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IV.
Metternichs Rückkehr und Eingreifen nach Aspern

Inzwischen ist Clemens Metternich auf der Fahrt in die Heimat begriffen. Schon dringen Gerüchte an sein Ohr, daß die Franzosen eine gewaltige Schlacht verloren hätten. In Straßburg, wo die Kaiserin Josephine zur Zeit weilt, bestätigt sich die Kunde. Die hohe Frau hat die Ankunft des Botschafters kaum erfahren, als sie ihn schon zu sich lädt; sie zeigt sich lebhaft besorgt über die Folgen des Ereignisses und meint, er würde sicher schon bei seiner Ankunft in Wien von begonnenen Friedensunterhandlungen hören, ja vielleicht gar ihrem Gatten auf der Heimfahrt begegnen. So berichtet Metternich in späterer Zeit. Er übertreibt da sicher absichtlich, aber immerhin wird Kaiserin Josephine gewiß besorgt gewesen sein. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren. Wien 1880. I/76.

Am 5. Juni 1809 nun kommt Clemens Metternich unter Gendarmeriebedeckung in Wien an. Er ist in Begleitung seines Sekretärs, des Fürsten Paul Esterházy und des »Legationskommis« Philipp Neumann, von welch letzterem behauptet wird, er sei ein unehelicher Sohn entweder des jüngsten Sohnes der Kaiserin Maria Theresia, des Kurfürsten Maximilian Franz, oder aber des Vaters Metternich. Die einzige Stütze für diese Behauptung ist die Tatsache, daß der vertraute Kammerdiener und Reisekurier jenes königlichen Prinzen ein gewisser Karl Neumann gewesen ist, der dann später offiziell als der Vater Philipps galt. Dieser nunmehrige Gesandtschaftsgehilfe wurde tatsächlich von dem damals zu dem Gefolge jenes Kurfürsten gehörenden Vater Metternich sowohl, wie sofort auch von Clemens besonders in Schutz genommen und anderen vorgezogen. Er wird in der Folge einer von dessen engsten Vertrauten.

Clemens kommt in einem Augenblick in die Residenzstadt, da Napoleon in seiner höchst ungünstigen Lage nach Aspern daran denkt, Frieden zu schließen oder aber wenigstens durch Verhandlungen die nötige Zeit für Wiedererholung und Heranführen von Verstärkungen zu gewinnen. Dazu ist der Kaiser durch Savary, Herzog von Rovigo und den Staatssekretär Maret, Herzog von Bassano, den sogenannten »Rechtsverdreher« in der Umgebung des Herrschers, an verschiedene Österreicher herangetreten, die Friedensgespräche einleiten sollten.

Kaum ist Clemens Metternich in Wien angekommen, so bittet er augenblicklich Napoleons Minister des Äußern Champagny, den er ja von Paris her gut kennt, um eine Unterredung. Noch am selben Tag, am 6. Juni, lädt ihn dieser nach Schönbrunn zum Essen, wo er ebenso wie in der Burg zu Wien, die Gemächer der Kaiserin bewohnt. »Ihr blauseidenes Schlafzimmer ist so groß«, bemerkt Champagny bei dieser Gelegenheit, »daß sich das ungeheure Bett in dem Riesenraum fast verliert und ich Mühe habe, es zu finden.« Tagebuch Zinzendorf. 29. Mai 1809. Wien, St. A.

Die beiden Staatsmänner sind einander sehr unähnlich und keineswegs ebenbürtig. Dem geschickten, jungen, ja trotz seinen bloß sechsunddreißig Jahren raffinierten Metternich steht nach der Schilderung der Gräfin Kielmansegge Aretz, Memoiren der Gräfin Kielmansegge. Dresden 1927, S. 13. »ein geschmeidiges, verwirrtes, halb blindes Wesen … mit den Zügen eines schwachen, unruhigen und unglücklichen Staatsbeamten gegenüber, den das Glück auf eine Höhe stellte, der er nicht entsprechen konnte.« Dafür ist er aber der getreue Widerhall und einfache Sekretär seines kaiserlichen Herrn. Louis Madelin, Fouché. 1759-1820. Paris 1901, II/88. Er ist besonders liebenswürdig, »honigsüß«, Metternichs nachgelassene Papiere, a. a. O. I/77. meint Metternich später einmal, und zeigt sich etwas unruhig. Die Wirkung von Aspern ist denn doch nicht zu verkennen. Über das Gespräch der beiden bei dieser ersten Unterredung liegt nur ein schriftlicher Bericht Metternichs an den Kaiser vor, der für diesen entsprechend zugerichtet ist. Man muß aber, wie Varnhagen von Ense einmal sehr richtig bemerkt, bei Metternich immer zuerst prüfen, inwieferne etwas gerade im Augenblicke für seine Stellung taugt. Varnhagen Tagebuchblätter, 9. August 1838. Die Meldung über diese Unterredung klingt nun ganz so, als wäre sie wohl überdacht und in der Absicht gedrechselt, dem Kaiser Franz zu gefallen und seine Aufmerksamkeit auf Clemens als den Mann zu richten, der allein imstande wäre, Frieden und Freundschaft zwischen Frankreich und Österreich wiederaufleben zu lassen. Geradezu meisterhaft für das Ohr des Kaisers zurechtgemacht klingt es, wenn Metternich Champagny sagen läßt, er wundere sich, warum er seine Möbel aus Paris habe abtransportieren wollen. »Sie werden doch nächsten Winter in Paris sein.« Darauf Clemens: »Was verstehen Sie unter meiner Rückkehr nach Paris? Sie haben der österreichischen Dynastie einen Krieg auf Tod und Leben erklärt und irren gewaltig, wenn Sie glauben, daß ich jemals einem anderen Herrn als dem meinen dienen werde …«

Worauf Champagny erwidert: »Es ist wohl notwendig, daß alles das ein Ende nehme und man endlich Frieden schließe. Sie haben Napoleon beschimpft, er gibt es Ihrem Monarchen zurück, aber das sind nur Worte und der Kaiser vertritt den Grundsatz, daß Krieg alles hinwegwäscht. Und was Sie betrifft, sind Sie der einzige Mann, der geschaffen ist, um gute Beziehungen mit uns zu pflegen; der Kaiser hat Ihnen vor dem Kriege alles Vertrauen geschenkt, er wird es Ihnen im Frieden wiedergeben.«

Champagny lädt dann Metternich zur Tafel; nach dieser nähert er sich ihm wieder: »Ich habe Ihnen bei Tisch von der Notwendigkeit gesprochen, dem allem ein Ende zu machen. Wir müssen zu einer Verständigung kommen.«

Darauf der Österreicher: »Wenn dies die Wünsche des Kaisers Napoleon sind, so brauchen Sie nicht zu befürchten, bei uns kein vollkommen gleiches Entgegenkommen zu finden.«

Soweit der Bericht Metternichs. Précis d'une conversation entre M. l'ambassadeur comte de Metternich et M. de Champagny. 6. Juni 1809. Dieses Dokument ist die Grundlage für die spätere gewaltige Laufbahn Metternichs. Er spricht von Vertrauen Napoleons. Nun ist davon zur Zeit keine Rede. Der Korse hat die ihm äußerst abträgliche, aber für Österreich so ausgezeichnete Arbeit des Botschafters in Paris sehr genau verfolgt und ist ihm daher vorläufig noch keineswegs wohlgesinnt. Anderseits weiß Napoleon genau, daß Stadion ein viel gefährlicherer Feind, daß er der wahre Entfeßler des Krieges ist und es ihn vor allem zu stürzen gilt, soll in Österreich einmal ein Frankreich genehmer Kurs eingerichtet werden. Ähnliches hat er doch noch bei jedem Friedensschluß, auch damals im Falle Thuguts getan.

Aus mannigfachen Anzeichen jedoch muß man annehmen, daß bei diesem Gespräch zwischen Champagny und Metternich schon eine Frage gestreift wurde, von der kein Wort in des letzteren schriftlichem Berichte steht; die Frage nämlich einer engeren, einer Familienverbindung zwischen dem Hause Habsburg-Lothringen und dem Hause Bonaparte, die den Frieden fördern und nach seinem Abschluß befestigen könnte. Man nennt vorläufig den Kaiser noch nicht, denn Napoleon ist ja noch nicht geschieden. Aber selbst wenn man von einem anderen Angehörigen des Hauses Bonaparte spricht, ist Metternich der einzige, der genau versteht, wen man eigentlich meint. Er weiß ja, daß die Ehescheidung Napoleons in Betracht kommt, ja nur eine Frage der Zeit ist. Alle Teile hüten sich etwas Schriftliches darüber aus der Hand zu geben. Das Thema ist heikel genug. Dann will jeder von beiden, um ganz sicher zu gehen, zur eigenen Deckung sagen können, daß der andere die Initiative ergriffen, der andere zuerst den Vorschlag gemacht habe. Kam der Antrag zuerst von französischer Seite, so hat sich Metternich dagegen sicher nicht ablehnend verhalten. Spätere Erwägungen werden dies erweisen.

Napoleon hatte in Erfurt nach einer geplanten Scheidung die Großfürstin Katharina von Rußland als seine künftige Frau in Aussicht genommen. Das ist aber durch deren schnelle Verheiratung an den Großherzog von Oldenburg zu Wasser geworden. Bleibt die andere Schwester des Zaren, Anna; sie ist noch sehr jung, aber auch sonst zeigt man sich überhaupt in Rußland wenig entgegenkommend. Man redet viel hin und her, sagt nicht nein, aber sicher ist die Sache keineswegs. Vorsichtig wäre es sicherlich, wenn sich der Korse für den Fall, da dies endgültig fehl gehen sollte, anderweitig einen Ersatz suchte, der gegebenenfalls, wenn von Petersburg ein Korb droht, schleunigst in Anspruch genommen werden kann. So soll diese Gefahr vermieden und eine etwa drohende moralische Niederlage vor der Welt übertüncht werden.

Metternich ist zur Zeit noch ein Staatsgefangener und lebt in einer Villa in Grünberg nächst Hetzendorf unter französischer Gendarmeriebewachung. In einer Unterredung mit Zinzendorf gibt Clemens zu verstehen, er sei für Frieden, was den alten Minister erfreut. Tagebuch Zinzendorf. 26. Juni 1809. Wien, St. A. Da kommt auch Savary hinzu und dieser stößt ebenfalls in das Friedenshorn. Er meint, der Kaiser wolle nichts von Österreich, man müsse die Dinge irgendwie entwirren, einmal müsse ja doch Friede werden. Ihm will Metternich wieder nach seinem für Kaiser Franz berechneten Bericht geantwortet haben: »Wie soll man an Frieden denken, wenn Napoleon die Absetzung der Dynastie Habsburg proklamiert und voraussagt?«

Savary: »Ach, das sind ja nur Redereien.« Précis d'une conversation entre le général Savary et l'ambassadeur comte de Metternich à Grünberg. Wien, 15. Juni 1809. Wien, St. A. Metternich versucht in den nachgelassenen Papieren glauben zu machen, daß Savary dabei wegen einer Zusammenkunft des Kaisers Napoleon mit ihm, Metternich, »sondieren« wollte, er aber diesbezüglich die kalte Schulter gezeigt hätte. In seinem Bericht aber vom 15. Juni 1809 steht davon kein Wort, nur daß über eine Zusammenkunft der beiden Herrscher gesprochen worden sei. Es ist klar, hätte Napoleon es gewünscht, Metternich wäre augenblicklich bei ihm erschienen. Erst lange Jahre nach dem Sturz Napoleons wollte er glauben machen, daß er auch damals schon dem Kaiser der Franzosen gegenüber hochmütig gewesen sei. Siehe Nachgel. Papiere a. a. O. I/78 f.

