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Siebenter Brief.

Dem Herrn Thomas Floyd-Jones, Esq. Fort Neck.

London in der Saison. – Englische Kutscher und Kutschen. – Die Parks. – Englische Pferde. – Die Equipage des Königs. – Fashionable Trauungen. – Equipagen. – Wappen. – Englische Bedienten. – Die höheren Classen. – Engländer und Amerikaner. – Größe der englischen Frauen. – Dauer des menschlichen Lebens. – Complexion der Engländer. – Lady Affleck. – Engländerinnen. – Sänften.

Als wir zuerst von Paris hier anlangten, war ich sehr aufgelegt zu leugnen, daß die Straßen von London so belebt wären, wie man sie gewöhnlich schildert. Meine Ansichten haben sich in dieser Beziehung geändert; was damals richtig war, ist es jetzt nicht mehr. London oder vielmehr Westminster in der Höhe der Saison und Westminster außerhalb der Saison sind, was Bewegung und Lebhaftigkeit in den Straßen anbelangt, nicht mehr dieselben Städte.

Als ich im Jahre 1826 hier war, bemerkte ich in Bezug auf Volksmenge zwischen der Regent-Street in London und den Broadway in New-York keinen Unterschied; jetzt jedoch, da die Osterfeiertage vorüber sind, scheint Jeder auf seinem Posten zu sein; und so weit bin ich davon entfernt, jemals an irgend einem andern Ort eine so bewegte Volksmenge, so lange Züge glänzender Equipagen und ein so rastloses Drängen und Treiben in den Straßen gesehen zu haben, daß ich mir so etwas bisher nicht einmal träumen ließ. Wer nicht um diese Zeit des Jahres in London gewesen ist, weiß eigentlich nichts von diesem Ort. In den Stunden von des Mittags um ein Uhr bis um sechs Uhr ist es in der That lebensgefährlich für einen Fußgänger, quer über eine Straße zu laufen. Ich wohne in der Nähe von Piccadilly, welches nicht breiter ist als Broadway, – wenn es überhaupt so breit ist, – und ich muß diese Straße häufig kreuzen. Sie wissen, es fehlt mir eben nicht an Schnelligkeit; dennoch finde ich es für höchst nöthig, zuerst nach einer Gruppe von Wagen in der Mitte der Straße zu laufen, und hier erst wieder einen günstigen Moment abzupassen, um alsdann mit einiger Sicherheit die andere Seite der Straße zu erreichen. In Regent-Street ist es noch schlimmer; und Charingcroß ist eine Stelle, die man unmöglich passiren könnte, wenn nicht eine Statue Carls I. daselbst stände, die eine Station gewährt. Was Broadway und seine Ueberfüllung anbelangt, so läßt es sich nur mit einer lebhaften Straße Londons vergleichen, wie etwa die Chestnut-Street mit Broadway selbst.

Oft bleibe ich, meinen Augen kaum trauend, auf den Straßen stehen, um mich über die Entfaltung des ungeheuern Reichthums zu wundern, der sich hier auf einem so kleinen Raum zusammengedrängt befindet. Unsere Pferde in Amerika haben nicht die Schnelligkeit, die den Pferden in Europa überhaupt eigen ist; die Londoner Pferde traben jedoch mit einer Gewalt einher, daß man glaubt, die Erde zittere unter ihren Hufen. Sie ziehen sehr große Equipagen, und da sie selbst von großer Gestalt und ausnehmender Schnelligkeit sind, so hat ihre Annäherung zuweilen etwas Furchtbares. Unter Schnelligkeit wünsche ich jedoch nicht, daß Sie als ein Besucher der Pferderennen diejenige Schnelligkeit verstehen, welche man auf den Rennbahnen antrifft. Ich denke, wir wären im Stande, ebenfalls einen guten Schlag Zug- und Reitpferde aufzubringen; die Race der englischen Kutschpferde scheint uns jedoch gänzlich zu fehlen, oder wenn wir dieselbe besitzen, so ist sie längst durch andere gekreuzt und verdorben.

