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Zu alten Zeiten hieß heilig, wenn Der Fliegen, der Heuschrecken fraß, Und Jener gar mit seinem heil'gen Hintern In einem Ameis'nhaufen saß, Um voller Andacht drin zu überwintern. |
Butlers Hubibras |
Es ist ein durch die Wissenschaft noch nicht vollständig gelöstes Problem, wodurch Epidemien entstehen, wie Pest, Cholera und dergleichen gräßliche Übel, durch welche das Menschengeschlecht von Zeit zu Zeit heimgesucht wird. Noch unerklärlicher sind Epidemien des Geistes, deren Vorkommen so alltäglich ist, daß wir gar nicht mehr darauf achten und sie am allerwenigsten für eine geistige Störung halten.
Woher kommt es, daß irgendein dummes Lied die Runde über den Erdball macht, daß man ihm nirgends entfliehen kann, selbst nicht, wenn man allein ist, da man es dann selbst summt? Dasselbe ist der Fall mit einem schlechten Witz oder einer abgeschmackten Redensart oder einer Mode, über deren Möglichkeit man später selbst erstaunt ist. Es ist nicht nötig, daß wir Beispiele anführen, denn jeder Mensch wird irgendein Lied, Redensart oder Mode anführen können, die epidemisch auftrat.
Das Merkwürdige bei solchen geistigen Epidemien ist, daß Absperrung dagegen kein unfehlbares Mittel ist, denn wir kennen Gewohnheiten, die sich zum Beispiel in Klöstern ganzer Länder verbreiteten, die doch unter sich in gar keiner Verbindung standen. In einem der folgenden Kapitel werden wir davon merkwürdige Beispiel anführen.
Die Keime der in ihren Folgen gräßlichsten geistigen Epidemien enthält die Religion und keine mehr als die mißverstandene christliche. Sie hat Europa Jahrhunderte hindurch in ein trübseliges Narrenhaus verwandelt, und Millionen von Schlachtopfern sind der durch sie erzeugten Tollheit gefallen.
Dieses Kapitel handelt von den Heiligen der römischen Kirche, denn die protestantische hat sie abgeschafft und nur die Scheinheiligen behalten. All diese Heiligen, einige Ausnahmen abgerechnet, waren durch die Religion wahnsinnig gemachte Menschen und würden, wenn sie heutzutage lebten, in Narrenhäuser gesperrt werden. Jeder Leser, der nicht von derselben Narrheit ergriffen ist, wird am Ende dieses Kapitels von der Wahrheit meiner Behauptung überzeugt sein.
Die Lehre Jesu, daß dies Leben nur eine Vorbereitung für ein künftiges sei und daß jeder, welcher die ihm hier auferlegten Leiden gottergeben trage, dafür im ewigen Leben belohnt werden würde, war darauf berechnet, die leidende und bedrückte Menschheit durch die Hoffnung zu trösten. Je größer die unverschuldeten Leiden waren, die einen Gläubigen trafen, desto größere Hoffnung hatte er, durch geduldiges Ertragen ein freudenreiches ewiges Leben zu gewinnen, und es ist begreiflich, daß es Menschen gab, welche sie betreffende Unglücksfälle als ein Glück ansahen, da sie ihnen Gelegenheit gaben, den Himmel zu verdienen.
Der Übergang zu dem Gedanken, daß Leiden überhaupt verdienstlich sei, war nicht eben schwierig, besonders da er durch mehrere von den Aposteln berichtete Aussprüche Jesu unterstützt wurde, und so kam es, daß man sich endlich selbst Leiden und Qualen erschuf, nur um sie zu ertragen und weil man damit meinte, für sein Seelenheil zu sorgen. Das Egoistische und Unmoralische einer solchen Handlungsweise wurde gar nicht erkannt.
Die Idee von der Verdienstlichkeit, körperliche Martern mit Freudigkeit zu ertragen und sich selbst zu schaffen, kam erst recht zur Geltung, als die während der Verfolgungen unter den Kaisern Diokletian und Decius hingerichteten Christen durch ihre Standhaftigkeit so hohen Ruhm einernteten. Mögen sich auch die Kirchenschriftsteller nicht immer von Übertreibungen ferngehalten haben, wenn sie die Leidensgeschichten der Märtyrer erzählen, so verdienen sie doch im allgemeinen Glauben, denn es ist eine bekannte Erfahrung, daß Menschen in hoher geistiger Aufregung Schmerz oft gar nicht empfinden, wie manche alte Soldaten bezeugen, die es in der Hitze des Kampfes oft gar nicht bemerkten, daß sie verwundet wurden.
Diese Schwärmerei nahm besonders im vierten Jahrhundert überhand, und was Zeno, Bischof von Verona (um d. J. 360) sagte, war ziemlich der allgemeine Glaube: »Der größte Ruhm der christlichen Tugend ist es, die Natur mit Füßen zu treten.« Diese düstere Ansicht verbreitete über die ganze christliche Welt eine Trübseligkeit, welche die Erde in der Tat zu einem Jammertal machte. Die frommen Christen hielten sich nicht für wert, daß die Sonne sie bescheine; jeder Genuß erschien ihnen ein Schritt zur Hölle und jede Qual ein Schritt zum Himmel.
Später gestaltete sich freilich alles weit lustiger in der christlichen Kirche, so lustig, daß es ein Skandal und Greuel und die Reformation dadurch erzeugt wurde; aber Luther machte die Leute wieder mit der Bibel bekannt, die ihnen von der römischen Kirche entzogen war, und das Lesen derselben brachte ähnliche Wirkungen hervor wie das Lesen der Evangelien unter den Christen der ersten Jahrhunderte.
Beweise dafür finden wir genug in der Geschichte, wie auch in den Predigten und andern geistlichen Schriften aus der Zeit nach der Reformation. Besonders reich daran sind die Gesangbücher, in denen sich hin und wieder noch jetzt nicht minder seltsame Verse finden wie der folgende, der wörtlich einem noch nicht sehr alten Breslauer Gesangbuch entnommen ist:
Ich bin ein altes Raben-Aas,
Ein rechter Sünden-Knüppel,
Der seine Sünden in sich fraß
Als wie den Rost der Zwibbel.
O Jesus, nimm mich Hund am Ohr,
Wirf mir den Gnadenknochen vor
Und schmeiß mich Sündenlümmel
In deinen Gnadenhimmel.
Weil Jesus es für nötig hielt, vierzig Tage in die Wüste zu gehen – zu welchem Zweck hat er niemand gesagt –, so meinten die Schwärmer, auch in die Wüste laufen und ihren Leib durch Fasten und allerlei Qualen kasteien zu müssen, denn Jesus hatte gesagt: »Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir«, und ferner: »Es sind etliche verschnitten aus Mutterleibe von Menschen, etliche aber, die sich selbst verschnitten haben um des Himmels willen. Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben – komm und folge mir nach.«
Mancher, der schon aus Mutterleibe – am Gehirn – verschnitten und von Natur ein Narr war, mag durch Zufall mit unter die Heiligen geraten sein; aber der größte Teil der Heiligen wurde erst durch solche ähnliche Stellen der Bibel zu Narren.
Die Wüsteneien Syriens und Ägyptens bevölkerten sich mit frommen Christen, welche »Jesum nachfolgen« wollten, und weil dieser gelitten hatte, es für verdienstlich hielten, sich noch weit größere Qualen freiwillig aufzulegen. Jeder dieser Frommen strebte danach, die Natur mit Füßen zu treten, und es gelang manchem so vortrefflich, daß uns dabei die Haut schaudert. Diese Schwärmerei wurde epidemisch, und die sonst einsamen Wüsten bevölkerten sich wie Städte.
Das anschaulichste Bild von dem Leben dieser »Väter der Wüste« gibt uns folgende Schilderung eines Mannes, der ihr Leben und Treiben einen ganzen Monat lang als Augenzeuge beobachtet hat: »Einige flehen mit gen Himmel gerichteten Augen, mit Seufzen und Winseln Barmherzigkeit; andere, mit auf den Rücken gebundenen Händen, halten sich in der Angst ihres Gewissens nicht für würdig, den Himmel anzuschauen; andere sitzen auf der Erde, auf Asche, verbergen ihr Gesicht zwischen die Knie und schlagen ihren Kopf gegen den Boden; andere heulen laut wie beim Tode geliebter Personen; andere machen sich Vorwürfe, nicht Tränen genug vergießen zu können. Ihr Körper ist, wie David sagt, voll Geschwüre und Eiter; sie mischen ihr Wasser mit Tränen und ihr Brot mit Asche; ihre Haut hängt an den Knochen, vertrocknet wie Gras. Man hört nichts als Wehe! Wehe! Vergebung! Barmherzigkeit! Einige wagen kaum, ihre brennende Zunge mit ein paar Tropfen Wasser zu erfrischen, und kaum haben sie einige Bissen Brot genossen, so werfen sie das übrige von sich, im Gefühl ihrer Unwürdigkeit. Sie denken nichts als Tod, Ewigkeit und Gericht! Sie haben verhärtete Knie, hohle Augen und Wangen, eine durch Schläge verwundete Brust und speien oft Blut; sie tragen schmutzige Lumpen voll Ungeziefer, gleich Verbrechern in Gefängnissen oder wie Besessene. Einige beten, sie ja nicht zu beerdigen, sondern hinzuwerfen und verwesen zu lassen wie das Vieh!« –
Wer von diesen Wüsteneinsiedlern noch nicht verrückt war, mußte es bei der oben geschilderten Lebensweise notwendig werden. Das Beispiel reizte die Eitelkeit auf, und einer suchte den andern an Strenge und Selbstquälerei zu übertreffen.
