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Elfter Brief.

Dem Herrn James E. de Kay, Esquire.

Sir Walter Scott. – Sir James Mackintosh. – Der Schein in England. – Abgeschlossene Corporationen. – Verlagsgesetz. – Englische Literatur. – Sir Walter Scott's Werke. – Hr. Sotheby. – Hr. Coleridge. – Englische Damen. – Freiheit des Handels und Verkehrs.

Kurz nachdem sich die Stadt so bedeutend angefüllt hatte, ging ich eines Tages durch Pall-Mall, als ich eine Equipage bemerkte, in deren Wappen ein Meermädchen sich vor einem Spiegel das Haar kämmte, und ich Sir Walter Scott's Wappen zu erkennen. Als ich es näher betrachtete, erblickte ich die blutige Hand, und ich war nun vollständig von der Anwesenheit des literarischen Barons in der Stadt überzeugt.

Unter den Personen, die der Irrthum zu mir geführt hatte, als wäre ich der Sohn von –, befand sich auch Sir G– P–, ein Parlamentsmitglied und ein strenger Whig. Dieser Herr hatte die Güte, den Umgang nicht mit mir abzubrechen, als er seinen Irrthum entdeckte, sondern überhäufte mich mit Höflichkeiten, die damit anfingen, daß er mich zu Tische lud.

Ich erinnere mich nicht, jemals ein Haus mit einer ähnlichen Umgebung gesehen zu haben, wie das des Sir G– P–. Ich wußte natürlich die Straße und die Nummer desselben; als ich jedoch in die Gegend kam, fand ich nichts als Läden oder Wohnungen von einem Aussehen, die durchaus nicht den Wohnsitz eines reichen Baronet verriethen. Bei der Nummer selbst traf ich zwar eine solche Thür, wie man sie wohl erwarten konnte, – aber auch nur eine Thür. Sie hatte Pilaster, einen netten Eingang, einen massiven Thürklopfer, und zwei Bedienten in Livrée standen und warteten vor derselben. Natürlich gab ich die magischen Schläge und wurde sogleich eingelassen.

»Wohnt Sir G– P– hier?« fragte ich. Meine Frage wurde bejaht, obgleich ich mir immer noch nicht erklären konnte, wo er wohnen mochte. Man öffnete eine innere Thür, und ein langer, weiter Gang zeigte sich. Am Ende desselben fanden wir die Zimmer der Familien, die groß und anständig und dem Stande der Familie angemessen zu sein schienen. Da es halb acht Uhr war, hatte ich keine Gelegenheit, zu erforschen, auf welche Weise das Tageslicht in diese Zimmer kam, oder wo hinaus die Zimmer gingen.

Bei dem Diner waren Sir James Mackintosh, Hr. Spring-Rice, Hr. Rogers, Hr. Dumont, ein Schweizer, durch seine Bemerkungen über Mirabeau und andere Werke bekannt, und zwei oder drei Damen, außer einigen andern mit der Familie bekannten Herren. Von dieser Gesellschaft habe ich Ihnen wenig zu erzählen; ich will nur anführen, daß Sir James Mackintosh viel, und wie gewöhnlich ausgezeichnet gut sprach.

Die Engländer scheinen sich nicht im geringsten durch eine gute Unterhaltung auszuzeichnen; selbst wenn sie mehr in sich haben, als die Franzosen, so steht es ihnen doch nicht so zu Gebot. Dennoch halte es ich für möglich, in dieser Hauptstadt, wenn nicht einen angenehmeren, doch einen viel männlicheren Zirkel als in der französischen zu finden. Wenn es sich thun ließe, unsere geselligen Zirkel rein zu erhalten, so würden wir weder den Engländern noch den Franzosen in dieser Beziehung weit nachstehen; denn wir machen eine bessere Unterhaltung als die Engländer, und unsere praktischen Gewohnheiten geben uns im Allgemeinen bessere Begriffe von den Dingen, als sie die Franzosen gewöhnlich haben. Die geselligen Zirkel in Neu-York rein zu erhalten, würde eben so unmöglich sein, als eine Heerde festzuhalten, wenn das vorderste Schaf entsprungen ist.

Sir James Mackintosh sprach sich heute sehr streng über eins der Gesetze aus, und erklärte ganz offen, das englische System hege noch viele Abgeschmacktheiten rein ihres Alters wegen. Er führte das Gesetz von Halbblut an, und nannte eine Barbarei. Ich sagte, es sei etwas mit dem Gegenstand verbunden, welches noch schlimmer sei, als das Gesetz selbst, und zwar Sir William Blackstone's Grund dafür. Er lachte darüber, und machte einige starke und richtige Bemerkungen über den Hang der Menschen, von großen Männern jegliche Abgeschmacktheit zu glauben, sowie über die Neigung, gute Gründe für die unvernünftigsten und unrichtigsten Maßregeln zu ersinnen.

Ich hätte von Herzen gewünscht, daß einige aus unserer »lesenden Classe« gegenwärtig gewesen wären, damit sie die Art und Weise gehört hätten, in welcher Jemand »ihre Götzen verehrte,« der zu den Füßen Gamaliel's aufgewachsen war. Wenn ich diejenigen aufzusuchen hätte, die falsche und übertriebene Begriffe von den »drei Königreichen« haben, so würde ich mich nicht hier unter Männern von Erziehung umsehen, sondern unter den Bücherwürmern von Amerika, oder bei dem Theil unsers Volkes, bei welchem noch die Traditionen von unsern ausgewanderten Vorvätern leben.

