drei Tage enthalten.«

Die Kirche verdankt das große Licht St. Iso in St. Gallen nur dem Umstande, daß er von seinen vornehmen Eltern – in der Osternacht erzeugt wurde, welche darüber Gewissensskrupel hatten und ihn der Kirche widmeten.

Schon früher bemerkte ich, daß der Eigennutz der Bischöfe großen Anteil an der Verdammung der Priesterehe hatte. Bekam ein verheirateter Priester keine Kinder – nun, dann sah man durch die Finger. Die Folge davon war, daß sie die Schwangerschaft ihrer Weiber entweder verhinderten, wie Onan, oder daß sie zu gefährlichen Mitteln ihre Zuflucht nahmen.

Ein südamerikanischer Indianerstamm soll ein ganz unschädliches Mittel besitzen, die Empfängnis der Weiber zu verhindern, was oft von solchen Frauen angewendet wird, die nicht gleich eine Familie haben wollen. Mich wundert, daß es noch niemand aufgefunden und nach Europa gebracht hat; er könnte sich große Verdienste um die römische Kirche und sonst erwerben.

Den Beweis dafür, wie es der Kirche ganz hauptsächlich darauf ankam, daß die Geistlichen keine Kinder bekommen, die sie beerben konnten, liefert ein Konzilium, welches Erzbischof Johann von Tours im Jahre 1278 in London hielt. Dort heißt es in einer der Verordnungen: »Da die Fleischeslust den Klerikalstand vielfältig entehrt, besonders wenn es zum Kinderzeugen kommt, so verordnen wir, daß die Kleriker, besonders die in den heiligen Weihen sich befindlichen, sich nicht unterstehen, ihren im geistlichen Stand erzeugten Söhnen und ihren Konkubinen etwas testamentarisch zu vermachen. Solche Vermächtnisse sollen der Kirche des Testators zufallen.«

Das Leben der Geistlichen in den ersten Jahrhunderten lernen wir sehr genau aus den Schriften der Kirchenväter kennen, welche sich bemühten, die unter denselben herrschende Verderbnis zu bekämpfen. Es erscheint oft unglaublich, daß die Religion, die Jesus lehrte, zu so abscheulichen Lastern führen konnte, wie sie uns in diesen Schriften berichtet werden. Daß die Geistlichen sich für das Verbot der Ehe auf andere Weise zu entschädigen suchten, nun, das ist menschlich und an und für sich zu entschuldigen. Bei solchen Vergehungen muß man nicht sowohl den schwachen Menschen als vielmehr das naturwidrige Verbot verdammen, welches zur Verletzung der Sittengesetze zwingt; aber anders ist es mit den von den Bischöfen begangenen Schändlichkeiten und Verbrechen, die in dem Geiz, der Herrschsucht und anderen bösen Leidenschaften ihre Ursache haben.

Basilius schreibt an Eusebius, Bischof von Samosata: »Nur an die allernichtswürdigsten Menschen ist jetzt die bischöfliche Würde gekommen«; in einem Brief, den er und zweiunddreißig andere Bischöfe an sämtliche Bischöfe Galliens und Italiens richten, wird der schmachvolle Zustand der Kirche mit großer Wehmut geschildert: »Die Schlechtigkeit der Bischöfe und Kirchenvorsteher«, heißt es darin, »ist so groß, daß die Bewohner vieler Städte keine Kirchen mehr besuchen, sondern mit Weib und Kind außerhalb der Mauern der Städte unter freiem Himmel für sich Gebete verrichteten.«

Gregor von Nazianz, Chrysostomus, Cyrill von Jerusalem usw. können nicht grell genug die Sittenverderbnis der Geistlichen schildern. Diese hatten es damit so weit gebracht, daß man die Unzucht als förmlich zum Pfaffen gehörig betrachtete und nicht mehr für ein Verbrechen hielt. – Die afrikanischen Synoden sahen sich gezwungen, zu verordnen, daß kein Geistlicher allein zu einer Jungfrau oder Witwe gehen solle!

Am lebhaftesten schildert die Geistlichen und den Sittenverfall der damaligen Zeit der schon oft genannte heilige Hieronymus. Er schreibt in einem Briefe an Eustochium: »Sieh die meisten Witwen, die doch verehelicht waren, ihr unglückliches Gewissen unter dem erlogenen Gewande verbergen. Wenn sie nicht der schwangere Bauch oder das Geschrei der Kinder verrät, so gehen sie mit emporgestrecktem Halse oder hüpfendem Gange einher. – Andere aber wissen sich unfruchtbar zu machen und morden den noch nicht geborenen Menschen. Fühlen sie sich durch ihre Ruchlosigkeit schwanger, so treiben sie die Frucht durch Gift ab. Oft sterben sie mit daran, und dreifachen Verbrechens schuldig, gelangen sie in die Unterwelt, als Selbstmörderinnen, als Ehebrecherinnen an Jesus, als Mörderinnen des noch nicht geborenen Sohnes. Ich schäme mich, es zu sagen, o der Abscheulichkeit! es ist traurig, aber doch wahr.

Woher brach die Pest der Agapetinnen in unsere Kirchen herein? Woher ein anderer Name der Eheweiber ohne Ehe? Ja, woher das neue Geschlecht der Konkubinen? Ich will mehr sagen, woher die Hure eines Mannes? Ein Haus, ein Schlafgemach, nur oft ein Bett umfaßt sie, und nennen uns argwöhnische Leute, wenn wir etwas Arges vermuten.«

Und weiter in demselben Briefe: »Es gibt andere, ich rede von Leuten meines Standes, welche sich deshalb um das Presbyteriat und Diakonat bewerben, um die Weiber desto freier sehen zu können. Ihre ganze Sorgfalt geht auf ihre Kleider, auf daß sie gut riechen und die Füße unter einer weiten Haut nicht aufschwellen.' Die Haare werden rund gekräuselt, die Finger schimmern von Ringen, und damit ihre Fußsohlen kein feuchter Weg benetze, berühren sie ihn kaum mit der Spitze. Wenn du solche siehst, solltest du sie eher für Verlobte als für Geistliche halten. Einige bemühen sich ihr ganzes Leben hindurch nur darum, die Namen, Häuser und Sitten der Matronen kennenzulernen. Einen von ihnen, den vornehmsten in dieser Kunst, will ich kurz beschreiben, damit du desto leichter am Lehrer die Schüler erkennest.

Er steht eilfertig mit der Sonne auf, entwirft die Ordnung seiner Besuche, sieht sich nach einem kürzeren Wege um, und der überlästige Alte geht beinahe bis in die Kammern der Schlafenden. Wenn er ein zierliches Kissen oder Tuch oder sonst etwas vom Hausrat sieht, so lobt, bewundert und berührt er es; indem er klagt, daß es ihm fehle, preßt er es mehr ab, als daß er es verlangte, weil sich eine jede Frau fürchtet, den Stadtfuhrmann zu beleidigen. Ihm sind Fasten und Keuschheit zuwider; eine Mahlzeit billigt er nach ihrem feinen Gerüche und nach einem gemästeten jungen Kranich. Er hat ein barbarisches und freches Maul, das immer zu Schmeichelworten gewaffnet ist. Du magst dich hinwenden, wohin du willst, so fällt er dir zuerst in die Augen.« – Solcher geistlichen »Stadtfuhrleute« gibt es auch noch heutzutage, und ich könnte dem wackeren Hieronymus mehrere nennen, die zu seinem Porträt vortrefflich passen würden.