Einer dieser armen Verirrten und Verwirrten – Heiligen! – lebte fünfzig Jahre lang in einer unterirdischen Höhle, ohne jemals das freundliche Licht der Sonne wiederzusehen! Andere ließen sich bei der größten Hitze bis an den Hals in den glühenden Sand graben; noch andere in Pelze einnähen, so daß nur ein Loch zum Atmen frei blieb; bei afrikanischer Sonnenhitze eine treffliche Sommerkleidung, allein doch noch erträglicher als der Paletot, den ein anderer sich aus einem Felsen aushieb und beständig mit sich herumschleppte wie die Schnecke ihr Haus.
Sehr viele behängten sich mit schweren eisernen Ketten und Gewichten. Der heilige Eusebius trug beständig zweihundertundsechzig Pfund Eisen an seinem Körper. Einer dieser Narren, namens Thaleläus, klemmte sich in den Reifen eines Wagenrades und brachte in dieser angenehmen Stellung zehn Jahre zu, worauf er sich, zur Belohnung für seine Ausdauer, in einen engen Käfig zurückzog. Wahrlich ein rarer Vogel!
Einige taten das Gelübde – Frauen taten das, glaub' ich, nicht –, jahrelang kein Wort zu reden, niemand anzusehen oder auf einem Bein herumzuhinken oder nur Gras zu fressen, und was des Unsinns mehr ist.
St. Barnabas hatte sich einen scharfen Stein in den Fuß getreten; er litt die entsetzlichsten Schmerzen, aber er ließ sich den Stein nicht herausziehen. Wieder andere schliefen auf Dornen, ja manche versuchten gar nicht zu schlafen, und hungern konnten sie wie deutsche Schullehrer und Dichter; nur hatten sie den Vorteil voraus, daß sie verrückte Heilige waren und es eine bekannte Erfahrung ist, daß Wahnsinnige sehr lange ohne Nahrung leben können. Simeon, der Sohn eines ägyptischen Hirten, aß nur alle Sonntage und hatte seinen Leib mit einem Stricke so fest zusammengeschnürt, daß überall Geschwüre hervorbrachen, die so entsetzlich stanken, daß es niemand in seiner Nähe aushalten konnte.
Dieser Simeon glaubte immer, daß er sich noch nicht genug quäle, und erfand daher etwas ganz Neues, oder was wenigstens von den Christen noch nicht angewandt wurde, da Anbeter der großen Göttermutter, der Kybele, in Syrien Ähnliches getan hatten. Simeon stellte sich nämlich auf die Spitze einer Säule und blieb hier jahrelang stehen. Die erste Säule, die er zu diesem Zwecke benützte, war nur vier Ellen hoch, aber je höher sein Wahnsinn stieg, desto höher wurden auch seine Säulen. Als seine Tollheit den Gipfelpunkt erreicht hatte, war seine Säule vierzig Ellen hoch; auf dieser stand er dreißig Jahre!
Wie er es eigentlich anfing, nicht herunterzufallen, wenn ihn der Schlaf überkam, ist schwer zu begreifen; allein wahrscheinlich gewöhnte er sich stehend zu schlafen wie Pferde und Esel. Eine seiner Lieblingsunterhaltungen war es, sich beim Gebet bis auf die Füße zu bücken. Er muß noch einen geschmeidigeren Rücken gehabt haben als irgendwelche Kammerherrn, denn ein Augenzeuge berichtet, daß er bis 1244 solcher Bücklinge gezählt habe, der Heilige aber noch unendlich lange in seiner frommen Turnübung fortgefahren sei.
Simeon brachte es dahin, daß er vierzig Tage hungern konnte! Als seinem ausgemergelten Körper endlich die Kraft zum Stehen fehlte, ließ er auf seiner Säule einen Pfahl errichten und sich an denselben mit Ketten in aufrechtstehender Stellung befestigen.
Diese Säulentollheit fand viele Nachahmer, besonders im warmen Morgenlande. Im Abendlande ist nur ein Säulenheiliger bekannt, und die fromme Stadt Trier hat den Ruhm, daß er einer ihrer Söhne war. Der damalige Bischof war aber noch nicht so tief in den Geist der römischen Kirche eingedrungen wie Herr Bischof Arnoldi, der vor etwa zwanzig Jahren den angeblichen ungenähten Rock Jesu für Geld zeigte, denn sonst würde er nicht die Säule haben umstürzen und den Narren – ich meine den Heiligen – zur Stadt hinausjagen lassen.
Da es das höchste Ziel all dieser für ihre Seligkeit sich quälenden Toren war, »die Natur mit Füßen zu treten« und jede »vom Fleische« stammende Regung zu unterdrücken, so wurde denn natürlich auch der Geschlechtstrieb als höchst unchristlich verdammt und bekämpft. Der Kampf mit diesem mächtigsten der Triebe kostete aber die allergrößte Mühe und hatte, wie wir noch in der Folge sehen werden, die allerverderblichsten Folgen für die sich Christen nennende Menschheit.
St. Hieronymus (geb. 330 und gest. 422) erzählt ganz kalt, daß dieser Kampf mit der Natur Jünglingen und Mädchen Gehirnentzündungen und oft Wahnsinn zugezogen habe. Die armen Narren, die ihren Leib kasteiten, um den Unzuchtsteufel in sich zu demütigen, wußten ja nicht, daß sie dadurch das Übel nur ärger machten, denn der Teufel – der bekanntlich überall seine Hand im Spiele hat – führte ihnen die üppigsten Bilder vor die Phantasie.
Einige bestrichen, um sich den Kampf zu erleichtern, ihre rebellischen Glieder mit Schierlingssaft, und andere machten der Sache völlig ein Ende, indem sie die Wurzel des Übels ausrotteten. Dann hörte freilich alles auf, auch die Versuchung, und wenn ein Verdienst im Überwinden liegt, auch das Verdienst. Der sonst so vernünftige Kirchenvater Origenes tat dies ebenfalls; aber seine Tat war keineswegs originell, da heidnische Priester der Kybele diese unangenehme Operation ziemlich häufig mit sich vornahmen. Leontius, ein Priester zu Antiodiien, Jakobus, ein syrischer Mönch, und noch viele andere unter den Priestern und Laien folgten diesem Beispiel, was daraus hervorgeht, daß ein Gesetz gegen diese Kapaunirwut gegeben werden mußte. Nun, Gott sei Dank, vor der Rückkehr dieses Fanatismus sind wir sicher!
Andere, welche sich zu einer solchen Radikalkur nicht entschließen konnten oder auch durch ihre Frömmigkeit davon abgehalten wurden, litten Höllenqualen. Den heiligen Pachomius trieb das innerliche Feuer in die Wüste, weil er es hier leichter zu ersticken meinte als in der Welt, wo so viel zweibeiniger Zündstoff umherläuft. Er kämpfte oft mit sich, ob er seinen entsetzlichen Qualen nicht durch den Tod ein Ende machen solle. Einst legte er sich nackt in eine Höhle, welche von Hyänen bewohnt wurde. Diese Bestien beschnupperten ihn, ließen ihn aber ungefressen liegen, wahrscheinlich weil sie es ihm anrochen, daß er ein Heiliger war.
Einige Tage gesellte sich zu dem geplagten Manne ein schönes äthiopisches Mädchen, setzte sich auf seinen Schoß und reizte ihn so sehr, daß er wirklich glaubte zu tun, was jeder nicht so heilige Mann in seiner Lage unfehlbar getan haben würde. Als das Entsetzliche geschehen war, ging es ihm wie manchem andern nach ähnlichen Vorfällen; er erkannte jetzt, wer seine Hand dabei im Spiel hatte, und gab dem schönen Mädchen als Dank eine ungeheure Maulschelle. Und seine Vermutung war richtig; das Mädchen war der Teufel in eigener Person, denn Pachomius' Hand stank von der Berührung ein ganzes Jahr lang so entsetzlich, daß er fast ohnmächtig wurde, wenn er sie der Nase zu nahe brachte. Ärgerlich darüber, daß ihn der Teufel so erwischt hatte, rannte er in der Wüste umher. Er fand eine Aspis oder kleine Brillenschlange und setzte sie in seiner Wut gleich einem Blutegel an das Glied, welches Origenes sich abschnitt. Aber die Schlange war ebenso ekel wie die Hyäne und wollte nicht anbeißen. Pachom hielt dies für ein Wunder, und eine innere Stimme sagte ihm, daß er nun Ruhe haben sollte, und somit scheint ihn das Teufelsmädel kuriert zu haben.