Die englischen Kutscher stellen die Köpfe ihrer Pferde nicht gegen einander, wie wir es thun; sondern ein jedes Thier trägt sich vollkommen gerade und parallel mit der Deichsel. Anfänglich mißfiel dies meinem Auge; doch ist es auf jeden Fall vernünftiger als unsere Mode, und darum ist mein Mißfallen verschwunden. Die Pferde sind im Stande, auf diese Weise weit länger auszuhalten, als auf die andere; und wenn man einmal daran gewöhnt ist, so glaube ich sogar, daß es auch besser aussieht.

Die englischen Kutscher sind eben so vortrefflich wie die Kutschpferde; vielleicht eher etwas zu schwer; doch hier sind alle diese Sachen überhaupt solider als bei uns. Die französischen Wagen haben schönere Formen, doch sind sie nicht so gut gebaut. Sie sehen einige derselben in New-York; wir halten sie indeß für zu schwerfällig und ungeschickt. Eine unserer gewöhnlichen Equipagen würde in Regent-Street bald eine verhöhnende Menge hinter sich haben. Die Bewegung eines englischen Wagens gleicht fast der eines Dampfbootes; ich rede hier natürlich nur von denen der ersten Classe; ein Wagen zweiter Classe ist nicht besser, wie unsere eigenen, stets jedoch schwerer.

Die Herren reiten hier sehr viel. Die Parks bieten zu dieser männlichen und gesunden Leibesübung viel Gelegenheit. Man kann hier Meilen weit galoppiren, ohne sich zu kreuzen, und ein großer Theil des Weges zwischen angenehmen Feldern hin. Die Engländer lieben jedoch den Galopp nicht; die Pferde gehen entweder nur im starken Trabe oder im Schritt. Während des ersteren hebt und senkt sich der Reiter fortwährend, – nach meinem geringen Urtheil eine höchst ungraziöse wippende Bewegung.

Nichts ist gewöhnlicher, als einen Mann zu sehen, der auf dem Kiessand des Parks umhersprengt, während er fast auf dem Hals des Thieres liegt; ihm folgt sein Reitknecht, der die Bewegungen seines Herrn so treu wie möglich zu copiren sucht. Ich habe häufig mit jungen Freunden gefrühstückt, und drei bis vier Reitpferde mit eben so viel Reitknechten vor der Thür gefunden, die auf ihre Herren warteten. Nichts ist gewöhnlicher, als fünfzehn bis zwanzig Pferde im Old Palace Yard zu sehen, deren Eigenthümer noch mit Dienstpflichten beschäftigt sind.

Wir scheinen Reitpferde zu besitzen, die der arabischen Race näher kommen, als die, welche man hauptsachlich hier gebraucht. Die häufigsten Farben der Pferde sind dunkel- oder kastanienbraun; von den eigentlichen Goldfüchsen sieht man nur wenige.

England ist das Land der Anständigkeit. Sollte ich ein einziges Wort aussuchen, um damit den National-Charakter zu bezeichnen, so würde ich dies wählen. Es beherrscht die Gesellschaft von ihrem Gipfel bis zu ihrer Basis, und durchdringt, wenn nichts weiter, doch wenigstens den Schein. Es mischt sich in die Religion, Moral, Politik, Wohnungen, Equipagen, Manieren, Toilette, und man möchte sagen, in alle Meinungen des Volkes. Ich werde jetzt meine Behauptung durch ein Beispiel belegen.

Es möchte sehr schwer sein, geeignetere Regeln zu erfinden als diejenigen sind, welche hier in Bezug auf Equipagen, Ställe und Pferde bestehen. Alle diese Dinge sind so vollkommen, daß ich sie der besonderen Erwähnung werth achte. Man möchte den Wagen vielleicht ihre zu große Schwere vorwerfen; man muß diesen Umstand jedoch auf die Stärke der Pferde und die Vortrefflichkeit der Straßen schieben. Eine auffallende Equipage sieht man äußerst selten; denn die Regel spricht sich für eine elegante Einfachheit aus. Bei feierlichen Gelegenheiten, und zumal bei Hoffesten erscheinen jedoch Kutschen, die von dieser Regel eine Ausnahme machen.

