Otto von Corvin
Pfaffenspiegel
Otto von Corvin

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III

Reliquienverehrung

Die Welt hat es erfahren,
Daß einst der Glaub' in Priesterhand
Mehr Böses tat in tausend Jahren
Als in sechstausend der Verstand.

»Geld ist Macht.« Das erkennt niemand besser als die römische Kirche, die nach beiden und durch das eine zum anderen strebte.

Als die einträglichsten Betrügereien derselben erwiesen sich der Handel mit Reliquien und mit »Ablaß«, ein Handel, welcher Jahrhunderte durch mit großem Erfolge betrieben wurde und der noch heutzutage keineswegs aufgehört hat. Um ihn aufrechtzuerhalten, wurde der krasseste Aberglaube geflissentlich auf die gewissenloseste Weise in die Herzen des Volkes gepflanzt und auf die unverschämteste Weise ausgebeutet.

Ein Geschichte des Handels zu schreiben, den die römische Kirche trieb und noch treibt, würde eine Riesenarbeit sein, welche die Grenzen, die ich mir notwendig setzen muß, weit überschreiten würde; ich kann nur eine flüchtige Skizze desselben geben, die indessen vollkommen hinreichend sein wird, um den ungeheuren Umfang des Betruges und die Frechheit desselben erkennen zu lassen.

Auf menschliche Schwächen und Neigungen verstehen sich die Pfaffen vortrefflich, und dieser Kenntnis verdanken sie ihren Reichtum und ihre Macht. Ihnen konnte es nicht entgehen, daß alle Menschen mehr oder weniger Reliquiennarren sind, und sie machten diese Narrheit zu einer Goldgrube, die noch heute nicht erschöpft ist.

Ich bin überzeugt, daß jeder Mensch irgendeine Reliquie wert hält, sei es die Locke einer Geliebten, eine gestickte Brieftasche oder eine trockene Blume oder ein Band, woran sich angenehme und liebe Erinnerungen knüpfen. Ebenso kann man sich eines gewissen Interesses nicht erwehren, wenn man Gegenstände sieht, welche von bedeutenden historischen Personen einst gebraucht wurden. Sowohl die Griechen als die alten Römer hatten ihre wert gehaltenen Reliquien, und einige davon waren fast römisch-katholisch, wie zum Beispiel das Ei der Leda! Das Paladion war ja auch eine Reliquie, und noch dazu eine wundertätige, wie auch der vom Himmel gefallene heilige Schild und viele andere.

Die Inder führten um einen übermenschlich großen Zahn von Buddha blutige Kriege, und die Mohammedaner bewahren Fahne, Waffen, Kleider, den Bart und zwei Zähne ihres Propheten, und so finden wir Reliquien bei jedem Kultus und bei jedem Volke.

Wir entdecken in der Geschichte der christlichen Kirche keine Spur von Reliquienkultus, ehe Konstantin Christ wurde. Von diesem wird erzählt, daß er während der Schlacht an der milvischen Brücke am Himmel ein glänzendes Kreuz sah mit der griechischen Überschrift, welche in deutscher Übersetzung »In diesem siege« heißt. Er ließ nun eine Kreuzfahne machen, der seine meistens christlichen Soldaten mit Enthusiasmus folgten.

Seitdem wurde das Kreuz Mode, und bald fand die Mutter des Kaisers, Helena, das wahre Kreuz auf, an welchem Jesus vor länger als dreihundert Jahren gekreuzigt worden war, wie auch das Grab, in welchem sein Körper bis zur Auferstehung gelegen hatte. Die gleichzeitigen Schriftsteller melden zwar von dieser Entdeckung nichts; sogar der Fabelhans Eusebius, welcher die Reise der Kaiserin Helena nach Palästina beschreibt, sagt kein Wort von diesem merkwürdigen Funde; aber die Geschichte ist einmal als wahr angenommen, und die römische Kirche feiert ein eigenes »Kreuzerfindungsfest«. Erfunden ist es in der Tat.

Der Segen, den Helena entdeckte, war aber zu groß; sie fand nicht allein das Kreuz Christi, sondern auch das der beiden »Schächer«. Die Inschrift, die Pilatus zur Verhöhnung der Juden hatte anheften lassen, fand sich nicht mit vor; wie sollte man nun das heilige Kreuz von den beiden anderen unterscheiden? Pfaffen sind aber erfinderisch, und so war man denn auch nicht um eine Auskunft verlegen. Man legte einen Kranken auf eins der Kreuze, und er wurde weit kränker. Man vermutete daher, daß dies wohl das Kreuz des gottlosen Schachers sein müsse, der Jesus verspottete, und legte den Kranken auf ein anderes. Ihm ward um vieles besser, und endlich, als er von diesem Kreuze des frommen Schachers auf das dritte gelegt wurde, stand er sogleich frisch und gesund auf. Das Kreuz Jesu war gefunden!

Man fand nun auch bald die Gräber der Apostel, und ihre Körper sind, glaub' ich, sämtlich vorhanden. Wußte man nicht, wo sie gestorben oder begraben waren, so hatte man göttliche Offenbarungen. Auf diese Weise gelangte man zu den Überresten von allen möglichen Märtyrern und Heiligen; die natürlich sämtlich Wunder taten. Solcher Offenbarungen wurden, wie sich von selbst versteht, nur Mönche und Geistliche gewürdigt; aber recht frommen Leuten gelang es mit Hilfe der letzteren auch, mit den Heiligen in direkten Verkehr zu treten.

Eine fromme Frau zu St. Maurin hatte Johannes den Täufer zu ihrem Lieblingsheiligen ausersehen. Drei Jahre lang bat sie täglich den Heiligen nur um irgendwelches Teilchen von seinem Leibe, den er ja doch nicht mehr brauchte, sei es auch was es sei; der hartherzige Johannes wollte sich nicht erbarmen! Nun wurde die Frau trotzig und schwur, nichts mehr zu essen, bis der Heilige ihre Bitte erhört habe. Sieben Tage hatte sie schon gehungert, da endlich! fand sich auf dem Altar – ein Daumen des Täufers. Drei Bischöfe legten mit großer Andacht diese kostbare Reliquie in Leinwand, und drei Blutstropfen fielen aus dem Daumen heraus, – so daß doch für jeden der drei Bischöfe auch noch etwas abfiel.

Wie unendlich schwer ist es uns geworden, die Überreste Schillers und Webers aufzufinden! Und beide starben doch als geachtete und hochverehrte Männer, in ruhiger Zeit und in Staaten, wo jeder Neugeborene und jeder Gestorbene in ein besonders darüber geführtes Register eingetragen wird; um so mehr ist es zu bewundern, daß man in jener Zeit noch nach Jahrhunderten nicht allein die Gebeine, sondern auch die Kleidungsstücke von Heiligen vorfand, die als Verbrecher hingerichtet und deren Leichen irgendwo eingescharrt wurden. Ja, was noch wunderbarer ist, man fand von manchem Heiligen so viele Körperteile, daß man daraus sechs und mehr vollständige Skelette hätte machen können! Der heilige Dionisius existiert zum Beispiel in zwei vollständigen Exemplaren zu St. Denis und zu St. Emmeran, und außerdem werden noch in Prag und in Bamberg Köpfe von ihm gezeigt und in München eine Hand. Der Heilige hatte also zwei vollständige Leiber, fünf Hände und vier Köpfe!

Die Christen der ersten Jahrhunderte wußten nichts von einer Anbetung der Jungfrau Maria oder der Heiligen, sondern verspotteten vielmehr die Heiden wegen ihrer vielen Untergötter, die gleichsam Jupiters Hofstaat bildeten, und wegen der göttlichen Verehrung der Kaiser, mit der es übrigens gar nicht so arg war. Man gab ihnen den Beinamen »der Göttliche«, setzte ihre Namen in den Kalender und errichtete ihnen Bildsäulen. Mit Ludwig XIV. und anderen Fürsten haben Christen weit ärgeren Götzendienst getrieben.

Die ersten Heiligen waren meistens unbekannte Menschen, und wunderbar ist es, daß man auf die Anbetung der Maria erst weit später verfiel, denn eine Jungfrau, die Gott sich unter den Millionen Mädchen der Erde vorzugsweise zum »Gefäß der Gnade« ersah, war doch auf jeden Fall mehr der Anbetung würdig als ein hirnverbrannter schmieriger Einsiedler, der ein Sitzbad in einem Ameisenhaufen nimmt.

Noch im vierten Jahrhundert dachte man nicht daran, die Jungfrau Maria göttlich zu verehren, ja, man war auf dem besten Wege, sie zu verketzern. Man sagte ihr Dinge nach, welche die Christen der damaligen Zeit sehr gottlos fanden. Der berühmte Kirchenvater Tertullian warf ihr vor, daß sie an Jesum nicht geglaubt habe! Origenes und Basilius beschuldigen sie unheiliger Zweifel bei den Leiden ihres Sohnes, und Chrysostomus hält sie des Selbstmordes für fähig, indem er erzählt, daß der Engel ihr die Empfängnis Jesu früher verkündet, als sie ihre Schwangerschaft bemerkte, weil sie sonst bei der plötzlichen Entdeckung leicht aus Scham ihrem Leben hätte ein Ende machen können.

Die Verehrung der Maria beginnt erst im fünften Jahrhundert, und bald hatte sie nicht allein alle Heiligen, sondern selbst Gott und Jesus überflügelt. »Wer Maria nicht verehrt, dem wird keine Vergebung«, sagten die Priester.

Die Liebe verfällt schon auf wunderbare Beinamen, und mein Täubchen, mein Mäuschen, mein Hämmelchen, mein Puttchen usw. usw. sagt noch heute gar mancher Jüngling zu seiner Geliebten, aber die der Jungfrau Maria beigelegten zärtlichen Namen sind oft so seltsam und komisch, daß es nicht zu begreifen ist, wie Katholiken die marianische Litanei ohne Lachen herplappern können. Sie wird unter anderen genannt: du geistliches Gefäß, ehrwürdiges Gefäß, fürtreffliches Gefäß der Andacht, geistliche Rose, Turm Davids, elfenbeinerner Turm, goldenes Haus, Arche des Bundes, Thron Salomons, brennender Dornbusch, Honigfladen Simsons, Tempel der Dreieinigkeit, geweihete Erde, Seehafen, Sonnenuhr, Himmelsfenster usw.

Der Name »Mutter Gottes«, der jetzt ganz gewöhnlich geworden ist, erregte im fünften Jahrhundert großes Ärgernis; der fromme Kirchenvater Nestorius fand ihn lächerlich und unschicklich und den »Mutter Christi« vernünftiger. Die Kirchenversammlung von Ephesus entschied aber für Mutter Gottes. Natürlich war es, daß man nun auch auf die Verehrung der »Großmutter Gottes« verfiel; aber Papst Clemens XI. gebot Halt, und ohne ihn würden die Katholiken vielleicht heute zu allen Onkeln und Tanten Gottes beten.

Jesus ist Gottes Sohn nach der Lehre der christlichen Kirche, und doch ist er wieder Mensch; aber er ist eins mit Gott dem Vater und Gott dem Heiligen Geist, über diese Menschwerdung Gottes und über das Wesen der Dreifaltigkeit ist mancher schon einfältig geworden. Die Menschwerdung Gottes erklärt der heilige Bernhard ebenso einfach als elegant, indem er sagt: »Aus Gott und Mensch wurde eine Heilsalbe für alle; diese beiden Spezies wurden im Leibe der Jungfrau Maria wie in einer Reibschale gemischt, und der Heilige Geist war die Mörserkeule.«

Minder geistreich, wenn auch ebenso einfach ist jenes Franziskaners Erklärung der Dreieinigkeit, die er vergleicht mit Hosen, die zwar drei Öffnungen hätten, aber doch nur ein Stück wären.