Auch in diesem Bericht Metternichs steht kein Wort von einer etwa denkbaren Familienverbindung. Merkwürdig nur, daß Savary anderweitig versichert, sein Kaiser, der überhaupt die Diplomaten nicht leiden könne, sei dem Grafen Metternich sehr abgeneigt, dessen Benehmen, insbesondere auch die verschiedenen selbst bis in die kaiserliche Familie hineinreichenden Liebesintrigen des »beau Clément«, dem gewaltigen Herrscher in mancher Hinsicht mißfallen hätten.

Metternich hat sich seit seiner Ankunft am 5. Juni trotz seiner schwierigen persönlichen Lage sofort in das diplomatisch-politische Getriebe eingeschaltet, das in Wien in merkwürdiger Weise neben dem Kriege einhergeht. Noch sieht er nicht, welche Rolle er wird spielen können. Deshalb will er seine Frau vorderhand glauben machen, er habe keine weiteren Aspirationen: »Ich weiß überhaupt nicht, wie der Kaiser über mich verfügen wird«, schreibt er Lorel. Während er in Wirklichkeit danach brennt, eine große Rolle zu spielen, fährt er weiter fort: »Ich habe nur einen Wunsch, den nämlich, die Erlaubnis bekommen zu können, ruhig einen meiner Besitze bewohnen zu gehen und wieder zu Euch in Eure schöne Zuflucht an den Ufern des Sees zu gelangen.« Clemens Metternich an seine Frau Lorel. 18. Juni 1809. B. u., St. A. Z. P. Lorel ist aber noch nicht abgereist, man läßt sie in Paris im allgemeinen in Ruhe und sie möchte diese Stadt am liebsten – wenn sie nicht muß – gar nicht verlassen. Clemens ist es zufrieden: »Du wirst nirgends sicherer und ruhiger sein können als in dieser Stadt«, meint auch er, »folge also Deinem klugen Kopf und sei meines Einverständnisses von vorneherein sicher … Grüße mir besonders die Herzogin von Kurland. – Der Krieg ist eine traurige und häßliche Sache und sehr glücklich sind diejenigen zu preisen, die weit davon entfernt sind.« Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Wien, 25. Juni 1809. B. u., St. A. Z. P.

Scheinbar fahren die Franzosen fort, weiter an Frieden zu denken. Sind alle diese Versuche zu einem solchen zu gelangen von Napoleons Seite nur ein Vorwand zu Zeitgewinn, dann erzielen sie vollen Erfolg, vor allem bei Erzherzog Karl. Am 23. Juni hat dieser immer noch zuwartende General ein Schreiben an Kaiser Franz gerichtet, das so klingt, als hätte er niemals die Schlacht bei Aspern gewonnen. Während darin zu lesen steht: »Unser erster Schlag mißlang und mit diesem unsere Hoffnungen«, ist von Aspern überhaupt nicht die Rede, wohl aber erklärt: »Die erste verlorene Schlacht ist das Todesurteil der Monarchie und der jetzigen Dynastie.« Er sagt zwar: »Nur ein Hauptschlag auf Napoleon selbst kann sie vielleicht noch retten.« Das ist aber ein Wagestück und »wenn die Karte fehlschlägt, bleibt nur übrig sich auf Diskretion zu ergeben … Entschließt sich der Souverän nicht dazu, so bleibt ihm nichts übrig, als sich auf dem Wege der Verhandlungen seinem Feinde zu nähern und etwas zu opfern, um nicht alles zu verlieren … Unmittelbarste Annäherung ist jedenfalls die leichteste, ehrenvollste, schnellste, dem Geist des Gegners angemessendste und unabhängigste von fremden Intrigen, fremder Habsucht und fremder Politik!« Erzherzog Karl an Kaiser Franz. Deutsch-Wagram, 23. Juni 1809. Wien, St. A.

siehe Bildunterschrift

Maskenball in der großen Oper zu Paris. Nach einem Stich von B. Metzeroth

Der Erzherzog empfiehlt also Verhandlungen und dies, obwohl er an der Spitze einer Armee von nunmehr 128.000 Mann steht. Allerdings ist trotzdem die Lage nun dadurch, daß man Kaiser Napoleon so viel Zeit gelassen, eine wesentlich andere. Unmittelbar nach Aspern standen 48.000 geschlagene Franzosen 52.000 siegreichen Österreichern gegenüber. Nun hat sich die französische Armee erholt und sich auf nicht weniger als fast das Vierfache, auf 181.000 Mann verstärkt. Die Zahlen beruhen auf Otto Berndt, »Die Zahl im Kriege«. Statistische Daten aus der neueren Kriegsgeschichte in graphischer Darstellung. Wien 1897.

Erzherzog Karl ist wieder für den Frieden, Stadion aber völlig dagegen. Er spricht schon von seinem Rücktritt und die Kaiserin ist gänzlich seiner Ansicht, daß ein Friedensangebot jetzt von größtem Schaden für die Monarchie sein könnte. Der Graf muß aber am 3. Juli dem Kaiser melden, daß der Erzherzog-Generalissimus die Notwendigkeit geäußert habe, jetzt Friedensverhandlungen zu versuchen. Philipp Stadion an Kaiser Franz. Wien, 3. Juli 1809. Wien, St. A. Kurz vorher hat Maria Ludovika ihr Herz wieder dem Erzherzog Johann ausgeschüttet, der seinen Bruder Karl seiner Ratgeber wegen bedauert hat. »Sie irren sich, bester Freund, leider aus Lieb der Wahrheit muß ich sagen, der Keim liegt in seinem eigenen Herzen.« Und jetzt folgt eine weitere Charakteristik des Erzherzogs, die so scharf ist, daß man sich selbst hundert Jahre später scheute, sie zu veröffentlichen. Maria Ludovika an Erzherzog Johann. Erlau, 28. Juni 1809. Zwiedineck-Südenhorst, Erzherzog Johann a. a. O. S. 117.

Erzherzog Karl handelt auf eigene Faust, wenn er nun tatsächlich am 4. Juli den Feldmarschalleutnant Grafen Niclas Weißenwolf in das französische Hauptquartier sendet, gerade als Napoleon die Neuordnung und Verstärkung seiner Armee beendet hat und den Entschluß auszuführen beginnt, den Versuch der Donauforcierung bei Aspern zu wiederholen. Der General soll unter dem Vorwand des Austausches von Kriegsgefangenen Friedensfühler ausstrecken. Dies paßt dem Kaiser Napoleon ungemein; er erblickt darin ein Schwächezeichen, das für seinen bevorstehenden Plan nur glückverheißend sein kann. Dementsprechend hochmütig ist auch der Empfang, den der österreichische General findet. Als dieser über den Austausch des Franzosen Durosnel, eines Lieblings Napoleons, spricht, benützt dies der Korse, um die Damen der höheren Gesellschaft Wiens, von denen er genau weiß, daß sie in den Salons seine erbittertsten Feinde sind, entsprechend anzukreiden. »Wenn Durosnel das geringste passiert«, stößt er heraus, »werde ich alle österreichischen Gefangenen massakrieren oder nein, lieber nicht, denn sie sind unschuldig. Aber ich werde diese großen Damen von Wien durch meine Tambours vergewaltigen lassen.« A. Graf Thürheim, Feldmarschall Karl Joseph Fürst de Ligne. Wien 1877, S. 198. Dann behält Napoleon den Parlamentär in Wien zurück und befiehlt seiner Armee tags darauf den Übergang über die Donau.

Ahnungsvoll schreibt Maria Ludovika in diesen Tagen: »Ich habe kein Vertrauen in unsere Dispositionen und Kriegskunst. Gott weiß, was geschieht, während ich da schreibe.« Maria Ludovika an ihre Mutter. Erlau, 3. Juli 1809. Estens. A. Wien, St. A. »Erzherzog Carl ersehnt den Frieden, weil er fürchtet, geschlagen zu werden …« Maria Ludovika an ihre Mutter. Erlau, 7. Juli 1809 noch ohne Kenntnis von der Schlacht bei Wagram. Estens. A. Wien, St. A.

Inzwischen ist Metternich am 2. Juli gegen Gefangene ausgetauscht worden und begibt sich sofort zu Kaiser Franz nach Wolkersdorf. Im Hauptquartier des Erzherzogs Karl wird nun gemeldet, daß die Franzosen sich anschicken, die Donau nordwärts zu überschreiten. Neuerlich ergibt sich die Gelegenheit, eine Armee wie bei Aspern und bei Zenta glücklichen Angedenkens im Schwächemoment des Überganges über einen gewaltigen Fluß anzugreifen. Wer aber beschreibt Napoleons Staunen und Freude, als seine Truppen beim Übergang keinerlei Widerstand finden.

Erzherzog Johann hat recht, wenn er in späteren Zeiten über den nun folgenden Kampf sagt: »Meines Erachtens war das Treffen bereits verloren, als Napoleon seinen Übergang gemacht, alle seine Streitkräfte herübergebracht, dieselben entwickelt … hatte …« Zwiedineck-Südenhorst, Erzherzog Johann a. a. O. S. 241. Und trotzdem wäre die Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli, die die endlich angreifende österreichische Armee liefert, durch die wundervolle Tapferkeit der Truppen um ein Haar zu einem großen Siege geworden. Doch war nicht genügend gesorgt worden, daß die Armee des Erzherzogs Johann mit Sicherheit rechtzeitig eintreffen kann. Dieser eilt sich auch nicht genügend und Erzherzog Karl gibt den Befehl zu allgemeinem Rückzug, weil Johann noch nicht zur Stelle ist und an einem verhältnismäßig kleinen Teile der Front die Dinge nicht so gut standen wie an allen anderen.

Metternich hat an der Seite Franz I. von einem Aussichtspunkte aus durch ein Fernrohr der Schlacht zugesehen, weshalb ihn der Kaiser scherzhaft »seinen Seher« nennt. So lange es gut geht, ruft Clemens ohne Aufhören: »Unvergleichlich! Vortrefflich! Nun haut unsere Kavallerie ein! Nun geht es vorwärts usw.« Aus dem Nachlasse Varnhagens von Ense. Tagebücher von Friedrich von Gentz. Leipzig 1873/74, S. 184. Schon glaubt Metternich alles gewonnen, da erfährt er plötzlich des Erzherzogs Befehl zum Rückzug und er sowohl wie Stadion, der Kaiser und alle Zuseher fallen aus ihren Himmeln. Metternich selbst schreibt: Clemens Metternich an Hudelist. Jablunkapaß, 13. Juli 1809. Wien, St. A. »Ich kann unglücklicherweise nur allzu zutreffend versichern, daß die Fehler der Führer der einzige Grund waren, daß man eine schon völlig gewonnene Affäre aufgegeben hat.«

Nun aber wie dem immer ist, wieder ist eine Schlacht verloren, neuerdings Napoleon siegreich und all die stolzen und berechtigten Hoffnungen dahin, den Korsen so fern von seinem eigenen Lande auf das Haupt zu schlagen und damit ganz Europa, ja die Welt von der Übermacht dieses maßlos ehrgeizigen Mannes zu befreien. Diese Tat wäre dann ausschließlich dem von keinem Verbündeten unterstützten Kaiserstaate Österreich zuzuschreiben gewesen! Wohl ist die Armee immer noch stark und kampfesfreudig in voller Ordnung zurückgegangen, auch hat Napoleons Heer gewaltig gelitten, aber bei der österreichischen Führung ist der nie sehr ausgeprägte Kampfeswille geschwunden.