Mit Mystizismus vereinigte Dummheit und daraus entstehende Schwärmerei stecken an und verbreiten sich wie Pest und Cholera. Die ganze Christenheit wurde von dieser asketischen Schwärmerei ergriffen. Ganze Scharen rannten in die Wüste, so daß sich die Heiligen auf die Füße traten und genötigt wurden, ungeheure Gemeinschaften – Klöster zu bilden.
St. Pachomius, der eigentliche Stifter derselben, hatte in dem seinigen vierzehnhundert Mönche und führte noch über siebentausend andere die Aufsicht. Im vierten Jahrhundert gab es in Ägypten wenigstens hunderttausend Mönche und Nonnen, denn daß die leicht erregbaren und verrückt zu machenden Weiber von dieser Tollheit nicht frei blieben, kann man sich leicht denken. In den gut gelegenen Wüsten fing es an, an Platz zu fehlen, und man schaffte sich künstliche Wüsteneien, das heißt Klöster in den Städten. Die Stadt Oxyrrhinchus hatte mehr Klöster als Wohnhäuser, und in ihnen beteten und arbeiteten nicht dreißigtausend Mönche und Nonnen.
Die Heiden mochten spotten soviel sie wollten, um dieses heilige Feuer auszulöschen; es gelang ihnen nicht, denn die geachtetsten Kirchenlehrer priesen das Mönchs- und Einsiedlerleben über alles und nannten es den geraden Weg in das Paradies. Die heiligsten Bande der Natur wurden zerrissen. Jünglinge verließen ihre Bräute, wie der heilige Alexius, der in der Brautnacht in die Wüste rannte. Ammo las seiner Braut die Briefe des Paulus an die Korinther vor! Die Braut wurde dadurch so begeistert, daß sie mit Ammo in die Wüste lief und hier gemeinschaftlich mit ihm eine elende Hütte bezog, wo sie lebte keusch wie eine Henne, die mit einem Hunde zusammenwohnt.
Johannes Colybita, der Sohn angesehener Eltern, wurde ebenfalls in der Brautnacht von dem frommen Kanonenfieber gepackt; er floh die Versuchung und ging in die Wüste. Das unüberwindliche Heimweh trieb ihn in die Vaterstadt zurück. Hier lebte er siebenzehn Jahre als elender Bettler in einer Hundehütte, die er neben die Wohnung seiner um ihn trauernden Eltern gestellt hatte, denen er sich erst in seiner Todesstunde zu erkennen gab.
Dies waren die Früchte der Lehren solcher Männer wie St. Hieronymus, der sagte: »Und wenn sich deine jungen Geschwister an deinen Hals werfen, deine Mutter mit Tränen und zerstreuten Haaren und zerrissenen Kleidern den Busen zeigt, der dich ernährt hat, dein Vater sich auf die Türschwelle legt, stoße sie mit Füßen von dir und eile mit trockenen Augen zur Fahne des Kreuzes.«
Sehr viele trieben auch die Eitelkeit und der Ehrgeiz zum asketischen Leben, denn die Einsiedler und Mönche standen im höchsten Ansehen. Kamen sie in eine Stadt, so wurden sie im Triumph empfangen, und zogen sie bei einer solchen vorbei, dann strömten Tausende zu ihnen heraus, um sich ihren Rat und ihren Segen zu erbitten.
Die ganze Gegend, in welcher ein besonders toller Einsiedler sein Wesen trieb, hielt sich für beglückt, und man hat Beispiele, daß diese Heiligen von den Bewohnern anderer Landschaften gleichsam wie die wilden Affen in Pechstiefeln eingefangen wurden.
Salamanius aus Kapersana, einem Dorfe am Euphrat, hatte sich in ein Haus sperren lassen, welches weder Fenster noch Türen hatte. Einmal im Jahr öffnete er diesen Käfig, um die Lebensmittel in Empfang zu nehmen, welche ihm herbeigeschleppt wurden, wobei der heilige Mann aber mit niemandem redete. Die Bewohner seines Geburtsortes glaubten ein Recht auf diese Blume der Heiligkeit zu haben und entführten den Narren; aber kaum hatten sie ihn einige Tage, als er ihnen wieder von den Bewohnern eines benachbarten Dorfes gestohlen wurde. Alle diese gewaltsamen Veränderungen waren nicht imstande, dem Heiligen ein Wort zu entlocken.
Die Verehrung gegen diese Wüstennarren ging so weit, daß Kaiser Theodosius ihnen sogar seine Söhne Honorius und Arkadius zur Erziehung anvertraute. Es wurde freilich nichts Gescheites aus ihnen, denn Honorius war förmlich blödsinnig geworden und fand sein größtes Vergnügen daran, das Federvieh zu füttern. Eine recht unschuldige Liebhaberei für einen Kaiser, die auch moderne Imperatoren haben, wenn das Federvieh nur aus der rechten Tonart kräht.
Theodosius war überhaupt ein großer Freund der Mönche, und sowohl er wie andere Kaiser nahmen zu ihnen wie zu Orakeln ihre Zuflucht. Er ahmte den großen Alexander nach, indem er sagte: »Wenn ich nicht Theodosius wäre, so möchte ich ein Mönch sein.« Sein Volk hatte Ursache genug, zu bedauern, daß er Theodosius war.
Unter den »Vätern der Wüste« haben manche einen ganz besonderen Ruf der Heiligkeit erworben, teils durch die unerhörten Qualen, welche sie sich selbst auferlegten, teils durch die Wunder, welche ihnen zugeschrieben wurden. Unter den schrecklichen Operationen, die sie mit ihrem Körper vornahmen, litt auch der Geist, und so darf es uns nicht befremden, wenn diese Leute allerlei Erscheinungen und Visionen hatten, die sie für Wirklichkeit nahmen und die nur dazu dienten, ihren zerrütteten Verstand noch mehr zu verwirren. Die Kirchenschriftsteller, welche diese Wunder nacherzählen, waren ernsthafte Männer und tun dies im festen Glauben an die Wahrheit dessen, was sie berichten. Erst die spätern mag hin und wieder Eigennutz zum absichtlichen Betruge verleitet haben.
Ich würde alle diese Wunder als abgeschmackt übergehen, wenn man sie nur allein in jener finstern Zeit geglaubt hätte, allein noch heute gelten sie Tausenden von römischen Katholiken als Wahrheit.
Der gemeine Katholik in den echt katholischen Ländern weiß von Gott sehr wenig; er versteht die philosophische Dreieinigkeitsgeschichte nicht und zerbricht sich auch nicht den Kopf darüber; er kennt nur seine wundertätigen Heiligen und den Teufel.
Lange wollen wir uns übrigens in dieser halb bemitleidenswerten, halb lächerlich tollen, heiligen Gesellschaft nicht aufhalten. Wer den ganzen Unsinn der Wunder kennenlernen will, braucht nur eines der Heiligenbücher zu lesen, welche von der Geistlichkeit in den römisch-katholischen Ländern empfohlen und verbreitet werden.
Den größten Ruf unter den Wüstenheiligen erlangten: St. Paulus, St. Pachomius, St. Antonius, St. Hilarion und St. Macarius Nr. 1 und Nr. 2. Die Schlachten, welche diese Himmelsstürmer mit dem Teufel lieferten, waren unzählig, und die ungeheure Tätigkeit des »Erzfeindes« kann nicht in Erstaunen setzen, da diese religiösen Don Quichote in jedem Affen, in jedem andern Tier und namentlich in jedem Weibe, welche ihnen unvermutet begegneten, nicht nur höllische Windmühlen, sondern den höllischen Windmüller selber sahen.
Alle Übel, welche ihr kranker Körper- und Seelenzustand mit sich brachte, wurden für Wirkungen des Teufels gehalten. Antonius schlief auf der bloßen Erde und in feuchten Gräbern und zog sich dadurch sehr begreiflicherweise die Gicht zu, wie das auch jedem Nichtheiligen begegnet wäre; er aber bildete sich ein, daß die Schmerzen, die er empfand, von einem Faustkampf mit dem Teufel herrührten, – weil er vielleicht wirklich häufig Kämpfe mit den starken Affen zu bestehen hatte, die sich im südlichen Ägypten aufhielten und die wahrscheinlich die Erzväter der Waldteufel sind. Schöne Weiber, die ihm im Traume erschienen, hielt er erst recht für Teufel, da sie ihn am stärksten versuchten, und eine derartige »Versuchung des heiligen Antonius« sieht man häufig gemalt, weil sie die Phantasie der Maler lebhaft anregte.