Die Sache ist die, daß die Außenseite von England und seine berechnete Anständigkeit oft sogar den näheren Beobachter täuschen; und es ist daher kein Wunder, daß sich entfernte Bewunderer dadurch irre führen lassen. Ich erinnere mich, kurz vor meiner Abreise von Amerika mit einem Freund einen Streit über abgeschlossene Corporationen oder Innungen gehabt zu haben. Mein Freund ist ein so aufrichtiger Mensch, wie es nur irgend einen geben kann, und, was noch mehr ist, ein Mann, der sein Vaterland liebt, d. h. nicht etwa dessen Katzen und Hunde, weil es die Katzen und Hunde seines Geburtslandes sind, mit anderen Worten, er ist kein Broadway-Patriot, sondern ein Mann, der für das Land seiner Väter günstig gestimmt und stolz auf die Geschichte desselben ist, mit Hoffnung auf die Zukunft blickt, und die Institutionen desselben gehörig zu würdigen weiß; aber mit diesen und vielen andern Vortrefflichkeiten verbindet er eine unbegrenzte Liebe für alle gezierten und koketten Erscheinungen der englischen Literatur. Unter andern Schrollen dieser Art hat er sich auch in den Kopf gesetzt, daß scharf abgeschlossene Corporationen der Gesellschaft sehr wohl thun würden. Er führte zum Beweise der Richtigkeit seiner Behauptung das Hospital zu New-York an.

Ich glaube, das Hospital zu New-York ist fast das einzige Institut, welches bei uns dieses Privilegium besitzt. Nun ist es immer eine Art Auszeichnung, zu irgend einer bestimmten Corporation zu gehören; und dieser Umstand allein hat eine Classe von Menschen veranlaßt, eine Anstellung anzunehmen, die sich von dergleichen Dingen sonst nichts würde haben träumen lassen.

Ich erwähne dieser Dinge, weil die Mißbräuche der englischen scharf abgegrenzten Corporationen den Gegenstand der Unterhaltungen bei dem Diner machten, und weil ich die Gemüther sehr dagegen eingenommen fand. Man hielt einige Reformen für unumgänglich nothwendig, um Mißbräuche, die sich eingeschlichen haben, abzuschaffen.

Ich war der erste, der nach dem gegebenen Zeichen den Tisch verließ; und als ich das Gesellschaftszimmer betrat, sah ich Sir Walter Scott auf der einen Seite und seine Tochter auf der andern Seite einer Ottomane sitzen. Sie waren allein, als hätten sie so eben die Empfangshöflichkeiten abgemacht; und da ich dem großen Schriftsteller so nahe war, ging ich auf ihn zu und fragte nach seinem Befinden. Er empfing mich so kalt und auf eine Weise, die sehr von der früheren verschieden war, mit der wir uns getrennt hatten, daß ich mich überrascht und verletzt zurückzog. Ich wandte mich jetzt an die Tochter, sie benahm sich jedoch nicht besser. Es blieb mir nichts übrig, als mich umzudrehen, und eine Unterhaltung mit einer Dame aus Amerika anzuknüpfen, die zufällig gegenwärtig war, und die mich durch ihre Einfachheit und Freimüthigkeit für das sonderbare Benehmen ihres Nachbars entschädigte.

Wenige Minuten nachher erblickte ich Sir Walter in der Mitte einer Gruppe, die aus Sir James Mackintosh, Herrn Rogers, Herrn Dumont und Herrn Spring-Rice bestand. Der Ausdruck seines Gesichts wechselte plötzlich, als er mich sah, und er hielt mir seine Hand in derselben herzlichen Weise entgegen, mit welcher er dies einst in Paris auf der Treppe im Hotel der rue St. Maur gethan. Er hatte sich meiner nicht mehr erinnert, und die große Kälte rührte vielleicht daher, daß man ihn in der Gesellschaft zu sehr bestürmt hatte.

Wie Sie sich wohl denken können, fühlte ich mich durch diesen Empfang äußerst beleidigt. Als er mir die Ursache davon erklärte, war ich sehr aufgelegt, ihn an Turenne's Antwort zu erinnern, die derselbe einst gab, als er von einem seiner Bedienten, der ihn für einen Kameraden hielt, einen derben Schlag auf den Rücken bekam: – »und wenn ich auch Pierre gewesen wäre,« sagte er, »so hättest Du doch nicht so stark schlagen sollen.«

Als ich in Paris war, schien es mir, als müßte Sir Walter Scott unter seinen besonderen Umständen durch seine Werke eine große Einnahme in Amerika erhalten können. Die Bogen waren, wie ich erfahren hatte, an einen amerikanischen Buchhändler verkauft worden; da es sich jedoch zutrug, daß sogleich nach dem Erscheinen der Werke ein wohlfeiler Nachdruck herauskam, so war der Buchhändler nicht im Stande, das früher verabredete Honorar zu zahlen.