Am 7. Juli hält der Kaiser in Schloß Ernstbrunn lange Besprechungen mit Stadion und Metternich. Der erstere ist immer noch gegen Friedensverhandlungen, Clemens aber erinnert sich dessen, was Champagny und Savary ihm – allerdings vor der Schlacht bei Wagram – gesagt haben und meint, Napoleon werde friedlichen Eröffnungen sein Ohr leihen. So ergeht nun der Befehl an den Feldmarschall Fürsten Liechtenstein, dem Feinde einen Frieden vorzuschlagen. Stadion erklärt daraufhin, solange solche Schritte gemacht würden, wäre seine Anwesenheit im Hauptquartier unnütz, ja schädlich.

Metternich beobachtet seinen Monarchen genau; er will nach außen hin unbedingt der Herr bleiben und es muß immer betont werden, der Kaiser will, der Kaiser urteilt, der Kaiser wünscht, der Kaiser befiehlt. Diesen Schein will Clemens peinlichst wahren und es dabei seinem allerhöchsten Herrn möglichst bequem machen. Darum legt er den Vorschlägen stets auch gleich die Entscheidungen fein säuberlich abgefaßt bei. Das Entscheidenmüssen, ohnehin des Kaisers schwächste Seite, wird so ungemein erleichtert, der Minister auf diese Weise das Ohr seines Gebieters behalten und geschehen wird nun stets – Metternichs Wille.

Vor allem darf er den Monarchen aber in den jetzigen schwerwiegenden Augenblicken nicht aus den Augen lassen und so wird der Kaiser dazu geführt, immer zu wollen, was Metternich für gut hält. Mit dieser Art und Weise hat er den richtigen Schlüssel zum Charakter und Herzen dieses Monarchen gefunden und fesselt ihn unauflöslich an seine Person. Metternich hat aber auch Kühnheit genug, sich in schweren Lagen in die Bresche zu stellen; er weiß sich zu entschließen; wenn auch seine Entschlüsse da und dort anfechtbar sein mögen, es ist immer besser, ein schlechter als gar keiner. Stadion soll also doch bei Erzherzog Karl bleiben; der Kaiser ist nicht der Ansicht dieses Bruders, der schon alles verloren gibt. Er möchte am liebsten den Krieg weiter führen, läßt aber die Friedensverhandlung zu, die ihm Metternich geraten hat. Dieser und der Kaiser haben sich in das Hauptquartier zum Erzherzog begeben, doch gibt es am 9. und 10. noch harte Kämpfe bei Znaim, die den Monarchen und seinen Minister zu überstürzter Abreise nach Ungarn veranlassen.

Gleichzeitig erhält Erzherzog Karl ein merkwürdiges Schreiben Napoleons. Der Korse ist zwar Sieger, aber er hat doch bei Wagram sehr stark Haare gelassen. Aus den Gefechten bei Znaim ersieht er, die österreichische Armee kämpft noch immer tapfer. Bis wohin soll er ihr denn noch nachlaufen und seine ohnedies so lange und bedrohte Verbindungslinie weiter ausdehnen? In Spanien steht es zudem auch nicht am besten. Nun geht Napoleon daran, den Erzherzog Karl, dessen Annäherungsversuche ihm so viel verraten haben, bei seiner Friedenssehnsucht und Eitelkeit zu packen: »Prinz, Sieger von Aspern, Ihnen allein steht es zu, Verhandlungen einzuleiten. Europa seufzt nach Frieden. Großer Fürst, ich schlage einen Waffenstillstand von zwei Monaten vor!« Napoleon an Erzherzog Karl, Znaim, 10. Juli 1809. Wien, St. A.

Daraufhin sendet Erzherzog Karl ohne Stadions oder auch Johann Liechtensteins Wissen den General Grafen Wimpffen zu Napoleon; noch am selben Abend wird ein Waffenstillstand abgeschlossen und am folgenden Tage in der Früh das Feuer eingestellt. Die Bedingungen für Österreich sind allerdings entsetzlich drückend. Nicht nur eroberte, auch weite, unbesetzte Gebiete werden dem Sieger eingeräumt.

Auf die Nachricht davon schreibt Stadion entsetzt an Metternich: Graf Philipp Stadion an Metternich. Ohne Datum, St. A. Z. P. »Der Erzherzog Karl schickt uns da eine recht schlechte Arbeit, als Folge der so schlimmen Lage, in die er sich versetzt hat und die, fürchte ich, den Kaiser schließlich zu einer Kapitulation führen muß, die die Schande und den Untergang der Monarchie mit sich bringt … Man glaubt übrigens, daß ein Waffenstillstand nicht in den Wirkungskreis des Ministers (des Äußern) falle!«

Völlig unabhängig davon ist Fürst Johann Liechtenstein um Mitternacht vom 11. auf den 12. Juli im Hauptquartier Napoleons eingetroffen. Was er spricht und sagt, ist auf den Mitteilungen gegründet, die ihm Metternich über seine Besprechungen mit Champagny und Savary gemacht hat. Napoleon beginnt nun das Gespräch mit den Worten: »Ich werde mit Österreich keinen Frieden mehr schließen, ich werde die Monarchie aufteilen.« Liechtenstein versucht alles, um den Kaiser umzustimmen, aber es nützt nichts. Unglücklich kehrt er nach Budwitz, wo Stadion weilt, zurück und bespricht nun im Laufe des 12. mit Erzherzog Karl, dem Minister und Wimpffen die Lage. »Die Negotiation«, meldet Graf Philipp Stadion an Kaiser Franz. 13. Juli 1809. Wien, St. A. daraufhin Stadion höchst unmutig an Kaiser Franz, »wird in dem hiesigen Hauptquartier weiter als durchaus notwendig angesehen.«

Am 15. Juli hat Liechtenstein nochmals eine einstündige Unterredung mit Napoleon. Als er Stadion darüber berichtet, gerät dieser außer sich; findet er die Waffenstillstandsbedingungen schon verzweifelt schlecht, so lassen ihn die nunmehrigen Mitteilungen Liechtensteins zu der Erkenntnis gelangen, daß Kaiser Franz, wie er ihm schreibt, eine »Kapitulation zu erwarten habe, welche der Ehre der Monarchie und ihrer Existenz gleich tiefe Wunden schlagen wird. Ein solcher Friede wird der Ruin der Monarchie zwar nicht augenblicklich, aber in kurzem sein.« Auch die Kaiserin ist gleicher Meinung: »Ich würde mich nicht wundern, wenn von einem Augenblick zum anderen die Nachricht von einem feigen Frieden kommt.« Maria Ludovika an ihre Mutter. Erlau, 13. Juli 1809. Estens. A. Wien, St. A.

Sollte Metternich zur Macht kommen und Stadions Geschäfte übernehmen, wird er an dieser Frau oft eine harte Nuß zu knacken haben, denn sie weiß, was sie will, und urteilt nach eigener Ansicht. Noch aber bewundert er sie: »Die Kaiserin beauftragt mich, Dir alles Schöne zu bestellen«, schreibt Clemens seiner Mutter, Metternich an seine Mutter. Komorn, 7. VIII. 1809. B. u., St. A. Z. P. »es geht ihr soweit gut, ich finde sie nicht noch mehr abgemagert und ihre Eigenschaften müssen sie jedem lieb und teuer werden lassen, der sich ihr nähert.«

Lorel hat sich indes entschlossen, doch in Paris zu bleiben, da Champagny ihr erklärt hat, sie könne ihre Pässe wann immer erhalten. Clemens ist es zufrieden, er ist nicht besorgt: Metternich an seine Frau Lorel. 25. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. »Frau und Kinder eines Botschafters können doch nicht als Geiseln dienen«, meint er zu seiner Frau. »… Gott sei gelobt, Du fühlst Dich wohl, unterhältst Dich sogar, das ist ohne Zweifel das beste, was Du tun kannst und ich fordere Dich dringend auf, darin fortzufahren … Ich weiß Euch ruhig, fern von allem Trubel, außerhalb Reichweite der Geschütze, all der Requisitionen, Truppenmärsche, Trommelwirbel – mit einem Wort fern von all den teuflischen Folgen der schrecklichsten aller Geißeln.«

Inzwischen ist Liechtenstein zum Kaiser nach Ungarn abgegangen, denn über das Erlebte läßt sich nur mündlich berichten.

Metternich hat das alles mit Sorge mitangesehen. Es ist ihm nicht recht, daß Liechtenstein die Verhandlungen führt. Er selbst hält sich dazu berufen, wenn er auch die Unterzeichnung und damit die Verantwortung nicht ungern dem Fürsten überließe.

»Nicht ich bin es, der in all dem figuriert«, schreibt Metternich an Hudelist. Komorn, 15. Juli 1809. Wien, St. A. Clemens seinem Famulus Hudelist aus Komorn. »… Bitte schicken Sie mir so bald als möglich ein Vollmachtsformular, um den Frieden zu verhandeln. Es wäre möglich, daß Seine Majestät dessen hier bedürfe.« Für mich, meint Metternich insgeheim, ohne es zu sagen. Er sieht schon, er wird den Monarchen völlig für sich gewinnen.

Jedenfalls wird Clemens jetzt in die Verhandlungen eingeschaltet. Seiner Umwelt gegenüber tut er so, als wäre es ihm das Ärgste, eine Rolle spielen zu sollen. »Indem mir der Kaiser den größtmöglichsten Vertrauensbeweis gibt«, schreibt er seiner Mutter, Metternich an seine Mutter. Komorn, 18. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. »belastet er mich mit einer so undankbaren Aufgabe, daß nur die Ergebenheit für seine Person mich bestimmen kann, mich im gegenwärtigen Augenblick dafür herzugeben. Ich werde möglichst wenig Schaden anzurichten suchen … die Hoffnung, die mich hält, sind unsere sehr bedeutenden militärischen Kräfte – da ruht die Grundlage aller Verhandlung. Zwischen meiner Abreise von Wien und meiner Rückkehr dahin liegt förmlich ein Jahrhundert. Ich habe seither die grausamsten Augenblicke meines Daseins durchlebt. Die Monarchie wäre siegreich, wenn ich acht oder vierzehn Tage früher in unserem Hauptquartier eingelangt wäre. Sie würde es noch sein, wäre der Geist, der den Kaiser belebt, allen eigen. Man hatte Monsieur Dodun Der französische Diplomat, der gegen Metternich ausgetauscht wurde. nach Kaschau gebracht und dieser Umstand (der Metternichs Kommen verzögerte) hat die Monarchie vielleicht in ihr Verderben geführt. Ich war am 4. (Juli) abends bei dem Kaiser eingetroffen und habe am 5. und 6. das Schlachtfeld (von Wagram) nicht verlassen. Ich habe einen der gewaltigsten Kämpfe der modernen Zeit mitangesehen. Wir haben ihn gewonnen, und zwar durch die Tapferkeit und bewundernswerte Standhaftigkeit unserer Truppen. Man hat gezögert, eine letzte Anstrengung zu machen (de donner un dernier coup d'épaule) und hat sich geschlagen gegeben. Da hast Du die Tatsachen …«

Auch Stadion ist völlig außer sich: Stadion an Metternich. Potitzka, 21. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. »Es ist ein Unglück, daß das große Hauptquartier uns dasselbe Pech wie im Felde, auch in Frieden und Waffenstillstand bringt. Ich habe mich zu spät davon überzeugen müssen, daß wir den Urgrund der Vernichtung in uns selber tragen.« Wenige Tage später hat Stadion genug: Stadion an Metternich. Potitzka, 25. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. »Ich schreibe an Seine Majestät, er möge die Gnade haben und mir meine formelle Entlassung geben. Die Stellung, in der ich mich da (nächst dem Hauptquartier) befinde ohne einen tätigen Anteil, ja selbst ohne völlige Kenntnis der Geschäfte zu haben und dabei doch jedermann gegenüber verantwortlich zu sein, ist zu untunlich.« Stadion glaubt, Metternich sei schon als sein Nachfolger ernannt: »Adieu, mein lieber Graf, beginnen Sie Ihr Amt mit demselben Mut wie ich, als ich es im Jahre 1805 antrat – und glauben Sie nicht wie ich, … daß es genügt, große Mittel zu haben, um bedeutende Ergebnisse zu erzielen … Die Gründe, die mich den Dienst aufgeben lassen, sind keineswegs persönlicher oder feindlicher Natur, sondern rein Erwägungen, die aus dem Staat und unserer politischen Lage entspringen.« Metternich, der Stadion gewiß nicht etwa durch eine Intrige aus seinem Amt gedrängt hat, hätte im Gegenteil gerne gesehen, daß er noch etwas geblieben wäre. Denn es ist keineswegs angenehm, gleich zu Anfang das Odium des bevorstehenden schlechten Friedens auf sich zu nehmen. »Ich will auf keine Weise zur Zeit der Verhandlung als Chef dieses Departements erscheinen«, schreibt Metternich seiner Mutter.