Manche der Einsiedler mag auch die Eitelkeit verführt haben, Erscheinungen vorzugeben, um ihr Verdienst in den Augen der Menschen zu erhöhen. Wer vermag es, hier die Grenze zwischen wirklichen Äußerungen des Wahnsinns und Erdichtungen anzugeben? Wie lange ist es her, daß die Hexenprozesse aufgehört haben? Mag bei diesen letzteren manche absichtliche Nichtswürdigkeit vorgegangen sein, so kann man doch für gewiß annehmen, daß noch vor hundert Jahren viele der geachtetsten Theologen und Juristen an die Möglichkeit der Teufelserscheinungen und des fleischlichen Umganges mit dem Teufel und andern bösen Geistern glaubten; denn wäre dies nicht der Fall, so müßte man die Richter, welche hunderttausende von Hexen verbrennen ließen, für absichtliche Mörder halten. Hexenprozesse fanden noch im vorigen Jahrhundert statt, und der gemeine Mann in vielen, nicht nur römisch-katholischen Ländern, glaubt noch heute steif und fest an Hexen.
Dem heiligen Antonius werden viele Wunder zugeschrieben. Die Kirchenschriftsteller erzählen, daß ihm die Tiere der Wüste gehorchen wie dressierte Pudel. Gar häufig umgaben sie zudringlich seine Höhle, warteten aber stets, bis er sein Gebet vollendet hatte, dann empfingen sie seinen Segen und zogen mit den christlichen Gedanken auf Raub aus. Als er den in seinem hundertunddreizehnten Jahr gestorbenen heiligen Paulus aus dem ägyptischen Theben begrub, halfen ihm zwei fromme Löwen das Grab machen. Als sie fertig waren, empfingen sie seinen Segen und zogen, christlich mit dem Schwanze wedelnd, vergnügt und mit erleichtertem Gewissen tiefer in die Wüste.
St. Macarius, der sich zur Unterdrückung des ihm arg zusetzenden Wollustteufels mit bloßem Hintern in einen Ameisenhaufen setzte, genoß ebenfalls das Vertrauen der wilden Bestien. Einst kam eine Hyäne an seine Tür und pochte bescheiden an. Als der Heilige öffnete, legte ihm die gläubige Mutter ein blindes Junges zu Füßen, zugleich aber ein Lammfell als Honorar für die Kur. »Du hast es geraubt, ich mag es nicht!« schnob der Heilige die fromme Hyäne an, welche so bestürzt wurde, daß ihren Augen Tränen entrollten. Dies rührte den Heiligen, und er sprach freundlicher zu der bußfertigen Bestie: »Willst du kein Lamm mehr rauben, so nehme ich das Fell und heile.« Die Hyäne nickte zu, der Heilige heilt. Dieser geht in seine Zelle, jene trollt vergnügt in die Wüste und raubte von nun an keine Lämmer mehr, sondern wahrscheinlich – Schafe.
Das erste Wunder, welches der heilige Hilarion tat, klingt nicht so unglaublich. Eine junge Frau, die von ihrem Manne verachtet wurde, weil sie ihm keine Kinder gebar, holte sich Rat bei dem zweiundzwanzigjährigen Heiligen. Er betete allein mit ihr, und nach neun Monaten kam sie wirklich mit einem durch tätiges Gebet bewirkten kleinen Heiligen nieder.
Doch wozu noch mehr dieser Wunder anführen? – Hier reitet ein Heiliger auf einem Krokodil durch den Nil, dort führt ein anderer einen grimmigen Drachen an einem Bindfaden; hier läßt ein anderer Schnee anbrennen, Eisen schwimmen und Früchte auf Weidenbäumen wachsen; dort benutzt ein Heiliger einen lebendigen Adler als Regenschirm oder hat den Teufel vor seinen Pflug gespannt; – kurz, diese Heiligen machten nicht allein die Menschen, sondern auch die Natur konfuse. Und all dieser Unsinn wurde geglaubt, denn daran zweifelte kein Mensch, daß so heilige Leute die ewigen Naturgesetze ganz nach Willkür verändern und unterbrechen konnten!
Die im Orient entstandene Schwärmerei fand auch in Europa den lebhaftesten Anklang, und besonders wirkte dafür St. Ambrosius, Bischof von Mailand, dem wir den Ambrosianischen Lobgesang, das Te deum laudamus verdanken, und St. Hieronymus, von dem wir schon früher geredet haben. Beide wirkten sowohl durch eigenes Beispiel als durch Schriften. Hieronymus lebte selbst längere Zeit in der syrischen Wüste und schrieb ein Werk, betitelt »Lob des einsamen Lebens«, welches für ein Meisterstück der Beredsamkeit gilt. Ich werde später noch manchmal Stellen aus seinen Schriften anführen müssen. Er war 330 in Strydon in Dalmatien geboren, hielt sich lange Zeit in Rom auf und starb 422 in seinem Kloster in Bethlehem.
Der Hang zum asketischen Leben nahm nun schnell in Europa überhand, und Heilige und Klöster schossen überall wie Pilze auf. Der heilige Martin war der erste, welcher Klöster in Frankreich anlegte. Er war 316 in Panonien geboren und hatte das Kriegshandwerk ergriffen. Als er einst einem Armen die Hälfte seines Mantels gab, bildete er sich ein, Jesu Stimme zu hören, welche ihm zurief: »Was du andern getan hast, hast du mir getan.« Dies bewog ihn, sein Regiment zu verlassen und unter die Heiligen zu gehen. Sein Ruf verbreitete sich bald; er wurde Erzbischof von Tours und ein sehr stolzer Heiliger. Als er vor Kaiser Valentinian erschien, wollte dieser sich nicht von seinem Throne erheben, um St. Martin zu begrüßen. Diesen verdroß solcher Hochmut, er betete, und – so erzählt die »Geschichte« – feurige Flammen schlugen aus dem Thronsessel empor, so daß seine kaiserliche Majestät schnell in die Höhe fahren mußte, wollte sie nicht ihren allerhöchsten allerdurchlauchtigsten Allerwertesten verbrennen.
Die Zahl der europäischen Heiligen ist sehr groß, und ich möchte gern ihr ganzes heiliges Leben und all ihre Wunder erzählen; allein leider habe ich weder Zeit noch Raum zu einem so umfassenden, interessanten Werk und will mich daher damit begnügen, nur von denjenigen zu reden, die für die Welt als Stifter von Mönchsorden oder als sogenannte Apostel wichtig wurden, und auch dann noch ist ihre Zahl so groß, daß ich eine Auswahl treffen muß.
Ehe ich aber dazu schreite, will ich die gläubigen Christen darüber belehren, was denn eigentlich solch ein Heiliger bedeutet und wozu er noch heute gut ist. Es versteht sich von selbst – so lehrt natürlich die römische Kirche –, daß ein Heiliger nicht nur selig ist, sondern daß er auch im Himmel einen besonders hohen Platz einnimmt, gewissermaßen zu der Familie des lieben Gottes gehört und beständig mit Jesus, der Jungfrau Maria, deren neuerdings unbefleckt empfangenen Frau Mutter, dem Heiligen Geist, den vornehmsten Engeln und den Aposteln verkehrt. Man kann sich also wohl denken, daß solch ein Heiliger direkten oder indirekten Einfluß bei dem lieben Gott hat und nicht leicht vergebens bittet. Die Heiligen haben ganz außerordentlich viel zu tun, denn sie haben nicht allein diejenigen auf Erden lebenden Menschen zu beschützen und zu behüten, deren spezielle Schutzpatrone sie sind, sondern auch noch spezielle Zweige der Heiligenwissenschaft zu vertreten. Die angeseheneren Heiligen sind außerdem Vorsteher ganzer Nationen oder besonderer Stände, und somit sieht jeder ein, daß ihr Amt im Himmel keine Sinekure ist. Damit nun jeder, den irgendeine religiöse Blähung oder ein körperliches Gebrechen quält, welches er wohlfeiler kuriert haben will, als es von einem irdischen unheiligen Doktor geschehen kann, weiß, was er zu tun hat, so will ich einige Hauptheilige nebst ihren Funktionen anführen.
Der Adel steht unter der besonderen Protektion der drei großen Heiligen St. Georg, St. Moritz und St. Michael; der Patron der Theologen ist höchst seltsamerweise der zweifelsüchtige »ungläubige« St. Thomas, und der Schutzheilige der Schweine ist St. Antonius. Die Jurisdiktion über die Juristen hat St. Ivo, über die Ärzte St. Cosmus und St. Damian, über die Jäger St. Hubertus, und die Trinker stehen unter dem Schutze St. Martins. So hat auch jedes Gewerbe seinen besonderen Heiligen, denen die römisch-katholischen Handwerker wahrscheinlich ihr Geschäft anvertrauen, wenn die vielen Festtage oder die Wallfahrten zur heiligen Garderobe sie abhalten, selbst dafür zu sorgen.