Dergleichen Schilderungen machten Hieronymus natürlich viele Feinde, die sich dadurch rächten, daß sie ihn verlästerten. Viele Not hatte er mit einem Diakon namens Sabinian. Dieser hatte eine Wallfahrt zu allen liederlichen Häusern Italiens unternommen und nebenbei eine Menge Jungfrauen genotzüchtigt und Ehefrauen verführt, von denen mehrere wegen dieser Verbrechen öffentlich hingerichtet wurden. Endlich verführte er auch die Frau eines vornehmen Goten, der diesen Schimpf entdeckte, echt gotisch darüber ergrimmte und den liederlichen Pfaffen auf Tod und Leben verfolgte. Dieser kam mit einem Empfehlungsschreiben zu St. Hieronymus nach Bethlehem, wo er in ein Kloster gesteckt wurde. Hier sah er eines Tages eine Nonne aus dem Kloster der Paula, verliebte sich in dieselbe, schrieb ihr Liebesbriefe und erhielt die Versicherung, daß alle seine Wünsche erfüllt werden sollten, – als der Handel entdeckt und die Keuschheit der Nonne gerettet wurde. – Sabinian fiel Hieronymus zu Füßen und erhielt Verzeihung unter der Bedingung, daß er die ihm auferlegte Buße tragen solle. Er versprach alles, hielt aber nichts, lebte lustig wie zuvor und verleumdete Hieronymus, wo er konnte. – Solche Galgenfrüchte trug schon damals der heilige Christbaum der Kirche!

Die Gesetzgebung des Justinian war der Priesterehe durchaus nicht günstig, denn in einer Verordnung von 528 heißt es: »Indem wir die Vorschrift der heiligen Apostel befolgen, verordnen wir, daß, sooft ein bischöflicher Stuhl in einer Stadt erledigt ist, die Bewohner derselben über drei Personen von reinem Glauben und tugendhaftem Leben sich vereinigen, um aus ihnen den Würdigsten hervorzuheben. Doch treffe die Wahl nur einen solchen, der das Geld verachtet und sein ganzes Leben Gott weiht, der keine Kinder und keine Enkel hat. – Der Bischof muß durchaus nicht durch Liebe zu den fleischlichen Kindern verhindert werden, aller Gläubigen geistlicher Vater zu werden. Aus diesen Ursachen verbieten wir, jemanden, der Kinder und Enkel hat, zum Bischof zu weihen.« In derselben Verordnung wird den Bischöfen auch verboten, in ihrem Testamente ihren Verwandten etwas von dem zu vermachen, was sie als Bischöfe erwarben. Die folgenden Bestimmungen sind noch strenger, und in einem Erlaß von 531 befiehlt Justinian, daß niemand zum Bischof geweiht werde, als wer keiner Frau ehelich beiwohne und Kinder zeuge. Statt der Frau möge ihm die heiligste Kirche dienen. – Diese ist aber, nach des heiligen Ambrosius üppiger Schilderung: eine nackte reizende Braut, deren schöne und bezaubernde Gestalt Jesum mit Begierde erfüllt und ihn bewogen habe, sie zur Gemahlin für sich zu erwählen!

Daß alle strengen Gesetze wenig fruchteten, dafür könnte man unendlich viele Beweise anführen. Alle Synoden waren bemüht, schärfere Verordnungen zu erlassen, und auf einer im Jahre 751 gehaltenen wurde bestimmt: »Der Priester, welcher Unzucht übt, soll in ein Gefängnis gesteckt werden, nachdem er vorher gegeißelt und ausgepeitscht worden ist.«

Ratherius von Verona, der zu Anfang des 10. Jahrhunderts lebte, klagt: »O! wie verworfen ist nicht die ganze Schar der Kopfgeschorenen, da unter ihnen keiner ist, der nicht ein Ehebrecher ist oder ein Sodomit.«

Unter so bewandten Umständen war es denn wohl natürlich, daß vielen Christen Bedenken kamen, ob es wohl ziemlich sei, daß sie das, was sie für das Heiligste hielten, das Abendmahl, aus so beschmutzten Händen annehmen könnten.

Auf eine deshalb an ihn gerichtete Frage antwortete Papst Nikolaus I: »Es kann niemand, so sehr er auch verunreinigt sein mag, die heiligen Sakramente verunreinigen, welche Reinigungsmittel aller Befleckungen sind. Der Sonnenstrahl, welcher durch Kloaken und Abtritte geht, kann doch dieserhalb keine Befleckung an sich ziehen. Daher mag der Priester beschaffen sein, wie er will, er kann das Heilige nicht beflecken.« Aus diesem beruhigenden Bescheid und passend gewählten Vergleich sieht man übrigens, daß die Pfaffen beim Papst in nicht besonders gutem Geruch standen!

Die Ansichten der Kirche von der Ehe übten aber nicht nur ihren demoralisierenden Einfluß auf die Pfaffen selbst aus; die Ehrwürdigkeit der Ehe im allgemeinen litt darunter, denn es war nur natürlich, daß ein Verhältnis, welches von den so hochverehrten Lehrern verachtet wurde, auch bei den Laien nicht in besonderer Achtung stehen konnte. Die Liederlichen benutzten daher gern die Zeitansicht, um ledig zu bleiben und so ungezwungener ihren Leidenschaften zu folgen; und die Verheirateten, welche ihrer Weiber überdrüssig waren, fanden leicht einen heiligen Vorwand, sich ihrer zu enthalten und sich außer dem Hause zu entschädigen. – Das Leben der Päpste um diese Zeit, besonders im elften Jahrhundert, war wenig geeignet, auf die Sittlichkeit der Geistlichkeit vorteilhaft einzuwirken. Ich verweise in bezug hierauf auf das vorige Kapitel.

Ein großer Eiferer gegen die Priesterehe, obwohl auch gegen die Unzucht der Pfaffen, war der Kardinal Petrus Damiani, der durch seine Schriften einen ganz außerordentlich großen Einfluß ausübte; das heißt in bezug auf das Zölibat, aber nicht auf die Besserung der Geistlichen. Er war im Jahre 1002 in Ravenna von ganz armen Eltern geboren, die schon so viele Kinder hatten, daß sie nicht wußten, was sie mit dem neuen Ankömmling anfangen sollten. Die harte Mutter faßte den Entschluß, den Knaben auszusetzen, wurde aber durch die Frau eines Priesters davon abgehalten.

Petrus weihte sich der Kirche und wurde endlich im Jahre 1058 oder 59 Kardinalbischof von Ostia. Er nahm diese Stelle nur mit Widerstreben an, und empört über die Verderbtheit der Pfaffen, gab er sie bald wieder auf und zog sich in ein Kloster zurück, wo er 1069 starb.

Damiani entwirft von dem Schandleben der Pfaffen in seinem Liber Gomorrhianus ein trauriges Bild. Er beklagt und schildert darin ihre Hurerei, ihre widernatürliche Unzucht, insbesondere ihre Sodomiterei, ihre Unzucht mit Jünglingen und Knaben, ihre Unflätereien mit Tieren; die Unzucht der Pfaffen und Mönche untereinander, mit ihren Beichtkindern, und führt an, wie die gemeinschaftlichen Verbrecher, um ungestört fortsündigen zu können, sich einander in der Beichte absolvieren.

Damiani wird in seinem Eifer gegen die Weiber der Priester oft spaßhaft, und seine Anrede an dieselben ist wahrhaft originell. »Indes rede ich auch euch an, ihr Schätzchen der Kleriker, ihr Lockspeise des Satans, ihr Auswurf des Paradieses, ihr Gift der Geister, Schwert der Seelen, Wolfsmilch für die Trinkenden, Gift für die Essenden, Quelle der Sünden, Anlaß des Verderbens. Euch, sage ich, rede ich an, ihr Lusthäuser des alten Feindes, ihr Wiedehopfe, Eulen, Nachtkäuze, Wölfinnen, Blutegel, die ihr ohne Unterlaß nach Mehrerem gelüstet. Kommt also und hört mich, ihr Metzen und Buhlerinnen, Lustdirnen, ihr Mistpfützen fetter Schweine, ihr Ruhepolster unreiner Geister, ihr Nymphen, Sirenen, Hexen, Dirnen und was es sonst für Schimpfnamen geben mag, die man euch beilegen möchte. Denn ihr seid Speise der Satane, zur Flamme des ewigen Todes bestimmt. An euch weidet sich der Teufel wie an ausgesuchten Mahlzeiten und mästet sich an der Fülle eurer Üppigkeit. Ihr seid die Gefäße des Grimmes und des Zornes Gottes, aufbewahrt auf den Tag des Gerichts. Ihr seid grimmige Tigerinnen, deren blutige Rachen nur nach Menschenblut dürsten, Harpyen, die das Opfer des Herrn umflattern und rauben, und die, welche Gott geweiht sind, grausam verschlingen.