Den König sieht man äußerst selten; wenn er jedoch erscheint, so zeigt er sich auf eine ganz andere Weise, wie der König von Frankreich. Ich habe kürzlich seine Abfahrt vom St. James-Palast nach Windsor gesehen. Er saß mit einer seiner Schwestern in einer Chaise, und ihm folgte noch ein anderer Wagen.

Seine Chaise wurde von vier Pferden gezogen, die zwei Postillons führten; während noch zwei Postillons als Vorreiter einige Schritte vor den Vorderpferden ritten. Vier berittene Diener waren unmittelbar hinter dem Wagen, während eine Abtheilung Lanciers den Weg frei machte und eine andere den Zug schloß. Er fuhr eben nicht besonders rasch. Bei feierlichen Gelegenheiten zeigt er sich natürlich in einem glänzenderen und mehr königlichen Aufzug.

Vor fünfundzwanzig Jahren fuhren Familien von Rang auf dem Lande häufig mit sechs Pferden, und ließen sich durch berittene Diener begleiten. Diesmal habe ich nichts dieser Art mehr bemerkt. Postchaisen mit vier Pferden sind sehr gewöhnlich; die meisten Leute fahren jedoch nur mit zweien. Diese Veränderung ist allein der Verbesserung der Straßen zuzuschreiben.

Die meisten fashionablen Trauungen werden in zwei Kirchen vollzogen, nämlich entweder in der St. James-Kirche, Piccadilly, – oder in der St. Georgs-Kirche, Hannover-Square. Wir wohnen in nicht zu großer Entfernung von der ersteren, und ich habe oft dieser Ceremonie zugeschaut. Die Paare reisen sogleich nach der Trauung ab, und zwar unmittelbar von der Kirche aus. Die Mode scheint eine Postchaise mit vier Pferden und zugehängten Fenstern zu verlangen; die Postillons tragen Livréen und große weiße Kokarden dazu. Der Anblick ist zu gewöhnlich, als daß er in den Straßen die geringste Aufmerksamkeit zu erregen vermöchte; wenn jedoch Jemand wagen sollte, nur im entferntesten von dieser Mode abzuweichen, so würde man es sicher am nächsten Tage in allen Zeitungen lesen.

Sie haben nicht die geringste Idee von dem, was eine Livrée ist. Ein Rock von einer auffallenden Farbe, vielleicht weiß mit Stickerei bedeckt, eine rothe Plüsch-Weste und eben solche Beinkleider, weiße Strümpfe, Schuhe mit Schnallen, ein runder Hut mit einer Tresse und einer großen Kokarde, ein gepuderter Kopf und ein Stock mit goldnem Knopf machen einen vollständigen Livrébedienten. Ein dreieckiger Hut, eine Perrücke und ein Rock mit vielen Kragen über einander zieren den Kutscher. Zwei Bedienten hinten auf dem Wagen sind unumgänglich nothwendig; bei feierlichen Gelegenheiten sieht man deren auch mehr. Jäger sind mehr auf dem Continent üblich, und hier nicht gewöhnlich. Alle diese Dinge sind den schärfsten Regeln der Schicklichkeit und des Anstandes unterworfen, gegen welche nicht verstoßen werden darf. Ein Mitglied des Hauses der Gemeinen darf nicht so viel Aufwand machen, wenn es nicht eben ein sehr berühmtes ist. Das Haupt einer alten gräflichen Familie kann nicht Glanz genug entfalten. Ein Parvenu hüte sich vor Kokarden und Stöcken. Es herrscht in diesen Dingen kein besonderes Gesetz, sondern nur Gebrauch und Herkommen; während ein Engländer jedoch hundert Dinge begehen kann, die eine ganze Provinz des nordamerikanischen Freistaats in Aufruhr bringen würden, darf er das alte Herkommen nicht ungestraft verletzen. Man würde den Verwegenen zerreißen. Oft treibt die Eitelkeit einen Unglücklichen an, die ihm vorgezeichnete Grenze zu überschreiten; dann wird er aber so lange verlacht, verspottet, angefeindet und gelästert, bis man es für höchst unmoralisch hält, mit ihm ferner umzugehen.