Auch jede Nation hat ihren besonderen Schutzheiligen. Die Portugiesen haben St. Antonius, der neben den Schweinen auch sie behütet; die Spanier St. Jakob, welcher sich kürzlich als der wahre Jakob erwiesen hat; die Franzosen St. Denis, die Engländer St. Georg, die Venezianer St. Markus, und die Deutschen werden einen eigenen Schutzheiligen bekommen, wenn sie eine Nation sind; einstweilen besorgen die Schutzheiligen anderer Nationen ihre diplomatischen Geschäfte im Himmel.
Auch haben einige Heilige, die mit der Leitung von Nationen und besonderen Ständen nicht zu sehr beschäftigt sind, ihre Muße im Himmel benutzt, einige Übel der armen Erdenwürmer besonders gründlich zu studieren, und der liebe Gott, der doch nicht alles selbst tun kann, hat ihnen nach dem Glauben vieler frommen Katholiken erlaubt, ihm hier und da auszuhelfen.
St. Aja hat die Rechtswissenschaft studiert und hilft in Prozessen; St. Cyprian beim Zipperlein; St. Florian bei Feuersgefahr; St. Nepomuk gegen Wasserflut und in Verleumdung; St. Benedikt gegen Gift; St. Hubertus gegen die Hundswut; St. Petronella im Fieber; St. Rochus gegen die Pest; St. Ulrich gegen die Ratten und Mäuse; St. Apollonia gegen Zahnweh, wenn es nicht von Schwangerschaft kommt, denn in diesem schmerzlichen Fall muß man sich an St. Margaretha wenden, welche auch bei schweren Geburten hilft. St. Blasius bläst das Halsweh weg, und St. Valentin hilft gegen die fallende Sucht; St. Lucia gegen Augenübel, und Vieharzt im Himmel ist St. Leonhard.
St. Benedikt ist der Vater der zahlreichen Benediktinermönche. Er wurde 480 in Nursia in Umbrien geboren und starb 543. Die Legende erzählt von ihm merkwürdige Dinge. Schon im Mutterleibe sang er Psalmen, und wenn er als Kind weinte, dann brachten ihm die Engel Bischofsstäbe, Bischofsmützen und Breviere zum Spielen und machten Musik auf Instrumenten, die erst viele Jahrhunderte später unter den Menschen erfunden wurden. Sein erstes Wunder war, daß er einen zerbrochenen Topf wieder ganz betete!
Im Beten besaßen diese Heiligen, wenn wir den Kirchenschriftstellern glauben wollen, eine ordentlich schauerliche Innigkeit und Ausdauer. Einige erhoben sich vor lauter Inbrunst einige Fuß über die Erde und blieben so in der Luft hängen. Ein irländischer Heiliger, namens Kewten, betete so hartnäckig und lange, daß eine Schwalbe in seine gefalteten Hände Eier legen und ausbrüten konnte!
Es versteht sich von selbst, daß St. Benedikt vom Teufel heftig verfolgt wurde, der ihn, als der fromme Mann sich in eine Einöde vergraben hatte, beständig in Gestalt einer Amsel umschwärmte. Als er, nämlich der Heilige und nicht der Teufel, Abt eines Klosters wurde, verführte der Teufel einen Pfaffen, sieben schöne Mädchen in der Naturuniform im Klostergarten laufen zu lassen, so daß fast alle Mönche des Teufels wurden. Nahe daran waren sie, denn sie machten Versuche, ihren strengen Abt zu vergiften, die natürlich alle mißlangen, denn bald betete er den Giftbecher entzwei, bald kam ein Rabe, der das vergiftete Brot sofort in die Wüste trug.
Benedikt stiftete eine große Menge von Klöstern, darunter das berühmte von Monte Cassino, und gab seinen Mönchen eine Regel, die für einen Heiligen und sein Zeitalter sehr vernünftig ist. Seine Mönche sollten arbeiten; allein von Selbstquälerei und dergleichen ist darin nichts vorgeschrieben. Seine Klosterregel wurde bald die Grundlage aller anderen, und die Benediktinerklöster waren die Zufluchtsorte für Künste und Wissenschaften, welche ohne sie vielleicht ganz und gar im rohen Mittelalter von dem Christentum verschlungen sein würden. Wir mögen daher immerhin St. Benedikt als einen der achtungswertesten Heiligen verehren und ihm die dummen Wunder nicht zur Last legen, welche ihm spätere Verehrer andichteten.
Von seiner Klosterregel weicht die des irdischen Mönches Columbanus merklich ab; in seinem Zuchtbuche regnet es für das geringste Vergehen Dutzende von Hieben. Wer einem Bruder widersprach, ohne hinzuzufügen: »Wenn du dich recht erinnerst, Bruder«, erhielt fünfzig Hiebe, und wer gar allein mit einem Frauenzimmer redete – zweihundert, wohlgezählt.
Der englische Mönch Winfried, der nachher St. Bonifazius hieß, wird gewöhnlich der Apostel der Deutschen genannt. Er führte die Klöster in Deutschland ein und mit ihnen allen Segen Roms. Die Friesen erwarben sich das Verdienst, ihn nebst dreiundfünfzig Pfaffen totzuschlagen (am 5. Juni 759). Hätten sie es früher getan, dann wüßten wir vielleicht nichts von Ehelosigkeit der Priester, Wallfahrten, Bilderdienst, Reliquien und dergleichen Dingen, die er in Deutschland heimisch machte.
St. Adalbert, der sogenannte Apostel der Preußen, war Bischof von Prag und ein ganz guter Mann, dem es nur an Verstand fehlte. Was er eigentlich für ein Landsmann war, weiß ich nicht; aber ich vermute ein Deutscher, denn er war so demütig, daß er am Hofe seines Freundes Kaiser Ottos II. den Hofleuten heimlich die Stiefel putzte.
Ihn gelüstete sehr nach der Märtyrerkrone, und er schlug allerdings, obwohl aus heiliger Einfalt, den allerkürzesten Weg dazu ein, sie auf das schleunigste zu erlangen. Er zog mit zwei Gefährten Psalmen singend durch das Land der wilden heidnischen Preußen. Dies wilde Volk hielt ihn anfangs gar nicht für einen Heiligen, sondern für einen Verrückten, und wurde in diesem Glauben noch bestärkt, als Adalbert auf ihre Götterbilder schimpfte, ja, sie wohl gar verunehrte und ihnen dafür Kreuz, Hostie, Marienbilder und anderen römisch-christlichen Hausbedarf anbot. Als die Preußen ihn auslachten, schimpfte er auf die Verstockten und wurde zornig, und ehe er sich dessen versah, steckten ihm sieben heidnische Wurfspieße im heiligen Leibe, die ihn zum Märtyrer machten.
Bruno, einem Benediktiner aus Magdeburg, ging es einige Jahre später nicht besser; die Preußen schlugen ihn nebst achtzehn seiner Gefährten ebenfalls tot.
Ebenso wichtig als Beförderer des Klosterwesens und als Heiliger, aber bei weitem wichtiger und bedeutender als Mensch ist der heilige Bernhard. Luther sagt von ihm: »War je ein wahrer, gottesfürchtiger Mönch, so war es Bernhard; seinesgleichen ich niemals weder gehört noch gelesen habe und den ich höher halte, denn alle Mönche und Pfaffen des ganzen Erdbodens.«
Bernhard stammte aus einer altadeligen burgundischen Familie und wurde 1091 zu Fontaines bei Dijon geboren. Er war ein Schwärmer, aber ein durchaus edler Mensch, dem es wahrer Ernst war, die verdorbenen Geistlichen und die Menschen überhaupt zu bessern. Er quälte seinen Körper auf grauenhafte Weise, indem er mit seinen Mönchen oft nur von Buchenblättern und dem elendsten Gerstenbrot lebte. Genoß er einmal zur Stärkung seines geschwächten Magens etwas Mehlbrei mit Öl und Honig, dann weinte er bitterlich über diese Schwachheit.
Seine Frömmigkeit und sein scharfer Verstand erwarben ihm bald einen bedeutenden Ruf. Als er einst in Mailand einzog, waren ihm Hände und Arme geschwollen von den Küssen, mit denen ihn die zudringlichen Gläubigen überdeckten. Er hätte Erzbischof, ja Papst werden können, er schlug alle Würden aus; aber als einfacher Bruder von Citeaux übte er den bedeutendsten Einfluß aus. Er schlichtete Streitigkeiten zwischen Päpsten und Königen, zwischen Fürsten und ihren trotzigen Vasallen, und der wildeste Kriegsmann zitterte vor dem gewaltigen Mönch. Weder Kaiser noch Papst wagten es, in Bernhards Kloster Citeaux einzureiten, sie gingen demütig zu Fuß.