Auch Löwinnen möchte ich euch nicht unpassend nennen, die ihr nach Art wilder Tiere eure Mähne erhebt und unvorsichtige Menschen zu ihrem Verderben in blutigen Umarmungen räuberisch umklammert. Ihr seid die Sirenen und Charybden, indem ihr, während ihr trügerisch anmutigen Gesang ertönen laßt, unvermeidlichen Schiffbruch bereitet. Ihr seid wütendes Otterngezücht, die ihr vor Wollustbrunst Jesum, der das Haupt der Kleriker ist, in euern Buhlen ermordet.«

Damiani muß ein komischer Kauz gewesen sein, und um seinen Reichtum an Schimpfwörtern könnte ihn manches Fischweib beneiden. Nicht weniger seltsam sind oft seine Vergleiche. So zum Beispiel vergleicht er, um der Markgräfin Adelheid von Turin die Nachteile der Priesterehe begreiflich zu machen, die Priester mit ihren Frauen den Füchsen, die Simson bei den Schwänzen aneinanderband, Fackeln dazwischen steckte, sie anzündete und sie dann in die Saatfelder der Philister jagte.

Damiani war es vorzüglich, welcher Papst Gregor VII. den Weg bahnte. Durch ihn und andere Eiferer kam es endlich so weit, daß die Orthodoxen die außereheliche Unzucht für weit weniger verbrecherisch hielten als die Ehe, und zur Zeit Kaiser Heinrichs IV. verstießen viele Ehemänner, sowohl Geistliche als Laien, ihre Weiber und gesellten sich zu Jungfrauen, die ebenfalls wie sie Keuschheit gelobt hatten. Kurz, es erneuerte sich wieder der Unfug mit den Liebesschwestern, der eigentlich unter den Geistlichen nie aufgehört, nur daß man die geheuchelte Keuschheit beiseite getan und in ehrlicher, offener Hurerei gelebt hatte.

Andere Ehemänner, in Verzweiflung darüber, daß sie als Verheiratete nicht selig werden könnten, verstießen gleichfalls ihre Frauen und begaben sich samt Hab und Gut unter den Schutz der Mönche und führten eine gemeinsame kanonische Lebensweise.

Trotzdem stieß aber Gregors VII. Zölibatgesetz auf den entschiedensten Widerstand. Lambert von Aschaffenburg erzählt, daß bei der Bekanntmachung desselben die ganze Schar der Geistlichen gemurrt habe. Alle wären der Meinung gewesen, »daß es besser sei, zu freien als Brunst zu leiden und daß durch das Verbot der Ehe der Hurerei Tor und Tür geöffnet würde. Wolle Gregor auf seiner Meinung bestehen, so wollten sie lieber dem Priestertum entsagen, dann möge er, den Menschen anstinken, sehen, woher er Engel zur Regierung des Volkes in den Kirchen bekomme.«

Mehrere Anhänger Gregors, welche das Zölibatgesetz mit Gewalt durchsetzen wollten, verloren beinahe das Leben darüber. Als Bischof Altmann von Passau den Befehl des Papstes von der Kanzel verkündigte, mußten ihn die anwesenden vornehmen Laien vor den wütenden Priestern schützen, die ihn in Stücke reißen wollten. – Der Bischof Heinrich von Chur geriet durch seinen Eifer für das Zölibat ebenfalls in Lebensgefahr.

Als Erzbischof Johann von Rouen auf einer Synode das Gesetz verlas, entstand ein Tumult; man bombardierte den Erzbischof mit Steinen, so daß er in großer Eile die Kirche verlassen mußte.

In England fand Gregors Gesetz ebenfalls bedeutenden Widerstand; aber einer der englischen Prälaten tröstete sich, indem er sagte: »Man kann wohl den Priestern die Weiber, aber nicht den Weibern die Priester nehmen.«

Bis zum Tode Heinrichs IV. von Deutschland wurden hier die beweibten Priester auf das grausamste verfolgt, und da es den Päpsten nur um Ausrottung der Priesterehe zu tun war, so wurden außereheliche Unzucht und oft daraus entstehende Verbrechen weniger hart bestraft.

Auf die Anfrage des Abts Rudolf von Saez, was einem Mönch geschehen solle, der es versucht hatte, einen Ehemann zu vergiften, antwortete Anselm, Erzbischof von Canterbury, – man solle ihn nicht zum Diakonat oder Presbyteriat befördern!

Die englischen Geistlichen zeichneten sich ganz besonders durch ihre Liederlichkeit aus, und ehrenhalber mußte der Papst endlich offiziell dagegen einschreiten. Auf der Synode zu London (1125) wurde also bei Strafe der Absetzung den Priestern das Zusammenleben mit Weibern verboten. Der Legat des Papstes, Kardinal Johann von Crema, hatte große Mühe gehabt, diesen Beschluß durchzukämpfen, und noch am Abend desselben Tages, wo es ihm gelungen war, ertappte man ihn mit einer feilen Dirne. Er war unverschämt genug, sich damit zu entschuldigen, »daß er nur ein Zuchtmeister der Priester sei«.

Bischof Ranulph von Durham, genannt Flambard oder Passaflaberer, war vielleicht der liederlichste Geistliche in der Welt. Er lebte wie ein türkischer Sultan. Schöne Mädchen in üppiger Entkleidung kredenzten ihm bei Tische den Wein, und damit er stets die Mittel hatte, flott zu leben, so bedrückte und plünderte er seine geistlichen Pflegekinder.

Sein Ruf war auch zu dem päpstlichen Legaten gedrungen. Dieser ließ ihn vor die Synode nach London zitieren; allein Ranulph fand es nicht für gut, diesem Rufe zu folgen, und der Kardinal Johann entschloß sich, selbst nach Durham zu gehen, um sich hier durch den Augenschein von der Wahrheit der Gerüchte zu überzeugen.

Ranulph wußte zu leben. Er empfing den Legaten Sr. Heiligkeit auf das freundlichste, veranstaltete ein großes Gastmahl, bei dem alle Leckereien der Welt und die feinsten Weine aufgetragen wurden, so daß der Kardinal ganz außer sich vor Entzücken war, besonders da eine schöne »Nichte« des Bischofs, die auf ihre Rolle einstudiert war, sich alle mögliche Mühe gab, ihn vortrefflich zu unterhalten, ja, sich endlich bewegen ließ, bei dem päpstlichen Legaten zu schlafen.

Nachdem dieser wie ein Gimpel in die ihm gestellte Falle gegangen war, versammelte der Bischof seine Kleriker und Knaben, welche Becher und Lichter trugen, und begab sich jetzt in feierlicher Prozession an das Bett. Der Chorus rief: Heil! Heil!

Der verwirrte Legat fragte erstaunt: »Soll dies eine Ehrenbezeugung für den heiligen Petrus sein?« – »Mein Herr«, antwortete der Bischof, »es ist in unserem Lande Sitte, daß, wenn ein Vornehmer heiratet, man ihm diese Ehre erzeigt. Stehet auf und trinket, was in diesem Kelche ist. Weigerst du dich, so sollst du den Kelch trinken, nach welchem du nicht mehr dürsten wirst.«

Der Legat mußte gute Miene zum bösen Spiel machen; er erhob sich, »nackt bis zur Hälfte des Leibes«, und trank den dargereichten Becher seiner Bettgenossin zu. Darauf entfernte sich der Zug mit dem Bischöfe, der nun wegen seines Bistums unbesorgt war.

Die Veranlassung zu dem Streite zwischen König Heinrich von England und Thomas Becket war auch ein liederlicher Priester zu Worcestershire, der die Tochter eines Pächters geschändet und diesen ermordet hatte und welchen der König trotz alles Protestierens des Erzbischofs vor den weltlichen Richterstuhl zog.