Maria wurde Veranlassung zu unendlich vielen Zänkereien zwischen den Gelehrten und Pfaffen. Besonders heftig war der Streit über »die befleckte oder unbefleckte Empfängnis der Jungfrau«; das heißt nicht darüber, ob Maria Jesus ohne Verlust ihrer physischen Jungfrauschaft empfangen habe – denn darüber war man ziemlich einig –, sondern ob sie selbst von ihrer Mutter auch »ohne Erbsünde« empfangen sei oder nicht. Die Dominikaner sagten mit, die Franziskaner ohne Erbsünde und stritten jahrhundertelang darüber mit Waffen aller Art. Noch im Jahre 1740 machten gelehrte Männer diese Dummheit zum Gegenstand ihrer ernsthaften Untersuchung, und der Papst Pius VII. hat sie zu einem Dogma der Kirche erhoben!

Die heilige Jungfrau ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht und rächte sich an denjenigen, welche an ihrer unnatürlichen Entstehung zweifelten. Ein Fall solcher Rache wird von den Franziskanern mit Triumph erzählt. Ein Dominikaner predigte mit größter Heftigkeit gegen die unbefleckte Empfängnis und forderte gleichsam die »Himmelskönigin« heraus, ein Zeichen zu geben, wenn es nicht wahr sei, was er geredet. Kaum hatte er diese Lästerung ausgesprochen, als der Boden der Kanzel brach und der dicke Pater bis zur Mitte des Leibes hindurchfiel. Der Oberkörper mit der Kutte blieb oben, so daß die hosenlose Vorder- und Hinterfront der unteren Etage des geistlichen alten Hauses der Betrachtung und dem Gelächter seiner Gemeinde preisgegeben war.

Die Art und Weise, wie Maria Jesus empfangen habe, war auch ein Gegenstand großen Kopfzerbrechens. Einige meinten, es sei durch das Ohr geschehen, andere meinten, durch die Seite. Dann zankte man sich auch sehr darüber, ob Maria noch nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben sei. St. Ambrosius verteidigt diese Meinung sehr hartnäckig und bringt für dieselbe höchst wunderliche Dinge vor. Er sagt unter anderm: »Da er (nämlich Jesus) gesagt hat: ich mache alles neu, so ist er auch von einer Jungfrau auf unbefleckte Weise geboren worden, damit man ihn desto mehr für den ansehe, der da ist Gott mit uns. Sie sagen: als Jungfrau hat sie empfangen, aber nicht als Jungfrau geboren. Ist das eine möglich, so ist auch das andere möglich. Denn die Empfängnis geht ja vorher, und die Geburt folgt nach. Man sollte doch den Worten Jesu, man sollte doch den Worten des Engels glauben, daß bei Gott kein Ding unmöglich sei (Luk. 1, 37). Man sollte dem apostolischen Symbolum glauben. Sagt ja der Prophet, eine Jungfrau werde nicht nur empfangen, sondern auch gebären (Jes. 7, 14). Jene Pforte des Heiligtums, welche verschlossen bleibt, durch welche niemand gehen wird als allein der Gott Israels (Ezech. 44,1.2), was ist sie anders als Maria, durch welche der Erlöser in diese Welt eingegangen ist? Sind doch so viele Wunder gegen die Gesetze der Natur geschehen, was ist's denn Wunder, wenn eine Jungfrau wider den Lauf der Natur einen Menschen geboren hat?« usw.

Maria wurde von allen Kirchenlehrern, welche die Unterdrückung des Geschlechtstriebes predigten, als das höchste unerreichbare Muster des jungfräulichen Lebens aufgestellt und bald von den Mädchen und Weibern weit mehr als Gott verehrt. Dieser Götzendienst war natürlich denen, welche die Lehre Jesu rein bewahren wollten, ein Greuel, und – daher die Opposition gegen Maria.

Helvidius schrieb (383) zur Verteidigung des Christentums ein Buch, in welchem er beiläufig behauptete, daß Maria nach Jesu Geburt noch mit Joseph einige Kinder hatte, wobei er sich sowohl auf Matth. 1, 25 berief, wo es heißt: »Joseph wohnte der Maria nicht bei, bis sie ihren ersten Sohn geboren«, wie auch auf andere Bibelstellen, wo oftmals von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede ist.

Der heilige Hieronymus geriet außer sich über diese Frechheit. Er schrieb gegen Helvidius und rief den Heiligen Geist an, »daß er das Quartier des heiligen Leibes, in dem er zehn Monate gewohnt habe, gegen allen Argwohn eines Beischlafes schützen«, und Gott Vater, »daß er die Jungfräulichkeit der Mutter seines Sohnes kundtun möge«.

Ähnliche Lehren wie Helvidius trug ein römischer Mönch, Jovinian, vor, und nun entspann sich um die Jungfrauschaft der Maria ein heftiger Kampf, der damit endete, daß Jovinian und seine Anhänger aus der Gemeinschaft der christlichen Kirche ausgeschlossen und seine Lehren als Ketzerei verdammt wurden!

Es ist nicht möglich, ernsthaft zu bleiben, wenn man liest, über welche seltsamen Dummheiten die Geistlichen schrieben und disputierten! Pater Suarez handelt sehr gelehrt die Frage ab, »ob Maria mit oder ohne Nachgeburt geboren habe«, und erzählt, daß Fromme verschiedene Speisen in Form der Nachgeburt genossen hätten! – übrigens ist er ein Antinachgeburtianer, da der Prophet Ezechiel prophezeit habe: »Diese Tür wird verschlossen sein und nicht aufgemacht werden.«

Man glaube indessen nicht, daß dieser ekelhafte Unsinn der größte ist, über welchen Pfaffen stritten, und verhöhne nicht die jüdischen Rabbiner, welche ernstlich untersuchten, ob Adam schon mit Stahl und Stein Feuer geschlagen habe? Ob das Ei, welches eine Henne am Festtag gelegt habe, gegessen werden dürfe? Ich kann eine ganze Galerie solcher christlichen Streitfragen anführen, die den erwähnten an Abgeschmacktheit durchaus nichts nachgeben, die mit der größten Erbitterung abgehandelt wurden und wobei es gar häufig zu Schlägereien und selbst Blutvergießen kam.

Die Pfaffen stritten darüber: ob Adam einen Nabel gehabt habe? Zu welcher Klasse von Schwalben die gehörte, welche Tobias ins Auge machte? Ob Pilatus sich mit Seife gewaschen, als er Jesum das Urteil sprach? Ob ein Kind bei widernatürlicher Lage auf den Hintern getauft werden dürfte? Was das für ein Baum gewesen, auf den der kleine Zachäus stieg, als er Jesus sehen wollte? Mit welcher Salbe Maria Magdalena den Herrn gesalbt? Ob der ungenähte Rock, über den die Kriegsknechte das Los warfen, Jesu ganze Garderobe gewesen sei? Wieviel Wein auf der Hochzeit zu Kana getrunken worden sei? Was wohl Jesus geschrieben, als er mit dem Finger in den Sand schrieb? Wie Jesus das Erlösungswerk habe vollbringen können, wenn er als Kürbis zur Welt gekommen wäre? Ob Gott wie ein Hund bellen könne? Ob nicht schon ein einziger Blutstropfen hingereicht habe für die Sünde der Welt? Ob Gott der Vater sitze oder stehe? Ob er einen Berg ohne Tal, ein Kind ohne Vater hervorbringen und eine Entjungferte wieder zur Jungfrau machen könne? Ob die Engel Menuett oder Walzer tanzten? Ob sie lauter Diskant- oder auch Baßstimmen hätten? Was man wohl in der Hölle treibe und zu welchem Thermometergrad die Hitze dort wohl steige? Eine Menge Fragen muß ich ihrer Unflätigkeit wegen weglassen und will nur zwei als Probe in lateinischer Sprache anführen: An Christus cum genetalibus in coelum ascenderit, et S. Virgo semen emiserit in commercio cum Spiritu sancto?

Die Lehren vom Abendmahl und von der Taufe boten gleichfalls Gelegenheit genug zu Streitigkeiten. Man zankte sich darüber, ob der Teufel rechtmäßig taufen könne? Ob man im Notfall auch mit Wein, Bier, Sand usw. taufen könne? Oder ob auch bloßes Anspucken genüge? Ob eine Maus, die vom Taufwasser gesoffen, für getauft zu halten sei? Was zu tun, wenn ein Kind das Taufwasser verunreinige? Das tat der nachherige Kaiser Wenzel, und deshalb wurde ihm auch alles mögliche Unheil prophezeit.

Doch die Untersuchung der Jungfrauschaft der Mutter Gottes hat mich auf Abwege geführt; kehren wir wieder zu ihr zurück.

Albertus Magnus (Albrecht von Lauingen), Bischof von Regensburg, der 1280 zu Köln starb, hat sich sehr gründlich mit der Jungfrau Maria beschäftigt und untersucht, ob sie blond oder brünett, ob sie schwarzäugig oder blauäugig, ob sie schlank oder dick, groß oder klein gewesen sei. Was er eigentlich herausuntersucht hat, finde ich nirgends und habe keine Lust, die einundzwanzig Foliobände deshalb durchzulesen, die uns von seinen 800 Büchern erhalten worden sind. Nach den Überresten von ihrem Haar zu urteilen, ist es scheckig gewesen, denn man zeigt braune, blonde, schwarze und rote. Diejenigen Haare, mit welchem sie an einem Marientage höchst eigenhändig das Hemd des Erzbischofs St. Thomas flickte, waren übrigens malitiös blond.

Schön war Maria indes auf jeden Fall, denn wenn sich auch kein authentisches Porträt von ihr vorgefunden hat, so stimmen doch alle heiligen Kirchenväter darin überein, und als Heilige erschien ihnen natürlich die »Himmelskönigin« häufig.

St. Damiani, der 1059 starb, erzählt, »daß Gott selbst durch die Schönheit der heiligen Jungfrau in heftiger Liebe zu ihr entbrannt sei. In einem hierauf berufenen himmlischen Konvent habe er den verwunderten Engeln von der Erlösung des Menschengeschlechtes und der Erneuerung aller Dinge erzählt und ihnen von Maria Kunde gegeben. Der Engel Gabriel erhielt sogleich einen Brief, in dem ein Gruß an die Jungfrau, die Fleischwerdung des Erlösers, die Art der Erlösung, die Fülle der Gnade, die Größe der Herrlichkeit und die Größe der Freuden enthalten waren. Gabriel kam zu Maria, und sobald er mit ihr gesprochen hatte, fühlte sie den in ihre Eingeweide hineingefallenen Gott und dessen in der Enge des jungfräulichen Bauches eingeschlossene Majestät.«

Im Koran ist erzählt, daß Maria an einem Palmenbaum stand, als der Engel zu ihr trat und sagte: »Ich will dir einen reinen Knaben schenken.«

Die Zahl der Wunder, welche der heiligen Jungfrau zugeschrieben werden, ist sehr groß, und es fällt mir schwer, eine Auswahl zu treffen. Später findet sich vielleicht eine Gelegenheit, eines oder das andere zu erzählen.