Er war die Seele des zweiten der Kreuzzüge – dieser großartigen Narrheit, die sieben Millionen Menschen das Leben kostete, die aber aus religiösem Eifer von Bernhard gefördert wurde. Selbst über die hartnäckigsten Widersacher siegte seine Beredsamkeit, wie zum Beispiel über Kaiser Konrad III., der in Speyer seinen Kaisermantel ablegte und den Heiligen auf seinen Schultern durch das Gedränge trug. Seine verführerische Zunge entvölkerte die Städte von Männern, so daß in manchen kaum einer für sieben Weiber zurückblieb, denn »alles was die Wand bepißt« nahm das Kreuz.
Der heilige Bernhard verdiente ein eigenes Buch, und ich werde später noch hier und da manches zu erwähnen haben, was seine Verdienste besser ins Licht setzt. Hier will ich nur noch einige Wunder anführen, welche ihm die Legende zuschreibt und ohne welche er schwerlich in den Heiligenkalender gekommen wäre, trotz all seiner Verdienste.
Die Erzählungen von den Siegen über den Teufel, welche er durch die Kraft seines Gebetes errang, sind unzählbar. Sein Gebet war aber auch so innig, daß es Steine erbarmte. Einst machte sich ein steinerner Christus vom Kreuze los und stieg herab, um den frommen Beter zu umarmen. Ein steinernes Marienbild ging noch weiter. Es reichte dem Heiligen die Brust, und dieser trank aus dem Stein die süßeste Frauenmilch! Es ist diese Güte der heiligen Mutter Gottes um so mehr zu bewundern, als St. Bernhard sie eigentlich immer schlecht behandelte und nicht einmal an ihre Jungfrauschaft glauben wollte! Als er einst in den Dom zu Speyer trat, grüßte er das dort befindliche Marienbild: »Sei gegrüßt, o Königin!« Wie erstaunten die Anwesenden, als die geschmeichelte und angenehm überraschte steinerne Mutter Gottes die steinernen Lippen öffnete und ausrief: »Wir danken dir schön, unser lieber Bernhard«; aber noch mehr verwunderte man sich, als der verdrießliche Heilige die Worte des Apostels zurückbrummte: »Weiber schweigen in der Versammlung.«
Bernhard starb 1153. Er erschien seinen Mönchen mehrmals verklärt im Himmelsglanz, aber – und Spötter sollten sich das ad notam nehmen – in der Mitte seines Leibes war ein unangenehmer Makel, eben weil er an die makellose Jungfrauschaft der Mutter des Jesukindleins nicht hatte glauben wollen.
St. Bernhard selbst hatte 160 Klöster angelegt, die eine zahlreiche Nachkommenschaft hatten, denn schon zehn Jahre nach des Heiligen Tode gab es 500, und hundert Jahre später gegen 2000 Bernhardiner- oder Zisterzienserklöster. Die Mönche dieses Ordens zeichneten sich lange Zeit vor allen andern durch Arbeitsamkeit und Sittenreinheit aus, so daß Könige und Fürsten in die Gemeinschaft desselben traten.
Den Segen, den diese Mönche und die Benediktiner dem rohen Mittelalter hätten bringen können, vernichteten die nun bald entstehenden Bettelorden, welche knechtische Unterwerfung der Vernunft unter den blindesten Glauben lehrten und damit die zügelloseste Sittenlosigkeit zu verbinden wußten. Sie verbreiteten eine dicke geistige Finsternis über die Erde, welche die Päpste und ihre Verbündeten so sehr zu schätzen wußten, daß sie auf das sorgfältigste bemüht waren, dieselbe bis auf den heutigen Tag zu erhalten.
Die Idee der Bettelorden entsprang in dem Gehirn Johannes Bernardoni, eines verdorbenen Kaufmannssohnes aus Assisi in Umbrien. Er ist bekannt unter dem Namen des heiligen Franz von Assisi oder des seraphischen Vaters. – Da der junge Mann zum Kaufmann nichts taugte, so wurde er Soldat, geriet in Gefangenschaft und verfiel in eine schwere Krankheit. Als er genas, war er – ein Heiliger! Das heißt vorläufig nur ein simpler Narr, der sich unter Bettlern und Aussätzigen umhertrieb, ihre Geschwüre küßte, sich mit ihren Lumpen bekleidete und seinen Vater bestahl, um das Gestohlene zum Ausbau einer verfallenen Kirche zu verwenden. Der Bischof von Assisi nahm den Dümmling in Schutz, und bald zog er im Lande umher, bettelnd für den Bau der eben erwähnten Kirche. Die Kollekte fiel so reichlich aus, daß er auf den Gedanken geriet, einen Bettelorden zu stiften. Papst Honorius sagte zwar von ihm: »Ihr seid ein Einfaltspinsel«, aber Papst Innozenz III., dazu durch einen Traum veranlaßt, bestätigte die von Franz aufgesetzte Mönchsregel, die er doch anfangs eine Regel für Schweine, aber nicht für Menschen genannt hatte.
Anfangs wurde Franz verspottet und verhöhnt, aber in der Zeit von drei bis vier Jahren stieg der Ruf seiner Heiligkeit so sehr, daß ihm, wenn er einer Stadt nahte, Geistlichkeit und Volk feierlich entgegenkamen und mit allen Glocken geläutet wurde (1211).
Seine Regel verbot es strenge, ein Eigentum zu haben, und die äußerste Demut war den Mönchen Gesetz. »Die Almosen«, sagte Franz, »sind unser Erbe, Almosen unsere Gerechtigkeit, das Betteln unser Zweck und unsere Königswürde! Die Schmach und Verachtung unsere Ehre und unser Ruhm am Tage des Gerichts.«
Er ging selbst mit dem Beispiel voran, denn er war demütig wie ein Hund. Je mehr ihn die Gassenjungen verhöhnten, desto lieber war es ihm, und ganz vergnügt war er, wenn sie ihn gar mit Schmutz warfen. Aus lauter Demut ließ er sich oft mit Füßen treten. Wenn er in Assisi umherging und bettelte, so steckte er alles Eßbare, das er erhielt, in einen Topf, und wenn ihn hungerte, so langte er zu und aß von dem ekelhaften Gemisch. Einst wurde Franz von einem Kardinal zu Tische geladen; er ließ jedoch alle Gerichte unberührt und aß zum Ekel der delikaten Gäste den Schweinefraß, den er gesammelt hatte.
Die Tiere hatte er sehr lieb und nannte sie seine Brüder und Schwestern. Gar oft predigte er den Gänsen, Enten und Hühnern, und als ihn einst die Schwalben und Sperlinge durch ihr Gezwitscher störten, bat er die »lieben Schwestern« um Ruhe. Einen Bauer, der zwei Lämmer zu Markte trug, fragte er: »Weshalb quälst du so meine Brüder?« – Eine Laus, die sich auf seine Kutte verirrt hatte, nahm er sorgfältig zwischen die Finger, küßte sie und sagte: »Liebe Schwester Laus, lobe mit mir den Herrn!« Dann setzte er sie auf seinen Kopf, woher sie gekommen war.
Seinen Körper nannte er »Bruder Esel«, und wenn diesen Esel der Hafer stach, dann plagte er ihn wacker. Er wälzte sich, wie es auch St. Benedikt tat, nackt auf Dornen, stieg bis an den Hals in gefrorene Teiche oder legte sich in den Schnee, bis jede wollüstige, eselhafte Regung verschwunden war. Einst machte er sich in spaßhafter Laune Weib und Kinder von Schnee und umarmte sie so lange inbrünstig, bis sie zerschmolzen waren. Sein Orden mehrte sich außerordentlich schnell, denn schon im Jahre 1216, als er ein Generalkapitel desselben nach Assisi ausschrieb, kamen hier 5000 Franziskaner zusammen, obgleich ein großer Teil davon nur Abgeordnete von Klöstern waren. Ihre Zahl wuchs aber bald wie Sand am Meer. Der Franziskanergeneral bot einst dem Papst Pius III. 40 000 Franziskaner zum Türkenkriege an und versicherte, daß die geistlichen Verrichtungen darunter nicht leiden sollten. Während der Pest 1348 starben allein in Deutschland 6000 Franziskaner, und man merkte die Verminderung nicht.
Die Reformation zerstörte unendlich viele ihrer Klöster, allein noch im Anfang des vorigen Jahrhunderts rechnete man die Zahl derselben auf 7000 Mönchs- und 900 Nonnenklöster! Franz starb 1226, und da er ein Heiliger war, so tat er denn selbstverständlich auch eine Menge von Wundern. Jesu Wunder verschwinden vor denen, welche seine Mönche von ihm berichten.
Einst zog er sich in die Apenninen zurück und hungerte hier vierzig Tage lang. Da erschien ihm ein Seraph, der ihm die fünf Wundenmale Jesu aufdrückte, so daß sie bluteten. Von daher hieß Franz auch der seraphische Vater und sein Orden der Seraphienorden. Die Verehrer dieses Heiligen gingen so weit, ihn wirklich weit über Jesus zu setzen und ihm die tollsten und verrücktesten Wunder zuzuschreiben.
