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Der Zuruf des Kundschafters war nicht überflüssig. Kaum war der Kampf entschieden, da erhob sich ein wildes Geheul. Bald blitzte es unaufhörlich aus den Büchsen der Wilden.
»Mögen sie ihr Pulver verschießen«, sprach der Kundschafter. »Doch Unkas, verschwende nicht soviel Pulver! Eine Büchse, die stößt, schießt niemals eine sichere Kugel.«
Ein ruhiges Lächeln erheiterte die stolzen Züge des jungen Mohikaners. Er ertrug die Zurechtweisung, ohne darauf etwas zu erwidern oder sich zu verteidigen.
»Ich kann nicht zugeben, daß Ihr Unkas Mangel an Scharfblick und Geschick unterstellt«, sprach Duncan. »Er hat mir kaltblütig das Leben gerettet und sich damit zu meinem Freunde gemacht!«
Unkas erhob sich etwas, um Heywards dargebotene Hand zu drücken. Falkenauge, der diesen Gefühlsausbruch freundlich ansah, erwiderte: »Oftmals verdanken sich Freunde in der Wildnis gegenseitig das Leben. Auch ich habe Unkas schon mehrere Male diesen Dienst erwiesen und ich weiß, daß auch er sehr oft zwischen mir und dem Tod gestanden hat.«
»Diese Kugel war gut gezielt!« rief plötzlich Duncan, der unwillkürlich vor einem Schuß zurückfuhr. Der Jäger griff nach dem Metall und schüttelte bei der Untersuchung den Kopf.
»Fallendes Blei drückt sich nie platt«, sprach er. »Wenn es aus den Wolken käme, ließ ich es mir gefallen.«
Da erhob Unkas seine Büchse nach oben. Die Blicke seiner Gefährten folgten ihr in der angegebenen Richtung. Im Geäst einer großen Eiche, die etwas entfernt von ihnen stand, hatte sich ein Wilder eingenistet, der diesen Schuß abgefeuert hatte.
»Diese Teufel werden noch den Himmel ersteigen«, sprach Falkenauge. »Unkas, ruf deinen Vater herbei. Wir brauchen alle Waffen, um diesen Burschen von den Ästen herabzuschütteln.«
Kaum hatte Unkas einen Pfiff ertönen lassen, als Chingachgook schon bei ihnen erschien. Falkenauge und die Mohikaner berieten in delawarischer Sprache. Dann nahmen sie ruhig ihre Posten ein, um den verabredeten Plan auszuführen.
Der Indianer, der in der Eiche saß, hatte seit seiner Entdeckung ein ständiges, aber unwirksames Feuer unterhalten. Die Kugeln seiner Büchse schlugen neben den Verteidigern ein. Heywards Uniform wurde wiederholt getroffen und er blutete bereits aus einer leichten Wunde am Arm. Da entdeckte das scharfe Auge der Mohikaner durch das Laubwerk die Umrisse seiner Beine. Gleichzeitig feuerten ihre Büchsen. Da sank der Körper auf das getroffene Bein und die Gestalt des Huronen kam zum Vorschein. Schnell benutzte der Kundschafter diesen Vorteil und feuerte sein Gewehr ab. Die Blätter der Eiche bewegten sich, die gefährliche Büchse des Wilden fiel herab, und bald zeigte sich der Hurone. Frei in der Luft schwebend, hielt er verzweifelt noch einen knorrigen Ast des Baumes umklammert. Die Augen aller, ganz gleich ob Freund oder Feind, waren auf die hoffnungslose Lage des Unglücklichen gerichtet, der zwischen Himmel und Erde schwankte. Endlich ließ der Hurone eine Hand los, die schlaff herunterfiel. Verzweifelt versuchte er den Ast wieder zu fassen, doch vergeblich griff er in der leeren Luft umher. Da krachte ein Schuß aus der Büchse des Jägers. Die Glieder des Huronen zitterten, das Haupt sank auf die Brust herab und dann stürzte der Leichnam in die schäumenden Wasser.