Die Legende erzählt, daß Engel das ganze Haus der Maria aus Bethlehem nach Italien getragen hätten. Anfangs ließen sie es bei Tersatto in der Nähe von Fiume stehen; aber im Jahre 1294 trugen sie es nach Loretto.

Als das heilige Haus vorbeigetragen wurde, bogen sich die Balken, damals noch in ihrer Jugend als Bäume, vor demselben! Höchst merkwürdig ist es aber, daß zwei Jahrhunderte lang kein Schriftsteller von diesem höchst wunderbaren Transport erzählt! Die Inschrift des heiligen Hauses heißt: »Der Gottesgebärerin Haus, worin das Wort Fleisch geworden.« über dem unscheinbaren Haus, welches neuern Forschungen zufolge sich im Baumaterial und Form von den andern Bauernhütten – um Loretto gar nicht unterscheiden soll, erhebt sich eine prachtvolle Kirche, und Tausende von Wallfahrern strömten hierher, um ihre Rosenkränze in dem Breinäpfchen Jesu umzurühren und, was für die Kirche die Hauptsache war, ein mehr oder minder beträchtliches Sümmchen zu opfern. So wurde denn durch einen, jedem vernünftigen Menschen offenbaren Betrug ein unermeßlicher Schatz zusammengestohlen!

Doch die guten Katholiken waren von ihren Pfaffen so gut gezogen, daß sie lieber ihren eigenen Augen als einem Pater mißtrauten. Der Mönch Eiselin zog 1500 zu Aldingen in Württemberg umher mit einer Schwungfeder aus dem Flügel des Engels Gabriel. Wer diese küßte, sagte er, dem sollte die Pest nichts anhaben. Ein solcher Kuß wurde natürlich nicht umsonst gestattet. Diese kostbare Feder wurde dem Pfaffen gestohlen! Eiselin war indessen gar nicht verlegen. Im Beisein der Wirtin füllte er sein leeres Kästchen mit Heu, welches wahrscheinlich auf ihrer eigenen Wiese gewachsen war, und gab es aus für Heu aus der Krippe, in welcher Jesus in Bethlehem gelegen hatte; wer es küßte, sollte pestfrei sein. Alles drängte sich zum Kuß herzu, und selbst die Wirtin küßte, so daß Eiselin erstaunt flüsterte: »Und auch du, Schatz?«

Die frommen Herren Geistlichen und Mönche trieben mit den Reliquien den abscheulichsten Betrug. Jeder christliche Altar mußte seine Reliquie haben, und je heiliger diese war, desto größer war der Nutzen, den sie davon zogen; denn die Reliquien waren weder umsonst zu sehen, noch wurden sie verschenkt. Der Reliquienhandel wurde bald sehr einträglich. Natürlich, alte Knochen, Lumpen und dergleichen fand man überall, man brauchte kein Anlagekapital, und der Preis, den man sich bezahlen ließ, war hoch!

Als die Bischöfe von Rom Päpste wurden, da steuerten sie etwas diesem Handel, aber nur, um selbst davon größeren Vorteil zu ziehen. Die Reliquien mußten in Rom geprüft werden und wurden nur für echt befunden, – wenn die Besitzer die echt römischen, klingenden Beweise beizubringen wußten. Eine gute Reliquie war ein wahrer Schatz für ein Kloster, und nicht alle Äbtissinnen gingen damit so leichtsinnig um wie die der Nonnen zu Macon. Das dortige Kloster besaß die Haut des heiligen Dorotheus, der geschunden wurde; Simon, der Gerber, hatte das heilige Fell gegerbt, und die kostbare Reliquie war durch mancherlei Hände endlich in den Besitz der Nonnen zu Macon gekommen. Diese stopften die Haut mit Baumwolle aus und stellten den Heiligen her, als ob er lebe. Sie gerieten aber aus übergroßer Verehrung auf ganz kuriose Spielereien und Abwege, so daß es die Äbtissin für ratsam hielt, die Reliquie, deren Wert sie nicht kannte, den Jesuiten zu schenken.

Diese entdeckten bald die Kostbarkeit und stifteten eine Brüderschaft zum heiligen Leder, wodurch sie sehr viel Geld verdienten. Nun ging den Nonnen plötzlich ein Licht auf! Sie klagten beim Papst, reklamierten von den Jesuiten ihr Heiligtum, und es wurde ihnen auch zugesprochen. Der Jubel der Nonnen war groß, aber, o Schreck! die malitiösen Jesuiten hatten den frommen Jungfrauen die ganze Freude verdorben, indem sie den lieben Heiligen verstümmelt hatten, und zwar auf unverantwortliche Weise! Er sah nun aus wie der heilige Bernhard, als er seinen Mönchen verklärt erschien, Die indignierten Jungfrauen wandten sich abermals an den Papst mit der Bitte, daß er den Jesuiten befehlen möge, ihnen das Fehlende herauszugeben. Der Papst hielt jedoch diesen Mangel, besonders für ein Nonnenkloster, nicht für erheblich und sandte den Bittenden als Ersatz – zwei geweihte Muskatnüsse! Man denke sich die Beschämung und den Zorn der guten Nönnchen!

Zur Zeit der Kreuzzüge wurde Europa erst recht mit Reliquien überschwemmt. Man brachte aus dem Heiligen Lande Heiligtümer aller Art mit. Eroberte man eine Stadt, so suchte man vor allen Dingen erst nach Reliquien, denn sie waren weit kostbarer als Gold und Edelsteine. Ludwig der Heilige, König von Frankreich, machte zwei unglückliche Kreuzzüge; aber er tröstete sich über sein Unglück, denn es war ihm gelungen, einige Splitter vom Kreuze, einige Nägel, den Schwamm, den Purpurrock Jesu und die Dornenkrone – um eine ungeheure Summe zu erkaufen. Als diese Heiligtümer ankamen, ging er mit seinem ganzen Hofe denselben barfuß bis Vincennes entgegen!

Heinrich der Löwe brachte eine große Menge Reliquien mit nach Braunschweig. Die Krone derselben aber war ein Daumen des heiligen Markus, für welchen die Venezianer vergebens 100 000 Dukaten boten.

Der Glaube an diese Reliquien war ebenso unerhört wie der Preis, der dafür bezahlt wurde. Die Pfaffen hätten Engel sein müssen, wenn sie die Dummheit der Menschen nicht benutzt hätten.

Die ganze Garderobe Jesu, der Jungfrau Maria, des heiligen Joseph und vieler anderer Heiligen kam zum Vorschein. Man fand die heilige Lanze, mit welcher der römische Ritter Longinus Jesus in die Seite stach; das Schweißtuch, mit welchem die heilige Veronika Jesus den Schweiß abtrocknete, als er nach Golgatha ging, und in welches er zum Andenken sein Gesicht abdrückte! Von diesem Tuch gab es so viele Stücke, daß sie zusammen wohl fünfzig Ellen lang sein mochten. Ein sehr respektables Taschentuch!

Man fand auch die Schüssel von Smaragd, welche Salomon der Königin von Saba schenkte und aus der Jesus sein Osterlamm verspeiste. Die Weinkrüge von der Hochzeit von Kana entdeckte man auch, und in ihnen war noch Wein enthalten, der nie abnahm. Ursprünglich waren es nur sechs, aber sie vermehrten sich, und man zeigte sie zu Köln und zu Magdeburg. – Splitter vom Kreuz gab es so viel, daß man aus dem dazu verwendeten Holz hätte ein Kriegsschiff bauen können, und Nägel vom Kreuz viele Zentner. Dornen aus der Dornenkrone fanden sich (an jeder Hecke); einige bluteten an jedem Karfreitag.

Der Kelch, aus welchem Jesus trank, als er das Abendmahl einsetzte, fand sich auch vor, nebst Brot, welches von dieser Mahlzeit übriggeblieben war. Ferner die Würfel, mit welchen die Soldaten um Jesu Rock spielten. An ungenähten Röcken zeigte man eine ganze Menge, unter anderm zu Trier, Argenteuil, St. Jago, Rom und Friaul usw. Die größte Wahrscheinlichkeit der Echtheit hat ein zu Moskau aufbewahrter, der durch den Soldaten, der ihn gewann, einen Georgier, mit nach Hause gebracht worden sein soll. Die Ausstellung des alten Kleidungsstückes in Trier im Jahre 1845, welche die ganze gebildete Welt empörte, veranlaßte eine Menge Untersuchungen über diese heiligen Röcke, und es erschienen mehrere darauf bezügliche Broschüren, die noch im Buchhandel zu haben und zum Teil sehr interessant sind. Alle diese heiligen Röcke haben eine wohlbezahlte päpstliche Bulle für sich, in denen ihre Echtheit bezeugt ist. Da nur einer echt sein kann, so ist die Bestätigung der Echtheit mehrerer durch den Papst ein geflissentlicher Betrug.

Man fand Hemden der Maria, die so groß sind, daß sie einem dicken Mann als Paletot dienen können; einen sehr kostbaren Trauring der Maria, der zu Perusa gezeigt wurde; sehr niedliche Pantöffelchen und ein Paar ungeheuer große rote, welche sie trug, als sie der heiligen Elisabeth ihren Besuch machte. Ja, man fand Haare der Heiligen Jungfrau von allen möglichen Farben nebst ihren Kämmen. Eine Zahnbürste ist aber nicht entdeckt worden. Dagegen fand sich so viel Milch von ihr vor, als schwerlich zwanzig Altenburger Ammen in einem ganzen Jahre produzieren könnten. Blut Jesu fand sich bald tropfenweise, bald auf Flaschen gezogen. Etwas davon, so erzählt die Legende, hatte Nikodemus, als er Jesus vom Kreuze nahm, gesammelt und damit viele Wunder verrichtet. Aber die Juden verfolgten ihn, und er sah sich genötigt, das heilige Blut in einen Vogelschnabel (!) zu verbergen und nebst schriftlicher Nachricht ins Meer zu werfen. An der Küste der Normandie, man kann denken, nach welchen Irrfahrten, schwamm dieser Schnabel ans Land. Eine in der Nähe jagende Gesellschaft vermißte plötzlich Hunde und Hirsch. Man forschte nach und fand sie – sämtlich kniend vor dem wundervollen Schnabel. Der Herzog von der Normandie ließ sogleich auf der Stelle ein Kloster bauen, welches Bec (Schnabel) genannt wurde und welchem das heilige Blut Millionen eintrug.

Windeln Jesu fanden sich in großer Menge; auch die jammervoll kleinen Höschen des heiligen Joseph entdeckte man nebst seinem Zimmermanns-Handwerkszeug. Einer der dreißig Silberlinge fand sich vor, nebst dem ungeheuer dicken, zwölf Schuh langen Strick, an welchem sich der Verräter Judas erhängte; sein sehr kleiner, leerer Geldbeutel tauchte ebenfalls auf, nebst der Laterne, mit welcher er leuchtete, als er Jesus verriet.

Sogar die Stange kam zum Vorschein, auf welcher der Hahn saß, als er Petri Gewissen wachkrähte, nebst einigen Federn dieses Vogels; ferner der Stein, mit welchem der Teufel Jesus in der Wüste versuchte; das Waschbecken, in welchem sich Pilatus die Hände wusch; die Knochen des Esels, der Jesus am Palmsonntag getragen, wie auch einige der an diesem Tage gebrauchten Palmzweige. Ferner fand man die Steine, mit denen St. Stephanus gesteinigt wurde – herrliche Achate! –; die fabelhaft große Gurgel des fabelhaften St. Georg; eine Unmasse Knochen der zu Bethlehem umgebrachten Kinder; die Ketten des Petrus und auch einen eingetrockneten Arm des heiligen Antonius, der sich aber als die Brunstrute eines Hirsches auswies!