In Frankreich trieben es die Geistlichen ungefähr ebenso wie in England. Der Erzbischof von Besançon zum Beispiel machte sich aller möglichen Verbrechen schuldig. Um seinen Geiz zu befriedigen, verkaufte er alles, was Käufer fand, und plünderte seine Geistlichen dermaßen aus, daß sie in ärmlicher Kleidung wie Bauern umhergehen mußten. Nonnen und Geistlichen gestattete er für Geld die Ehe. Er selbst lebte mit einer Verwandten, der Äbtissin von Reaumair Mont, hatte ein Kind von einer Nonne und nebenbei die Tochter eines Priesters als Konkubine; kurz, er gestattete sich alle geschlechtlichen Ausschweifungen, und seine Geistlichen hielten sich Konkubinen.

Der Erzbischof von Bordeaux unterhielt eine Räuberbande, die er zu seinem Vorteil auf Expeditionen aussandte. Einst kam er mit einer Menge liederlicher Mädchen und Kerle in die Abtei des heiligen Eparchius, lebte hier drei Tage in Saus und Braus und zog endlich ab, nachdem er das Kloster rein ausgeplündert hatte. »Seine übrigen Verbrechen verbietet die Schamhaftigkeit zu nennen«, sagt Papst Innozenz III. in seinen Briefen. Wer die Schandtaten der Pfaffen in jener Zeit studieren will, der lese diese päpstlichen Briefe. Dem Papste wurden so viele berichtet, daß er bald allein würde haben Messen lesen müssen, wenn er sie alle nach Verdienst bestraft hätte; er hielt es daher für besser, Milde zu üben, so sehr und oft diese schlecht angebrachte Milde auch empören mußte.

Ein Mönchpriester hatte mit einem Mädchen verbotenen Umgang gehabt. Als die Dirne schwanger war, ergriff er sie, als wolle er mit ihr scherzen, am Gürtel und verletzte sie so hart, daß eine Fehlgeburt erfolgte. Der Fall kam vor Papst Innozenz III., und dieser entschied, »daß, wenn die Fehlgeburt noch kein Leben gehabt habe, der Mönch den Altardienst auch ferner verrichten könne; daß er aber, wenn diese schon Leben gehabt habe, des Altardienstes sich enthalten müsse.«

Schon im Jahre 428 hatte Papst Cölestin es für nötig gefunden, Strafe darauf zu setzen, wenn Geistliche ihre Beichtkinder zur Unzucht verführten. Dergleichen Fälle kommen unendlich oft vor, und ich werde im letzten Kapitel ausführlicher über die Beichte reden.

Einem starken Affen in einer Menagerie zu nahe zu kommen, war für eine Frau nicht so gefährlich, als mit einem Pfaffen in Berührung zu geraten. Da diese ein faules Leben hatten, so erhitzten sie Tag und Nacht ihre Phantasie mit üppigen Bildern und dachten an nichts anderes, als wie sie ihre geilen Triebe befriedigen könnten. Fälle der Notzucht kamen unendlich viele vor.

Unter Heinrich VI. baten die Geistlichen in England um Erlassung der Strafen wegen begangener Notzucht. – Zu Basel hatte im Jahre 1297 ein Geistlicher eine Jungfrau mit Gewalt geschändet. Man kastrierte ihn zur Strafe und hing das Corpus delicti zum abschreckenden Beispiel für andere Pfaffen mitten in der Stadt an einer frequenten Passage auf. – Die Venezianer ließen in späterer Zeit einen Augustiner zu Brescia, der ein elfjähriges Mädchen genotzüchtigt und dann ermordet hatte, vierteilen.

Sodomiterei und Knabenschändung waren unter den Geistlichen ganz gewöhnlich, und das schon seit den ältesten Zeiten der christlichen Kirche, wie die Konzilienbeschlüsse beweisen, von denen ich einige angeführt habe. Im Jahre 1212 wurde auf einem Konzil den Mönchen und regulierten Kanonikern verboten, zusammen in einem Bett zu liegen und Sodomiterei zu treiben.

Im Jahre 1409 wurden zu Augsburg auf Befehl des Rats vier Priester und ein Laie wegen Knabenschändung am Perlachturme mit gebundenen Händen und Füßen in einem hölzernen Käfig aufgehängt, bis sie verhungerten. – Im nächsten Kapitel von den Klöstern werde ich zeigen, daß Sodomiterei bis auf die neueste Zeit als Folge des Zölibats unter den Pfaffen gebräuchlich ist.

Aus dem, was ich bisher mitteilte, geht schon hervor, daß die Bischöfe ihren Geistlichen in der Sittenlosigkeit meistens vorangingen, wenn sie es auch nicht alle so arg trieben wie der Bischof Heinrich von Lüttich, der eine Äbtissin zur Mätresse und in seinem Garten einen förmlichen Harem hatte und der sich rühmte, in 22 Monaten vierzehn Söhne gezeugt zu haben.

Unter so bewandten Umständen waren die Laien froh, wenn es diesen Kirchenstieren erlaubt wurde, Konkubinen zu halten, damit nur ihre Weiber und Töchter vor ihnen sicher wären. Ja, die Friesen gingen so weit, daß sie gar keine Priester duldeten, die nicht Konkubinen hatten. »Se gedulden oek geene Preesteren, sonder eheliche Fruwen (d. h. Konkubinen), up dat sie ander lute bedde nicht beflecken, wente sy meinen, dat idt nicht mogelygk sy, und baven die Natur, dat sick ein mensche ontholden könne«, heißt es in der Chronik.

Ich bemerkte schon früher, daß es den Päpsten mehr um die Vernichtung der Priesterehe als um die Erhaltung der Keuschheit der Geistlichen zu tun war, denn sie wollten nicht, daß rechtmäßige Kinder das Gut erbten, was sie als Kirchengut betrachteten. Wenn nun auch die Konzilien auf Betrieb einzelner dem Konkubinenwesen ein Ende machen wollten, indem sie Verordnungen dagegen erließen, so war man eben nicht strenge auf die Befolgung derselben bedacht.

Ja, vielen Bischöfen wäre es gar nicht recht gewesen, wenn ein Papst durchgreifende Maßregeln angeordnet hätte, denn diese Konkubinen waren für sie eine Quelle der Gelderpressung. Häufig, wenn sie Geld brauchten, fiel es ihnen ein, ihren Geistlichen das Konkubinat auf das strengste zu verbieten, da es ihnen nur um die Strafgelder zu tun war.

Heinrich von Hewen, der in der Mitte des 15. Jahrhunderts Bischof von Konstanz war, führte selbst ein üppiges Leben, und die Abgaben, welche ihm seine Geistlichen von ihren Konkubinen entrichteten, verschafften ihm eine jährliche Einnahme von 2000 Gulden.

Zur Zeit der Reformation mußten die Priester in Irland für jedes mit ihren Konkubinen erzeugte Kind ihrem Bischof acht bis zwölf Taler bezahlen.

Unter solchen Verhältnissen war es denn kein Wunder, wenn das Konkubinat trotz aller Verbote, welche bei allen Synoden wenig beachtete stehende Artikel wurden, in voller Wirksamkeit blieb, und endlich sahen die Päpste ein, daß es ein unvermeidliches Übel sei, und suchten nun selbst Vorteil daraus zu ziehen. Sie dekretierten, daß jeder Geistliche, mochte er nun eine Konkubine haben oder nicht, einen bestimmten jährlichen Hurenzins entrichten müsse.

Als Beleg dafür, daß das Konkubinat unter den Geistlichen im 15. Jahrhundert allgemein war, und zugleich um die Sitten des Klerus überhaupt durch den Mund eines Zeitgenossen kennenzulernen, will ich einige Stellen aus einem Werke des Nikolaus de Clemanzis anführen, der in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts lebte, eine Zeitlang päpstlicher Geheimschreiber, Schatzmeister und Kanonikus der Kirche zu Langres war und 1440 als Kantor und Archidiakonus zu Liseur starb.

Seine Schilderung der Bischöfe ist wahrhaft scheußlich. Nach ihm trieben und gestatteten sie für Geld alle Laster. Vorzüglich sind aber die Domherren und ihre Vikare verdorbene Menschen. Sie sind der Habsucht, dem Stolze, Müßiggange und der Schwelgerei ergeben. Sie halten ohne Scham ihre unehelichen Kinder und Huren gleich Eheweibern im Hause und sind ein Greuel in der Kirche.