Aber in Wirklichkeit ist er es schon: »Graf Stadion hat in einer unendlich edelmütigen und ritterlichen Geste dem Kaiser in Znaim seine Entlassung angeboten. Metternich an seine Mutter. Komorn, 25. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. Er nimmt an, daß sein Verbleiben im Ministerium bei Verhandlungen mehr Schaden als Nutzen stiften könnte. Seine Majestät hat mir auf der Stelle seinen Posten angeboten, den ich nur sehr bedingungsweise angenommen habe.« Eine dieser Bedingungen war, daß Metternich vor der Öffentlichkeit vorläufig noch nicht als Minister des Äußern gelte. Die Verhandlungen in dem, wie er sagt, »krisenhaftesten Augenblick, den es je gegeben«, sind zu dornenvoll. Den schlechten Frieden sollen noch die anderen auf ihre Schultern nehmen, denkt Clemens. Kann er vielleicht etwas dafür, daß diese furchtbare Lage eingetreten ist? Ist Stadion schuld? Nein, auch er nicht, wohl aber die Führung des Heeres. Die Lage Österreichs ist doch gar nicht so schlecht, erwägt Clemens. Sehr im Gegensatz zu Erzherzog Karl meint er, es stünde noch die »schönste Armee der Welt mit allen Kräften zusammen immer noch 250.000 Mann stark« zur Verfügung, die Engländer begännen eben an der Weser zu landen, das hilft alles wesentlich bei Verhandlungen.

»Wenn wir nur ein Viertel der moralischen Mittel besäßen«, ruft Metternich aus, Die folgenden Teile des Briefes Metternichs vom 25. Juli 1809 sind in den nachgelassenen Papieren ausgelassen worden. »guter Gott, wo würden wir hinkommen! Die letzte Schlacht hat den Ruhm der Armee und die Schande ihrer Führer gebildet. Der Waffenstillstand aber den Gipfel ihrer Erniedrigung … Der gegenwärtige Augenblick wäre der stolzeste von allen, wenn ihm nicht zwei Zeiträume vorangegangen wären, die die Schande der Führer des österreichischen Staatsschiffes bedeuten. Am 22. Mai hätte es genügt, 25.000 Mann die Donau übersetzen zu lassen, um mit einem einzigen Zug die ganze französische Armee in einem Netze gefangen zu nehmen. Und diese 25.000 Mann standen (als Reserve) an der Donau und hatten den ganzen Schlachttag noch keinen Schuß abgegeben. Sie hatten auch 100 Pontons zur Verfügung.

Hätte man dann weiter am 6. Juli auf unserem linken Flügel noch einen letzten Anstoß gegeben, man hätte Napoleon et toute la boutique in die Donau und March geworfen. Die Brücken der Lobau waren doch schon mehr als eine halbe Meile im Rücken der Unsrigen! Und man zieht sich zurück, um die Monarchie nur umso sicherer zu zertrümmern … Wenn wir nur jedes Mal das gemacht hätten, was wir ganz einfach mußten, was jedes Kind verstanden hätte und die Tapferkeit unserer Truppen verdiente – wir würden heute dem Kaiser (Napoleon) das Gesetz diktieren und Gott weiß, wie viel Europa an dem Wechsel des Regimes gewonnen hätte! Ach, welch gute und brave Armee wir haben! … Das alles unter uns, liebe Mama.«

Metternich ist kein Soldat und militärisch nicht gebildet, aber in diesem seinem Urteil kommt er den tatsächlichen Verhältnissen doch ziemlich nahe. Der Wagemut fehlte bei Aspern und damit die Aussicht auf größten Erfolg. Man wollte nur völlig sicher gehen, was man aber im Kriege nur höchst selten kann und nicht umsonst ward das Sprichwort geprägt: Wer wagt – gewinnt!

Kaiser Franz ist nicht nur außer sich über den Waffenstillstand, sondern auch über das, was Liechtenstein berichtet, und seine tieferschütterte Frau bestärkt ihn in seinem Widerstand. »Der Erzherzog Karl sagt, er habe nur mehr 55.000 Mann und alles sei zu Ende! So verlangt er, man solle Frieden schließen«, schreibt sie verzweifelt. Maria Ludovika an ihre Mutter. 12. Juli 1809. Estens A. Wien, St. A. »… Zu denken, daß jene schöne Armee, auf die noch vor acht Tagen alle unsere Hoffnungen gegründet waren, die jetzt alle zu Wasser geworden sind, gleichsam gar nicht mehr existiert … und das alles aus Verschulden des Befehlshabers … Es wundert mich nicht, da ich die kleinliche Seele (l'animo piccolo) Karls kenne.« Maria Ludovika an ihre Mutter. 17. Juli 1809. Estens. A. Wien, St. A.

Noch einmal muß Liechtenstein am 18. Juli in Begleitung des Generals Bubna nach Wien zu Napoleon. Diesmal wird er zu seiner Überraschung etwas besser empfangen. Der Korse will, wie er sagt, Gnade für Recht ergehen lassen und noch einmal mit Österreich einen Frieden versuchen. Verhandlungen in Altenburg werden ausgemacht. Napoleon geht mit dem Fürsten Liechtenstein die in Betracht kommenden österreichischen Diplomaten durch und zieht diesmal überraschenderweise Metternich den anderen »wegen seiner guten Formen« Tagebuch Zinzendorf. 23. Juli 1809. Wien, St. A. vor. Es scheint, daß Champagny seinen Kaiser da in für Clemens günstigem Sinne beeinflußt hat. Vielleicht hat er ihm gesagt, daß er bei gewissen familiären Wünschen keine Schwierigkeiten machen werde.

Champagny und Metternich sollen also in Altenburg zusammenkommen. Am 23. Juli hat sich Kaiser Franz offenbar auf Drängen der Kaiserin, wie aber auch Metternichs entschlossen, dem Erzherzog Karl den Oberbefehl zu entziehen und tut dies in einem scharfen, den Waffenstillstand verurteilenden Brief an seinen Bruder. »Das Schreiben … hat nach meinen Nachrichten das ganze Hauptquartier in Schrecken und Bestürzung versetzt«, berichtet Stadion darüber. Stadion eigenhändig an Metternich. Potitzka, 21. Juli 1809. B. u., St. A. Z. P. Fürst Johann Liechtenstein wird mit einem viergliedrigen Generalsrat zum Oberkommandierenden ernannt und Kaiser Franz bleibt dabei, der Krieg müsse weiter geführt werden. Aber auch jener General sieht dafür keine Erfolgsmöglichkeit mehr. Desgleichen fällt ihm das Friedensgeschäft sehr schwer. Ein Brief Johann Liechtenstein an Metternich. Ohne Datum, wohl 27. Juli 1809. Wien, St. A. an Metternich aus der Zeit seines zweiten Wiener Aufenthaltes etwa vom 24. oder 25. Juli ist Zeugnis dafür. Liechtenstein findet es dringend notwendig, die Verhandlungen zu beschleunigen, denn jeder Tag gäbe Napoleon »Gelegenheit auf Untergang der Monarchie zu arbeiten«. – »Wenn ich mit dem Krieg einen möglichen günstigen Ausweg sehen würde, so würde ich zum erstenmal dazu rathen, aber leider habe ich die volle Überzeugung, daß so wie die Sachen liegen, kein möglicher Ausweg dadurch zu erhalten (ist). Die günstigen Augenblicke sind vorüber, unbenutzt … prahlend und lächerlich wäre der Feldherr, der unter solchen ungünstigen Umständen Rettung versprechen könnte. Ich vermag es nicht … ich sehe so kalt und standfest meinem moralischen Untergang und jenem meines Vermögens entgegen, als ich wiederholt meinem physikalischen (sic!) Untergang entgegeneilte. Ich verlasse morgen Wien getröst(et) den Geschäftsgang in Ihren Händen zu wissen. Ihr Freund Johann Liechtenstein.«

»Jetzt ist es zu spät sich zu fragen«, wie Dietrichstein Kaiser Franz schreibt, Dietrichstein an Kaiser Franz. Biala, 30. Juli 1809., Wien, St. A. »warum am 23. oder 24. Mai der nun so unfruchtbare Sieg bei Aspern nicht benützt, die Lobau nicht genommen, die Donau nicht übersetzt worden, da jeder Tag Verzögerung nur dem Feinde frommen konnte; warum die Armee mit allem dazu nöthigen nicht früher versehen war; warum durch sechs Wochen nichts geschah und dem Feinde auf dem rechten Ufer freies Spiel gelassen wurde …« Es ist bezeichnend, wie man die handelnden Personen einschätzte, wenn Gentz in dieser Zeit über diese »entsetzliche Katastrophe« an Freiherrn von Wessenberg schreibt: Gentz an Wessenberg. Ofen, 19. Juli 1809. Wien, St. A. »Das Gegenteil dieser Resultate wäre ein Wunder gewesen; es mußte so kommen.«

Jetzt heißt es zusehen, wie man sich aus dieser traurigen Lage retten kann und aus dieser Verzweiflung heraus allein kann man begreifen, daß die Idee der Opferung einer Tochter des Kaisers Form annimmt, die von niemand noch richtig ausgesprochen, aber mit Ausnahme des Kaiserpaares von so manchem in Erwägung gezogen wird. Vor allem von Metternich. Jedenfalls darf die Erzherzogin Marie Louise jetzt unter gar keinen Umständen anderweitig heiraten. Franz von Modena, der Bruder der Kaiserin, der Marie Louise liebt und Hoffnungen auf ihre Hand hegt, wird auf Widerstand stoßen. Dem Mädchen selbst wird nicht gesagt, daß man gegebenenfalls mit ihr etwas vor hat.

Da in diesem allerungünstigsten Augenblick überfällt der Kronprinz Ludwig von Bayern die sorgenvolle kaiserliche Familie mit einem heiklen Wunsche. Am 30. Juli hat sich bei General Graf Bubna in Wien ein Herr eingefunden, der ihm den Wunsch des Erbprinzen von Bayern, sich mit dem Hause Österreich durch das Band der Ehe zu verbinden, kundgegeben und gebeten hat, dem Kaiser Franz darüber mündliche Mitteilungen zu machen. Graf Bubna an Metternich. Wien, 30. Juli 1809. Wien, St. A.

Kaum hat Metternich diese Nachricht erhalten, läßt er alle Minen springen, um solchen Plan völlig unmöglich zu machen. Das kann ihm nicht passen gerade jetzt, da er daran denkt, die Hand der Erzherzogin könnte die einzige Rettung für die Monarchie bedeuten.