Die Wappen werden mit einer religiösen Ehrfurcht betrachtet; nicht etwa, daß man nicht auch hier verstände, sich dieselben heimlich anzueignen, – es werden nur dabei die strengsten Regeln beobachtet. Nur das Haupt der Familie führt die Schildhalter im Wappen, wenn man dies Vorrecht nicht durch eine besondere Concession einem anderen Familienmitgliede überließ. Nur der Pair allein prangt mit der Krone u. s. w. – nicht nur jeder Mann, jede Frau und jedes Kind hat seinen bestimmten Platz, sondern dies ist sogar mit jeder Equipage, jedem Stock und jeder Perrücke der Fall.

Bei allen diesen Dingen ist viel Falsches und Ertödtendes mit manchem Schicklichen und Schönen verbunden. Der große Fehler ist aber nur, daß man das Falsche dem Richtigen unterschiebt; den besonderen Vortheil hat die Sache jedoch, daß dadurch viele Mißgriffe und Unschicklichkeiten vermieden werden. Ich vergesse jedoch, daß ich von Pferden sprach.

England ist das Land der Reichen. So viel Vortheil die Volksmasse von den Reichen ziehen kann, nimmt sie bestimmt in Anspruch; wenn jedoch einmal die Interessen der Reichen und Armen in Conflikt gerathen, so ziehen diese letzteren gewiß den Kürzeren.

Die berühmte Vertheilung der Arbeit, die so viel zur Vergrößerung Englands beigetragen hat, dehnt sich sogar bis auf die Wirthschaften aus. Die Menschen werden zum Dienste assortirt wie in den Armeen; dabei zieht man ihre Gestalt und ihr Aussehen mehr zu Rathe als ihren Charakter. Fünf Fuß zehn Zoll und etwas mehr machen das Glück eines Bedienten. Diese bekommen einen Dienst in großen Häusern; die kleineren müssen sehen, wo sie unterkommen; sie haben höchstens Anspruch auf den Posten eines Stallknechts, Küchenjungen oder Marqueurs in irgend einem Gasthofe.

Der englische Bediente, den ich angenommen habe, ist ein kleiner, alter, stämmiger Mann mit einem rothen Gesicht und gepudertem Kopf, der einen schwarzen Frack und schwarze Beinkleider trägt, der jedoch selbst sagt, seine kleine Figur habe sein Glück verdorben. Er ist gerade so groß, daß er eben noch über meine Schulter sehen kann, wenn ich bei Tische sitze. Wenn meine Uhr so richtig ginge, wie dieser kleine Bursche, so würde ich keine Ursache haben, mich darüber zu beklagen. Er entfernt sich niemals, spricht gerade so laut, daß ich ihn noch verstehen kann, und nennt mich Herr. Der Schlingel hat auch seine Schicksale gehabt, denn er diente einst bei Peter Pindar, und begleitete Opie auf seiner ersten Reise nach London. Er ist in der Hauptstadt geboren, ungefähr funfzig Jahr alt, und hat sich nur immer zwischen Temple Bar und Covent Garden bewegt. Ich traf ihn zuerst im Hôtel; und jetzt erscheint er zum ersten Male unter Leuten von Stand, deren Pracht und Herrlichkeit mächtig auf seine Einbildungskraft wirken. W– brachte ihn neulich in eine vollkommene Ekstase, indem er ihm die Karte eines Earl vorlas, die man ihm so eben an der Thür für mich gegeben hatte. Er muß mich gelegentlich in die Gesellschaften begleiten, und da finde ich, daß man ihn seiner zwerghaften Gestalt wegen sehr verachtet.