Die Priester und Kleriker leben öffentlich im Konkubinate und entrichten ihren Bischöfen den Hurenzins. Die Laien wissen an mehreren Orten den Schändungen der Jungfrauen und Ehefrauen keinen anderen Damm entgegenzustellen, als daß sie die Priester zwingen, sich Konkubinen zu halten.

»Ist jemand«, schreibt Clemanzis, »heutzutage träge und zum üppigen Müßiggange geneigt, so eilt er sogleich, ein Priester zu werden. Alsdann besuchen sie fleißig liederliche Häuser und Schenken, wo sie ihre ganze Zeit mit Saufen, Fressen und Spielen zubringen, betrunken schreien, fechten und lärmen, den Namen Gottes und der Heiligen mit ihren unreinen Lippen verwünschen, bis sie endlich aus den Umarmungen ihrer Dirnen zum Altar kommen.«

Clemanzis erwähnt hier auch das Saufen der Priester. Darin waren sie besonders stark und setzten einen Ruhm darein, es den Laien zuvorzutun. Schon im ersten Jahrhundert stoßen wir auf Bischöfe, die vollendete Trunkenbolde waren. Einer derselben, Droctigisilus, verfiel in Säuferwahnsinn. Die Pfaffen sagten, wenn sie guter Laune waren, von sich selbst: »Wir sind das Salz der Erde, aber man muß es anfeuchten, denn kein guter Geist wohnt im Trocknen.« Besonders gut trank man in den Klöstern. Doch davon später.

Zu einem guten Trunk gehört natürlich auch eine gute Tafel, und es ist ja noch heute jedem bekannt, daß die katholischen Geistlichen einen trefflichen Tisch führen. Bischöfe jagten unermeßliche Summen durch ihren Schlund, und um der nüchternen Gegenwart einen Begriff von ihren kostspieligen Fressereien zu geben, setze ich den Küchenzettel für das Gastmahl am Tage der Installation Georg Nevils, Erzbischof von York, hierher.

Zu diesem Feste waren erforderlich: 300 Quart Weizen, 330 Tonnen Ale, 104 Tonnen Wein, 1 Pipe Gewürzwein, 80 fette Ochsen, 6 wilde Stiere, 1004 Hammel, 300 Schweine, 300 Kälber, 3000 Gänse, 3000 Kapaunen, 300 Ferkel, 100 Pfauen, 200 Kraniche, 200 Ziegenlämmer, 2000 junge Hühner, 4000 junge Tauben, 4000 Kaninchen, 204 Rohrdommeln, 4000 Enten, 200 Fasanen, 500 Rebhühner, 4000 Schnepfen, 400 Wasserhühner, 100 große Brachvögel und 100 Wachteln, 1000 Reiher, 200 Rehe und 400 Stück Rotwild, 1506 Wildbretpasteten, 1400 Schüsseln gebrochenen Gelee, 4000 Schüsseln ganzen Gelee, 4000 kalte Custards, 2000 warme Custards, 300 Hechte, 300 Brachsen, 8 Robben, 4 Delphine oder Taumler und 400 Torten. – 62 Köche und 515 Küchendiener besorgten die Zubereitung dieser Speisen, und bei der Tafel selbst warteten 1000 Diener auf. Doch kehren wir wieder von der Pfaffenvöllerei zur Pfaffenhurerei zurück. – Die Basler Synode (1431-1448) gab sich die nutzlose Mühe, ernstliche Verordnungen gegen das Konkubinat zu erlassen, aber zu dem einzigen Mittel, demselben ein Ende zu machen, konnte man sich nicht entschließen, obgleich sehr angesehene Männer auf der Synode, wie der Geheimschreiber und Zeremonienmeister derselben, Clemens Sylvius Piccolomini, günstig für die Priesterehe gestimmt waren. Er äußerte: »Es gab, wie ihr wißt, verheiratete Päpste, und auch Petrus, der Apostelfürst, hatte eine Frau. Vielleicht dürfte es gut sein, wenn den Priestern zu heiraten gestattet wäre, weil viele verheiratet im Priestertum ihr Seelenheil befördern würden, welche jetzt ehelos zugrunde gehen.«

Große Eiferer gegen das Konkubinat in dieser Zeit waren die Bischöfe Berthold von Straßburg und Stephan von Brandenburg. Der letztere klagt bitter über die Geistlichen in seiner Diözese und sagt, daß sehr viele Beischläferinnen hielten und durch ihr liederliches Leben »nicht nur gemeine Leute, sondern auch Fürsten und Große« ärgerten.

»Und diese Priester«, sagt er auf einer Synode zu Brandenburg, »haben eine solche Hurenstirn, daß sie es für eine Kleinigkeit halten, Unzucht und Ehebruch zu begehen. Denn wenn aus Schwachheit des Fleisches ihre Köchinnen und Mädchen von ihnen oder vielleicht von den anderen geschwängert sind, so leugnen sie die Sünde nicht ab, sondern achten es sich zur hohen Ehre, die Väter aus so verdammlichem Beischlafe erzeugter Kinder zu sein. – Ja, sie laden die benachbarten Geistlichen und Laien beiderlei Geschlechtes zu Gevattern ein und stellen große Festlichkeiten und Freudengelage über die Geburt solcher Kinder an. Verflucht seien die, welche durch eigenes Geständnis das kund werden lassen, was sie durch Leugnen noch zweifelhaft machen und so einigermaßen der rechtlichen Strafe entgehen könnten!« – Es ist dies ein schönes Pröbchen bischöflicher Moral.

Die Regierungen mancher Länder, welche einsahen, daß nur dadurch größerem Ärgernis vorgebeugt werde, waren vernünftig genug, das Konkubinat der Geistlichen beinahe als rechtmäßige Ehen gelten zu lassen. Dies taten zum Beispiel mehrere Regierungen in der Schweiz, und die Obrigkeit schützte hier die Konkubinen der Geistlichen und deren Kinder gegen die Habsucht der geistlichen Vorgesetzten, indem sie Testamentsvermächtnisse für die ersteren als gültig anerkannte. Zu dem Bischof von Tarent, der Legat des Papstes in der Schweiz war, sagte jemand, daß die Nonnen dort tun könnten, was sie wollten, es würde nicht untersucht usw., bekämen sie aber Kinder, dann erwartete sie ein fürchterlicher finsterer Kerker. Darauf erwiderte der Legat: »Selig sind die Unfruchtbaren!«

Doch mit den Klöstern haben wir es noch nicht zu tun, sondern vorläufig nur mit den Weltgeistlichen. – Das Konkubinat derselben, selbst wenn es gewissermaßen vom Gesetz geschützt war, konnte doch niemals die Ehe ersetzen und diente nur dazu, die Geistlichkeit verächtlich und lächerlich zu machen. Es lag in der Natur dieses Verhältnisses, daß selten Frauen von einigem Wert ein solches eingingen. Kam auch wohl hin und wieder ein Fall vor, wo sich ein Mädchen aus Liebe über die bestehenden Vorurteile hinwegsetzte, so waren es doch meistens nur gemeine Dirnen, welche nur darauf trachteten, die Geistlichen zu plündern. »Pfaffengut fließt in Fingerhut«, sagt ein altes Sprichwort.

Dieses halbgeduldete Verhältnis konnte niemals ein geachtetes werden und bleibt stets eine Entwürdigung. Es kam wohl vor, daß einzelne Geistliche ihren Konkubinen alle Achtung zollten, wie sie einer Gattin zukommt, allein meistens und besonders von den Gebildeten wurden sie als Köchinnen oder sonstige Dienstboten im Hause gehalten. Solche Personen wußten nun den erlangten Vorteil trefflich zu ihrem Vorteil zu nützen. Sie schämten sich des Verhältnisses nicht, wohl aber der gebildete Geistliche, der ihr Herr war und der sich viel gefallen, ja oft ganz und gar unter den Pantoffel bringen ließ, damit nur seine menschlichen Schwachheiten nicht unter die Leute gebracht würden; denn diese ermangelten nicht, ihre Spaße über die »Pfaffenköchinnen« anzubringen, und gar mancher Geistlicher mußte sich still wegschleichen, wenn die jungen Burschen sangen:

Mädchen wenn du dienen mußt,
So diene nur den Pfaffen,
Kannst den Lohn im Bett verdienen
Und darfst nicht viel schaffen.