Obgleich die Summe, welche ich für meine Werke in England erhielt, nicht von großem Belang war, so übertraf sie doch das Honorar, was Walter Scott in Amerika erhalten hatte, und ich fühlte mich auf gewisse Weise beschämt. Ich entwarf daher einen Plan, durch welchen ich den Stand der Dinge zu ändern und Sir Walter Scott einen Theil von demjenigen Lohn zuzuwenden hoffte, was ihm für das große Vergnügen gebührte, welches er der Lesewelt bereitete, und dessen er außerdem so sehr bedurfte.

Ich legte ihm meinen Plan vor, der ihm jedoch nicht gefiel; und obgleich ich ihn noch heute für den bessern halte, so entwarf er doch einen andern. Nach diesem bemühte ich mich demnach, den vorgesetzten Zweck zu erreichen; doch schlug Alles fehl. Ich wurde vielleicht mit Recht dafür bestraft, daß ich meinen Einfluß überschätzt hatte. Ich theilte ihm den Fehlschlag brieflich mit, und ich gestehe, daß ich seinen kalten Empfang für eine Folge desselben hielt, obgleich nur er allein das Mißlingen dieser ganzen Sache veranlaßt hat. Wie sein späteres Benehmen bewies, hatte ich ihm Unrecht gethan.

Da ich einmal von diesem Gegenstand rede, so fühle ich mich veranlaßt, auf den Mangel an Gerechtigkeit aufmerksam zu machen, mit welcher fremde und einheimische Schriftsteller durch das mangelhafte Verlagsgesetz in unserm Lande behandelt werden. Niemals können wir eine freie, männliche Literatur besitzen, – wenn wir überhaupt eine Literatur haben, – so lange wir gegen die unbezahlten Beiträge der fruchtbarsten Schriftsteller der Welt ankämpfen müssen.

Die gewöhnliche Antwort, welche man auf dergleichen Aeußerungen erhält, schmeckt sehr nach dem Handelsgeist, der allmählich Alles in unserm Lande verschlingt. Wenn man ein edelmüthiges Gefühl zu Gunsten eines Fremden ausspricht, der durch sein Talent zu unserm Vergnügen beiträgt, so wird von den Buchhändlern mit triumphirender Miene darauf geantwortet, man könne alle seine Sachen umsonst erhalten, und werde daher nicht erst lange dafür bezahlen. Gegen diese Tendenz läßt sich jedoch noch ein weit wichtigerer Vorwurf als der des Geizes aufstellen. Die Regierung hängt von der Meinung ab, und die Welt enthält keine Ideen, die der Beständigkeit geselliger Zustände gefährlich wären, als das Land, aus welchem wir unsere meisten Bücher beziehen. Ich meine damit nicht, unsere Regierungsprincipien ständen etwa denen von Rußland näher als denen von England; sondern es ist eben gerade die große Aehnlichkeit, welche hier die Gefahr ausmacht; denn wo schon so viel Aehnlichkeiten stattfinden, läuft man Gefahr, die Principien gänzlich zu verwechseln. Uebrigens bin ich der Meinung, daß die Institutionen von England mehr von unserm Einfluß zu fürchten haben, als von dem der ganzen übrigen Welt, und vice versa.

Man sagt gewöhnlich, die Ehrfurcht, welche wir englischen Grundsätzen zollen, sei natürlich, und erklärt sie für die unvermeidliche Folge unserer Abstammung, welches Alles ganz richtig ist; wenn wir jedoch ein System fortsetzen, welches diese Achtung fortwährend nährt, so geben wir ihm eine unnatürliche und künstliche Dauer. Es ist nicht allein hohe Zeit für die Würde, sondern auch für die Sicherheit des amerikanischen Volkes, in jeder Beziehung endlich Grundsätze anzunehmen, die mehr mit ihren Verhältnissen übereinstimmen. Die abgeschmackten Lobeserhebungen, welche in Amerika jetzt so sehr Mode sind, kann man nur den Lobpreisungen vergleichen, die ein Handelsmann seinen Weinen macht, sowohl wenn er dieselben verkauft, als wenn er sie trinkt.

Selbst die Werke von Sir Walter Scott enthalten etwas Gefährliches für den amerikanischen Leser; und je größer das Talent des Schriftstellers, desto größer ist natürlich das Uebel. Sein Fehler ist die unbegrenzte Achtung, die er vor angeerbtem Range hat. Ich meine damit nicht jenes tiefe Gefühl, welches die Nachkommen vielleicht unwillkürlich vor den Thaten ihrer Vorfahren haben, und welches jeder Mann mit gesundem Menschenverstande anerkennen muß, – sondern die Achtung vor feudalen und conventionellen Gesetzen, welche ihren Ursprung in der Gewalt haben, und immer noch fortbestehen. Diese Idee herrscht in seinen Schriften, und zwar auf eine Weise, die ganz dazu geeignet ist, das Herz der Leser dafür einzunehmen. Sir Walter Scott mag Recht haben; doch wenn er Recht hat, so ist unser System falsch, und die erste politische Pflicht ist allemal die, sich selbst zu schützen.

Man kann hierauf antworten, der Einfluß eines Schriftstellers wie Walter Scott dürfe in dieser Beziehung nicht angeführt werden, da man eine einzige Feder seiner Art während eines ganzen Jahrhunderts für ein Wunder halten muß. Wir geben zu, sein Fall bildet eher eine Ausnahme als eine Regel, und wollen ihn daher als einen Schriftsteller betrachten, der ein geringeres Talent besitzt, als ihm wirklich eigen ist, mit demselben aber dieselbe Eigenthümlichkeit der Gesinnung vereinigt; denn Sir Walter Scott ist nicht ein großer Schriftsteller, weil er jene übertriebene Achtung vor zufälligem Range hat, sondern er ist ein großer Schriftsteller trotz dieser Achtung. Seine Talente sind eine Gabe der Natur, während seine Gesinnungen ein Resultat seiner geselligen Stellung sind.