Franzens Nachfolger als Ordensgeneral war der Bruder Elias, ein schlauer, durchtriebener Patron, der sich die Einfalt Franzens trefflich zunutze zu machen wußte. Er und seine Nachfolger verstanden es herrlich, Franzens Ordensregeln auszulegen, und dabei wurden ihre Klöster so reich wie keine anderen.
Die geschworenen Feinde und Widersacher der Franziskaner waren die ungefähr um dieselbe Zeit entstehenden Dominikaner, so benannt nach ihrem Stifter, dem heiligen Dominikus. Er hieß Dominikus Guzman und war 1170 in Altkastilien geboren. Er ward zur Bekehrung der Waldenser nach Frankreich geschickt und bekam hier den Gedanken, einen Mönchsorden zu stiften, dessen Wirksamkeit besonders auf das Volk berechnet sein und der sich mit Predigen und Unterrichtgeben und zu seinem Unterhalt mit dem einträglichen Betteln abgeben sollte. Er erhielt vom Papste die Bestätigung, und dieser scheußliche Orden trat ins Leben, um die Welt mit der Inquisition und der Zensur der Bücher zu beglücken. Dominikus selbst war der erste, welcher förmliche Ketzerjagden anstellte.
Er wollte seinen Orden mit dem des heiligen Franz vereinigen; aber dieser hatte keine Lust dazu. Beide Orden standen sich indessen anfangs bei; aber bald gerieten sie aus Handwerksneid in die bitterste Feindschaft; auch wollten die gebildeteren Dominikaner stets etwas Besseres sein als die Franziskaner, von denen durchaus keine Gelehrsamkeit gefordert wurde. Der Dominikanerorden wuchs ebenfalls schnell, und 1494 gab es 4143 Klöster desselben.
St. Dominikus verdankt die Klosterwelt eine große Erfindung, nämlich neunerlei Stellungen beim Gebet, mit denen man zur Unterhaltung abwechseln konnte, damit die Sache nicht zu langweilig wurde. Man konnte beten: stehend, kniend, auf dem Rücken, dem Bauch, den Seiten liegend, die Arme ins Kreuz ausgestreckt, gekrümmt stehend, bald kniend, bald aufspringend. Er selbst betete so inbrünstig, daß er von der Erde verzückt wurde, das heißt einige Fuß hoch vom Boden in der Luft schwebte. Er starb 1221 zu Bologna. Von seinen überirdischen Taten, nämlich seinen Wundern, wollen wir schweigen, wir haben genug an seinen irdischen. Fliehen wir aus der Gesellschaft dieses bleichen Henkersknechtes! Und wessen Christentum es erlaubt, der mag dem Vater der Inquisition aus vollem Herzen einen Fluch nachrufen, ich stimme von ganzer Seele ein!
Ich hoffe, die Leser werden bereits genug haben an dem Unsinn, den ich ihnen nach den Berichten der Kirchenschriftsteller von den achtungswertesten der Heiligen erzählte, und ich will ihre Geduld jetzt nicht weiter auf die Probe stellen, da ich ohnehin später noch diesen oder jenen Heiligen erwähnen muß. Wäre ich nur darauf ausgegangen, die Heiligen und ihre Wunder lächerlich zu machen, dann hätte ich eine ganz andere Auswahl getroffen, dann hätte ich St. Antonius von Padua, welchen der heilige Franz selbst »ein Rindvieh« nannte, und Konsorten gewiß nicht ausgelassen.
Schließlich will ich nur noch einige heilige Frauen erwähnen; ihre Zahl ist nicht weniger groß als die der männlichen Heiligen, und ihre Schwärmereien und Wunder sind noch bei weitem wunderbarer. Es ist hier nicht der Ort, die Ursachen auseinanderzusetzen, warum das weibliche Geschlecht weit mehr zur Schwärmerei geneigt ist als das männliche und der Verstand der Weiber leichter überschnappt. Die Erfahrung lehrt es uns täglich. Von somnambulen Männern habe ich noch nichts gehört, aber dergleichen Mädchen – nicht Frauen – gibt es in Menge. Viele der heiligen Mädchen waren ganz sicher Somnambulen.
Eine der ältesten Heiligen ist St. Afra. Ihre Mutter hielt ein Bordell in Augsburg, und sie war darin eine der fungierenden Priesterinnen. Der Zufall, natürlich, führte einst den spanischen Bischof Narzissus in dies Haus. Er bekehrte die Priesterinnen der Venus zum Christentum, und Afra, mit der er sich am meisten beschäftigte, machte er zur Heiligen. Sie wurde später als Märtyrerin verbrannt.
Die heilige Therese war eine Spanierin aus adeliger Familie, geboren 1515 und gestorben 1582. Ihre Verehrer gaben ihr die seltsamsten Titel: Arche der Weisheit, himmlische Amazone, Balsamgarten, Orgel und Kabinettssekretär des Heiligen Geistes usw. Schon als Kind wurde sie von der Schwärmerei ergriffen und wollte nach Afrika gehen, um dort den Märtyrertod zu finden. Endlich, als sie siebzehn Jahre alt war, hielten es die Eltern nicht mehr mit ihr aus und brachten sie in das Karmeliterkloster zu Avila. Sie hatte nun bald Erscheinungen aller Art, und als ihr gar einst eine Hostie aus der Hand des Bischofs von selbst in den Mund flog, da war die Heilige fertig. Sie ward endlich Äbtissin eines eigenen Klosters zu Pastrana, und nun konnte sie ihrer Heiligkeit freien Lauf lassen.
Jesus war von ihrer Heiligkeit so entzückt, daß er ihr einst die Hand reichte und sie zu seiner Braut weihte, indem er sagte: »Von nun an bin ich ganz dein und du ganz mein.« Einst erschien ihr ein Seraph, der sie mit einem »glühenden Pfeil« einigemal tupfte; aber der Schmerz war so süß, daß sie wünschte, ewig so getupft zu werden. Die Spanier feiern noch heute dies Fest der Bepfeilung am 27. August.
Die Nonnen der heiligen Therese mußten barfuß gehen und sich die strengste Zucht gefallen lassen. Der blindeste Gehorsam war ihnen Gesetz, und die geringste Abweichung davon wurde furchtbar bestraft. Eine Nonne, die über schlechtes Brot eine verdrießliche Miene machte, wurde nackend an die Eselskrippe gebunden und mußte hier zehn Tage lang Hafer und Heu fressen! Solche barbarische Strenge hatte denn auch zur Folge, daß jeder ihrer Befehle auf das pünktlichste befolgt wurde. Eine Nonne fragte sie einst, wer heute die Abendmette singen solle. Die Heilige war verdrießlich und antwortete: »Die Katze.« Die Nonne nahm also die Katze, ging damit an den Altar und zwickte sie in den Schwanz, so daß das arme Tier in den erbärmlichsten Liedern das Christentum anklagte. Selbstquälerei war in diesem Kloster an der Tagesordnung. Theresens Nonnen verbrauchten eine Unmasse von Ruten. Sie schliefen auf Dornen oder im Schnee, tranken aus Spucknäpfen, nahmen tote Mäuse und anderes ekelhaftes Zeug in den Mund, tranken Blut, tauchten ihr Brot in faule Eier und durchstachen sich die Zunge mit Nadeln, wenn sie das Schweigen gebrochen hatten.
Eine höchst merkwürdige Antipathie hatte die heilige Therese gegen behoste Männer, und hätte sie die Macht gehabt, so hätte sie allen die Hosen abgezogen. Soweit sie Gewalt hatte, tat sie es auch. Die unter ihr stehenden Karmelitermönche mußten die Hosen ablegen und dafür ein kleines Schürzchen von brauner Wolle tragen. Sie hielt indessen nur Männerhosen für unchristlich, denn ihre Nonnen mußten Hosen tragen; ob sie es selbst tat, darüber haben uns die gelehrten Karmelitermönche keine Nachricht hinterlassen.
St. Therese war auch Schriftstellerin und schrieb Bücher, die manchem armen Mädchen den Kopf verrückten. Nach ihrem Tode erschien sie einer vertrauten Nonne und gestand ihr, daß sie mehr aus Inbrunst der Liebe als an der Heftigkeit der Krankheit gestorben sei. Von der Liebe scheint diese heilige Hosenfeindin überhaupt mehr verstanden zu haben, als man einer Äbtissin sonst zutraut, denn irgendwo schreibt sie: »Der Teufel ist ein Unglücklicher, der nichts liebt, und die Hölle ein Ort, wo man auch nicht liebt«; ein Gedanke, der eines Dichters würdig ist.
Ungefähr, um dieselbe Zeit wie Therese lebte die Italienerin Katharina von Cardone. Sie war aus Liebe verrückt, wohnte in einer Höhle und trug ein Kleid von Ginster, mit Dornen und Eisendraht durchflochten. Sie fraß Gras wie ein Tier, ohne sich der Hände zu bedienen, und einmal fastete sie gar vierzig Tage lang. So lebte sie drei Jahre.