Viele verdorbene Geistliche waren froh, daß die Ehe sie nicht an eine Frau fesselte; sie konnten ihre Lüsternheit nach Abwechslung befriedigen, indem sie die Dirne, die ihnen nicht gefiel, wegjagten und eine neue nahmen. Solche Konkubinate, die leider sehr häufig vorkamen, waren gemeine Hurerei, und dadurch wurde bei den Pfaffen eine Gemeinheit und Roheit erzeugt, die sich besonders in ihrer Denkungsart über geschlechtliche Dinge äußerte, wie sie in der Ehe wohl nur selten entstehen können.

Solche Pfaffen machten aus ihrer Liederlichkeit gar kein Geheimnis; ja sie rühmten sich derselben, und gleichzeitige, sehr glaubwürdige Schriftsteller erzählen, daß bei Freß- und Saufgelagen diese »Pfarrfarren« und »Kuttenhengste«, wie sie Fischart nennt, mit den Bauern Wetten machten, deren Gegenstand so obszön war, daß ich sie gar nicht einmal näher andeuten mag, obwohl mir alle Prüderei sehr fernliegt.

Ja, diese Pfaffen scheuten sich nicht, ihre unzüchtigen Verhältnisse auf der Kanzel zu erwähnen, und oft machten sie diese Unschicklichkeit dadurch noch schlimmer, daß sie dieselbe mit irgendwelchen rohen Spaßen würzten.

An den Kirchenweihen wurden von ihnen die wildesten und liederlichsten Gelage gefeiert. Alle benachbarten Pfarrer mit ihren Köchinnen besuchten den Geistlichen, der sein Kirchweihfest feierte, und dann wurde gefressen, gesoffen und andere Liederlichkeiten getrieben.

Als der Bischof von Mainz den Bischof von Merseburg einst besuchte und unterwegs bei einem Pfarrer einkehrte, wo eben das Kirchweihfest gehalten wurde, begleitete ihn sein Leibarzt, der davon folgende ergötzliche Erzählung liefert:

»Der Bischof steigt abe, und nahet zu der Pfarrhe zu, zu seinem Handwerk. Nun hatte der Pfarrher zehn ander Pfarren geladen zur kirchweyhe, und ein yeglicher hatte eine köchin mit sich gebracht. Do sie aber leutte kommen sahen, lauffen die Pfaffen mit den huren alle in einen stalle, sich zu verbergen. Indes gehet ein Grafe, der an des Bischoffs hofe war, in den Hofe, seinen gefug zu thun, und da er in den stall will, darein die hüren und büben geflohen waren, schreyt des pfarrers köchin, Nicht Junker, nicht. Es seind böse hunde darinnen, sie möchten euch beissen. Er leßt nicht nach, gehet hinein vnd findet einen großen hauffen hüren und büben im stalle.

Da der Grafe in die stuben kumpt, hatt man dem Bischoff eyn feyste Ganß fürgesetzt zu essen, hebt der Gräfe an, vnd sagt diß geschieht dem Bischoff zum Tisdimerlein, gen abend kamen sie gen Merßburg, daselbs sagt der Bisdioff von Mentz, dies geschieht dem Bischoff von Merßburg. Da das der heylig vatter hörete, betrübet er sich nicht vmb das, daß die Pfaffen hüren haben, sondern darumb daß die Köchin die büben im stalle hunde geheißen hätte, vnd spricht, Ach Herre Gott, vergebe es Gott dem weibe, das die gesalbten deß Herren hunde geheißen hat. Das hab ich darumb erzelet das man sehe, wie wir Deutschen das Sprichwort so festhalten. Es ist kein Dörflein so klein, es wird des jars einmal kirmeß darinne. Das aber geschrieben stehet, Es kumpt kein hurer im Himmel, des achten wir nit.«

»Da wir uns nun genug mit der Hurerei beschäftigt haben«, heißt es in einer Predigt, »so wollen wir zum Ehebruch übergehen.«

Das Konkubinat war noch am Ende das allerunschuldigste Ergebnis des Zölibatgesetzes. Einen weit verderblicheren Einfluß auf die Moralität des Volkes hatten die sonstigen aus demselben entstehenden Folgen.

Man kann es als Regel annehmen, daß es noch immer der bessere Teil der Geistlichen war, welcher mit ständigen Konkubinen in einem der Ehe ähnlichen Verhältnis lebte. Die echten Pfaffen betrachteten aber die Frauen und Töchter der Laien als Wild, auf das sie Jagd machten und das sie durch alle möglichen niederträchtigen Verführungskünste in ihre Netze zu locken trachteten.

Diese Künste mußten einen um so größeren Erfolg haben, als ihr Stand die Pfaffen mit den Frauen in häufige Berührung brachte und die Dummheit der Männer diesen Verkehr noch erleichterte. Trotz aller Beispiele und täglich unter ihren Augen vorgehenden Niederträchtigkeiten wurden die Männer nicht klug, denn die Pfaffen wußten sich einen solchen heiligen Schein zu geben, daß die Ehetölpel es kaum wagten, auch nur einen Verdacht zu haben.

Alle Erzählungen von ihrer Liederlichkeit erklären die Pfaffen natürlich für schamlose Lügen, und war ein Fall einmal gar zu offenkundig geworden, dann verboten sie strenge, davon zu reden, und verwiesen auf das Beispiel des Kaisers Konstantin, der einst einen Priester in flagranti ertappte, mit seinem kaiserlichen Mantel zudeckte, und prägten ihren Beichtkindern ein, was der fromme Rabanus Maurus sagt: »Wenn man einen Geistlichen sähe, die Hand auf dem Busen eines Weibes, so müsse man annehmen, daß er sie segne!« – Allerdings befanden sie sich nach solchem Segen gar häufig in »gesegneten Umständen«!

Einer derjenigen Schriftsteller früherer Zeit, welche die Schandtaten der Pfaffen mit der größten Rücksichtslosigkeit aufdeckten, war Poggio Bracciolino, den ich schon früher nannte. Die ganze Kuttenwelt geriet in Alarm, und sein berühmter Gönner Cosmo de Medici empfahl ihm größte Vorsicht. Im siebenten Kapitel, wo wir über den Mißbrauch des Beichtstuhls reden, werden einige der von ihm erzählten Fälle mitgeteilt werden.

Felix Hämmerlin, gestorben 1457, Chorherr zu Zürich und Zofingen und Propst zu Solothurn, schildert besonders die Verdorbenheit der Mönche; aber auch von den Weltgeistlichen weiß er manche Dinge zu erzählen, die man für ganz unglaublich halten müßte, wenn sie nicht auch noch von anderen geachteten, ernsten und wahrheitsliebenden Männern jener Zeit bestätigt würden. Die bestialische Roheit mancher Pfaffen überstieg alle Begriffe. Selbst die Beschlüsse der Konzilien liefern die Beweise davon. Bald wird ihnen durch dieselben verboten, barfuß oder in zerrissenen Jacken und Hosen den Gottesdienst zu halten; bald, keine obszönen Grimassen am Altar zu machen und keine schmutzigen Lieder zu singen.