Metternich ist aber nicht der Ansicht Erzherzogs Karls und so vieler, daß Friede um jeden Preis geschlossen werden müsse. Er hält viel mehr von der österreichischen Armee als der Feldmarschall: Metternich an seine Mutter. 1. August 1809. Nachgel. Papiere I/232 f. und St. A. Z. P. »Man darf uns nicht übel nehmen, wenn wir die Monarchie nicht beim Fenster hinauswerfen wollen, worauf in Kürze des Kaisers letzte Rettung in einem Sprung aus eben diesem Fenster bestehen würde.«

Bevor Clemens nach Altenburg abging, hat er mit Kaiser Franz eine eingehende Unterredung und ganz besonders in den letzten Augenblicken des Aufenthaltes in Komorn bei dem Monarchen sprechen die beiden über »eine Angelegenheit höchster Bedeutung«, Metternich an Kaiser Franz. Altenburg, 17. August 1809. Wien, St. A. wie Metternich sich ausdrückt, eine Bemerkung, die sich auf die Möglichkeit einer Heirat beziehen könnte.

Dann am 14. August macht sich Clemens auf die Fahrt über Raab nach Altenburg, wo er mit Champagny verhandeln soll. Das Mittagessen nimmt er als Gast des in Raab befehligenden Herrn von Narbonne ein, mit dem er ein langes, vertrautes Gespräch führt, wobei in halben Worten die Möglichkeit einer ehelichen Verbindung der beiden Kaiserhäuser angedeutet worden zu sein scheint. Dann geht es weiter nach Altenburg. »Möge der Himmel mich segnen und mich dort wohlbehalten in den Hafen einlaufen lassen, wohin ich die Barke zu lenken wünsche«, Metternich an seine Mutter. 13. August 1809. B. u., St. A. Z. P. schreibt Metternich seiner Mutter. »Ich trage buchstäblich die Welt auf meinen Schultern und wenn ich nicht von einer gänzlichen Gleichgültigkeit (insouciance) über alle menschlichen Erwägungen hinaus wäre, so würde ich mich sicherlich nicht wohlfühlen.«

siehe Bildunterschrift

Mlle. George in der Rolle der Aemilia in Cinna. Nach einem Gemälde von Lagrenée

Kaum am 16. in Altenburg angekommen, wo Clemens ein großes Bauernhaus eingeräumt wird, während Champagny das Ludwigstorff'sche Schloß bezieht, erscheint der Staatsrat Hoppé bei Metternich. Er meldet, der bayrische Staatsminister Graf von Lodron-Laterano hätte ihm versichert, er sei im Namen des Kronprinzen von Bayern amtlich beauftragt, mitzuteilen, daß diesem das französische Joch jeden Tag unerträglicher werde und er es als das höchste Glück seines Lebens betrachten würde, die Hand Ihrer kaiserlichen Hoheit der Erzherzogin Marie Louise zu erringen. Er sei fest entschlossen, niemals ein Mitglied der neuen französischen Dynastie zu ehelichen. Dabei wird angedeutet, daß der Kronprinz in diesem Falle hoffe, Tirol und Salzburg gleichsam als Heiratsgut zu erhalten, welche Länder so wieder in den Rahmen der österreichischen Monarchie zurückgelangen könnten. Metternich begleitet die Mitteilung davon an Kaiser Franz mit den Worten: Metternich an Kaiser Franz. Altenburg, 16. August 1809, mit einer Beilage Hoppés an Metternich vom selben Tage. Wien, St. A. »Ich habe die Ehre, Eurer Majestät beiliegend einen Bericht zu unterlegen, den mir Staatsrat Hoppé eben über einen Gegenstand erstattet hat, der oft unsere Erwägungen beschäftigte, ohne daß bisher das geringste Resultat unsere Hoffnung gekrönt hätte. Der Schritt, den der Kronprinz von Bayern unternimmt, läßt nicht den leisesten Zweifel über seinen Wunsch, die Hand der Frau Erzherzogin Louise zu erringen. Ich sehe auch nicht die Möglichkeit von dieser Angelegenheit im Verlaufe der gegenwärtigen Verhandlung die geringste Erwähnung zu tun. Sein Plan, sich in Tirol zu etablieren, ist keineswegs besser geeignet, von uns gefördert zu werden. Hätten wir dazu einen Wunsch zu äußern, so wäre es unendlich empfehlenswerter, die Ideen des Prinzen zunichte zu machen, als sie zu fördern.«

Daraufhin wird Metternich verständigt, der Kaiser teile seine Meinung über die Behandlung der Anfrage des Kronprinzen von Bayern: »Der Gegenstand an und für sich ist überhaupt nicht dazu angetan, daß ein österreichischer Bevollmächtigter dabei die Initiative ergreifen könnte. Das wäre höchstens der Fall, wenn andere diese Frage aufwürfen, dann dürfe sie Metternich ad referendum nehmen. Der Erhalt der Monarchie und das Wohlergehen seiner Untertanen sind die großen Dinge, die den Kaiser in diesem Augenblick ausschließlich beschäftigen und Seine Majestät hat erklärt, daß er etwas, was sich auf seine persönliche Genugtuung als Familienvater bezieht, nur als zweitrangig betrachten kann.« Hudelist an Metternich. Komorn, 17. August 1809. Wien, St. A.

Diese Ausdrucksweise entspricht dem Charakter des Kaisers; sie kann sich auf die Anfrage des Kronprinzen oder auf den Gegenstand überhaupt beziehen und sie kann auch als Zustimmung gedeutet werden, falls über das Schicksal der Erzherzogin in einer Weise verfügt werden sollte, die nicht »zur persönlichen Genugtuung« des Kaisers gereicht. Metternich sieht, auch da wird er machen können, was er will.

Aber Kaiser Franz empfindet es bitter, neuerlich einem unglücklichen Frieden entgegengehen zu sollen. Er ist nach wie vor entsetzt über die von Erzherzog Karl zugestandenen Waffenstillstandsbedingungen und als dieser am 23. Juli auch um seine Entlassung aus militärischer Verwendung überhaupt ansucht, billigt er sie augenblicklich. Und dies umsomehr als er auch wiederholt Meinungsverschiedenheiten zwischen Karl und anderen Erzherzogen zu schlichten hat. An der ursprünglichen Enthebung des Erzherzogs Karl vom Oberbefehl ist auch die Kaiserin nicht ganz unschuldig; sie hat ihrem Gatten gegenüber immer gegen ihn gewettert. Zwiedineck-Südenhorst, Erzherzog Johann a. a. O. S. 187. »Die Kaiserin stimmt für den Krieg, weil sie glaubt, wir haben noch Kräfte genug, um ihn mit Vorteil zu führen und sie annimmt, wenn auch jetzt Friede würde, werde uns Napoleon bald darauf auffressen, mithin wäre es auf jeden Fall besser, jetzt mit Ehren zu enden.«

Doch von nun an wird es ihr schwerer gemacht, den Kaiser zu beeinflussen, denn vorsichtig beginnt Metternich dem entgegenzuwirken. Er weiß bereits, wie er seinen Gebieter behandeln muß, um bei diesem bestimmenden Einfluß zu gewinnen, ohne daß der Monarch dies allzusehr merkt. Noch ist die Kaiserin sich nicht klar darüber, daß mit dem in den Vordergrund tretenden neuen Mann jemand an die Macht kommen könnte, der nicht immer ihrer Meinung ist. Zur Zeit glaubt sie noch: »Metternich scheint mit viel richtigem Urteil vorzugehen und ich war sehr befriedigt von der Art und Weise, wie er unsere Lage sieht. Er nimmt sich auch der kleinsten Dinge an, sieht aber das Gesamtbild im Großen.« Clemens hat sie nicht in seine innersten Gedanken blicken lassen und so glaubt die Kaiserin: »Aus dem was ich sehe, zweifle ich nicht, daß der Krieg wieder ausbrechen wird.« Maria Ludovika an ihre Mutter. Totis, 26. VIII. 1809. Wien, St. A.

Sollte Metternich, wie es scheint, schon ernstlich an die Verheiratung der Erzherzogin Marie Louise denken und mit dem Kaiser vor dem Abgang nach Altenburg schon andeutungsweise darüber gesprochen haben, zu Maria Ludovika schwieg er gewiß darüber, denn er weiß, daß es ihr Lieblingsgedanke ist, einen ihrer Brüder mit dieser Stieftochter zu verbinden.

In Altenburg speist Metternich täglich mit dem französischen Unterhändler, dem Minister des Äußern Champagny. »Wir bringen fast den ganzen Tag miteinander zu«, berichtet Clemens. Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Altenburg, 24. August 1809, B. u., St. A. Z. P. »… wir arbeiten und abends tanzen wir … Ein Dutzend Frauen und Mädchen aus dem Komitat, gar nicht übel dafür, daß sie niemals über Raab und Preßburg hinauskamen, bilden den Charme unserer Gesellschaft.«

Sonst aber findet Metternich Champagny nicht ganz so entgegenkommend, wie seinerzeit noch vor der Schlacht bei Wagram in Wien. Der Franzose hat nämlich Befehl auf der Grundlage des uti possidetis, d. h. dem augenblicklichen Besitzstande zu verhandeln, wobei Napoleon nahezu die halbe Monarchie zufiele. Das ist natürlich unannehmbar und Metternich ist auch nicht imstande, Kaiser Franzens Wunsch nachzukommen, der ihm schreibt: Kaiser Franz eigenhändig an Metternich. Totis, 26. August 1809. Wien, St. A. »Trachten Sie unseren Hauptzweck zu erfüllen, Mich in dem besten und Kaiser Napoleon in dem verdienten Lichte jedermann darzustellen.« Doch scheint es fast sicher, daß Metternich in Altenburg mit Champagny in vertrautem Gespräch jedenfalls schon über eine mögliche Familienverbindung gesprochen hat.

Napoleon aber, mit seiner altbewährten Taktik, immer zuerst die Gegenseite recht in Schrecken zu setzen, tut so, als wollte er Kaiser Franz gänzlich ausschalten. Er wendet sich neuerdings durch einen Mittelsmann an den Erzherzog Karl und läßt ihn fragen, ob er wünsche, daß man ihm gelegentlich der Abmachungen mit dem österreichischen Herrscher eine bestimmte Stellung sichere. Landriani an Erzherzog Karl. Wien, 5. September 1809. Wien, St. A. Der Erzherzog lehnt wohl ab, läßt aber die Worte einfließen: »Sicherlich gibt es nichts Schmeichelhafteres für irgendeinen Soldaten als der Beifall eines so großen Generals, wie des Kaisers Napoleon.« Erzherzog Karl an Landriani. Teschen, 9. IX. 1809. Wien, St. A. Karl bedenkt zu wenig, daß Lob des Feindes auch sehr anders gedeutet werden kann. Kaiser Franz aber hat den Eindruck, daß man in Altenburg nicht weiter kommt, weil »Napoleon einen unauslöschlichen Groll gegen ihn hegt.« Kaiser Franz an Metternich. Totis, 6. September 1809. Wien, St. A. Der Korse schlägt sogar öffentlich am 17. September in Brünn und dann auch unter vier Augen dem neuerlich nach Wien entsandten General Bubna vor, Franz I. solle abdanken, wobei er jemand anderen, vielleicht den Erzherzog Karl als Herrscher Österreichs einzusetzen gedenkt. Das war wohl gemeint, als er den Erzherzog um seine Wünsche fragen ließ.