Welches würde nun die Stellung eines Schriftstellers vor dem amerikanischen Publikum sein, der es unternähme, die amerikanischen Grundsätze selbst gegen einen kleineren Scott zu vertheidigen? Er würde ganz bestimmt unterliegen, selbst wenn er eben so viel Talent wie sein Gegner besäße; und zwar deshalb, weil er die Gemüther seiner Leser bereits durch die Gesinnungen seines Gegners eingenommen finden und nun gezwungen sein würde, erst diese auszutreiben, bevor er daran denken könnte, den Kampf unter gleichen Bedingungen zu beginnen. Als wenn dies noch nicht nachtheilig genug für ihn wäre, so würde er auch bei den jetzigen Verlagsgesetzen noch gegen den niedrigen Preis zu kämpfen haben, für den man die nachgedruckten Werke seines Gegners überall zu kaufen bekommt.

Die Nothwendigkeit der Freiheit des Handels und des Verkehrs läßt sich gegen diesen Fall nicht anführen; denn eine freie Mitbewerbung gestattet nicht, daß die eine Partei einen Artikel fast umsonst bekommt, den die andere theuer bezahlen muß. Unsere Literatur vermag nicht, sich gegen solche Uebelstände zu behaupten; und bevor wir nicht eine eigene, unabhängige Literatur haben, werden die Fremden uns mit Recht den Vorwurf machen, daß wir eigentlich nichts als ein Reflex der englischen Literatur sind.

Es giebt zwar ein eigensinniges Gefühl bei dem amerikanischen Publikum, welches selbst einen Schriftsteller untergeordneter Gattung aufrecht hält, so lange er zur Geltendmachung seines Vaterlandes etwas beiträgt. Diese Schwäche hat man hier den Amerikanern schon vorgeworfen, und gesagt, sie sei nichts als eine Liebe zum Eigenthum. Diese Anklage ist vielleicht etwas zu stark, aber die Presse selbst hat Veranlassung dazu gegeben; denn während sie eine vollständige Gleichgültigkeit für die Aufrechthaltung der amerikanischen Grundsätze und selbst des amerikanischen Charakters bewies, hat sie bei jeder Gelegenheit, wo es sich um amerikanisches Eigenthum handelte, die größte Eifersucht gezeigt.

Einen Tag nach dem Diner bei Sir G– P– erzeigte mir Sir Walter Scott die Ehre, mich am St. James-Platz zu besuchen. Sein Betragen beseitigte alle Zweifel in Bezug auf das amerikanische Experiment; denn nichts konnte einfacher und natürlicher sein als dies. Er sprach von seinen Verlegenheiten auf eine Weise, die mich vermuthen ließ, er werde bald im Stande sein, dieselben zu beseitigen. Er schien voller Freude und Hoffnung. »Dieser Schlingel, Napoleon,« sagte er in seiner ruhigen, humoristischen Weise, »hat mich um ein gutes Endchen weiter gebracht, und ich werde nur zu gut von meinen Landsleuten behandelt.« Ich erwähnte der Bemerkung eines französischen Kritikers Ein Mann, der nachher eins der größten Aemter der französischen Regierung verwaltete. über sein Leben Napoleons. Dieser Mann war nämlich der einzige bei einem großen Diner, der das Buch gelesen hatte, und man war sehr neugierig zu erfahren, was er eigentlich davon halte. »O, es ist ein elendes Ding, sagte er, »voller gemeiner Bilder und matter Ideen, – ganz so wie Shakspeare.«

Sir Walter Scott schien mir an dieser Stelle empfindlich, und ich wechselte die Unterhaltung.

Ich war eben im Begriff, ihm eine andere mit diesem Werke in Verbindung stehende Anekdote zu erzählen, die ich nun Ihnen mittheilen will. Kurz nach dem Erscheinen »des Leben Napoleons« überhäufte es eins der französischen Journale, der Globe oder die Debats, ich weiß nicht mehr welches von beiden, in zwei bis drei auf einander folgenden Artikeln mit denjenigen Lobeserhebungen, die man gewöhnlich den Werken des Verfassers spendete. Nach wenigen Wochen sprach sich in ganz Frankreich die Meinung gegen das Buch aus. Jetzt trat dasselbe Journal mit einer neuen Kritik hervor, welche mit der Erklärung anfing: Nachdem man das »»Leben Napoleons«« mit der Höflichkeit aufgenommen, die einem berühmten Namen und dem französischen Charakter gezieme, so sei es jetzt Zeit, dasselbe einmal ganz unparteiisch zu betrachten; und nun fiel die Kritik auf eine unerhörte Weise über das Werk her.