Dies mußte ich vorausschicken, um folgender Geschichte Glauben zu verschaffen, die Hämmerlin erzählt: Ein Priester lebte in einem unerlaubten Verhältnisse mit einer sehr angesehenen Frau. Die Sache wurde bekannt, und er wurde gezwungen, von seiner Pfarre zu fliehen. Als er verzweiflungsvoll im Walde umherirrte, begegnete ihm ein Mönch, der ihn fragte, weshalb er so betrübt umherlaufe. Der Priester erzählte ganz treuherzig sein Leiden. Aber der vermeintliche Mönch war der Satan – vielleicht auch ein Schalk in einer Kutte – und erwiderte: »Nicht wahr, wenn du das böse Glied nicht hättest, dann könntest du in deiner Pfarrei sicher wohnen?« – »Allerdings, mein Herr«, antwortete der Pfarrer. – »Nun, so hebe dein Gewand auf, damit ich es berühre, wie sie es ja auch berührt hat, dann kannst du dich ohne Scheu deiner Gemeinde zeigen, und es wird in dem Augenblick verschwunden sein.« Der Geistliche tat, was der Mönch wollte, und rannte dann voller Freuden in seine Pfarrei zurück, ließ die Glocken läuten, versammelte die Gemeinde und bestieg die Kanzel. Voll Zuversicht hob er seine Kleider auf – et mox membrum suum abundantius quam prius apparuit.

Sehr lesenwert sind die Schriften von Johann Busch, der Propst der regulierten Chorherren zu Soltau, in der Nähe von Hildesheim, und Visitator des Erzbistums Magdeburg war. Er verfolgte mit großem Eifer die Priester, welche Konkubinen hielten, und bestrafte sie nicht mit Geld, wie sie es bis dahin gewohnt gewesen, sondern mit kanonischen Strafen.

Einst lud er einen Pfarrer samt seiner Konkubine zu sich. Ersteren ließ er in das Kloster kommen, aber die Dirne mußte draußen bleiben. Auf das schärfste befragt, leugnete der Pfarrer standhaft und beteuerte mit einem heiligen Eide, daß er ganz keusch mit seiner Magd lebe. Nun ging Busch vor die Tür zu dem Mädchen und sagte: »Ich habe gehört, daß du bei deinem Herrn zu schlafen pflegst«; aber sie leugnete und meinte, daß sie nur mit Kühen, Kälbern und Schweinen zu tun habe. Als aber Busch sagte, daß ihr Herr bereits gestanden habe, da gestand sie auch, und der geistliche Herr hatte falsch geschworen.

Von den Satirendichtern jener Zeit will ich gar nicht einmal reden, denn es ist wahrscheinlich, daß sie hin und wieder etwas erfanden, um die Pfaffen lächerlich zu machen. Ihre Schriften wurden indes überall mit Beifall gelesen, denn alle Welt war über die freche Sittenlosigkeit der Pfaffen empört.

Johann Franz Piko, Prinz von Mirandola, der die seltsame Unterredung mit Papst Alexander VI. hatte, schilderte in einer Eingabe an Papst Leo X. (1513) den Verfall des Klerus und ist besonders darüber empört, daß solche Knaben, die den höheren Geistlichen zur Befriedigung ihrer unnatürlichen Wollust gedient, zum Kirchendienste erzogen wurden.

Geiler von Kaisersberg (starb 1510) war Lehrer der Theologie zu Freiburg und wurde dann Prediger zu Straßburg. Er erklärte einst dem Bischof, daß, wenn ein Unkeuscher keine Messe lesen dürfe, er nur die Geistlichkeit des ganzen Sprengels suspendieren möge, denn die meisten lebten in einem ärgerlichen Konkubinate.

Dieser ebenso sittenreine als gelehrte originelle Mann schilderte in seinen trefflichen Predigten die Mönche und Pfaffen nach dem Leben. In einer derselben, »Vom menschlichen Baum«, heißt es: »Soll nämlich die Frucht der ehelichen Keuschheit auf den Ästen des Baumes wachsen, so hüte dich, sieh dich vor, schäme dich. Zum ersten hüte dich vor den Mönchen. Diese Tengerferlin gehen nicht aus den Häusern, sie tragen etwas von der Frucht hinweg.

Ja, wie soll ich sie aber erkennen! Zu dem ersten erkenne sie, wenn einer in dein Haus kommt, so ketscht er ein kleines Novizlein mit sich, es ist kaum eine Faust groß, das bleibt in einem Winkel sitzen, dem gibt man einen Apfel, bis die Frau ihn durch das ganze Haus geführt hat.

Zum andern, so siehe seine Hände an, so bringt er Gaben, das schenkt er dir, das der Frau, das den Kindern, das der Dienerin. Das dritte Zeichen ist, wenn er dir unbescheidene Ehre antut. Wenn du ein Handwerksmann bist, nennt er dich Junker. – Wenn du ein semmelfarbenen Mönch siehst, so zeichne dich mit dem heiligen Kreuze, und ist der Mönch schwarz, so ist es der Teufel, ist er weiß, so ist es seine Mutter, ist er grau, so hat er mit beiden teil.

Zu dem andern hüte dich vor den Pfaffen, die mache dir nicht geheim, besonders die Beichtväter, Leutpriester, Helfer und Kapläne. Ja, sprichst du, meine Frau hasset Mönche und Pfaffen, sie schwört, sie habe sie nicht lieb. Es ist wahr, sie wirft es so weit weg, daß es einer in drei Tagen mit einem Pferd nicht errennen möchte. Glaub ihr nicht, denn der Teufel treibt die Frauen, daß sie der geweihten Leut begehren.«

Interessante Belege zu der Liederlichkeit der Geistlichen enthalten die Schriften der Ärzte. Aus ihnen lernt man die schrecklichen Folgen des Zölibats an den Leibern der Pfaffen selbst kennen. Es war nur ein Unglück, daß sie diese weiter mitteilten und auch die Menschen körperlich zugrunde richteten, die sie bereits geistig elend gemacht hatten. Alle Ärzte klagten, daß die Lustseuche, welche deutsche Landsknechte aus Frankreich mitgebracht haben sollten, durch die Pfaffen auf eine grauenerregende Weise verbreitet wurde.

Vergebens waren alle Ermahnungen zur Mäßigkeit. Kaspar Torella, erster Kardinal am Hofe Alexanders VI., Bischof von St. Justa in Sardinien und Leibarzt des Papstes, bat die Kardinäle und sämtliche Geistlichen, »doch ja nicht des Morgens bald nach der Messe Unzucht zu treiben, sondern des Nachmittags, und zwar nach geschehener Verdauung, sonst würden sie ihre Sündhaftigkeit mit Abzehrung, Speichelfluß und ähnlichen Krankheiten zubüßen haben, und die Kirche würde ja ihrer schönsten Zierden beraubt werden.«

Einige Ärzte waren sogar boshaft genug, die Besorgnis auszusprechen, daß die Geistlichen die Lustseuche auch in den Himmel verpflanzen würden; und der Arzt Wendelin Hock forderte den Herzog von Württemberg auf, der Liederlichkeit der Pfaffen Einhalt zu tun, da sonst das ganze Land verpestet werde. Diese Besorgnis war keineswegs aus der Luft gegriffen, denn die venerischen Krankheiten nahmen so überhand, daß man in den meisten größeren Städten eigene Spitäler dafür erbaute, welche man Franzosenhäuser nannte.

Bartholomäus Montagna, Professor der Heilkunde zu Padua, hatte an den Leiden seiner geistlichen Freunde die beste Gelegenheit, die Lustseuche zu studieren, und schrieb daher ein Buch, in welchem er einige Kardinalkrankheiten schrecklich genug schilderte. Alexander VI. selbst hatte fürchterlich zu leiden, und der Kardinalbischof von Segovia, der die Aufsicht über die Hurenhäuser zu Rom hatte, widmete ihnen so große Sorgsamkeit, daß er darüber sein Leben einbüßte.

Zur Zeit der Reformation kamen unzählige Nichtswürdigkeiten der Pfaffen an das Licht. Als Luther anfing, Lärm zu schlagen, da regte es sich von allen Seiten, und Schriften gegen die Geistlichkeit erschienen in unendlicher Zahl und überschwemmten ganz Europa.

Luther, Melanchthon, Zwingli und andere forderten laut die Erlaubnis zur Ehe für die Priester, und letzterer richtete im Namen vieler Geistlicher Schriften an seine Vorgesetzten, die aber alle nichts fruchteten. Aus einer derselben will ich nur folgendes anführen.