Es hält sehr schwer, das Innere der Häuser und Menschen dieser Hauptstadt zu erforschen. Da bei den Entscheidungen der Reichen die Laune eben so sehr mit einwirkt wie das Urtheil, so ist ein hübsches Gesicht für ein Mädchen eine eben so mächtige Empfehlung, wie eine schöne Figur für einen Bedienten. Die Folge davon ist, daß man während der Saison in Westminster eine so große Menge schöner Frauen und Männer sieht, wie man sich kaum vorstellen kann.

Die höheren Classen der Engländer sind ein sehr schöner Menschenschlag; und da sie so viel Wichtigkeit auf das Aeußere ihrer Bedienten legen, so sieht man äußerst selten einen kleinen oder unansehnlichen Menschen in der Nähe ihrer Wohnungen. Die Garden, besonders diejenigen Regimenter, welche dicht um London garnisoniren, bestehen aus lauter ausgesuchten Leuten, so daß man in den Straßen von London nichts wie Schönheiten von beiden Geschlechtern trifft. Die Zwerge halten sich nur in den Ställen auf; und nur dann und wann sieht man einen mit einem Krug Bier in der Hand über die Straße schlüpfen. Auf den Equipagen oder vor den Hausthüren sieht man in der Regel nur wohlgebildete Menschen.

Da die Fremden gewöhnlich in diesem Theil der Stadt wohnen, so bekommen sie häufig irrige Begriffe von dem Menschenschlage in England in Bezug auf Größe. Ich bin überzeugt, die Männer in England sind im Ganzen kleiner als die in Amerika. Gewöhnlich sind sie beleibter; dies ist auf gewisse Weise eine Folge des Klimas, hauptsächlich jedoch des Umstandes, daß sie wissen, wie und was man essen muß. Mit den Frauen steht es hierin anders.

England scheint durchaus an Männern und Frauen zwei verschiedene Racen zu haben, nämlich eine große und eine kleine. Die Kleinen sind in der That klein, und sie sind weit zahlreicher, als ein zufälliger Beobachter glauben möchte. Bei uns findet man nichts dieser Art. Ich will damit nicht sagen, daß wir gar keine kleinen Männer hätten; man findet sie nur nicht in so großen Haufen wie hier. Ich habe oft bedeutende Gruppen solcher kleinen Leute in London getroffen, von denen nicht ein einziger größer war als fünf Fuß und einige Zoll. In den hiesigen Gesellschaftssälen und an öffentlichen Orten, die von den höheren Classen besucht werden, bin ich nur ein Mann mittlerer Größe, während ich auf dem Continent nach Verhältniß größer war.

In Amerika ist es äußerst selten, in irgend einer Classe eine Frau zu treffen, die an Größe irgend einem Manne gliche. In England ist nichts gewöhnlicher als dies, und besonders in den höheren Cirkeln. Ich habe häufig Männer und zwar ziemlich große Männer mit ihren Frauen gehen sehen, zwischen deren Gestalt Hinsichts ihrer Größe kein Unterschied zu bemerken war. Dies sieht man bei uns äußerst selten, hier jedoch sehr oft, und zwar so oft, daß sich das Auge häufig veranlaßt fühlt, nach Unterschieden in der Größe zu suchen.

In Amerika soll man nach Verhältniß viel weniger alte Leute sehen als hier, – dies ist eine allgemein verbreitete Annahme, die auch ganz richtig ist; denn es kann auch unmöglich anders sein. Hier wäre eine Gelegenheit, um über die gemeinplätzigen Bemerkungen der Reisenden etwas zu sagen. Selbst die Statistiker begehen häufig Fehler dieser Art; denn der zu kritischen Untersuchungen von Thatsachen vorhandene Geschmack ist selten mit der Fruchtbarkeit der Gedanken vereinigt, die erforderlich ist, neue Grundsätze oder alte unter neuen Umständen mit Glück zu untersuchen. Nur ein origineller Kopf vermag gut oder nützlich über Amerika zu schreiben, da die Welt bisher noch kein Beispiel von einem Volke aufzuweisen hat, welches unter so eigenthümlichen politischen Verhältnissen wie das amerikanische existirte. Wir wollen unser Raisonnement anwenden.