Da ich so eben ein Buch herausgegeben hatte, fragte mich Scott auf eine sehr gütige und zarte Weise, ob ich mit dem englischen Honorar zufrieden sei. In Bezug auf englische Bücher war dies wohl bestimmt nicht der Fall; doch glaubte ich, für ein Buch genug erhalten zu haben, welches in einer fremden Denkungsweise und mit keiner besondern Bemühung um die Gunst des englischen Publikums geschrieben war. Er erklärte sich nicht einverstanden mit meiner Ansicht, und erbot sich, mir beim Abschluß der Contracte mit englischen Buchhändlern behülflich zu sein. Ich hatte keine Ursache, mich über die zu beklagen, in deren Hände ich mich einmal befand, sondern war im Gegentheil ganz zufrieden, und dankte ihm daher sehr für seine Güte.

Da ich über England und den englischen Charakter schreibe, so ist es nicht mehr wie billig, anzuführen, daß die Eigenthümlichkeiten, welche ich erwähnt habe, diesem Werke in England weit weniger Abbruch thaten, als ich erwartete. Es giebt etwas Männliches und Stolzes in dem Charakter der Bessern des Landes, der sie veranlaßt, sich über dergleichen Kleinigkeiten hinwegzusetzen. Das französische oder amerikanische Publicum würde ein ähnliches Buch gewiß nicht so günstig aufgenommen haben. Ich empfinde dies so sehr, daß ich gesonnen war, es durch die Bearbeitung eines Gegenstandes aus der glorreichen Seegeschichte von England näher darzuthun. Welch ein Thema würde dies für einen mit dem Seeleben vertrauten Schriftsteller sein! Ein Amerikaner kann dies sehr wohl thun, wenn er sich einen Zug aus derjenigen Zeit wählt, wo Amerika sich noch nicht vom Mutterlande getrennt, und wo beide Länder noch eine Geschichte hatten. Einer ihrer eigenen Seeleute würde jedoch weit eher den Preis davon tragen, und ich beneide ihn deswegen nicht.

Unter den Leuten, die ich durch Herrn Spencer's Briefe kennen lernte, befand sich auch der Dichter Herr Sotheby. Dieser Mann, der nicht mehr jung ist, lebt hier auf einem sehr anständigen Fuße, denn er scheint Vermögen zu besitzen. Er ist ein sehr guter Repräsentant des Landes: einfach, ruhig, und wenn sein Gesicht und seine Manieren nicht lügen, auch wohlwollend und aufrichtig. Ich habe in der That selten Jemand gesehen, der bei so kurzer Bekanntschaft in Bezug auf die beiden letzteren Eigenschaften einen so guten Eindruck auf mich gemacht hatte.

Herr Sotheby lud mich, wie es sich von selbst versteht, zu Tische ein; denn der gesellige Verkehr basirt sich auch hier, wie in Frankreich und Amerika, auf Essen und Trinken. Er wohnt in einem Hause, welches, so viel ich sehen konnte, den amerikanischen glich, d. h. zu einer Zeit, wo der Geschmack noch nicht verdorben war. Ich erschien als einer der ersten Gäste; doch Herr Coleridge war schon vor mir angelangt. Er bot den Anblick eines blühenden Alters, hatte eine frische Gesichtsfarbe und einen Kopf so weiß wie Schnee. Sein Lächeln war wohlwollend; doch hatte ich kaum angefangen ihn zu betrachten, als Sir Walter Scott, begleitet von Herrn Lockhart, erschien. Der Letztere ist eine angenehme Erscheinung mit der Miene eines Weltmannes und einer Art von einem schottisch-spanischen Gesicht. Sein Lächeln ist bedeutend, und für einen Recensenten nicht übel. Von den drei bis vier Damen, die erschienen, war eine die Frau des Bischofs von London.

Bei Tische saß ich Sir Walter Scott gegenüber und rechts von Herrn Coleridge. Bis auf einige Bemerkungen des Letzteren trug sich bei Tische nichts zu, was erwähnt zu werden verdiente. Er sagte, als er Secretair bei Sir Alexander Ball, dem Gouverneur von Malta, gewesen, habe er die Correspondenz zwischen dem Befehlshaber unserer Flotte und der Regierung von Tripolis führen müssen. Ich vermuthe, dies wird in der Zeit gewesen sein, als der Kommodore Morris den Befehl hatte. Dieser Offizier lebte mit dem Admiral Ball auf einem sehr vertrauten Fuß, wie folgende Anekdote beweist. Der verstorbene Capitain Bainbridge hatte ein Duell mit einem englischen Offizier aus Malta, und zwar unter Umständen, die das öffentliche Gefühl ganz für ihn gewannen, und worin dieser Letztere getödtet wurde. An demselben Tage frühstückte der Commodore Morris bei dem Gouverneur von Malta. Nach dem Frühstück erwähnte Sir Alexander Ball das Duell gegen seinen Gast, und bemerkte, er halte es für seine Pflicht, den Capitain Bainbridge vor Gericht zu fordern. Natürlich war dagegen nichts zu sagen, und der Commodore empfahl sich. Als er seinem Schiffe zufuhr, bemerkte er wie zufällig, Capitain Bainbridge werde vorgeladen werden. Der Steuermann des Bootes erzählte es dem Schiffslieutenant, und dieser gab dem Capitain sogleich einen Wink. Die gerichtliche Vorladung erschien zur gehörigen Zeit. Der Commodore sandte den Befehl an die verschiedenen Schiffe, den Verbrecher auf der Stelle auszuliefern; doch erhielt er von allen die Antwort, derselbe sei nirgend anzutreffen; denn Capitain Bainbridge hatte sich in der That nach dem erhaltenen Wink auf einer Felucke nach Sicilien entfernt. Dies Benehmen spricht sehr zu Gunsten des Sir Alexander Ball, der stets den Seemanns-Wunsch hatte, die Barbaren mit dem Tauende zu züchtigen. Herr Coleridge erzählte mir diese Anekdote zwar nicht, sondern ich hörte sie vor einigen Jahren von meinem Freunde, dem Commodore Morris, selbst.