Ein Schulmeister, der verheiratet war, hatte Lust, ein Priester zu werden, und wurde es mit Einwilligung seiner Frau. Er hatte sich aber zuviel zugetraut, indem er dachte, das Keuschheitsgelübde halten zu können. Er wehrte sich lange und hätte gern seine Frau wieder zu sich genommen; da er aber dies nicht durfte, so hing er sich an eine Dirne, verließ den Wohnort seiner Frau, um diese nicht zu kränken, und kam in das Bistum Konstanz. Die Frau, welche hörte, daß er eine Haushälterin habe, zog ihm nach. Der Mann, welcher sie lieb hatte, schickte die Haushälterin weg und nahm seine Frau wieder zu sich, da er meinte, es sei dies doch besser, da es ohne »weibliche Pflege« nun einmal nicht ginge. Der Generalvikar und die Konsistorialräte teilten aber seine Ansicht nicht; sie befahlen ihm bei Verlust seiner Pfründe, seine Frau wegzuschicken. Der arme Geistliche erbot sich, dieselbe als Konkubine jährlich zu verzinsen; allein, das war umsonst, sie mußte fort. Darauf nahm er seine fortgeschickte Konkubine wieder zu sich, und alles war in bester pfäffischer Ordnung; der Generalvikar hatte nichts dagegen zu erinnern!

Der Rat von Zürich gestattete bald nach einer Disputation, in welcher Zwingli die Ehe wacker verteidigt hatte, daß sich die Priester verheirateten. Mehrere machten sogleich von dieser Erlaubnis Gebrauch und verkündeten ihren Entschluß von der Kanzel. Das Volk bezeugte laut seinen Beifall, und bei der Trauung eines Priesters in Straßburg, wo man bald dem guten Beispiel folgte, rief man im Volke, er habe recht getan, und wünschte ihm tausend glückliche Jahre.

Erasmus von Rotterdam, der durch seine Schriften sehr viel beitrug, die Macht der Päpste zu untergraben, nannte die Reformation das »lutherische Fieber« oder ein Lustspiel, da es mit einer Heirat schließe. Als er Luthers Vermählung erfuhr, scherzte er: Es ist ein altes Märlein, daß der Antichrist von einem Mönch und einer Nonne kommen soll. Er schrieb gleichfalls gegen das Zölibat, meinte aber, daß die Päpste es schwerlich abschaffen würden, da ihnen der Hurenzins gar zu gut tue.

Auf der Trientiner Synode, wo all der alte römische Kohl wieder aufgewärmt wurde, bestätigte man auch wieder aufs neue das Zölibat und erließ die strengsten Befehle gegen das Konkubinat. Aber auch diese Beschlüsse halfen nicht viel. In Polen lebten zur Zeit der Reformation fast alle Geistlichen in heimlicher Ehe, und viele bekannten sie selbst öffentlich. Dieser Zustand änderte sich auch nach der Trientiner Synode nicht, und daß das Konkubinat fortbestand, lehren die unzähligen späteren Verordnungen dagegen.

In denjenigen Ländern, in welchen die Reformation festen Fuß gefaßt hatte, waren die Geistlichen freilich darauf bedacht, ihr Schandleben vor den Augen der Welt immer mehr zu verbergen; aber wie begreiflich wurde dadurch nichts für die Sittlichkeit gewonnen, sondern diese wurde im Gegenteil noch mehr dadurch gefährdet. Die Pfaffen blieben trotz aller Konzilienbeschlüsse liebebedürftige Menschen, um die Sache einmal recht zart auszudrücken, und da beim unvorsichtigen Genuß harte Strafen drohten, so waren sie darauf angewiesen, sich in der Kunst der Verstellung und Heuchelei zu vervollkommnen. Das Handwerk des Frauenverführens wurde nun jesuitischer betrieben, und das war wahrlich kein Gewinn.

In den echt katholischen Ländern genierte man sich indessen weniger, und der Kardinal Bellarmin zum Beispiel führte ein Leben, als hätte nie eine Reformation stattgefunden. Man erzählt von ihm, daß er 1624 Geliebte gehabt und nebenbei zur Sodomiterei noch vier schöne Ziegen gehalten habe! Mehr kann man von einem Kardinal billigerweise nicht verlangen.

Im siebzehnten Jahrhundert erschienen noch sehr zahlreiche, die Unzucht der Pfaffen betreffende Verordnungen, und da man einmal das Konkubinat nicht ausrotten konnte, soviel Mühe man sich auch gab, so bestimmte man nun das Alter der Köchinnen und Haushälterinnen auf fünfzig Jahre, und trotz dieses Alters, welches gegen das höchst rücksichtslose Kinderbekommen sicherte, worauf es hauptsächlich ankam, mußten die Pfaffenköchinnen sich einer strengen Prüfung unterwerfen.

Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert werden die Provinzialsynoden immer seltener, und dies ist der Grund, weshalb die beständigen Erinnerungen an die Keuschheitsgesetze wegfallen, welche nur hin und wieder in den bischöflichen Hirtenbriefen eingeschärft werden.

Man hatte eingesehen, daß Pfaffenfleisch sich nicht ertöten läßt, und war weit diplomatischer geworden. Anstatt bei Keuschheitsvergehen an die große Glocke zu schlagen, vertuschte man sie und suchte den Glauben zu verbreiten, als stehe es mit der Keuschheit der Pfaffen sehr gut. Fand man eine Erinnerung nötig, so sorgte man auch dafür, daß keine Kunde davon unter die Leute kam, und in dem Ausschreiben Joseph Konrads, Bischof von Freisingen und Regensburg, an den Regensburger Klerus vom 7. Januar 1796 heißt es ausdrücklich: »übrigens wollen wir, daß von diesen Statuten keine Nachricht unter das Volk komme, damit nicht der Klerus verachtet und verspottet werde. Wir haben uns auch deswegen der lateinischen Sprache bedient, damit für die Ehre des Klerus gesorgt und das Volk bei seiner guten Meinung erhalten werde, da einige in demselben glauben, es dürfte auch nicht der Verdacht eines schändlichen Verbrechens auf die Priester und seine Seelsorger fallen.«

Ein Umlaufschreiben des Bischofs Ignaz Albert von Augsburg vom 1. April 1824 ist im allgemeinen außerordentlich diplomatisch, und um so mehr wird man darin von folgender Stelle frappiert: »Ja, wir wissen es, daß es bei einigen Pfarrern schon zur Gewohnheit geworden ist, an Kirchfesten und Jahrmärkten mit den Köchinnen zu erscheinen und im Pfarrhause oder in Wirtshäusern einzusprechen und in später Nacht vollgefressen und vollgesoffen nach Hause zurückzukehren.«

In Spanien stand es mit der Sittlichkeit der Geistlichen in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts sehr schlecht, und der Großinquisator Bertram erklärte, daß die ganze Strenge der Inquisition dazu nötig sei, um Kleriker und Mönche von Verbrechen zurückzuhalten und zu verhindern, daß der Beichtstuhl in ein Bordell umgewandelt werde. – Wie es mit der Moralität der Geistlichen in der Schweiz steht, werden wir im nächsten Kapitel an einigen Beispielen sehen. – In Südamerika überbieten die Pfaffen alle anderen Stände an Liederlichkeit, was dort etwas heißen will. In Peru besteht das Konkubinat in voller Blüte.

Wie es mit der Sittlichkeit der römischen Geistlichkeit in Deutschland steht, will ich hier nicht erörtern. Leser, die in katholischen Distrikten unseres Vaterlandes wohnen, wissen es. Das Zölibat besteht noch, und wenn auch die höhere Bildung unseres Zeitalters es nicht gestattet, daß die Liederlichkeit der Pfaffen mit derselben Unverschämtheit auftritt wie früher, so bleiben die Folgen dieses Zölibats doch überall dieselben. Diese Folgen waren es fast ebensosehr wie die Habsucht der Pfaffen, welche die Reformation herbeiführten; und wenn jetzt ein zusammengetretenes Konzil über die Mittel beraten sollte, die katholische Religion in den schwankenden Ländern zu rehabilitieren, so sollte es nicht vergessen, daß die Aufhebung des Zölibats das wirksamste sein würde.


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