Um achtzig Jahr alt zu sein, muß man vor achtzig Jahren geboren sein. Um diese Zeit mag die Bevölkerung von Amerika etwa drei Millionen betragen haben, während die von England sich auf sieben Millionen belief. Man müßte daher nach diesem Verhältniß in England mehr als zwei Mal so viel Leute von achtzig Jahren sehen als in Amerika, oder für jede sieben achtzigjährigen Leute in Amerika müßte man in England auf mehr als sechzehn stoßen, wenn man die Chancen des Lebens in beiden Ländern für gleich annimmt. Was will also nun eine Bemerkung wie die oben erwähnte sagen, die sich ganz von selbst versteht. Fast gegen alle statistischen Berichte kann man dergleichen Einwürfe machen; denn die Statistiker sind nicht im Stande, den Einfluß von Umständen mit in Anschlag zu bringen, die sie nicht kennen, und die zu neu sind, als daß sie sich aus der Luft greifen ließen.

Ich sehe keinen Grund, warum das menschliche Leben in Amerika nicht eben so lange dauern sollte wie hier; ich glaube im Gegentheil, es dauert bei uns durchschnittlich noch länger. Ich meine damit, ein in der Provinz Neuyork, caeteris paribus, geborenes Kind hat dieselbe Wahrscheinlichkeit, das neunzigste Jahr zu erreichen, wie ein in Kent, Essex oder Oxford geborenes, so weit das Klima dabei im Spiele ist. Die Frische der englischen Farben täuscht sehr häufig oberflächliche Beobachter; sie ist mehr die Folge des Nebels und der Seeluft; und unter gleichen Umständen findet man in andern Ländern diese Frische ebenfalls, außer in Breiten, wo die Sonnenhitze die Haut bräunt oder schwarz färbt. Ohne Frage sind die Ausdünstungen eines so eben urbar gemachten Landes schädlich; doch rede ich hier von den älteren Theilen unsers Landes, wo die Zeit schon das Ihrige gethan hat. Ich kann mich noch der Epoche erinnern, wo es nicht gewöhnlich war, in den Bergen von C–n eine Frau mit einer schönen Gesichtsfarbe zu sehen, während man jetzt kaum ein Mädchen mit so blühenden Farben treffen kann, wie sie sich in dieser Gegend finden. Auf meinem Wohnsitz zu Angwine in West-Chester wußte ich zehn englische Meilen in der Runde zehn Leute von mehr als neunzig Jahren aufzuzählen. Zu ihnen gehörte eine Frau, die beim Obersten Heathcote diente, von dem Sie gehört haben, und der am Schluß des siebzehnten Jahrhunderts eine Rolle in der Colonie spielte. Ein Anderer war Herr Augustus Van Cortlandt, der im neunzigsten Jahr noch seine selbstgezogenen Pferde ritt. Die alte Frau wartete noch mein ältestes Kind, und hatte fünf Generationen in derselben Familie gesehn.

Das Klima von Amerika wird jedoch im Allgemeinen nicht für sehr ungesund gehalten; denn als ich vor einigen Tagen Lady Affleck, eine Dame von sehr vorgerücktem Alter aus Neuyork, besuchte, sagte sie mir, sie habe die Ueberzeugung, die Menschen lebten in Amerika länger als in England. Sie hatte bei vielen alten Mitgliedern der Colonie Erkundigungen darüber eingezogen, z. B. bei Madame White Diese Dame ist so eben in ihrem neunundneunzigsten Jahre gestorben., Joh. Jay, Herrn John de Lancey, Madame Izard, Herrn Van Cortlandt, Herrn John Watts, Lady Mary Watts, und vielen andern Personen, die alle achtzig Jahre zählten, und von denen Viele nahe daran waren, ein Jahrhundert voll zu machen. Es schien mir, als wünschte sich die gute alte Dame selbst zu diesen zurück, um einmal wieder gute Luft einzuathmen.