Sogar aus dem Alten Testament fanden sich Reliquien vor! Manche hatten demnach wohlerhalten Jahrtausende auf die fromme Entdeckung gewartet. Man fand den Stab, mit welchem Moses das Rote Meer zerteilte, Manna aus der Wüste, Noahs Bart, die eherne Schlange, ein Stückchen von dem Felsen, aus welchem Moses Wasser schlug, mit vier erbsengroßen Löchern; Dornen von dem feurigen Busch; den Schemel, von dem Eli herunterfiel und den Hals brach; das Schermesser, mit dem Delila den Simson schor; den Stimmhammer Davids, der zu Erfurt gezeigt wurde, usw.

Eine Reliquie von großem Rufe war das Gewand des heiligen Martin (capa oder capella), welches in den Feldzügen als Fahne vorgetragen wurde. Die Geistlichen, welche dieses Heiligtum trugen, hießen Capellani, und die Kirche, in welcher es verwahrt wurde, Capella. Dieser Name erhielt bald eine weitere Ausdehnung, und daher die Kapellen und die Kapellane.

Der Glaube des Volkes an diese Reliquien war so stark, daß die Pfaffen es wagen konnten, Dinge als solche zu zeigen, die unsinnig und unmöglich waren, und wenn ich einige derselben anführe, so werden die Leser glauben, ich scherze! Allein dies ist nicht der Fall; man zeigte sie einst wirklich und zeigt sie in echt katholischen Ländern wohl heute noch.

Da sah man eine Feder aus dem Flügel des Engeis Gabriel, den Dolch und den Schild des Erzengels Michael, deren er sich bediente, als er mit dem Teufel kämpfte; etwas von Christi Hauch in einer Schachtel; eine Flasche voll ägyptischer Finsternis, etwas von dem Schall der Glocken, die geläutet wurden, als Christus in Jerusalem einzog; einen Strahl von dem Sterne, welcher den Weisen aus dem Morgenlande leuchtete; etwas von dem Fleisch gewordenen Wort; einige Seufzer, die Joseph ausstieß, wenn er knotiges Holz zu hobeln hatte; den Pfahl im Fleische, der dem heiligen Paulus so viel zu schaffen machte, und noch unendlich viel andern Unsinn.

Die Unverschämtheit der Pfaffen kannte keine Grenzen, denn die Dummheit der Menschen war unbegrenzt. Oben habe ich ein Pröbchen sowohl von der Unverschämtheit als von der Dummheit in der Geschichte mit dem Mönch Eiselin gegeben; hier mag noch eine Probe folgen, welche Poggio Braciolini erzählt, der beinahe vierzig Jahre lang päpstlicher Geheimschreiber war und 1459 als Kanzler der Republik Florenz starb.

Ein Mönch hatte sich in eine hübsche Frau verliebt und versuchte es auf alle Weise, sie zu verführen. Es gelang ihm auch. Sie stellte sich sehr krank und verlangte nun den Mönch als Beichtvater. Dieser kam, blieb mit ihr der Sitte gemäß allein, um ihr die Beichte abzunehmen, und wurde erhört. Am andern Tag kam er wieder und legte, um es sich bequemer zu machen, seine Hosen auf das Bette der Frau. Dem Manne schien die Beichte etwas lange zu dauern; er wurde neugierig und trat unvermutet in das Zimmer. Der Mönch absolvierte so schnell als möglich und floh, aber – vergaß, seine Hosen mitzunehmen.

Diese fielen nun dem racheschnaubenden Ehemann in die Hände. Er stürzte damit auf die Gasse und zeigte diese Verräter seinen Nachbarn, entflammte sie zur Wut und brach mit ihnen ins Kloster ein. Der Mönch sollte sterben! Ein alter besonnener Pater versuchte es vergebens, den Hitzkopf zu beruhigen, der übrigens jetzt die Sache gern vertuscht hätte, wenn es angegangen wäre. Das merkte der alte Pater und sagte ihm: er brauche wegen dieser Hosen nichts übles zu denken, denn dieses wären die Beinkleider des heiligen Franziskus, welche Krankheiten, wie die, woran seine Frau litte, gründlich heilten. Zu seiner Beruhigung wolle er die Hosen feierlich abholen. Alsbald zogen Mönche mit Kreuz und Fahne nach dem Hause des ehrlichen Dummkopfes, legten die heilige Reliquie auf ein seidenes Kissen, stellten sie zur Verehrung aus und reichten die heiligen Hosen des liederlichen Mönches den Gläubigen zum Kusse herum. Dann trug man sie in feierlichem Bittgange nach dem Kloster zurück und legte sie hier zu den übrigen heiligen ReliquienEs ist dies keine erfundene Anekdote oder ein Scherz des genannten Autors. Die Erzählung findet sich in einem ganz ernsten Werke, in welchem Poggio mit großer Entrüstung von der Verderbtheit der Geistlichkeit redet. Überhaupt verschmähe ich es durchaus, auf Kosten der historischen Wahrheit zu scherzen, und alle in diesem Werke gemachten Angaben kann ich historisch nachweisen, so seltsam sie auch manchmal klingen mögen..

In dieses Kapitel von den Reliquien gehören auch die wundertätigen Heiligenbilder und ihre Verehrung. Die Pfaffen hatten mit den heiligen Knochen und Lumpen noch nicht genug. Bald fanden sich Bilder von Jesus und der Jungfrau Maria, welche der Evangelist Lukas gemalt haben sollte. Sie zeugten weder von der Kunst des Malers noch von der Schönheit der Personen, welche sie vorstellen sollten, denn sie waren ganz schauderhaft! Andere, nicht bessere Bilder fielen vom Himmel, und endlich ließ man sie ganz ungescheut von Malern malen.

Diese Bilder verehrte man wie Reliquien, und die Verehrung ging bald in förmliche Anbetung über, über den Bilderdienst entstanden die blutigsten Kämpfe, und endlich wurde er der Grund zur Trennung der Kirche in die griechische und lateinische. Dieser Bilderstreit dauerte zwei Jahrhunderte lang. Kaiser Konstantin V., welcher 741 starb, erklärte alle Bilder für Götzenbilder und fegte das ganze Land von Bildern und Reliquien rein. Er verwandelte die Klöster zu Konstantinopel in Kasernen, und Mönche und Nonnen machte er lächerlich, indem er sie zum Beispiel paarweise einen Umzug im Zirkus halten ließ.

Im Westen fand dieser Bilder- und Reliquiendienst anfangs auch viele Widersacher. Der Bischof Claudius von Turin meinte: »Wenn man das Kreuz anbetet, an dem Jesus gestorben, so muß man auch den Esel anbeten, auf dem er geritten ist«, was denn auch in der Folge wirklich geschah! Andere aber hielten diesen Bilderdienst für sehr wichtig. Ein Mönch hatte, um den Unzuchtsteufel zu besänftigen, diesem das Gelübde getan, das tägliche Gebet vor den Bildern in seiner Zelle zu unterlassen. Im Zweifel darüber, ob er eine Sünde damit begangen, beichtete er dies dem Abt, und dieser sagte zu ihm: »Ehe du das Gebet vor den heiligen Bildern unterlassest, gehe lieber in jedes Bordell der Stadt.« – So behielten wir denn in Europa die Bilderanbetung, und die griechische Kirche erhielt sie gar bald auch wieder. –

Sobald das Heilige Grab aufgefunden war, strömten die frommen Christen dorthin; die Wallfahrten nach dem Heiligen Lande kamen auf, und nach allen Stellen desselben, welche durch die Bibel eine besondere Bedeutung erlangt hatten. Man wallfahrte sogar zu dem Misthaufen, auf welchem Hiob gesessen!

Den Pfaffen gefiel es indessen nicht im allergeringsten, daß das schöne Geld so weit hinweggetragen wurde, und ihre Heiligenbilder und Reliquien taten Wunder über Wunder, um die frommen Scharen anzulocken. Schrecklich waren die Erzählungen von den Strafen, welche die Ungläubigen und Spötter getroffen. Die Heiligen wußten ihre Ehre zu schützen, wie zum Beispiel der heilige Gangulf. Dieser wurde von einem Priester, dem Liebhaber seiner Frau, totgeschlagen und fing plötzlich an, im Grabe Wunder zu tun. Das liederliche Weib, welches am besten wußte, daß ihr Alter durchaus kein Wunder tun konnte, lachte, als sie es hörte, und rief: »Der tut ebensowenig Wunder, als mein Hintern singt« und – o Graus! – dieser fing an zu singen!

Die Wallfahrten kamen aber erst recht in Gang, als damit der Ablaß verbunden wurde. Der übergroße Mißbrauch dieses Mißbrauches wurde die Veranlassung zur Reformation, und wir müssen denselben etwas genauer betrachten. Der Ablaß ist ein Kind des Fegefeuers und der Ohrenbeichte.

In der ersten Zeit der christlichen Kirche mußten diejenigen, welche wegen grober Vergehungen aus der Gemeinde ausgestoßen waren, wenn sie in dieselbe wieder aufgenommen sein wollten, alle ihre Sünden und Verbrechen öffentlich vor der Gemeinde bekennen; diese Buße nannte man die Beichte. Als die Pfaffen mächtig wurden, verwandelten sie dieses öffentliche Bekenntnis gar bald in ein geheimes, um ihre Macht zu erhöhen. Papst Innozenz III. ordnete aber (1215) an, daß ein jeder jährlich wenigstens einmal einem Priester seine Sünden insgeheim bekennen und die ihm auferlegte Buße tragen solle. Wer die Beichte unterließ, wurde von der Kirche ausgeschlossen und erhielt kein christliches Begräbnis.

Jeder begreift, welche ungeheure Gewalt die Priester durch diese Einrichtung erlangten, denn abgesehen davon, daß sie von den Gläubigen die geheimsten Dinge erfuhren, die sie zu ihren Zwecken benutzen konnten, lag es auch ganz in ihrer Hand, den Beichtenden freizusprechen oder nicht, und sie wußten diese Gewalt trefflich zu benutzen, indem sie ihn freisprachen – absolvierten –, je nachdem der Sünder zahlte.

Das Fegefeuer war eine Erfindung des römischen Bischofs Gregor des Großen (590-604). Fegefeuer hieß der Ort, wo seiner Erklärung nach die menschlichen Seelen geläutert wurden, damit sie rein in den Himmel kamen; also eine Art himmlischer Seelenwaschanstalt. Wer so halb zwischen Himmel und Hölle balancierte, der konnte darauf rechnen, daß er gehörig lange im Fegefeuer – denn Feuer war das Reinigungsmittel – schwitzen mußte, wenn nicht die Pfaffen, die sich mit den Waschteufeln auf du und du standen, ihn für Geld durch gute Worte früher in den Himmel spedierten. Das Reglement im Fegefeuer war nur den Pfaffen bekannt, und daher konnten sie allein beurteilen, wie viele Messen dazugehörten, um die Seele aus dem Fegefeuer loszubeten; – aber diese Messen wurden keineswegs umsonst gelesen.