Sowie Bubna nach Totis zurückgekehrt ist, wird dort ein Familienrat einberufen; als die Kaiserin hört, es komme die Abdankung ihres Gatten in Frage, falls man Napoleon nicht besänftigen könne, tritt sie das erstemal nicht für Weiterführung des Krieges ein und so wird am 25. September in der entscheidenden Konferenz, an der auch Stadion und Liechtenstein teilnehmen, beschlossen nachzugeben. Umsonst spricht Stadion mit heißer Seele dagegen. Er faßt das Protokoll dieser denkwürdigen Sitzung ab und fügt ihm eine Nachschrift an, die wie folgt lautet: »Am Schluß muß bemerkt werden, daß in dieser Konferenz noch von einem anderen, aber so delikatem Gegenstand die Rede war, daß er nicht geeignet ist zu Papier gebracht zu werden.« Mag sein, daß damit die Abdankung des Kaisers gemeint war. Helmuth Rößler, Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung. Hamburg 1940, S. 74 Vielleicht aber, ja wahrscheinlich ist die von Metternich angeregte eheliche Verbindung mit dem Hause Bonaparte zur Abschwächung des drohenden schlechten Friedensvertrages zur Sprache gekommen.

Der Kaiser ist gänzlich erschüttert; Stadion tritt endlich zurück, Metternich wird wieder nach Totis befohlen, während Liechtenstein und Bubna neuerdings nach Wien gehen müssen, um die Entscheidung dort bekanntzugeben. Am 27. September kommen die beiden Unterhändler nach Wien zu Napoleon, der ihnen gleich erklärt, er hätte den Kongreß von Altenburg immer nur als eine »Farce« betrachtet, die ausgedacht gewesen sei, um ihn zum Narren zu halten und bezeichnet die Tätigkeit Metternichs dabei als die eines »diplomatischen Jongleurs«. Mémorial des Frh. v. Wessenberg für das Jahr 1809. Précis de la marche des négociations qui ont amené le dernier traité de Vienne. Wien, St. A.

In den weiteren Gesprächen äußert Champagny, als ihm Liechtenstein vorstellt, die Abtretung von Landgebieten werde den Widerstand der Bewohner hervorrufen: »Ach nein, die Leute sind dem Hause Österreich seit Jahrhunderten anhänglich, irgendein beliebiges Ereignis wird sie leicht wieder zu ihrem früheren Herrn zurückführen. Überdies soll man nur bedenken, wie sehr besonders Heiraten für das Haus Österreich vorteilhaft gewesen sind.« Copie d'une note du prince Jean de Liechtenstein à Son Excellence le comte de Metternich. Ohne Datum, nach Lage etwa 28. September 1809. Wien, St. A.

Das war etwas unvermittelt vorgebracht und auch Bubna meldet, daß Champagny zwei Tage hintereinander die Sitzungen mit einer Schilderung von Erwerbungen eröffnet habe, die das Haus Österreich in früheren Zeiten durch Ehen gemacht hat, wobei er hinzufügte, daß dies »auch nun ein modus acquirendi sein könnte«. Äußerungen des Grafen Bubna in Totis, dort aufgezeichnet am 18. Oktober 1809. Wien, St. A. Dabei meint er offenbar, daß auf diese Weise Länder, die nun erobert wurden, Österreich bei einer Heirat wieder zurückgegeben werden könnten.

Am 27. abends trifft Graf Zinzendorf den eben von dreistündiger Unterredung mit Napoleon zurückgekehrten Fürsten Johann Liechtenstein in nachdenklicher und äußerst ernster Stimmung. Auch Maret hatte dem Gespräch beigewohnt; die Andeutungen, die man immer wieder vorbringt, geben zu denken. Liechtenstein weiß, die Kaiserin würde verzweifelt sein, wollte man Marie Louise da ernstlich in Betracht ziehen, ihm selbst, dem Aristokraten aus großer Familie, widerstrebt es aufs äußerste, diesem viel zu glücklichen Emporkömmling die Tochter seines Kaisers »vorzuwerfen«. Es ist noch gar nicht gesagt worden, für wen sie in Betracht kommen soll, vielleicht nicht einmal für Napoleon selbst. Bubna soll sich erkundigen; »auf indirektem Wege« erfährt er, der Korse wolle die Tochter des Lucien Bonaparte an Kindes Statt annehmen, wenn man geneigt wäre, sie mit dem Kronprinzen von Österreich zu vermählen. Nun diese Auskunft klingt unwahrscheinlich genug. Es ist klar, damit soll nur die wahre Absicht verschleiert werden. Napoleon ist doch gerade mit seinem Bruder Lucien völlig überworfen und hat von diesem deutlich genug gehört, was er von ihm hält. Das ist also alles nur Gerede und kommt gar nicht in Frage. Aber irgend etwas ist daran, zweifellos stecken besondere Absichten dahinter. Bubna weiß, Metternich steht einem solchen Heiratsprojekt freundlicher gegenüber als Liechtenstein. Kaiser Franz hat ihm gesagt, er wünschte Metternich als Minister des Äußern und so bemüht sich der General auch durch den dem Diplomaten geneigten Champagny bei Kaiser Napoleon ein besseres Wetter für diesen Mann zu schaffen. Aber es ist nicht so einfach.

Während Clemens schon damit rechnet, nach Wien abzugehen und seinen Kaiser bittet, in diesem Falle zu befehlen, daß er dem Fürsten Liechtenstein nicht nur nicht unterstehe, sondern dieser im Gegenteil »sich in dem Gange des Negotiationsgeschäftes an ihn, Metternich, zu halten« Fürst Paul Esterházy an Metternich. 31. September 1809, 10 Uhr abends. Wien, St. A. habe, macht Liechtenstein befehlsgemäß Schritte, daß der Botschafter in Wien zugelassen werde. Daraufhin sendet Kaiser Napoleon den Großmarschall Duroc, der die Gründe auseinandersetzen soll, die den Monarchen bestimmen, die Zuziehung Metternichs zur Wiener Unterhandlung »nicht angenehm zu finden«. Fürst Johann Liechtenstein an Kaiser Franz. Wien, 1. Oktober 1809. Wien, St. A. Er halte den Grafen für den vorzüglichsten Urheber dieses Krieges, der durch die entstellte Darstellung der Verhältnisse in Paris das österreichische Kabinett zu irrigen Schlußfassungen verleitet habe. Der Kaiser habe sich daher schon in Paris veranlaßt gesehen, dem österreichischen Botschafter schließlich den Hof und Zutritt zu den ersten Staatsdienern zu verwehren. Daher habe er auch aus der Sendung des Grafen Österreichs entschiedenen Willen ersehen, keinen Frieden machen zu wollen. Napoleon vergißt dabei ganz, daß er diesen Einwand früher nicht gemacht hatte, aber Metternichs Haltung gegen die weitgehenden Forderungen hat ihn wieder gegen ihn eingenommen. Liechtenstein meldet dies alles sofort dem Kaiser und fügt noch am 2. Oktober hinzu, wie Champagny an diesem Tage mit ihm gesprochen habe: Fürst Johann Liechtenstein an Kaiser Franz. Wien, 2. Oktober 1809. Wien, St. A. »Er zeigte überhaupt viel Lust von anderen Nebendingen mehr als vom Hauptgeschäft zu sprechen und sagte unter anderem wieder, das Haus Österreich hätte von jeher durch Heiraten viel gewonnen, – die Zeit durch solche sanfte Mittel Länder zu erwerben, könne wieder kommen. Ohne diese Erklärung einer besonderen Rücksicht würdigen zu wollen, habe ich mich darauf beschränkt, zu sagen, daß wir mehrere ledige Erzherzoge haben und fing sogleich ein anderes Gespräch an. Hat Frankreich wirklich die Absicht, solche Verbindungen zu suchen, so wird dieser Anwurf bei anderen Gelegenheiten wiederholt werden …«

Jetzt aber bereitet Liechtenstein gerade durch seine Haltung diesem Vorschlag gegenüber einen neuerlichen Wechsel in Napoleons Verhalten Metternich gegenüber vor. Der Fürst zeigt nämlich in der Frage einer Familienverbindung entsprechend seiner eigenen Neigung und jener seiner Kaste keinerlei Entgegenkommen. Da greift Bubna ein, der nach dem Zeugnis Zinzendorfs »als großer Protektor Metternichs auftritt«. Tagebuch Zinzendorf. 29. Juli 1809. Wien, St. A. Er gibt Champagny zu verstehen, der Kaiser irre sich, Metternich sei viel eher für ein freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich zu haben und werde insbesondere in der Frage einer näheren Verbindung gewiß zugänglicher sein als Liechtenstein, wovon Champagny allerdings schon aus eigener Erfahrung überzeugt ist.

Was Stadion betrifft, so steht es für Napoleon fest, daß er verschwinden muß. Der Korse hat noch immer in Österreich wie in Preußen und sonst, wo er konnte, Männer, die ihm gefährlich erschienen, aus dem Dienste der Staaten entfernen lassen, insbesondere ihm nicht passende, daher für ihr eigenes Land meist gute Minister des Äußern. Das ist nun hier wieder mit dem Sturze Stadions geschehen. Napoleon will aber nun auch einen ihm genehmen Minister des Äußern für Österreich finden. Die verschiedensten Leute zieht er in Berechnung. Zinzendorf ja, der wäre gut, der würde geeignet erscheinen, aber es ist klar, der Mann ist zu alt.

Der Legationssekretär Floret, den Metternich als Späher nach Wien geschickt hat und der beim Fürsten Liechtenstein abgestiegen ist, beobachtet genau und sucht die Leute für seinen Chef einzunehmen. Doch steht nun Thugut im Vordergrund des Interesses; ihn, den Napoleon einmal abgesetzt hat, will er nun wieder in Amt und Würden bringen, wenn er sich für ihn gewinnen ließe. Der Korse bescheidet den Mann zu sich; Thugut will zuerst nicht zur Audienz erscheinen, aber schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig. Er wird von Maret förmlich mit Gewalt vor den Kaiser geführt, der die Unterredung wie folgt beginnt:

»Nun Sie waren lange mein ›Antagonist‹. Sie haben mir lebhaft den Krieg gemacht, aber nun haben Sie doch wohl von diesem System abgelassen.« Dann spricht Napoleon von Frieden und Freundschaft mit Frankreich und von dem gegenseitigen Nutzen, den sich die beiden Staaten bringen könnten, »wenn die Liaison intim werden würde«. Aber Thugut reagiert nicht; schließlich erkennt Napoleon, daß er in diesem Manne nach wie vor einen Feind besitzt. Précis d'une conversation de l'Empereur Napoléon avec le baron Thugut. Nachträglich niedergeschrieben, Wien, 16. Oktober 1809. Wien, St. A. Er kommt also überhaupt nicht mehr in Frage.

In dieser Verlegenheit beginnt nun Napoleon auf Bubna und Champagny zu hören, die ihm nahelegen, nichts mehr gegen die von Kaiser Franz geplante endgültige Ernennung Metternichs einzuwenden. Schließlich sei die Hauptsache, daß der gefährliche Stadion abgesetzt ist. Metternich werde mit sich reden lassen, ist er doch ein geschmeidiger Herr. So läßt Napoleon es geschehen. Der Kaiser von Österreich hat bisher Stadions Entlassungsgesuch offen gelassen. Nun am 4. Oktober nimmt er es an und der Minister verläßt am Grabe seiner Hoffnungen noch am 6. Totis. Tags darauf wird der erst sechsunddreißigjährige Clemens Metternich zum Minister des Äußern ernannt. Dazu hat nicht wenig auch die Reklame beigetragen, die Freund Gentz seit Jahren für ihn gemacht hat. Schon im Jänner des Jahres 1805 hatte dieser an Brinckmann geschrieben, »daß unter allen Personen, an die nur irgend zu denken ist, um ihnen die Leitung unserer auswärtigen Angelegenheiten zu übertragen, Metternich der erste Rang zusteht«. Gentz an Brinckmann, 4. Jänner 1805. Briefe von und an Friedrich von Gentz a. a. O. II/259. Und wenig später hat er noch hinzugefügt, er halte es für gewiß, »daß er einst noch an die Spitze der Geschäfte zu stehen kommt«. Gentz an Brinckmann. 27. Februar 1805. Briefe von und an Friedrich von Gentz a. a. O. II/262.