Eine Bemerkung des Herrn Coleridge zeigte von schlechtem Geschmack. Er sagte, die meisten unserer Offiziere gefielen ihm, nur nicht der Commodore Rodgers. Es war ganz klar, daß er gegen diesen Offizier ein Vorurtheil gefaßt hatte wegen der Affaire mit dem » Kleinen Belt« Ein Schiff.. Kein Verfahren derselben Art ist vielleicht jemals genauer untersucht worden als dieses, und niemals ist wohl einem Manne größeres Unrecht geschehen, als dem Commodore Rodgers. Ich gestehe, ich habe seine Aufführung stets rein menschlich gefunden. Man schoß auf ihn, und er schoß natürlich wieder. Da er bemerkte, daß der Feind nur einen schwachen Widerstand leistete, ließ er sein Feuer einstellen, und nicht eher wieder beginnen, als bis er abermals angegriffen wurde. Nach wenigen Minuten hörte er aus demselben Grunde zum zweiten Male auf. Sein eigenes Schiff war kaum verletzt worden, und nur ein Schiffsjunge hatte eine Wunde bekommen; das feindliche Schiff war durchlöchert und das Verdeck mit Todten und Verwundeten angefüllt.

Wenn wir nun auf unsere frühere Geschichte zurückblicken, und ganz besonders auf den willkürlichen Angriff auf Chesapeake, einen Eingriff, wegen dessen es die englische Regierung für nöthig hielt, sich zu entschuldigen, so ist es noch ein großer Beweis von Mäßigung, daß der Commodore Rodgers nicht auf die gänzliche Uebergabe des » Kleinen Belts« bestand. Dies hätte er recht gut thun, und ihn ohne Gefahr für sein eigenes Schiff mit Gewalt nehmen können; denn was den ruhmredigen Bericht anbelangt, nach welchem der » Präsident,« das Schiff des Commodore, in die Flucht geschlagen worden, so weiß man die Sache besser; und kein Seemann, der mit der Stärke beider Schiffe bekannt war, hat dies auch nur einen Augenblick geglaubt.

Die Sache ist später durch ein Schwesterschiff des » Präsidenten,« die »[+] Constitution,« erst ganz ins Reine gebracht worden, welches in einem ganz offenen Gefecht zwei Schiffe von der Stärke des » Kleinen Belt« zu gleicher Zeit genommen und gefangen in den nächsten Hafen geführt hat.

Nichts kann deutlicher die traurigen Folgen der geistigen Abhängigkeit beweisen, worin sich Amerika in Bezug auf England befindet, als die Weise, mit welcher Commodore Rodgers durch die öffentliche Meinung in seinem eigenen Vaterlande, wegen seines Betragens bei dieser Gelegenheit angefeindet wurde. Aeußerst betrübt ist in der That die Lage eines Offiziers, der, nachdem er sein Leben für sein Vaterland in die Schanze geschlagen, nichts erntet als Verläumdung und Anfeindung von denjenigen, für die er gefochten hat, und das nur, weil er ihre unversöhnlichen Feinde demüthigte. Commodore Rodgers hat sich niemals die Gunst des Publicums wieder erwerben können, die er durch einen Vorfall einbüßte, bei welchem er sich nur edel und großmüthig benahm. Man wirft ihm zwar diese Handlung jetzt nicht mehr vor, denn sie ist durch die strengste Untersuchung ganz genau ermittelt worden; doch hegen Tausende noch Vorurtheile gegen ihn, die nur eine Folge desselben sind.

Den Lohn erntet man, wenn man einem Volke dient, das seine eigenen Beamten nur mit den Augen seiner Feinde betrachtet. Ich glaube, wir können uns rühmen, die einzige Nation auf dem ganzen Universum zu sein, die sich auf eine so gefährliche Weise von einer andern Nation beherrschen läßt.

Herr Sotheby hat einen Sohn, der Capitain in der Marine ist. Dieser Mann, glaube ich, fühlte die Unzulänglichkeit der Bemerkung des Herrn Coleridge; denn er äußerte sich sehr günstig über den Commodore Rodgers, mit dem er vor kurzer Zeit zu thun gehabt. Ich begnügte mich damit, nur ganz trocken hinzuwerfen – »er ist ein sehr achtbarer Mann und ein vortrefflicher Offizier,« welches wenigstens zur Folge hatte, daß man die Unterhaltung wechselte.