Obgleich Westminster während der Saison die von mir angeführten Eigenthümlichkeiten hat, so ist mir doch die Bevölkerung von London im Ganzen in Bezug auf Gestalt und Frische der Farben durchaus nicht aufgefallen. Ich habe an einem andern Orte bereits angeführt, daß Paris hierin den Vorzug hat. Das Gesicht der englischen Frauen ist in der Hauptsache gerade so, wie das der amerikanischen, einige Eigenthümlichkeiten ausgenommen. Es ist eine sehr delikate Sache, über die Reize des schönen Geschlechts zwischen zwei Nationen zu entscheiden. Da wir jedoch Beide über die Hoffnungen und Befürchtungen der Jugend hinaus sind, so ist ein Wort im Vorbeigehen weiter nichts als ein Tribut, den wir ihren Reizen zollen. Wenn es keine römischen Frauen gäbe, so würde ich dreist erklären, daß die Engländerinnen und Amerikanerinnen in Bezug auf persönliche Reize von allen Frauen den Preis davon tragen. In den weiblichen Gesichtern der Angelsachsen findet sich eine Sanftmuth, Unschuld, eine weibliche Süßigkeit und ein Ausdruck von Reinheit und Tugend, die man bei den Frauen der übrigen Christenheit nur als Ausnahme trifft. Zwischen den Gesichtern der englischen und amerikanischen Frauen werden sich einige allgemeine Unterschiede aufstellen lassen. Die Engländerin hat eine schönere Büste, schönere Schultern und einen schöneren Hals; sie hat auch gewöhnlich mehr Farbe, und diese ist im Ganzen zarter. Die Amerikanerin hat überhaupt sanftere Außenlinien, eine schönere Gestalt, – die Büste ausgenommen, – und kleinere Hände und Füße. Diejenigen, welche behaupten, von der Sache etwas zu verstehen, sagen gewöhnlich, man treffe die schönsten Frauen in England und die nettesten in Amerika. Wirkliche Schönheit ist überall nur eine Ausnahme, und man muß sich erinnern, wie weit leichter es ist, Ausnahmen in einem überfüllten Lande zu finden, als in einem solchen, wo die Bevölkerung auf einer Fläche lebt, die so groß ist, wie ein Drittel von ganz Europa. Einer Sache bin ich ganz gewiß: unangenehme Gesichter findet man nämlich unter den Amerikanerinnen viel seltener, als unter allen andern Nationen, die ich besucht habe. Was den Ausspruch in Bezug auf Schönheit und Nettigkeit anbetrifft, so muß ich ihn nach meinen in Newyork und London gemachten Beobachtungen für richtig anerkennen. Die Engländerinnen sehen besser aus in voller Toilette, die Amerikanerinnen in halber. Nur noch einen Unterschied will ich angeben, und dann die Sache fallen lassen. Ich habe bemerkt, daß Gesichtern, die von weitem recht gut aussehen, bei näherer Untersuchung die gehörige Feinheit abgeht; und ich behaupte daher, die Amerikanerinnen – besonders die Mädchen – vertragen eine genaue Untersuchung besser, als ihre europäischen Nebenbuhlerinnen.

Ich würde diese Blätter verunzieren, wenn ich jetzt noch einmal zu den Pferden zurückkehrte; ich muß jedoch noch anführen, – denn dies steht einigermaßen mit den Damen in Verbindung, – daß Sänften gänzlich aus den Straßen von Westminster verschwunden sind. Im Jahre 1826 sah ich noch eine Gruppe derselben, doch dies Mal fand ich auch diese nicht mehr. Die Sänften mögen noch zuweilen bei besonderen Gelegenheiten benutzt werden; wenn jedoch Cäcilie noch lebte, so würde sie es für äußerst schwer finden, sich noch einmal aus einer so elenden Maschine in dem Hausflur von Madame Benfield absetzen zu lassen.

Dank dem Himmel! die Menschen haben aufgehört, Pferde zu sein; – wann werden sie aufhören, einem gewissen andern vierfüßigen Thiere zu gleichen?

 


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