Friedrich der Große kam einst in ein Kloster im Klevischen, welches von den alten Herzögen gestiftet war, damit darin Messen zu ihrer Befreiung aus dem Fegefeuer gelesen werden könnten. »Nun, wann werden denn endlich meine Herren Vettern aus dem Fegefeuer losgebetet sein?« fragte er ziemlich ernsthaft den Pater Guardian. Dieser machte eine tiefe Verbeugung und antwortete, »daß man dies so eigentlich nicht wissen könne, er es aber Sr. Majestät sogleich melden lassen wolle, sobald er die Nachricht aus dem Himmel bekäme«.

Die Kreuzzüge waren anfangs eigentlich weiter nichts als bewaffnete Wallfahrten. Die Päpste begünstigten sie sehr, da sie hofften, dadurch ihre Macht auf Asien ausdehnen zu können, wo sie durch den Mohammedanismus verlorengegangen war. Sie wandten daher alle nur möglichen Mittel an, die Leute zu bewegen, »das Kreuz zu nehmen«; das hauptsächlichste und wirksamste war der Ablaß. Der Papst ließ nämlich predigen, daß alle Sünden, die ein Mensch begangen, sie möchten auch noch so groß sein, vergeben wären, sobald derselbe sich das Kreuz auf seinen Rock geheftet habe. Diese Erfindung des Ablasses wurde nun von den Pfaffen auf alle Arten benutzt, und sie wurde für sie eine Goldgrube, unerschöpflich wie die Dummheit der Menschen.

Manche wollten nicht recht an die Macht des Papstes, die Sünden zu vergeben, glauben; aber Clemens VI. gab über sein Recht dazu und über das Wesen des Ablasses durch seine Bulle von 1342 die nötige und genügendste Erklärung. »Das ganze Menschengeschlecht «, sagt er in der Bulle, »hätte eigentlich schon durch einen einzigen Blutstropfen Jesu erlöst werden können«; er habe aber so viel vergossen, daß dieses Blut, welches doch gewiß nicht umsonst vergossen sei, einen unermeßlichen Kirchenschatz ausmache, vermehrt durch die gleichfalls nicht überflüssigen Verdienste der Märtyrer und Heiligen. Der Papst habe nun zu diesem Schatz den Schlüssel und könne zur Entsündigung der Menschen ablassen, soviel er wolle, ohne Furcht, solchen jemals zu erschöpfen.

Ich werde später auf diese Ablaßtheorie zurückkommen und zeigen, wie herrlich sich dieselbe entwickelte, jetzt aber zu den Wallfahrten zurückkehren. Als, wie gesagt, der Ablaß mit ihnen verbunden wurde, kamen sie erst recht in Aufnahme. Wer zu diesem oder jenem Gnadenorte wallfahrte und – nota bene – das bestimmte Geld auf dem Altar opferte, der erhielt Ablaß nicht allein für schon begangene Sünden, sondern sogar für einige Jahre im voraus!

In Deutschland gab es wohl hundert Marienbilder, zu denen gewallfahrtet wurde, und in andern Ländern noch mehr. Ein einziger Schriftsteller zählt 1200 wundertätige Marienbilder auf! Das berühmteste ist aber wohl das zu Loretto, in dem Hause der Maria, welches von St. Lukas aus Zedernholz abscheulich geschnitzt worden sein soll. Der Dampf der Millionen Wachskerzen hat das Bild allmählich schwarz geräuchert wie eine Kohle, aber das tut seiner Wunderkraft keinen Abbruch, die hauptsächlich darin besteht, den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken. Der Marmor rings um das Häuschen ist von den Wallfahrten so verrutscht, daß sich darin eine förmliche Rinne gebildet hat. Sonst kamen jährlich gegen 200 000 fromme Christen nach Loretto, allein in neuerer Zeit ist diese Zahl auf weniger als ihr Zehntel zusammengeschrumpft.

Als die Franzosen nach Loretto kamen, eigneten sie sich von dem Schatze zu, was die Pfaffen nicht beiseite gebracht hatten. Ob ihnen die Heilige Jungfrau den Schatz schenkte, das weiß ich nicht, aber unmöglich ist so etwas nicht, wie folgende Geschichte beweist.

Als Friedrich der Große in Schlesien war, verschwanden von einem Muttergottesbilde nach und nach allerlei Kostbarkeiten, und die Pfaffen entdeckten endlich den Dieb in einem Soldaten, der deshalb beim König verklagt wurde. Der Soldat entschuldigte sich und behauptete, er sei kein Dieb, denn die Mutter Gottes habe ihm alle die Sachen geschenkt, die man vermißte. Friedrich der Große fragte nun die geistlichen Herren, ob so etwas wohl möglich sei. – »Allerdings, möglich ist es«, erwiderten die verwirrten Pfaffen, »aber durchaus nicht wahrscheinlich.« Der Dieb kam ohne Strafe davon, aber nun verbot Friedrich seinen Soldaten bei Todesstrafe, dergleichen Geschenke von der Heiligen Jungfrau anzunehmen.

Nach Loretto war wohl St. Jago de Compostella der berühmteste Gnadenort, und an hohen Festtagen sah man hier noch in neuerer Zeit mehr als 30 000 Wallfahrer.

In der Schweiz ist Einsiedeln sehr berühmt. Das dortige Gnadenbild ist ein ebenso elendes hölzernes Machwerk wie das zu Loretto, aber ebenso wie dieses ist es geschmückt mit den kostbarsten Juwelen.

In Deutschland gibt es unendlich viele Gnadenorte, aber ich will nur einige nennen. Waldthüren im badischen Main- und Tauberkreise ist berühmt wegen des wundertätigen Korporals. Es ist dies aber kein altösterreichischer Korporal mit seinem Wundertäter an der Seite, welchen man im österreichischen als Haßling weniger verehrte als fürchtete; auch kein preußischer Korporal aus dem Wuppertal, sondern ein Tuch, das zum Daraufstellen des Kelches und Hostientellers dient und Korporale genannt wird. Im Jahre 1330 vergoß ein Priester etwas von dem Wein auf dieses Korporale. Der Wein verwandelte sich sogleich in Blut, und die einzelnen Tropfen auf dem Tuche in so viele mit Dornen gekrönte Christusköpfe. Dieses Korporale tut nach der Erzählung der Geistlichen entsetzlich viel Wunder, und vor und nach dem Fronleichnamsfest wallfahrten die Scharen der Gläubigen nach Waldthüren, um sich hier am Korporale gestrichene rote Seidenfäden zu holen, welche die Pest, vorzüglich aber den Rotlauf heilen, – wenn man nämlich ein reines Gewissen und vor allen Dingen den rechten Glauben hat. Die Zahl der Wallfahrer belief sich jährlich auf zirka 40 000.

Ähnliche Wallfahrtsorte wie Waldthüren gibt es in allen katholischen Distrikten Deutschlands, und ich will mich nicht bei ihnen aufhalten.

Noch einträglicher für die Geistlichen sind diejenigen Wallfahrten, welche zu solchen sehr heiligen Reliquien stattfinden, die nur alle sieben Jahre ausgestellt werden. Diese ökonomische Einrichtung hat nicht etwa ihren Grund darin, daß sich die Reliquien von dem Wundertum in der Ausstellungszeit erholen müssen, sondern einzig und allein in der Schlauheit der Pfaffen. Wären die »Heiligtümer« beständig zu sehen, so würde das Interesse an ihnen gar bald erkalten. Durch die Seltenheit ihrer Erscheinung locken sie an und den Leuten das Geld aus der Tasche, – das einzige Wunder, welches überhaupt irgendeine Reliquie jemals vollbracht hat.

Der allerkostbarste Schatz dieser Art wird zu Aachen aufbewahrt. Die höchsten Kleinodien desselben sind der riesenmäßige Rock der Maria, die Windeln Jesu von braungelbem Filz und das Tuch, auf welchem das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers gelegen hat.

Im Jahre 1496 strömten 142 000 Andächtige nach Aachen, um die heiligen Lumpen zu sehen, und die Ernte war vortrefflich. 1818, als die Reliquien nach langer Pause wieder einmal vierzehn Tage lang gezeigt wurden, fanden sich nur 40 000 Wallfahrer ein. Die Reformation, die Revolution und die verdammte Aufklärung hatten ein großes Loch in den Glauben gerissen.

Seitdem ist aber viel an diesem Loch geflickt worden, und dieser geflickte Glaube zeigte sich fast stärker als selbst im dunkelsten Mittelalter, dank der von den Regierungen beliebten Maßregel, die Schulen unter der Kontrolle der Pfaffen zu lassen. Mit Erstaunen erlebten wir es, daß noch im Jahre 1844 eine Million Wallfahrer nach Trier zogen, um hier einen alten Kittel zu küssen, der für den Leibrock Jesu ausgegeben wird, um welchen die Soldaten neben dem Kreuze würfelten.

Zu jener Zeit verursachte diese heilige Rockfahrt nach Trier großes Ärgernis unter der ganzen gebildeten Welt, und sehr gelehrte und verständige Männer gaben sich die eigentlich überflüssige Mühe, nachzuweisen, daß dieser »heilige Rock« nichts vor den noch existierenden zwanzig anderen voraus habe, sondern durchaus unecht und ein plumper Betrug sei. Die schlagendsten Beweise dafür brachten die Herren Professoren Gildemeister und von Sybel herbei, und ich halte es nicht für nötig, darüber auch nur noch ein Wort zu verlieren.

Daß die Päpste die christlichen Schafe scheren, weiß jedermann, aber nicht so bekannt möchte es sein, daß der Heilige Vater ganz ohne Allegorie – sich mit der Schafzucht beschäftigt und einen Preis für die gewonnene Wolle erlangt, wie er keinem veredelten Schafsjunker auf der Wollmesse jemals bezahlt wurde. Der Papst unterhält nämlich eine kleine Anzahl Lämmer, die er über den Gräbern der Apostel geweiht hat und aus deren Wolle die Pallien gewebt werden.

Das Pallium ist ursprünglich ein römischer Mantel. Die Kaiser schenkten ein solches Kleidungsstück, welches von Purpur und köstlich mit Gold gestickt war, den Patriarchen und ausgezeichneten Bischöfen, um ihnen ihre Zufriedenheit und Gnade zu bezeugen, wie heutzutage die Geistlichen in manchen Staaten Orden erhalten, wenn sie in den Geist der Regierungen einzugehen verstehen.

Papst Gregor I. erlaubte sich zuerst, ohne Anfrage beim Kaiser, ein solches Pallium den Bischöfen zuzusenden, bald als Zeichen der Zufriedenheit, bald als Zeichen der Bestätigung. In dem Usurpieren von Rechten sind die Päpste groß, ja ihre ganze Macht ist darauf gegründet, und so kam es denn bald dahin, daß sie sich nicht nur ausschließlich das Recht anmaßten, dergleichen Pallien zu erteilen, sondern bald so weit gingen, einen jeden Erzbischof wie auch einige größere Bischöfe zu zwingen, sich das Pallium von Rom zu holen, – denn die Gnadensache hatte sich in eine Abgabe verwandelt. Ein solches Pallium kostete 30 000Gulden, und diese Einnahme behagte den Päpsten so wohl, daß Johann VIII. unverschämt genug war, bekanntzumachen, daß jeder Erzbischof als abgesetzt zu betrachten sei, der sein Pallium nicht innerhalb drei Monaten von Rom habe.