Die heilige Katharina von Genua war in Liebe, zu Jesus natürlich, dermaßen entbrannt, daß sie darüber toll wurde. Sie glühte wie ein Ofen, und oft wälzte sie sich an der Erde und schrie: »O Liebe! Liebe!, ich halte es nicht mehr aus!«
Die heilige Passidea, eine Zisterziensernonne aus Siena, quälte sich, noch ehe sie ins Kloster ging, ärger als die Väter der Wüste. Sie geißelte sich mit Dornen und wusch dann die Wunden mit Essig, Salz und Pfeffer; sie schlief auf Kirschkernen und Erbsen, trug ein Panzerhemd von sechzig Pfund Schwere und stieg in gefrierende Teiche, um sich mit einfrieren zu lassen. Ja, sie trieb den Unsinn so weit, daß sie sich, mit dem Kopf nach unten, lange Zeit in den rauchenden Schornstein hängte! Als sie Nonne war, erschien ihr einst Jesus und drückte ihr seine fünf Wundenmale ein. Zwei Nonnen sahen durch das Schlüsselloch, wie Jesus sie drückte und verschwand und wie die Wunden bluteten!
Die heilige Klara war aus Assisi und schwärmte mit dem heiligen Franz. Sie lief zu ihm und bat, daß er sie zur Nonne machen und Söhne und Töchter mit ihr zeugen möchte – natürlich geistlicherweise. Ihre Schwester Agnes wurde bald darauf von derselben Schwärmerei ergriffen, und die armen Eltern waren ganz unglücklich. Die Verwandten wollten die beiden Närrinnen mit Gewalt aus dem Kloster holen, aber da wurde so erzählt die Legende – Agnes plötzlich so schwer, daß zwölf Männer sie nicht von der Stelle bringen konnten, und der Oheim, der sein Schwert gezogen hatte, blieb stehen, als höre er Hüons Zauberhorn.
Die heilige Klara lebte sehr streng. Als Hemd trug sie eine Schweinshaut oder auch ein Gewebe aus Roßhaaren, und aus Demut, küßte sie der schmutzigsten Viehmagd die Füße, welche sie dann erst wusch, als wären sie durch ihren Kuß verunreinigt worden. Als sie starb, fanden sie in ihrem Herzen im kleinen alle Passionsinstrumente wie in einem Hechtskopf und in ihrer Blase drei geheimnisvolle Steinchen, sämtlich von gleichem Gewicht, aber wovon eines so schwer als alle drei, zwei nicht schwerer als eins und das kleinste davon so schwer als alle drei waren! – St. Klara war die Mutter der weiblichen Franziskaner, und ihr verdanken wohl 900 Klarissenkloster ihr Entstehen.
Die heilige Katharina von Siena war auch mit Jesus verlobt worden, der ihr einen kostbaren Diamantring an den Finger steckte, welchen aber niemand sah als sie allein. Sie pflegte die ekelhaftesten Kranken, wofür sie mit dem rosinfarbenen Blute aus seiner Seitenwunde getränkt wurde. Seitdem nahm sie von Aschermittwoch bis Himmelfahrt weiter keine Nahrung, sondern lebte bloß vom Abendmahl. Jesus drückte ihr auch seine fünf Wunden ein, was der Orden pour le merite Religionsklasse der Heiligen zu sein scheint, über diese Auszeichnung kamen die Dominikaner mit den Franziskanern in einen Streit, der vierzig Jahre dauerte und welchen Papst Urban VIII. dahin entschied, daß Katharinas Wundmale nicht geblutet hätten wie die des heiligen Franz. Auch wurde den Malern befohlen, die Heilige nur mit fünf Strahlen vorzustellen.
Die heilige Agnes ließ der Stadtrichter, weil sie seinen Sohn nicht heiraten wollte, nackt in ein Bordell bringen; aber plötzlich bekam sie so lange Haare, daß sie sich darin einwickeln konnte wie in einen Mantel, und das ganze liederliche Haus verwandelte sie in ein Bethaus.
Die heilige Paula, die einst ein unheiliger Jüngling notzüchtigen wollte, erhielt auf ihr Gebet einen garstigen langen Bart, vor dem sich der Liebhaber entsetzte und floh.
Die heilige Brigitte befreite einst ein neapolitanisches Mädchen von einem in Gestalt eines Jünglings auf ihr liegenden Teufel.
Wir wollen die Reihe der Heiligen schließen mit der heiligen Rosa von Lima, einer Dominikanerin, die auf knotigem Holz und auf Glasscherben schlief und als Nachttrunk einen Schoppen Galle trank. Jesus war von ihrer Heiligkeit so entzückt, daß er an einem Palmsonntag als Steinmetzgeselle zu ihr kam und sich mit ihr verlobte, indem er sprach: »Rosa, Schatz meines Lebens, du sollst meine Braut sein.« Maria war mit dabei und gratulierte ihr, indem sie sagte: »Siehe, was für eine große Ehre dir mein Sohn antut.« Las die Heilige, so erschien Jesus auf dem Blatte und lächelte sie an; nähte sie, so setzte er sich auf ihr Nähkissen und scherzte mit ihr. Besuchte Jesus eine andere Nonne – denn er hatte gar zu viele Bräute –, so war Rosa vor Eifersucht außer sich, bis er wiederkam.
Ihre heilige Schwiegermutter, die Jungfrau Maria, diente ihr einundzwanzig Jahre lang als Kammerjungfer, und wenn die Frühmette kam, rief sie: »Stehe auf, liebe Tochter, es ist Zeit.« Das Kloster wimmelte von Flöhen, aber keiner von diesen freigeisterischen Springern hatte die Dreistigkeit, die Braut Jesu zu stechen. – So steht es in der päpstlichen Bulle, welche die Heiligsprechung enthält!
Außer den in diesem Kapitel genannten Heiligen und noch vielen hundert anderen, die ich nicht nannte, beten die römischen Katholiken noch zu einigen, die niemals lebten und die einer lächerlichen Fabel ihren Ursprung verdanken, wie St. Christophorus, St. Georgius, St. Mauritius mit 6600 Gesellen, die sieben Schläfer, Ursula mit ihren 11 000 Jungfrauen und St. Guinefort, der ein vierbeiniger Hund war!
Jeder gute Katholik, der das Vergnügen haben will, nach seinem Tode unter die Heiligen versetzt zu werden, konnte dies unter Gregor XVI. († 1846) noch haben – von seinen Nachfolgern weiß ich es nicht –, der den Toten für 100 000 Gulden kanonisierte. Wunder fanden sich, da eben niemand ohne Wunder Heiliger werden kann.
Die Christen der ersten Jahrhunderte wußten von Heiligen nichts. Sie verehrten allerdings die Märtyrer oder Blutzeugen, welche ihres Glaubens wegen hingerichtet wurden, sie erwähnten dieselben in ihren Versammlungen und stellten sie der Gemeinde als Muster hin; und das war sehr natürlich und durchaus zu billigen. Erst als Konstantin zum Christentum übertrat und viele der heidnischen Gebräuche in die christliche Kirche übergingen, kam auch der Heiligendienst in Aufnahme. Die Heiden waren gewohnt, ihren Heroen zu opfern; die christlichen Priester trugen diesen Gebrauch auf ihre Glaubensheroen über.
Solange jeder Mensch Gott gleich nahezustehen glaubte, mußte der Heiligendienst als Unsinn betrachtet werden; als jedoch die Pfaffen sich als Mäkler zwischen Gott und den übrigen Menschen hinstellten, war der Schritt zu dem unsinnigen Glauben nicht weit, daß die Heiligen im Himmel gleichsam wie Minister und Kammerherren den Hofstaat Gottes bildeten und daß, wer bei Sr. himmlischen Majestät etwas durchsetzen wollte, nur diese durch Gebete und Opfer zu bestechen brauchte!
Ärger konnten die Pfaffen die christliche Religion nicht verhöhnen als durch diesen Heiligendienst, der dadurch noch unwürdiger wird, als es schon seiner inneren Natur nach der Fall ist, daß viele dieser Heiligen, wie uns die Geschichte lehrt, die verworfensten, lasterhaftesten Menschen, ja geradezu Schufte waren. Selbst die besten waren nicht ganz richtig im Kopf und entweder Schwärmer oder Wahnsinnige. Es gibt noch heute eine Menge solcher Heiliger unter Protestanten und Katholiken, nur daß man sie nicht mehr anbetet, sondern in Narrenhäuser sperrt.
Carl Julius Weber, einer unserer geistreichsten Schriftsteller, charakterisiert diese Heiligen derb, aber richtig. Er sagt: »Bei weiblichen Mystikern sitzt der Jammer gewöhnlich auf dem Fleckchen, das man nicht gerne nennt, und bei den männlichen hat den Fleck Hudribas getroffen. –
So wie ein Wind in Darm gepreßt
Ein – wird, wenn er niederbläst,
Sobald er aber aufwärts steigt,
Neu Licht und Offenbarung zeugt.«