Viele Leute am Hofe Kaiser Franzens schütteln den Kopf, Staatsrat von Baldacci vor allem, der es für ein Unglück ansieht und Hudelist, sonst für einen Vertrauten Metternichs gehalten, meint, er hätte »dieses Portefeuille mit einem wahnsinnigen Leichtsinn angenommen und die Sache auf die skandalöseste Weise herbeiintrigiert«. Tagebücher Gentz. 12. Oktober 1809. I/191.

Jemand aber freut sich unbändig, das ist Gräfin Lorel. Als sie von der Ernennung ihres Mannes hört, ist sie voll des Entzückens und hat das Gefühl, nicht wenig dazu beigetragen zu haben. Einmal dadurch, daß es dieselbe Stellung ist, die dereinst ihr berühmter Großvater eingenommen hat und dann weil sie als Frau trotz der Untreue ihres Gatten stets zu ihm gehalten und ihm seine Arbeit gesellschaftlich und auch sonst in jeder Weise erleichtert hat.

Im übrigen wird die Ernennung mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die Wiener Aristokratie zeigt sich sofort mißtrauisch, denn schon beginnt man über eine Heiratsverbindung mit Napoleon zu raunen. Schon am 8. Oktober verbreitet sich, wie Floret in seinem Tagebuch unter diesem Datum anmerkt, das Gerücht, der Korse werde den eroberten Teil der Monarchie zurückgeben, verlange aber die Erzherzogin Marie Louise für sich und den Kronprinzen Ferdinand für eine französische Prinzessin zur Ehe. Tagebuch Floret. Wien, St. A.

Vielleicht hätte Napoleon trotz allem noch Schwierigkeiten gemacht, da tritt ein Ereignis ein, das ihn veranlaßt, die Friedensverhandlungen mit Liechtenstein schnell zu Ende zu führen und Wien eiligst zu verlassen. Am 12. Oktober gelegentlich einer großen Parade in Schönbrunn versucht ein Mann sich an den Eroberer heranzudrängen. Es gelingt ihm bis ganz in seine Nähe zu gelangen, da tritt Marschall Berthier dem Burschen mit der Frage in den Weg: »Was wollen Sie hier?« Der Fremde murmelt etwas von einer Bittschrift; dem hohen Offizier aber erscheint der Mann verdächtig; er läßt ihn verhaften und die Leibesdurchsuchung fördert ein langes Küchenmesser zu Tage. Im Verhör gesteht der Verhaftete ohne Umschweife, in der Absicht gekommen zu sein, Napoleon aus der Welt zu schaffen.

Gleichzeitig – es ist nicht ganz sicher, ob unabhängig davon – bestand eine Verschwörung, in die ein politischer Abenteurer Karl Freiherr von Glave-Kolbielski, aber auch »Persönlichkeiten, die auf sehr hohen Staatsposten stehen«, verwickelt sind; Alfred Francis Pribram und Erich Fischer, Ein politischer Abenteurer. (Karl Glave-Kolbielski) 1752-1831. In: Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil-hist. Kl., Sitzungsberichte 216, Bd. 5. Wien-Leipzig 1937, S. 134. so hochgestellte Leute, daß der Polizeiminister Hager es nicht für rätlich hält, ein förmliches Protokoll darüber aufzunehmen. Bis zum heutigen Tage ist noch offen geblieben, wer alles von dieser Angelegenheit Kenntnis gehabt hat. So bedroht, beschleunigt Napoleon jedenfalls den Abschluß des Friedensvertrages. Schon am 14. Oktober wird er von Liechtenstein und Champagny unterzeichnet und umgehend von Kaiser Franz ratifiziert. Zwei Tage später schon verläßt Napoleon Wien, wo ihm der Boden zu heiß geworden, nachdem er den Attentäter Friedrich Staps hat erschießen lassen.

Ein Zeichen, daß die Verhandlungen schließlich doch in einem versöhnlicheren Geiste vor sich gingen, wenn sie auch zu einem so erschütternd schlechten Frieden für Österreich führten, ist die Tatsache, daß Liechtenstein das Ersuchen, der Mutter der Kaiserin den Sequester über ihren Besitz in Italien aufzuheben, Liechtenstein an Graf Wrbna und Instruktion von der Hand Metternichs für den Grafen Wrbna, das erste Schreiben Totis, 17. Oktober 1809, die zweite einen Tag später. Wien, St. A. zur Sprache gebracht hat. Und dies ebenso, wie die Aufhebung der gleichen Verfügung über jene Güter von Österreichern, die im Rheinbundgebiet von Württemberg liegen. Das erstere wurde bezeichnender Weise trotz der jedermann offenbaren Gegnerschaft der Kaiserin zu Napoleon in beschränktem Maße zugesagt, aber nicht in den Vertrag aufgenommen. Zu dem letzteren wurde bemerkt, man werde es dem König von Württemberg nahelegen oder zur Bedingung machen. Immerhin ist beides noch nicht vollkommen erledigt, Napoleon will erst sehen, wie sich die interessierten Persönlichkeiten in den kommenden wichtigen Monaten verhalten. Die Hoffnungen aber hat er geweckt, um das Zuckerbrot der Sequesteraufhebung stets lockend hinhalten zu können, bis er all seine geheimen Absichten erreicht und durchgeführt hat.

Metternich, der ursprünglich ehrgeizig gerne an Stelle Liechtensteins gewesen wäre, ist nun heilfroh, daß nicht er seinen Namen unter diesen für Österreich so traurigen Friedensvertrag hatte setzen müssen. »Sie haben unterschrieben, ohne zu wissen was«, schreibt Clemens seinem Vater. Clemens Metternich an seinen Vater. Totis, 4. November 1809. B. u., St. A. Z. P. »Die Geschichte der Nacht vom 13. zum 14. Oktober ist einzig in ihrer Art und wird jedem unglaublich erscheinen, der die beiden Parteien, die sich da gegenüber standen, nicht kennt. Wir, ja ganz Europa werden lang an diesem finsteren Werk (oeuvre des ténèbres) zu tragen haben.« Metternich gerät bei diesem Ergebnis in wahre Wut, wenn er bedenkt, was eigentlich die Grundursache alles dessen ist. »Wir haben doch während des Feldzuges 45-50.000 Gefangene gemacht«, schreibt er seiner Frau, Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Totis, 14. November 1809. B. u., St. A. Z. P. »haben viel mehr Geschütze und Fahnen erobert als der Gegner, wenn wir ihm auch alle Schlachten, die wir gewannen, schließlich zum Geschenke machten. Die Besatzung (des Fort Malborghet) 480 Mann stark, ist bei dessen Verteidigung bis auf zwei Mann gefallen, die man unter den Toten liegend gefunden hat und die trotz ihren Verwundungen wieder aufgekommen sind. Sie haben gegenseitig versprochen, daß der Überlebende hingehen und melden würde, daß sonst alle gefallen sind … Viele der jungen Leute unserer Gesellschaft haben sich mit Ruhm bedeckt und bei so viel Ehre, so viel Anstrengungen, so viel vergossenem Blut, solche Ergebnisse! Und das, weil Hanswurste glaubten, sie seien Generale und einer unserer ohne Zweifel besten, den Wahn hat, den Unterhändler spielen zu sollen. So gehen Staaten zugrunde und nichts kann sie in ihrem Fall aufhalten.«

Nun wird Fürst Karl Schwarzenberg zum Botschafter in Paris ernannt und Metternich gibt ihm bezeichnende Verhaltungsmaßregeln mit auf den Weg. Er hat den Frieden weder gemacht, noch ihn unterschrieben, infolgedessen kann er ihn in Grund und Boden verdammen. Instruktion für den als kaiserlich-österreichischer Botschafter nach Paris abgehenden Fürsten Karl Schwarzenberg. Totis, 29. Oktober 1809. Wien, St. A. »Wir bleiben ohne natürliche Grenzen«, heißt es da, »Tirol gänzlich von uns getrennt … Bayerns Grenzen auf eine Tagesreise von unserer Hauptstadt … Eine Bevölkerung von 3½ Millionen Seelen aufgeopfert … Unsere Armee furchtbar reduziert … Wir bedürfen der Ruhe … Aus jeder Komplikation heraushalten … Eventueller Vorschlag einer Allianz mit Frankreich … Darüber sich so äußern, daß Kaiser Napoleons Ministerium daraus schließen könne, diese Idee entspreche im allgemeinen unserem Wunsche.«

Dann teilt Metternich dem Botschafter die Bemerkungen Champagnys über die möglichen »Acquisitionen durch Heiraten«, mit und fügt hinzu: »Verschiedene Insinuationen, die unseren Bevollmächtigten in Wien gemacht worden sind, veranlassen die Meinung, daß man französischerseits den Vorschlag einer Ehe zwischen Seiner kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen und der von Kaiser Napoleon adoptierten und von der Mutter dieses Souveräns erzogenen Tochter des Senators Lucien Bonaparte anbringen könnte. Fürst Schwarzenberg wird leicht einsehen, wie unanständig und demütigend der Vorschlag einer solchen Verbindung zwischen dem Erben des österreichischen Thrones und einer Person wäre, die aus einer von dem französischen Kaiser nicht für rechtmäßig anerkannten Ehe entsprossen ist. Käme dieser Antrag jemals ernstlich zur Sprache, so müßte Fürst Schwarzenberg sich darauf beschränken, unsere Befehle darüber einzuholen.«

Metternich sagt es zwar nicht ausdrücklich, aber wenn es sich um den Kaiser Napoleon selbst handeln sollte und er eine Erzherzogin heiraten wollte, dann wird alles anders sein.

Inmitten all dieser Sorgen ist es immer wieder Lorel, der gegenüber Clemens sich völlig gehen läßt und sein Herz den augenblicklichen Stimmungen folgend ausschüttet. In Totis hat er keine andere Frau gefunden, für die sein Herz schlägt, niemanden, dem er sich so ganz anvertrauen kann. Um so mehr denkt er an seine ferne Gemahlin und läßt sie an seinen Sorgen und Bedenken teilnehmen. Am 10. Oktober hatte er ihr mitgeteilt, daß er zum Minister des Äußern ernannt sei und er sie bitten werde, zu ihm nach Wien zu kommen, sowie dies nur angehe. Und am 11. November schreibt er ihr in trauriger Stimmung: Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Totis, 1. November 1809. B. u., St. A. Z. P.