Als die Damen sich zurückgezogen hatten, wandte sich das Gespräch auf Homer, den Herr Sotheby damals übersetzte. Jemand bemerkte, Herr Coleridge glaube gar nicht an die Existenz Homer's, und sei der Meinung, das Gedicht habe mehrere Verfasser. Dies veranlaßte ihn, das Wort zu nehmen, und ich habe nie etwas gesehen, welches sich mit dem vergleichen ließe, was jetzt erfolgte. Es war keine Unterhaltung, sondern eine vollständige Dissertation. Es sprach fast Niemand als Herr Coleridge, mit Ausnahme von Herrn Sotheby, der der entgegengesetzten Meinung war; und es konnte auch sonst Niemand sprechen. Zu gewissen Augenblicken war er auf eine überraschende Weise beredt, und erschien die ganze Zeit hindurch vollkommen Herr seines Gegenstandes. So wie mir es schien, sprach er wohl eine volle Stunde ununterbrochen hinter einander. Er sprach nicht allzu schnell, markirte jede Sentenz mit der größten Bestimmtheit und that in der Aussprache keiner Sylbe etwas zu Leide. Es schien ein fortwährender Kampf zwischen den Worten und Ideen bei ihm stattzufinden, und dennoch trat weder Stockung noch Wiederholung ein. Seine Stimme war stark und hell, er schraubte sie indeß nicht über den gewöhnlichen Conversationston hinaus. Die einzige bemerkbare Eigenthümlichkeit war ein leises Schnarren, wenn er das R aussprach; es war indessen kaum mehr als die Sprache überhaupt verlangt. Einige Male als Herr Sotheby versuchte, auch seinerseits ein Wort einzumischen, wurde ihm nur so viel Zeit gestattet, daß er irgend eine leitende Idee aussprechen konnte; dieser bemächtigte sich dann Herr Coleridge, indem er ihm ohne Umstände das Wort aus dem Munde nahm, und führte dann das Pro und Contra der Sache selbst durch. Mich überraschte weniger seine Logik, als die Schönheit der Sprache und die Poesie der Bilder, deren er sich bediente. Von dem Gegenstande selbst wußte ich in gelehrter Beziehung zu wenig, um die Sache kritisch beurtheilen zu können; doch versuchte er, seine Behauptung dadurch zu bekräftigen, daß er seine Sätze auf ganz gewöhnliche Dinge anwandte. Hierin schien er mir jedoch oft zu fehlen. Seine Dissertation war in der That mehr erstaunenswürdig als überzeugend.

Die Rede des Herrn Coleridge kann eigentlich mit der Unterhaltung des Sir James Mackintosh gar nicht in Vergleich gestellt werden. Der Eine lies't ein Collegium, während der Andere eine Unterhaltung macht. In der Unterhaltung des Letzteren ist eine Ader von anspruchsloser Philosophie und eine Gewohnheit des Analysirens, bei welcher man sich stets der Hauptsache dessen erinnert, was er gesagt hat; während der Erstere, obgleich er ein synthetischer und philosophischer Kritiker ist, mehr die Einbildungskraft als die anderen geistigen Thätigkeiten anspricht. Mackintosh ist auch aufgelegt zu hören, während Coleridge nur sprechen will.

Wir waren noch bei Tische, als das fortwährende Klopfen uns daran erinnerte, daß sich das Gesellschaftszimmer bereits angefüllt habe; Herr Coleridge sprach jedoch immer weiter, bis Herr Sotheby nach einer halben Stunde die Geduld verlor, und zuerst aufstand. Das Haus hatte sich mit Leuten angefüllt, die gekommen waren, um Sir Walter Scott zu sehen. Dieser ging ruhig unter einer großen Schaar von Damen umher, um sich, wie er in Paris sagte, »die Mähne streichen zu lassen, so sehr es ihnen beliebte.«

Ich hatte noch eine Einladung, und ging, um mich nach meinem Hute umzusehen, den ich unter ein Sopha gestellt hatte, um ihn den Händen der Bedienten zu entziehen, die eine große Geschicklichkeit darin besitzen, die Hüte aus dem Wohnzimmer zu entfernen, während man bei Tische sitzt. Der Bischof von London saß auf dem Sopha und bedeckte den Hut gänzlich mit seinem geistlichen Kleide. Herr Sotheby, der bemerkte, daß ich etwas suchte, fragte mich sehr gütig nach meinem Begehr. Ich sagte ihm, daß ich so eben recht sehnlich die Beförderung des Bischofs von London wünschte, um zu meinem Hute zu gelangen; und so wunderbar es scheinen mag, so ist er doch bereits zum Erzbischof von Canterbury ernannt worden.

Als ich eben fortgehen wollte, erschienen einige Damen meiner Bekanntschaft, und ich blieb noch einen Augenblick, um mich mit ihnen zu unterhalten. Sie werden sich erinnern, daß im Congreß eben über das Schutzsystem debattirt wird. Das Interesse, welches man hier für diesen Gegenstand hegt, können Sie sich kaum denken. In der Unterhaltung mit den erwähnten Damen erhielt ich einen Beweis davon, und einige andere Damen, die sich in unsere Unterhaltung mischten, gaben nur einen neuen. Wenn die Frauen sich mit einer Sache beschäftigen, so ist es ein sicheres Zeichen, daß die Nation die Wichtigkeit derselben fühlt. Europa, und besonders der Norden, besitzt eine Klasse weiblicher Politiker, die man bei uns gar nicht kennt.

Wir haben eben so gut unsere Parteidamen wie England, welche die Gesinnungen ihrer männlichen Bekannten theilen – die mit ihnen hassen, verurtheilen und blind bewundern; wie selten ist es jedoch, nur eine zu finden, die im Stande wäre, ein Kind in den ersten Grundsätzen der Interessen und Pflichten des Landes zu unterrichten. Ein Theil der Unbekanntschaft mit diesen Dingen liegt in dem natürlichen Zustande von Amerika, der ihnen gestattet, ohne die Kenntniß dieser Dinge fertig zu werden; es würde jedoch viel besser sein, wenn man unsere Mädchen etwas länger bei den Büchern festhielte, und sie nicht so früh wie möglich den Gesellschaften und Bällen überlieferte.