Die Päpste waren so geizig und so gewohnt, aus nichts Geld zu machen, daß ihnen trotz des hohen Preises der Mantel zu kostbar war. Dieser schrumpfte gar bald zu einer Art von Hosenträger zusammen, zu vier Finger breiten, wollenen, mit rotem Kreuz versehenen Bändern, die über Rücken und Brust herabhängen. Diese Bänder sind aus der geweihten Wolle von Nonnenhänden gearbeitet und mögen vielleicht sechs Lot wiegen. Die Päpste verkauften demnach den Stein ihrer Wolle für nicht weniger als vierthalb Millionen Gulden!

Diese Palliengelder brachten den Päpsten ungeheure Summen, denn die Erzbischöfe sind meistens alte Herren und lösen einander schnell ab, und jeder neue Erzbischof muß ein neues Pallium kaufen; er mußte dies sogar tun, wenn er versetzt wurde. Wie einige Geheimräte die Exzellenz haben, so hatten auch einige deutsche Bischöfe, wie die von Würzburg, Bamberg und Passau, das kostbare Pallienrecht.

Salzburg zahlte innerhalb neun Jahren 97 000 Skudi (etwa 5 Mark) Palliengelder! Der Erzbischof Markuli von Mainz mußte das linke Bein eines goldenen Jesus verkaufen, um sein Pallium zu bezahlen. Er bekam also wahrscheinlich mehr für dieses Bein als der Verräter Judas für den ganzen Jesus!

Der Erzbischof Arnold von Trier geriet in nicht geringe Verlegenheit, als ihm von zwei Gegenpäpsten zwei Pallien zugeschickt wurden, natürlich mit doppelter Rechnung. Wie er sich aus der Verlegenheit zog, weiß ich nicht, vielleicht durch den heiligen Rock. Sein Nachfolger, Bischof Arnoldi, der 1844 diesen alten Kittel ausstellte, wäre sicherlich nicht um lumpige 60 000 Gulden in Verlegenheit gewesen. Eine Million Wallfahrer, jeder taxiert zu fünf Silberlingen, macht 166 666 Taler preußisch Kurant oder 300 000 Gulden.

Da nun die Erzbischöfe vom Papste so gebrandschatzt wurden, ist es ganz natürlich, daß sie wieder ihre Untertanen oder Angehörigen ihres Sprengels brandschatzten, denn das Volk ist ja das Schaf mit dem Goldenen Vlies, dem ein Stück nach dem andern von seinem Fell abgeschunden wird, um die Bedürfnisse der großen Herren zu befriedigen, heißen sie nun Erzbischöfe oder Fürsten.

Die Päpste hatten Geld wie Heu, aber die meisten von ihnen verstanden es auch lustig durchzubringen. Sixtus VI. (1471-84) verschwendete schon als Kardinal in zwei Jahren 200 000 Dukaten (zu fast 10 Mark), was nach dem jetzigen Goldwert weit über das Doppelte mehr ist. Eine seiner Mahlzeiten kostete manchmal 20 000 Florenen; aber was tat das, er verspeiste ja nur die Sünden der Christenheit, und dann verstand er es auch, sich Extraeinnahmen zu schaffen. So erlaubte er zum Beispiel einigen Kardinälen für eine bedeutende Abgabe während der Monate Juni, Juli und August – Sodomiterei! Auch legte er in Rom öffentliche Bordelle an, welche ihm jährlich an sogenanntem Milchzins 40 000 Dukaten einbrachten. – Nun, wir werden später noch heiligere Päpste kennenlernen.

Eine wahrhaft goldene Idee hatte Papst Bonitaz VIII.; er erfand das Jubeljahr! Die Römer feierten den Anfang eines neuen Jahrhunderts durch große Festlichkeiten und auch die Juden ihr Jubel- oder Versöhnungsjahr. Dies brachte den genannten Papst höchstwahrscheinlich auf den Gedanken, solche Jubeljahre in der Christenheit einzuführen. Wer in dem Jubeljahre nach Rom wallfahrte und hier sein Scherflein auf dem Altar niederlegte, der erhielt vollkommenen Ablaß für alle Sünden, die er in seinem Leben begangen hatte, und war wieder unschuldig wie ein neugeborenes Kind oder noch unschuldiger, denn in diesem steckt doch nach der Kirchenlehre noch der Teufel, welcher erst durch die Taufe ausgetrieben wird. –

Wer wäre nicht gern seiner Sünden ledig. Ein ganz kurzer Mord kann einem ehrlichen Menschen das ganze lange Leben verbittern! Wer erhielte nicht gern die Versicherung, daß dieser fatalen Kleinigkeit am Tage des Gerichts nicht weiter gedacht werden soll? Kurz, von allen Seiten strömten die Sünder nach Rom. Im Jahre 1300 brachten 200 000 Fremde das Jahr in dieser Stadt zu, und der Gewinn, den sowohl die Einwohner als auch der Schatz des Papstes davon hatten, war unermeßlich.

Was von den reichen Leuten an Gold und Silber geopfert wurde, hat die päpstliche Schatzkammer nicht für gut befunden, laut werden zu lassen; allein nur an Kupfergeld kamen in diesem goldenen Jahre 50 000 Goldgulden ein. Nach einer ungefähren Schätzung belief sich der ganze Ertrag des Jubeljahres auf 15 Millionen. Für die damalige Zeit war das eine ganz außerordentliche, unerhörte Summe.

Die ganz unerwartet reiche Ernte machte den Päpsten natürlich Lust zu einer baldigen Wiederholung. Hundert Jahre sind gar zu lang, und Papst Clemens VI. hatte die beispiellose Güte, zu bestimmen, daß das Jubeljahr alle 50 Jahre gefeiert werden solle, denn ihm war ein ehrwürdiger Greis mit zwei Schlüsseln – also wahrscheinlich St. Peter – erschienen, der ihm mit drohender Gebärde zugerufen hatte: »Öffne die Pforte!« Da mußte er natürlich gehorchen.

Urban VI. verkürzte diese Zeit noch bis auf 33 Jahre, zum Andenken an die Lebensjahre Jesu! An einem anständigen Vorwande hat es den Päpsten nie gefehlt. Sixtus IV. war »wegen der Kürze des Menschenlebens« noch gnädiger und setzte diese Zeit auf 25 Jahre herab.

Das zweite Jubeljahr unter Clemens VI. (1350) fiel noch reichlicher aus als das erste. In der Jubelbulle »befiehlt er den Engeln des Paradieses auch die vom Fegefeuer erlösten Seelen derjenigen, die auf der Reise nach Rom gestorben sind, in die Freuden des Paradieses einzuführen«.

Solche überschwengliche Gnade war natürlich für die dummgläubige Menge höchst anlockend. Rom wurde so mit Fremden überschwemmt, daß die Gastwirte, die sich doch sonst auf das Geldnehmen vortrefflich verstehen, damit nicht fertig werden konnten.

Am Altar St. Pauls lösten sich Tag und Nacht zwei Priester mit Croupiersrechen in der Hand ab, die unaufhörlich das geopferte Geld einstrichen und fast unter der Last ihrer Arbeit erlagen. Das Gedränge in der Kirche war so groß, daß viele der Gläubigen erdrückt wurden. Zehntausend der Wallfahrer erhielten gleich Gelegenheit, die Nützlichkeit des Ablasses zu erproben, denn sie starben an der Pest; aber man merkte ihren Abgang gar nicht, denn ihre Zahl gibt man auf eine Million und einige Hunderttausende an und den Ertrag dieser Jubelernte auf mehr als zweiundzwanzig Millionen!

Es ist ordentlich spaßhaft zu sehen, wie nun jeder Papst auf ein neues Mittel sann, die Erfindung seines Vorgängers Bonifazius noch einträglicher zu machen, denn – preti, frati e polli non son mai satolli (Priester, Mönche und Hühner werden nie satt).

Bohifazius IX. berechnete, daß viele Christen nicht nach Rom kämen, weil die Reise zuviel kostete und weil sie vielleicht auch wegen ihrer Geschäfte nicht abkommen konnten. Diesen schickte er die Gnade ins Haus, indem er Leute aussandte, welchen er die Macht beilegte, für den dritten Teil der Reisekosten nach Rom vollgültigen Ablaß zu erteilen! – Trotz dieser Erleichterung strömten die Fremden doch noch nach Rom, und in dem Jubeljahr unter Nikolaus V. konnte die Tiberbrücke die Menge der Menschen nicht tragen; sie brach zusammen, und zweihundert verloren dabei das Leben.

Papst Alexander VI. machte eine noch nützlichere Erfindung. Von ihm rührt nämlich die sogenannte Goldene Pforte der Peterskirche her. Beim Beginn des Jubeljahres tat der Papst mit goldenem Hammer drei Schläge an diese Tür; dann wurde sie geöffnet und am Ende des Jahres wieder vermauert. Wer durch diese Pforte einging, war seiner Sünden ledig; ja, für eine bestimmte Summe konnte man auch im Auftrag eines Entfernten hindurchgehen und diesen von seinen Sünden befreien. Diese Maßregel brachte viel Geld ein.

Die Päpste wurden durch diese Erfolge immer geldgieriger gemacht. Sie konnten oft die 25 Jahre nicht abwarten, und bei besonderen Veranlassungen, um die man nie verlegen war, wurde ein Extra-Jubiläum angesetzt, oder Reisende, die in Ablaß »machten«, wurden in der Welt umhergeschickt. Sie waren noch zudringlicher wie Weinhandlungsreisende, so daß sie von manchen Gemeinden, den Pfarrer an der Spitze, zum Dorfe hinausgeprügelt wurden. Die Reformation machte diesem Jubiläumsschwindel so ziemlich ein Ende, denn mit der Einnahme der späteren Jubeljahre wollte es nicht mehr recht »flecken«. Sogar das Jahr 1825 wurde noch zu einem Jubeljahr erhoben; allein es kamen wenig mehr Fremde als gewöhnlich nach Rom, meistens nur italienisches Lumpengesindel, von dem nichts zu holen war. Auch trafen die Fürsten Anstalten, die Wallfahrten nach Rom zu erschweren, da sie das Geld ihrer Untertanen im Lande selbst brauchten. Sogar die damalige österreichische Regierung verbot ihren italienischen Untertanen, ohne in Wien ausgestellte Pässe nach Rom zu wallfahrten. Wer da nicht beizeiten um einen Paß einkam, konnte leicht das Jubeljahr verpassen.

Nach einer wahrscheinlich viel zu geringen Berechnung haben die Jubeljahre den Päpsten gegen 150 Millionen eingetragen.

Der Ablaßschwindel wurde von Leo X. auf die höchste Spitze getrieben. Die ungeheuren Einnahmen, die aus ganz Europa in den päpstlichen Schatz flossen, genügten diesem üppigen und prachtliebenden Papste noch immer nicht, und doch waren sie fast unermeßlich! Mehrere der Goldquellen, welche sich die Päpste zu öffnen verstanden, habe ich bereits genannt; alle anzuführen, würde zu weitläufig sein, doch einige will ich noch angeben.

Eine nicht unbedeutende Einnahme für die Päpste sind die Annaten. So nennt man nämlich die erste Jahreseinnahme eines neuen Bischofs, welche an den Papst gezahlt werden muß. Man kann dieselbe durchschnittlich immer auf 12 000 Taler annehmen, und wenn man gering rechnet, daß wenigstens 2000 Bischöfe ihre Annaten an den Päpstlichen Stuhl zahlten, so macht dies schon 30 Millionen Taler.