»Es war die letzte Kugel aus meiner Tasche«, sprach Falkenauge. »Unkas, geh hinab zu dem Kanu und bring das große Pulverhorn, es befindet sich darin der Rest, den wir noch besitzen.«
Der junge Mohikaner verließ den Kundschafter. Doch bald erschall ein lauter Schrei aus Unkas' Mund. Der ungewohnte Ruf ließ auch die Schwestern und den verwundeten David aus ihrem Versteck herbeieilen. In einiger Entfernung von dem Felsen trieb die kleine Barke durch den Strudel des Flusses, und alles deutete darauf hin, daß sie durch eine verborgene Kraft gelenkt wurde.
»Es ist zu spät!« rief Falkenauge. »Der Schurke hat die Strömung gewonnen. Selbst wenn wir Pulver hätten, könnte unsere Kugel ihn nicht mehr erreichen.«
Der wagehalsige Hurone erhob jetzt den Kopf über die Wandung des Kanus und stieß einen Jubelschrei aus. Sein Ruf wurde durch Geheul und Gelächter aus den Wäldern beantwortet.
»Was ist jetzt zu tun?« fragte Duncan. »Wir müssen die Höhlen verteidigen und eine Landung verhindern.«
»Mit was?« fragte kaltblütig der Kundschafter. »Mit Unkas Pfeilen oder mit Weibertränen?«
»Unsere Lage kann doch nicht so hoffnungslos sein«, sprach Duncan. »Ich sehe keine Feinde mehr! Vielleicht wollen sie gar nicht mehr kämpfen.«
»In einer Stunde schon können diese listigen Schlangen kommen«, erwiderte Falkenauge. »Dann werden sie über den Tod des weißen Mannes triumphieren. Aber ich werde sterben, wie es eines Mannes meiner Farbe geziemt.«
»Warum sterben?« fragte Kora und trat aus der Höhle hervor. »Flieht in die Wälder! Bitte geht, wir verdanken euch bereits zuviel.«
»Ihr kennt die Irokesen nicht, Lady«, erwiderte Falkenauge. »Der Fluß könnte uns freilich aus dem Bereiche ihrer Büchsen bringen.«
»So versucht es mit dem Fluß! Geht und sagt Munro, unserem Vater, daß Ihr uns mit dem Auftrag verlassen habt, eilig Hilfe zu holen«, versetzte eifrig Kora. »Sagt ihm ferner, daß wir in die Wildnis verschleppt, durch Wachsamkeit und Eile doch noch gerettet werden könnten.«
Um die harten, verwitterten Züge des Kundschafters ging ein Zucken. Er stützte das Kinn auf seine Hände und schien über den Vorschlag nachzudenken.
»Die Worte sind vernünftig«, sprach er endlich für sich.
Dann unterhielt er sich eingehend mit den beiden Mohikanern.
Chingachgook hörte mit feierlichem Ernste seinen Worten zu. Nach einigem Zögern gab er durch ein Zeichen mit der Hand seine Zustimmung. Dann steckte der Krieger sein Messer und seinen Tomahawk in den Gürtel und schritt dem Strome zu. Im gleichen Augenblick warf er sich in die Fluten und war den Augen der Zuschauer entschwunden. Der Kundschafter sprach noch einige Worte mit Kora, dann schüttelte er ihre Hand, hob seine Büchse auf und betrachtete sie liebevoll einen Augenblick. Dann ließ er sich wie Chingachgook in das Wasser fallen und war sofort verschwunden. Endlich stürzte sich auch der junge Häuptling in den wilden Strom.
Nachdem sich die drei Waldbewohner dem tobenden Wasser anvertraut hatten, schritt Kora zu Heyward.
»Ich weiß, Duncan, daß auch Sie gut schwimmen können«, sprach sie. »Folgen Sie diesen treuen Männern nach.«
»Ist das Treue, die Kora Munro von mir fordert?« fragte der junge Offizier.
»Für uns können Sie jetzt nicht von Nutzen sein. Dagegen können Sie Ihr kostbares Leben für andere und Ihre Freunde retten.«
Duncan antwortete nicht. Kora drang nicht weiter in ihn, verhüllte ihr Gesicht mit einem Schal und zog sich mit ihrer Schwester wieder in das Innere der Höhle zurück.