J. F. Cooper
Der letzte Mohikaner - Gekürzte Jugendbuchversion
J. F. Cooper

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27. Kapitel

Solange Magua und seine Gefangene noch sichtbar waren, blieb die Menge regungslos stehen. Dann, als er verschwunden war, brauste der Aufruhr leidenschaftlich los. Unkas schritt schweigend durch das Gedränge und verschwand in einer Hütte. Einige Krieger folgten ihm. Auch Tamenund hatte sich entfernt. Das Lager glich jetzt einem Schwarm aufgestörter Bienen. Da trat ein Krieger aus der Hütte, in der sich Unkas befand, und ging langsam nach einer Fichte, die etwas abseits vom Lager stand. Dort entfernte er die Rinde und kehrte wieder zu Unkas zurück. Ihm folgte ein zweiter Krieger, der die Äste von dem Baume schlug. Ein dritter Delaware färbte den Baumstumpf mit dunkelroter Farbe. Schweigend hatten die umstehenden Krieger diese Vorbereitungen, die auf einen bevorstehenden Kriegszug schließen ließen, beobachtet. Jetzt erschien der Mohikaner. Er hatte sein Gewand bis auf den Gürtel und die Beinkleider abgelegt. Die eine Seite seines Gesichtes war mit schwarzer Farbe bemalt. Langsam näherte sich Unkas dem Pfosten und begann ihn in abgemessenen Schritten zu umkreisen. Während des eigenartigen Tanzes stimmte er einen wilden Kriegsgesang an. Es waren nur wenige Worte, die er ständig in monotonem Rhythmus wiederholte:

Manitu! Manitu! Manitu!
Du bist groß, du bist gut, du bist weise.
Manitu! Manitu! Manitu!
Du bist gerecht!

In den Himmeln, an den Wolken, da sehe ich
viele Flecken – schwarz und rot.
An den Himmeln, da sehe ich
viele Wolken.

In den Wäldern, in der Luft, da höre ich
Kriegsruf, Geschrei und lautes Geheul.
In den Wäldern, da höre ich
lauten Kriegsruf!

Manitu! Manitu! Manitu!
Ich bin schwach – Du bist stark, ich bin schwach –
Manitu! Manitu!
Schenk mir deine Hilfe!

Am Ende jedes Verses machte er eine Pause. Am Schluß der ersten Runde folgte ein bekannter Häuptling der Lenapen seinem Beispiel und umtanzte mit Unkas den Pfahl. Bald schloß sich ein Krieger nach dem anderen dem Tanze an, bis alle den Pfahl umkreisten. Jetzt schlug Unkas seinen Tomahawk tief in den Pfosten und erhob die Stimme zu seinem Kriegsruf. Damit kündigte er an, daß er die oberste Leitung des geplanten Kriegszuges übernehmen werde.

Auf dieses Signal hin sprangen alle Krieger der Delawaren herbei und hieben als Zeichen der Bereitschaft, ihm zu folgen und den Feind zu vernichten, den Baumstumpf mit ihren Beilen zusammen.

Als Unkas beiseite trat, blickte er zur Sonne empor. Sie hatte gerade den Punkt erreicht, da der Waffenstillstand mit Magua zu Ende ging. Ein Ruf verkündete es der Menge. Bald war das Lager wie umgewandelt. Die Krieger, bereits bewaffnet und bemalt, verhielten sich jetzt ruhig und warteten weitere Weisungen ab. Die Frauen dagegen stürzten aus ihren Wohnungen. Die einen brachten ihre kostbarste Habe, andere ihre Kinder, wieder andere alte und gebrechliche Personen zur Sicherheit in den Wald.

Unkas versammelte seine Häuptlinge und verteilte seine Streitmacht. Er stellte ihnen Falkenauge als einen erprobten Krieger vor. Sein Freund wurde günstig aufgenommen und seinem Befehl zwanzig Krieger unterstellt. Duncan, der ebenfalls eine Anzahl Krieger führen sollte, lehnte den Antrag ab und bat, an der Seite des Kundschafters zu kämpfen. Dann gab Unkas, da die Zeit drängte, das Zeichen zum Abmarsch. Bald betraten sie den nahen Wald. Kein lebendes Wesen zeigte sich. Ohne mit dem Feind in Berührung zu kommen, erreichten sie die Verstecke ihrer schon vorher ausgesandten Kundschafter. Die Häuptlinge wurden zusammengerufen, um den weiteren Feldzug zu beraten. Verschiedene Pläne wurden vorgebracht. Doch keiner entsprach dem Wunsche ihres Anführers, der sich am liebsten sofort auf den Feind geworfen hätte.

Einige Zeit dauerte schon die Beratung, da sahen sie von der Seite des Feindes her einen Mann kommen. Als sich der Fremde auf wenige hundert Schritte dem Verstecke der Delawaren genähert hatte, blieb er unschlüssig stehen.

»Falkenauge«, sprach der junge Mohikaner mit leiser Stimme, »er darf nie wieder mit den Huronen sprechen.«

»Sein Stündlein hat geschlagen«, erwiderte der Kundschafter und steckte langsam das lange Rohr seiner Büchse durch die Blätter. Er drückte aber nicht ab, sondern lachte plötzlich laut auf.

»Es ist unser alter Freund, David, der Singemeister.«

Dann rief der Kundschafter Gamut zu, näher zu treten. Als David die vielen Krieger der Delawaren erblickte, war er sehr verwundert. Auf die Frage, wie sich die Huronen verhielten, antwortete er:

»Die Wilden sind in großer Zahl ausgezogen und ich fürchte, sie haben nichts Gutes im Sinne. Seit einer Stunde war lautes Kriegsgeheul, so daß ich floh, um bei den Delawaren Frieden zu suchen.«

»Wo sind die Huronen?« fragte der Kundschafter.

»Sie liegen in großer Menge zwischen diesem Platz und dem Dorfe.«

»Und wo ist Magua?«

»Er ist bei ihnen. Er brachte das Mädchen, das bei den Delawaren gewesen war, und versteckte sie in der Höhle. Dann stellte er sich an die Spitze seiner Wilden.«

Unkas sah den Kundschafter an und fragte: »Was sagt Falkenauge?«

»Gib mir zwanzig Büchsen, dann halte ich mich rechts und gehe an der Lichtung vorbei. Dort stößt Chingachgook und der Oberst zu mir. Wenn du unser Schlachtgeheul hörst, dann greifst du sie von vorn an. Dann gehen wir auf das Dorf los und befreien das Mädchen aus der Höhle. Dieser Plan ist ganz einfach, aber mit Mut läßt er sich verwirklichen.«

»Er gefällt mir ausgezeichnet!« rief Duncan, als er sah, daß die Befreiung Koras der Hauptzweck des Kundschafters war.

Nach kurzer Besprechung wurde der Plan angenommen. Signale wurden verabredet, die Häuptlinge trennten sich und jeder eilte auf den ihm zugeteilten Posten.


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