Die Dispensationsgelder der Priester wegen ermangelnden Alters zu sechs Dukaten; die Dispensation von Fasten und die Erlaubnis zu Ehen zwischen Blutsverwandten brachten große Summen. Die letztern mußten natürlich sehr häufig vorkommen, dafür hatten die Päpste gesorgt, indem sie die Ehen zwischen Blutsverwandten bis zum vierzehnten Grade verboten. Es hat sich jemand die Mühe genommen, auszurechnen, wieviel jeder Mensch durchschnittlich solche Blutsverwandte als lebend annehmen kann, und – sechzehntausend gefunden. Werden alle Arten der Verwandtschaft berechnet, so steigt ihre Zahl auf wenigstens 1 048 576. Da konnte es natürlich an Dispensgeldern nicht fehlen. – Außerdem wurde noch für Kreuzzugs- und Türkensteuer und unter unzähligen andern Namen den Gläubigen Geld aus dem Beutel gelockt.

Ganz vortrefflich verstand sich auf dieses Wunder Papst Johann XXII. Er ist der Erfinder der schändlichen Liste der für Dispensationen und Absolutionen zu entrichtenden Taxen, von welchen ich später reden werde. Dieser Papst scharrte so viel zusammen, daß er, der arme Schuhflickerssohn, – sechzehn Millionen gemünztes Gold und siebzehn Millionen in Barren hinterließ!

Doch, wie gesagt, alle diese reichen Einkünfte reichten nicht hin, die »Bedürfnisse« des Papstes Leo X. zu befriedigen. Seine Kinder, Verwandten, Possenreißer, Komödianten, Musiker, wie seine Liebhaberei für die Künste verschlangen unermeßliche Summen, und der üppige Heilige Vater geriet in große Verlegenheit.

Um sich derselben zu entziehen, beschloß er, den Ablaß systematisch zur Erpressung von Gold zu benutzen. Eine Beisteuer zur Führung eines Krieges gegen die Türken und zur Fortsetzung des schon von seinem Vorgänger begonnenen Baues der Peterskirche gab den Vorwand. Die sehr verbrauchte Türkensteuer wollte nirgends mehr recht ziehen, und Kardinal Ximenes, der weise spanische Minister, verbot sogar, dafür zu sammeln, »weil er ganz sichere Nachrichten habe, daß jetzt von den Türken durchaus nichts zu befürchten sei«. Der Papst erließ also eine Bulle, worin allen, welche durch Geldbeiträge den Bau der Peterskirche befördern würden, Ablaß verkündigt wurde.

Die ganze christliche Erde wurde nun in verschiedene Bezirke eingeteilt und Reisende des großen römischen Handelshauses dorthin geschickt, unter dem Titel päpstlicher Legaten oder Kommissarien. Die Ablaßbriefe, welche diese commis voyageurs des Statthalters Gottes verkauften, lauteten wie folgt:

»Im Namen unseres allerheiligsten Vaters, des Stellvertreters Jesu Christi, spreche ich dich zuerst von aller Kirchenzensur los, die du verschuldet haben könntest, hiernächst auch von allen Missetaten und Verbrechen, die du bisher begangen, so groß und schwer dieselben auch sein mögen; auch von denen, welche sonst allein der Papst vergeben kann, soweit sich die Schlüssel der heiligen Mutterkirche erstrecken. Ich erlasse dir vollkommen alle Strafen, die du um dieser Sünden willen billig im Fegefeuer erleiden solltest. Ich mache dich wieder der Kirchensakramente und der Gemeinschaft der Gläubigen teilhaftig und setze dich von neuem in den reinen und unschuldigen Zustand zurück, worin du gleich nach der Taufe warst, so daß, wenn du stirbst, die Pforten der Hölle, wodurch man zur Qual und Strafe einzieht, verschlossen sein sollen, damit du geraden Weges in das Paradies gelangen mögest. Solltest du aber jetzt noch nicht sterben, so bleibt dir diese Gnade ungekränkt.«

In der päpstlichen Kanzleitaxe war der Preis festgesetzt, für welchen die aller scheußlichsten Sünden vergeben wurden. Eltern- und Geschwistermord, Blutschande, Kindermord, Fruchtabtreibung, Ehebruch aller Art, die unnatürlichste Wollust, Meineid – kurz alles, was man nur Sünde oder Verbrechen heißt, fand hier seinen Preis. Ich würde dies empörende Dokument für eine Erfindung der Feinde des Papstes halten, wenn die Echtheit desselben nicht unzweifelhaft bewiesen wäre.

Die schamloseste und frechste Nichtswürdigkeit enthält aber der Schluß dieser Taxe; er lautet: »Dergleichen Gnaden können Arme nicht teilhaftig werden, denn sie haben kein Geld, also müssen sie des Trostes entbehren!«

Für die Bezahlung von zwölf Dukaten war es sogar den Geistlichen erlaubt, ganz nach Gefallen Hurerei, Ehebruch, Blutschande und Sodomiterei mit Tieren zu treiben!

Des Papstes Spekulation glückte; unermeßliche Summen wanderten nach Rom; sie lassen sich gar nicht berechnen. Ein päpstlicher Legat zog allein aus dem kleinen Dänemark mehr als zwei Millionen durch Ablaßverkauf.

Leo X. fand es vorteilhaft, den Ablaß in einigen Bezirken an große Unternehmer für bestimmte Summen zu verpachten. Die Generalpächter hatten wieder ihre Unterpächter, damit die Länder ja recht gründlich ausgesogen wurden.

Einer dieser Generalpächter war der Markgraf Albrecht von Brandenburg, Bischof von Halberstadt, Erzbischof von Magdeburg und endlich auch Erzbischof von Mainz und Kardinal! Er war dem Papst 30 000 Dukaten Palliengelder schuldig und übernahm den Ablaßkram in einigen Ländern, in der Hoffnung, diese Summe dabei zu gewinnen, welche ihm auch gegen Verpfändung des Ablaßerlöses von dem Grafen Fugger in Augsburg vorgeschossen wurde.

Der edle Kurfürst, Kardinal und Erzbischof betrieb diese Sache mit großem Eifer und kaufmännischem Geschick, und sehr interessant ist die von ihm den Ablaßkrämern gegebene Instruktion, weshalb ich ihren Inhalt hier mitteilen will. Zuerst sollen die Ablaßprediger dem Kurfürsten schwören, daß sie ihn nicht betrügen. Dann gibt er ihnen Gewalt, nach aufgerichtetem Kreuz und aufgehängtem Wappen des Papstes, in den Kirchen den Ablaß zu verkündigen und ihn denjenigen Personen zu erteilen, welche von ihren ordentlichen Geistlichen in den Kirchenbann getan oder mit sonstigen Kirchenstrafen belegt sind.

Dann wird dem Ablaßprediger befohlen, in jeder Ablaßpredigt dem Volk drei bis vier Stücke aus der Ablaßbulle des Papstes nach Möglichkeit zu erklären und anzupreisen, damit die päpstliche Gnade nicht in Verachtung gerate und die Leute nicht einen Ekel vor dem Ablaß bekommen mögen.

Ferner will der Kurfürst, daß dem Volke gesagt werden solle, es gelte außer dem seinigen in den nächsten acht Jahren kein anderer Ablaß, den man bereits erhalten habe oder noch erhielte; aber durch diesen erlange nicht nur jeder völlige Vergebung der Sünden, sondern er komme nach dem Tode auch gar nicht in das Fegefeuer.

Den Kranken, welche nicht in die Kirche kommen könnten, solle der Ablaß auch zu Hause, aber für eine größere Summe, erteilt werden. Wenn die Prediger die Größe des Ablasses jemanden hinlänglich erklärt haben und es dazu kommt, zu bestimmen, was er wohl zu zahlen habe, so sollen sie ihn fragen, wieviel Geld er wohl für den völligen Ablaß um Vergebung seiner Sünden aufopfern werde? Dies sollen sie vorausschicken, um die Leute desto leichter zum Kaufen des Ablasses zu bewegen.

Wenn nun auch die Ablaßprediger stets den Nutzen der Peterskirche vor Augen haben und den Beichtenden vorreden müssen, daß eine so hohe Gnade niemals zu teuer bezahlt sei, um sie zu einer möglichst hohen Abgabe zu bewegen, so spricht sich dennoch der Kurfürst wie folgt aus: »Weil die Beschaffenheit der Menschen zu sehr verschieden und Wir demnach gewisse Taxen zu bestimmen nicht vermögen, so vermeinen Wir doch, daß in der Regel die Taxen also könnten gesetzt werden: Große Fürsten geben 25 rheinische Goldgulden. Äbte, höhere Prälaten, Grafen, Freiherren und ihre Frauen zahlen für jede Person 10 rheinische Goldgulden. Andere Leute, die jährlich 500 Goldgulden einzunehmen haben, zahlen 6 Goldgulden; Frauen und Handwerker einen, noch Geringere einen halben Gulden.«

Obwohl eine Frau von des Mannes Gütern nichts geben kann, so kann sie doch von ihren Dotal- und Parapharnalgütern, in diesem Falle auch wider des Mannes Willen, beitragen. Wenn arme Weiber und Töchter die Taxen von andern erbetteln können, sollen sie solche ebenfalls in den Ablaßkasten liefern.

Wenn jemand für eine Seele im Fegefeuer so viel beiträgt, als er etwa für sich zu bezahlen hätte, so ist nicht nötig, daß er im Herzen bußfertig sei oder mit dem Munde beichte! Denn dieser Ablaß gründet sich auf die Liebe, mit welcher der, so im Fegefeuer sitzt, abgeschieden ist, und auf die Beiträge der Lebendigen.

Wer einen Beichtbrief von den Ablaßpredigern kauft, wird teilhaftig aller Almosen, Fasten, Wallfahrten nach dem Heiligen Grabe, Messen, Reinigung und guten Werke, die in der ganzen christlichen Kirche verrichtet werden, ob er gleich weder bußfertig ist noch gebeichtet hat.

Daß auf einen gewandten, guten Reisenden sehr viel ankommt, weiß jeder Kaufmann, und der Erzbischof war bemüht, einen solchen zur Verbreitung seiner Ware aufzufinden. Er fand ihn in dem Domikanermönch Johann Tetzel aus Pirna. In der Jugend hatte sich derselbe etwas mit dem Studieren abgegeben, und sein Religionseifer erwarb ihm die Würde eines Doktors der Theologie. In Innsbruck wurde er einst darüber erwischt, als er – wie die Chronik sagt – seinen geistlichen Samen in fremden Acker streute. Kaiser Maximilian I. hatte Befehle gegeben, die Brunst des verliebten Paters im Wasser zu kühlen, das heißt, ihn in einem Sacke zu ersäufen. Nur auf dringende Fürbitte des Kurfürsten Friedrich kam er mit dem Leben davon.

Dieser unverschämte, feiste Schlingel, dessen Porträt in einem sehr guten Kupferstiche vor mir liegt, ist das wahre Ideal eines Pfaffen. Der Spitzbube sieht so durchtrieben und humoristisch aus, daß ich beinahe glaube, ich ließe mir selbst von ihm einen Ablaßzettel anschwatzen. Welch ein Glück mußte er nun erst bei den Gläubigen machen!