Ich hatte an diesem Abende mit einer Dame einen kurzen, aber harten Streit über Staatsökonomie. Sie war durchaus für Freiheit des Handels und Verkehrs; – und dies ist ein Grundsatz, der auf ganz falschen Begriffen beruht. Sie fragte mich, »ob Handel nicht in dem Austausch von Dingen von scheinbar gleichem Werthe bestehe.« Ich glaubte nicht, daß der Indianer, der in seinen Wäldern ein Biberfell für einen halben Dollar verkauft, welches später vier bis fünf Dollars reinen Verdienst giebt, irgend etwas von gleichem Werthe dafür erhalte. »Er verliert durch seine Unkenntnis der geselligen Zustände, während der Handelsmann dadurch gewinnt,« warf sie mir ein. »Der freie Handel würde dem Indianer gestatten, sein Pelzwerk allein auf den Markt zu bringen und den Profit selbst einzustecken.« Dies ist theoretisch richtig, sagte ich; das Leben ist jedoch aus Thatsachen zusammengesetzt, die der Theorie Hohn sprechen. Der Wilde kann nicht kommen. »Wüßte die Beschränkung des Handels ein Mittel oder einen Ausweg anzugeben?« fragte sie. Ganz gewiß; man dürfte nur z. B. einen geschickten Agenten ernennen, der ihr Pelzwerk für sie verkaufte; und dadurch, daß sie die Handelsleute von ihrem Gebiete ausschlössen, würden sie einen doppelten oder dreifachen Preis für ihre Pelze erhalten. »Ihr Agent könnte sie betrügen,« wandte die Dame ein. Das thut der Handelsmann auch. »Die Käufer würden wo anders hingehen.« Das können sie nicht; denn die Indianer haben das Monopol auf diese Artikel. »Behauptete ich nicht, der freie Handel befördere den Verkehr, und wende auf indirecte Weise seine Vortheile der ganzen Welt zu?« Ich zweifelte nicht daran, daß manche Beschränkungen abgeschmackt sein mögen. Hierin erblickte ich das Einzige, was sich zu Gunsten des freien Handels anführen läßt.

Wir wollen uns einen mit den schönsten Früchten angefüllten Garten denken, auf welche der Eigenthümer einen mäßigen Preis setzt. Er weigert sich jedoch, seine Thür öfter als wöchentlich einmal zu öffnen, und die Hälfte seiner Früchte verdirbt ihm. Dies ist eine Folge der Beschränkung. Ueberführt von seinem Fehler öffnet er seine Thür ein für allemal, und erlaubt einem Jeden einzutreten und zuzulangen. Um alle Leute über einen Kamm zu scheeren, verbietet er das Erklettern der Bäume und den Gebrauch von Leitern. Ein großer Mann tritt ein, und pflückt so viel Früchte, wie er nur immer kann; wohingegen der kleine Mann an seiner Seite nicht bis zu ihnen hinauf zu reichen vermag. »Der freie Verkehr würde ihm gestatten, eine Leiter anzulegen.« Das ist wahr, wenn er eine hätte, oder stark genug wäre, eine zu handhaben. Nun machen Kenntniß, Kapital, Uebung, Geschick und natürliche Anlagen eigentlich den Unterschied in der Größe der Nationen aus, und die Gesetze müssen die Leitern liefern, oder die kleinen Leute werden entweder keine Früchte bekommen, oder sie zu dem Preise nehmen müssen, den die Großen ihnen stellen. »Die Mitbewerbung würde dies so wie andere Dinge in Ordnung bringen, und auf dem Markte würde sich dies Alles ausgleichen.« In der Theorie hat es zwar diesen Anschein, doch kommt es in der Praxis ganz anders zu stehen; denn wir erwarten in der Regel zu viel von der Mitbewerbung.

Noch nie hat die Welt im Handel einen Austausch von Dingen gleichen Werthes erlebt, und dies wird auch wohl niemals geschehen. Man sagt gewöhnlich, wir könnten nicht mehr kaufen, als wir verkaufen, und die Waage des Handels regulire sich immer wieder von selbst. So scheint es auf dem Papier, in der Praxis ist es jedoch ganz anders. Wir können zu theuer einkaufen und zu wohlfeil verkaufen. Wenn England ein Pfund Sterling an jedem Centner Baumwolle dadurch verdient, daß es denselben um ein Pfund über den Einkaufspreis weiter verkauft, so können die englischen Manufakturisten wohl in Equipagen einherrollen, während unsere Pflanzer für sie arbeiten. »Man lasse diese Sache durch eine Anspannung der natürlichen Kräfte ins Gleichgewicht kommen, und nehme keine Zuflucht zu den Gesetzen.« Hat ein starker Mann einmal einen schwachen niedergeworfen, und die Befreiung des Letzteren hängt nur von seinen natürlichen Kräften ab, so möchte er wohl nie wieder aufkommen.

Hier wünschte ich meiner schönen Gegnerin eine gute Nacht, wie ich sie Ihnen wünsche.

 


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