»Was ist alles geschehen, seit ich Dich verlassen habe. Wie viel Leid, Sorge und Arbeit habe ich gehabt! Man muß den Dingen so nahe sein …, um sich eine Idee von der ungeheuren Zahl der vorhandenen Mittel einerseits, von der ungeheuren Armseligkeit der Art ihrer Verwendung anderseits zu machen … Wenn es nur ein vernünftiges oder verläßliches Wesen gegeben hätte, um es an die Spitze der Geschäfte zu stellen, wäre ich nach Paris zurückgekehrt. Ich hätte dies während der Verhandlungen zu Altenburg leicht einrichten können, aber Stadion wollte seinen Posten um keinen Preis behalten. Ich habe mich daher für das Wohl des Vaterlandes darein ergeben, denn es ist sicher nur dieses Gefühl, das mir solche Stellung erträglich machen kann. Auch habe ich nur einen Wunsch, die Barke in einen beliebigen Hafen zu führen und dann einige Augenblicke der Ruhe zu genießen. Ich gebe Dir mein Wort darauf, ich bin schon ganz außer Atem und mein neuer Posten wird mir sicherlich keine Gelegenheit zum Ausruhen geben. Seine einzige gute Seite ist, daß er mich nach Hause zurückführt. Wir werden unser eigenes Heim aufrichten; der Nagel, den wir in die Wand jagen, wird wenigstens in einer Mauer sitzen, die uns gehört … Zudem bin ich von Verkühlung und Rheumatismus geplagt. Ich bin neugierig zu erfahren, wie man Dir in Paris begegnen wird. Mich haben sie gut oder schlecht behandelt, je nachdem, ob sie mich brauchten oder nicht. Als der gute Fürst Johannes ins Garn ging (tombé dans le panneau) und sich in eine Verhandlung verwickeln ließ, die notwendig gänzlich zum Vorteil Frankreichs ausgehen mußte, hat man sich von neuem gegen mich ausgesprochen, weil man mich nicht als zweiten Unterhändler in Wien haben wollte. So mache ich mir tausend Gedanken über Dich. Sei recht höflich, erwidere alles, was man Dir Gutes tut und halte Dich ruhig, wenn man Dich nicht aufsucht.«

siehe Bildunterschrift

Gräfin Regnault de St. Jean d'Angely. Nach einem Gemälde von François Gérard

Das einzige, was Metternich wahrhaft tröstet, ist sein Verhältnis zum Kaiser. Dieser ist glücklich einen Mann zu besitzen, dem er sich inmitten seiner großen Bedrängnisse vertrauensvollst überliefern kann. Er hält sich an Clemens wie ein Ertrinkender, der sich an ein ihm zugeworfenes Stück Holz klammert. Der Monarch überschüttet ihn in dieser Lage mit den rührendsten Vertrauensbeweisen, was Metternichs Eitelkeit natürlich unendlich schmeichelt.

»Es ist unmöglich, dem Kaiser nicht persönlich anhänglich zu sein«, schreibt er in diesen Tagen an seinen Vater, Clemens Metternich an seinen Vater. Totis, 4. November 1809. B. u., St. A. Z. P. »dem Herrn, der in jedweden Beziehungen so sehr über allem steht, was ihn umgibt und der einen so geraden Sinn, so gesunde Ansichten und ein so ausgezeichnetes Herz hat, daß ich in dieser Tatsache täglich Gründe für eine besondere Genugtuung finde.«

Auch von der Kaiserin ist Metternich nach wie vor begeistert, nur sieht er nun ein, daß er sich in der Beurteilung ihres Wohlergehens geirrt hat. »Die Gesundheit unserer armen Kaiserin wird immer schlechter«, bemerkt Clemens zu seiner Frau, Metternich an seine Frau Lorel. Preßburg, 8. November 1809. B. u., St. A. Z. P. »es ist hoch zu wetten, daß Du sie nicht mehr wiedersehen wirst. Ich gebe ihr keine drei Monate mehr zu leben. Dann wird es eine reizende Frau weniger geben, die Du von ganzem Herzen geliebt hättest, hättest Du sie gekannt. Sie ist sicherlich eines jener Wesen in der Welt, die am meisten Geist besitzen. Ihre Seele hat den Körper völlig aufgezehrt und ein sehr heikler Körper ist so dem Einfluß einer Feuerseele erlegen.«

Metternich begleitet nun den Kaiser nach Wien zurück und berichtet seiner Frau, Metternich an seine Frau Lorel. Preßburg, 8. November 1809. B. u., St. A. Z. P. daß es schwierig sei, sich auch nur eine entfernte Vorstellung von der Art und Weise zu machen, wie der Herrscher da empfangen worden ist. Das vor Freude trunkene Volk hätte den Monarchen buchstäblich bis in seine Gemächer getragen. Metternich geht nun daran, die Staatskanzlei einzurichten und ordnet sie in der Art, wie dies seinerzeit der Großvater seiner Frau, der große Kanzler Fürst Kaunitz getan. Metternich an seine Frau Lorel. 14. November 1809. Nachgel. Papiere a. a. O. I/236. Er ist noch immer übermannt von der Last der Stellung, die ihm auferlegt wurde. »Du wirst mich mit einer sehr peinlichen und unangenehmen Arbeit beschäftigt finden. Die Welt lastet auf meinen Schultern … Ich bin von Geschäften erdrückt und habe eine ungeheure Verantwortung auf mich genommen.«

Zu allem Überfluß erinnert Erzherzogin Maria Beatrix an Metternich. Großwardein, 30. Oktober 1809. B. u., St. A. Z. P. die Mutter der Kaiserin Metternich, das Napoleonische Versprechen über das Aufheben des Sequesters ihrer italienischen Besitzungen zu betreiben, während er selbst an seine eigenen, wie die Stadionschen Besitzungen denkt, wofür sich Metternichs Vorgänger natürlich auch sehr interessiert. Stadion an Metternich. Modenschloß, 31. Oktober 1809. B. u., St. A. Z. P. Doch der König von Württemberg, einer der mächtigsten Rheinbundfürsten, kehrt sich nicht an jene Versprechungen oder aber weiß gar nichts davon. Clemens ist aber nicht der Mann, seine Interessen irgendwie schädigen zu lassen. Ist denn nicht dieser König, wie alle Rheinbundfürsten mehr oder weniger ein Sklave Napoleons? Und hat er nicht zu tun, was man in Paris will? Hier also ist der Hebel anzusetzen. Ist nicht Lorel dort, hat sie nicht die engsten Beziehungen zu all den mächtigen Damen der kaiserlichen Familie? Ja, sie soll es versuchen.

»Ich werde Dich mit einer heiklen Aufgabe betrauen«, schreibt also Clemens seiner Frau Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Preßburg, 8. November 1809. B. u., St. A. Z. P., »einer Aufgabe, die Du aber sehr gut durchführen wirst, wenn Du Dich sorgfältig damit befaßt. Der König von Württemberg hat uns Ochsenhausen beschlagnahmt und eben meinem Vater sehr klipp und klar erklärt, daß er es niemals wieder herausgeben wird. Herr von Champagny dagegen hat dem Fürsten Liechtenstein ganz ausdrücklich versprochen, daß man ihn zur Rückgabe veranlassen wird. Es wäre dies ein zu schlechter Spaß, wenn man es nicht erreichen könnte. Das würde uns einfach zugrunde richten. Ich bitte Dich, die erste Gelegenheit zu ergreifen und privat, bloß in Deinem Namen, Herrn von Champagny zu fragen, wie es denn damit steht, ob er den Fürsten von Liechtenstein da hinters Licht geführt hat (was er übrigens in fast allen Punkten tat), ob er etwa selbst getäuscht worden ist, mit einem Wort, ob wir verzichten müssen, ja oder nein. Du wirst dabei umso leichteres Spiel haben, als Champagny sich in letzter Zeit ganz auf meine Seite geschlagen hat und die Besprechungen von Altenburg seinerseits eine innige Annäherung an mich gezeitigt haben. Du kannst auch flüchtig erwähnen, was ich Dir alles Gutes von ihm geschrieben hätte. Fändest Du Gelegenheit mit der Kaiserin oder der Königin von Holland von der Sache zu sprechen, wird das in dem Falle nichts schaden, da Du etwa Falschheit in dem Benehmen Champagnys erkennen würdest … Es ist höchst einfach, Du vertrittst bloß die Sache Deiner Kinder. Schwarzenberg ist beauftragt, das Ding offiziell vorzubringen, aber sprich ihm nicht von dem, was ich Dich zu tun bitte. Die Angelegenheit muß übrigens sehr einfach und wie selbstverständlich behandelt werden und so, als käme alles von Dir persönlich …

Du meine gute Freundin wirst Dich dann so auf den Weg machen, daß Du erst gegen Ende Jänner in Wien ankommst; so viel Zeit brauche ich nämlich, um einige Vorbereitungen für Deinen Empfang in dem ungeheuer großen Hause zu treffen, das wir bewohnen werden. Adieu, meine Gute; triff Deine Anstalten, vollziehe Deine Aufträge so gut Du kannst und liebe mich …«

Lorel war aus den Briefen ihres Gatten inzwischen nicht ganz klug geworden über das, was vorging und sich z. B. eigentlich in Altenburg abgespielt habe; sie verfehlt nicht, dies Clemens mitzuteilen. »Du wirfst mir vor, daß ich etwas mysteriös schreibe«, antwortet Metternich, Clemens Metternich an seine Frau Lorel. Totis, 14. November 1809. B. u., St. A. Z. P. »viele Gründe dafür werden Dir seither klar geworden sein. Die Verhandlungen von Altenburg müssen in der Geschichte noch Epoche machen und wenn der Fürst Johann mir nicht einen unbesonnenen Streich gemacht hätte, würden wir die Dinge dort in einer Art zu Ende geführt haben, die die ganze Welt zum Staunen gebracht hätte und dies, während wir jetzt nur einen abscheulichen, schimpflichen Frieden gemacht haben …! Sicherlich hat niemand je eine Carrière gemacht wie ich und das in diesem Lande, wo nichts plötzlich geschieht, wo niemand mir geholfen hat, als ich selbst … Mein Weg ist so gerade, ich weiche davon so wenig ab, daß ich notwendig schneller ans Ziel kommen muß als viele andere … Du sagst mir, daß meine Freunde mich loben, ich muß mich schließlich und endlich selbst loben; ich arbeite alle Tage so, wie Du mich an Kuriertagen arbeiten sahst; aber ich verbessere jetzt mein Los sehr stark … Wenn Du die gute Königin von Holland siehst, sprich ihr von mir und sage ihr, daß ich ihr mein ganzes Leben anhänglich bleiben und den Augenblick, da ich sie wiedersehen kann, zu den schönsten meines Daseins zählen werde. Der Himmel bewahre mich davor, den Rest meiner Tage so eingespannt zu verbringen, wie ich es nun bin. Ich hege das Hirngespinst, alles bis zu einem gewissen Punkt zu führen, um mir dann einige gute Ruhejahre zu gönnen. Lege mich auch der Kaiserin zu Füßen.«

Metternich hat recht, wenn er seiner Frau vertraut und hofft, daß sie ihm in Paris nützlich sein wird. Wohl ist dort ein neuer Botschafter; aber ein inoffizieller, der da viel mehr verwurzelt ist und viel mehr für Metternichs Interessen denkt, fühlt und arbeitet, ist ja immer noch dort, ist den ganzen Krieg über geblieben – eben die Gräfin Lorel. Clemens hat in Wien fortwährend glauben machen wollen, daß seine Gattin nicht mehr in Paris weile und immer davon gesprochen, sie wäre in einem Landhaus bei Rolles in der Schweiz, wohin er sie ursprünglich senden wollte, sie aber hatte an der Seine ihre Beziehungen, so gut es ging, weiterzuerhalten versucht. Obwohl ihr Vaterland im Kriege mit Napoleon stand, macht sie zur Zeit kein Hehl daraus, wie sie von dem Genie dieses Mannes beeindruckt sei und auch glaube, Gedeihen und Glück Österreichs liege in der Freundschaft mit ihm und seinem Lande. Nun da ihr Mann an so hoher Stelle steht, wird ihr bei dieser Sinnesart eine große Rolle zufallen und Freude und brennender Ehrgeiz erfassen die »kleine Frau«, wie die Gräfin sich selbst nennt.


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