Er führte einen eisernen, mit dem Wappen des Papstes verzierten Kasten mit sich herum und zog von Markt zu Markt, indem er sang: »Sowie das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt!« überall versammelte er eine große Menge um sich, und seine Anpreisungen des Ablasses waren wahrhaft sehr ergötzlich, wenn auch fromme Christen sie gotteslästerlich nannten. Er rühmte von sich, daß er durch den Ablaß mehr Seelen aus der Hölle errettet habe, als von dem Apostel Petrus durch die Predigt des Evangeliums Heiden bekehrt worden wären. Er könne nicht allein begangene Sünden vergeben, sondern auch solche, die man erst begehen wolle, und die Kraft seines Ablasses sei so groß, daß es keine Sünde gebe, welche durch denselben nicht gesühnt werden könne; ja, wenn jemand, was doch unmöglich sei, »die Mutter Gottes genotzüchtigt und geschwängert habe« – durch seinen Ablaß könne derselbe von der dadurch verwirkten Strafe befreit werden.

Dieser Tetzel trieb die Frechheit so weit, daß der damalige Johann von Meißen vorhersagte, dieser Mönch würde der letzte Ablaßkrämer sein.

Man erzählt von ihm eine Menge Stückchen, die Zeugnis ablegen von seiner grenzenlosen Unverschämtheit. In Annaberg, wo damals reiche Silberbergwerke waren, machte er den Leuten weis, daß alle Berge ringsumher gediegenes Silber werden würden, wenn sie nur brav zahlten. In dieser Stadt scheint es ihm gefallen zu haben, denn er blieb hier zwei Jahre. – In Freiberg sammelte er binnen zwei Tagen zweitausend Gulden; aber als er wieder dorthin kam, hatte Luther den Leuten den Star gestochen, und die Bergleute waren so wütend, daß Tetzel es für geraten hielt, sich schleunigst davonzumachen.

In Zwickau wollte er sich einst bei dem dortigen Küster zu Gaste bitten; allein dieser entschuldigte sich mit seiner Armut. Darauf befahl er diesem, im Kalender nachzusehen, ob auf den andern Tag der Name eines Heiligen zu finden wäre. Der Küster fand aber nur den heidnischen Namen Juvenal.

»Das tut nichts«, sagte Tetzel, »wir wollen diesen Heiligen schon zu Ehren bringen; beruft nur morgen das Volk durch alle Glocken zur Kirche, wie ihr es sonst an den höchsten Festtagen zu tun pflegt.«

Der Küster tat, wie ihm befohlen, und die Einwohner der Stadt strömten in Menge in die Kirche. Tetzel predigte. »Die alten Heiligen«, sagte er, »sind alt und müde, uns zu helfen; aber dieser heilige Juvenal, dessen Gedächtnis wir heute feiern, ist noch ziemlich unbekannt; wenn ihr ihn anfleht und ihm opfert, so wird er sich gewiß beeilen, euch zu helfen.« Darauf riet er zur Freigebigkeit und ermahnte besonders die Vornehmen, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Er blieb bei dem »Gotteskasten« stehen und sah zu, was jeder hineinlegte, und die guten Zwickauer steuerten reichlich zu Ehren des heiligen Juvenal! Tetzel flüsterte dem Küster ins Ohr: »Es ist genug geopfert, nun wollen wir weidlich davon schmausen.«

In der Schweiz absolvierte Tetzel einen reichen Bauern wegen eines Totschlages, und als dieser ihm gestand, daß er noch einen Feind habe, den er gern ermorden wolle, erlaubte es ihm der elende Pfaffe gegen eine kleine Summe!

Trotz aller Pfiffigkeit wurde Tetzel aber doch einmal angeführt. – In Magdeburg kam ein Herr von Schenk zu ihm und bot ihm eine nicht unbedeutende Summe, wenn er ihn für eine große Sünde absolvieren wolle, die er noch zu begehen gedenke. Schmunzelnd strich der Pfaff das Geld ein und gab den verlangten Ablaßbrief.

Als nun einige Tage darauf Tetzel von Magdeburg nach Braunschweig zog, beladen mit einigen tausend Gulden, überfiel ihn in einem Walde bei Helmstedt der Herr von Schenk und nahm ihm seine ganze Barschaft ab. Der Pfaff schrie Zetermordio und klagte über Gewalt; allein Schenk zeigte seinen Ablaßbrief vor und sagte: »Entweder hat mein Verfahren nichts zu bedeuten, oder deine Ware ist Betrug.« Schenk behielt das Geld, und Tetzel hatte das Nachsehen.

Dieser nichtswürdige Mönch hatte die rechte Art, den Leuten das Geld aus dem Beutel zu schwatzen, und er nahm mehr ein als alle anderen Ablaßkrämer, die sich damit begnügten, folgende stehende Redensarten herzuplappern:

»Seht doch, der Himmel steht euch überall offen. Wollt ihr jetzt nicht hineingehen, wann werdet ihr denn hineinkommen? O ihr unsinnigen und verstockten Menschen, die ihr fast den wilden Tieren gleich seid und die große Verschwendung und Ausgießung der päpstlichen Gnade nicht zu würdigen versteht. Sehet! so viel Seelen könnt ihr aus dem Fegefeuer erlösen! O ihr Hartnäckigen und Saumseligen! Ihr könnt mit zwölf Groschen euren Vater aus dem Fegefeuer reißen und seid doch so undankbar, daß ihr euren Eltern in so großer Not nicht beistehet. Ich will am Jüngsten Gericht die Schuld davon nicht auf mich nehmen« usw.

Tetzel wußte die Sache den Leuten viel plausibler zu machen, und da war keine Dirne, die ihm nicht einige Groschen für irgendeine kleine Sünde, die sie begehen wollte, gezahlt hätte. Wie schnell er Geld zusammenzubringen wußte, beweist folgendes: In Görlitz war die Peterskirche gebaut worden, und es fehlte nur noch das kupferne Dach, wozu 1800 Zentner Kupfer erforderlich waren, die damals 48 600 Taler kosteten. Man wandte sich an Tetzel, und in drei Wochen hatte er die Summe gesammelt.

Luthers 95 Thesen gegen den Ablaß ruinierten dem Pater den ganzen Handel. Vielleicht war es der Ärger darüber, der ihn in Leipzig auf das Krankenlager warf, von dem er nicht wieder aufstand. Er starb und liegt in dieser Stadt im Paulino begraben, wo sein Monument wahrscheinlich noch zu sehen ist. –

Die Ablaßrechnung ist eine ganz kuriose Rechnung, und es ist schwer, sich hineinzufinden. Manche Leute kauften Ablaß für mehrere hundert Jahre, während sie doch höchstens auf hundert zählen konnten. Aber die Jahre im Fegefeuer zählten mit, und das änderte die Rechnung! Für diese Sünde hatte man, nach Angabe der Pfaffen, zwanzig Jahre zu braten, für jene gar dreißig, und so kamen bei einem geübten Sünder leicht schon einige hundert Jährchen zusammen. Wollte er nun dennoch direkt in den Himmel spazieren, so mußte er schon für so viele Jahre Ablaß kaufen, als ihm kraft seiner Sünden im Fegefeuer zukamen.

Das war übrigens noch nicht so schwer, denn wer eine Reliquie küßte und besonders wer dafür bezahlte, erhielt auf drei oder mehr Jahre Ablaß, je nach der Heiligkeit der Reliquie. Erzbischof Albrecht besaß einen solchen Schatz von Reliquien, daß damit Ablaß zu gewinnen war auf neununddreißig Mal tausend, zweihundert Mal tausend, fünfundvierzigtausend, hundert und zwanzig Jahre, zweihundert und zwanzig Tage.«

Unter den Reliquien, die er von Halle nach Mainz schaffen ließ, befanden sich aber auch sehr rare und heilige Stücke! Achtmal vom Haare der Jungfrau Maria, fünfmal von ihrer Milch; dann das Hemd, in welchem sie Jesus geboren, ein halber Kinnbacken von St. Paulus nebst vier Zähnen usw.

Man glaube ja nicht, daß diese Ablaßrechnungen der vergangenen Zeit angehören und mit dem Mittelalter abgetan sind; sie werden noch heutzutage von römischen Priestern angestellt und den Gläubigen vorgetragen. In den »geistlichen Neujahrsgeschenken« der Diözese Mans in Frankreich, welche vor etwa zwanzig Jahren erschienen, wird folgende Berechnung über den Ablaß gegeben: Wenn man einen geweihten Rosenkranz hat, sagt die heilige Brigitte, so erlangt man hundert Tage Ablaß, sooft man das Credo, das Gloria Patri, das Paternoster und das Ave betet. Wenn man also den gewöhnlichen Rosenkranz betet, der aus 53 Ave, 6 Paternoster, 6 Gloria Patri und einem Credo besteht, so erlangt man 6600 Tage Ablaß, den man den Seelen im Fegefeuer zuwenden kann. Sagt man den Rosenkranz von 150 Gebeten her, so erhält man 19 000 Tage Ablaß und überdies 7 Jahre und 7 vierzigtägige Fristen! – Für »eine Viertelstunde frommer Betrachtung« erhält man 7 Jahre und 289 Tage Ablaß; für Begleitung des Sanktissimum, wenn es zu Kranken getragen wird, 5 Jahre und 200 Tage; wenn man es aber mit einer Kerze begleitet, erlangt man 2 Jahre und 83 Tage mehr.

Die Summen, welche die Geistlichkeit durch ihren Handel gewann, sind unberechenbar und lassen sich aus einzelnen Angaben nur annäherungsweise schätzen. Liest man solche Angaben, so kann man gar nicht begreifen, wie es nur möglich war, bei dem früheren hohen Werte des Geldes soviel zusammenzuscharren.

Als in der französischen Revolution die Klöster aufgehoben und die geistlichen Güter eingezogen werden sollten, bot die Geistlichkeit der Nationalversammlung vierhundert Millionen Franken bar Geld! – Die Venezianer schätzten das Vermögen ihrer Geistlichkeit auf 206 Millionen Dukaten.

Von der Einnahme der Geistlichkeit, die herrlich und in Freuden leben wollte und viel verbrauchte, ging nur ein kleiner Teil in die päpstliche Schatzkammer; und deshalb wird die Angabe dieser Summe den allerbesten Maßstab dafür abgeben, was dem schon ohnehin genug geplagten Volke von den Pfaffen abgeschwindelt wurde.

Aus dem Gebiete von Venedig, welches nur zweiundeinehalbe Million Einwohner zählte, gingen innerhalb zehn Jahren 2 760 164 Skudi nach Rom, und aus Österreich unter Maria Theresia binnen vierzig Jahren 110 414 560 Skudi! Sind diese Angaben richtig – und sie sind zuverlässigen Quellen entnommen –, so erscheint die Berechnung viel zu gering, nach welcher innerhalb 600 Jahren aus der katholischen Christenheit nur 1 019 690 000 Gulden nach Rom gezahlt wurden.

Und wofür wurde dies Geld bezahlt? Für Dinge, welche zum Elend und zur Demoralisation des Volkes mehr beitrugen als irgend etwas in der Welt, und an wen gingen die 1019 Millionen? – An einen italienischen Bischof, der uns so wenig angeht wie der Mikado von Japan und der sich mit demselben Recht Statthalter Christi nennt, wie ich es tun könnte, und der unter diesem Titel zu seiner Zeit behauptete, Herr der ganzen Erde zu sein, von welcher derjenige, dessen Statthalter er zu sein vorgibt, nicht einmal so viel besaß, um sein Haupt daraufzulegen! – Was aber diese »Statthalter Christi in Rom« für Menschen waren und wie wenig sie die Verehrung verdienen, welche ihnen die Christen zollten, werden wir im nächsten Kapitel mit Abscheu und Ekel erfahren.


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