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Neuntes Kapitel: Kriegsplan, wenn Niederwerfung des Feindes das Ziel ist

Nachdem wir die verschiedenen Zielpunkte, welche der Krieg haben kann, näher charakterisiert haben, wollen wir die Anordnung des ganzen Krieges für die drei einzelnen Abstufungen durchgehen, welche sich nach jenen Zielpunkten ergeben haben.

Nach allem, was wir bis jetzt über den Gegenstand schon gesagt haben, werden zwei Hauptgrundsätze den ganzen Kriegsplan umfassen und allen übrigen zur Richtung dienen.

Der erste ist: das Gewicht der feindlichen Macht auf so wenig Schwerpunkte als möglich zurückzuführen, wenn es sein kann, auf einen; wiederum den Stoß gegen diese Schwerpunkte auf so wenig Haupthandlungen als möglich zurückzuführen, wenn es sein kann, auf eine; endlich alle untergeordnete Handlungen so untergeordnet als möglich zu halten. Mit einem Wort, der erste Grundsatz ist: so konzentriert als möglich zu handeln.

Der zweite Grundsatz: so schnell als möglich zu handeln, also keinen Aufenthalt und keinen Umweg ohne hinreichenden Grund.

Das Reduzieren der feindlichen Macht auf einen Schwerpunkt hängt ab:

Erstens von dem politischen Zusammenhang derselben. Sind es Heere eines Herrn, so hat es meist keine Schwierigkeit; sind es verbündete Heere, deren das eine als bloßer Bundesgenosse ohne eigenes Interesse handelt, so ist die Schwierigkeit nicht viel größer; sind es zu gemeinschaftlichen Zwecken Verbündete, so kommt es auf den Grad der Befreundung an; wir haben davon schon geredet.

Zweitens von der Lage des Kriegstheaters, auf welchem die verschiedenen feindlichen Heere erscheinen.

Sind die feindlichen Kräfte auf einem Kriegstheater in einem Heere beisammen, so bilden sie faktisch eine Einheit, und wir brauchen nach dem übrigen nicht zu fragen; sind sie auf einem Kriegstheater in getrennten Heeren, die verschiedenen Mächten angehören, so ist die Einheit nicht mehr absolut, es ist aber doch noch ein hinreichender Zusammenhang der Teile da, um durch einen entschiedenen Stoß gegen einen Teil den anderen mitfortzureißen. Sind die Heere auf benachbarten, durch keine großen Naturgegenstände getrennten Kriegstheatern aufgestellt, so fehlt es auch hier noch nicht an dem entschiedenen Einfluß des einen auf das andere; sind die Kriegstheater sehr weit voneinander entfernt, liegen neutrale Strecken, große Gebirge usw. dazwischen, so ist der Einfluß sehr zweifelhaft, also unwahrscheinlich; liegen sie gar an ganz verschiedenen Seiten des bekriegten Staates, so daß die Wirkungen gegen dieselben in exzentrischen Linien auseinandergehen, so ist fast die Spur jedes Zusammenhanges verschwunden.

Wenn Preußen von Rußland und Frankreich zugleich bekriegt würde, so wäre das in Beziehung auf die Kriegführung so gut, als wenn es zwei verschiedene Kriege wären; allenfalls würde die Einheit in den Unterhandlungen zum Vorschein kommen.

Die sächsische und die österreichische Kriegsmacht im Siebenjährigen Kriege waren dagegen als eine zu betrachten; was die eine litt, mußte die andere mitempfinden, teils wie die Kriegstheater in derselben Richtung für Friedrich dem Großen lagen, teils weil Sachsen gar keine politische Selbständigkeit hatte.

Soviel Feinde Bonaparte im Jahr 1813 zu bekämpfen hatte, so lagen sie ihm doch alle ziemlich nach einer Richtung hin, und die Kriegstheater ihrer Heere standen in einer nahen Verbindung und starken Wechselwirkung. Hätte er irgendwo durch Vereinigung seiner Kräfte die Hauptmacht überwältigen können, so hätte er dadurch über alle Teile entschieden. Wenn er die böhmische Hauptarmee geschlagen hätte, über Prag gegen Wien vorgedrungen wäre, so hätte Blücher bei dem besten Willen nicht in Sachsen bleiben können, weil man ihn nach Böhmen zu Hilfe gerufen haben würde, und dem Kronprinzen von Schweden würde es sogar an gutem Willen gefehlt haben, in der Mark zu bleiben.

Dagegen wird es für Österreich immer schwer sein, wenn es den Krieg gegen Frankreich am Rhein und in Italien zugleich führt, durch einen erfolgreichen Stoß auf einem dieser Kriegstheater über das andere mit zu entscheiden. Teils trennt die Schweiz mit ihren Bergen beide Kriegstheater zu stark, teils ist die Richtung der Straßen auf beiden exzentrisch. Frankreich dagegen kann schon eher durch einen entscheidenden Erfolg auf dem einen über das andere mitentscheiden, weil die Richtung seiner Kräfte auf beide konzentrisch gegen Wien und den Schwerpunkt der österreichischen Monarchie geht; ferner kann man sagen, daß es leichter von Italien aus über das rheinische Kriegstheater als umgekehrt mitentscheiden kann, weil der Stoß von Italien aus mehr auf das Zentrum und der vom Rhein aus mehr auf den Flügel der österreichischen Macht trifft.

Es geht hieraus hervor, daß der Begriff von getrennter und zusammenhängender feindlicher Macht auch durch alle Stufenverhältnisse fortläuft, und daß man also im einzelnen Fall erst übersehen kann, welchen Einfluß die Begebenheiten des einen Kriegstheaters auf das andere haben werden, wonach sich dann erst ausmachen läßt, inwiefern man die verschiedenen Schwerpunkte der feindlichen Macht auf einen zurückführen kann.

Von dem Grundsatz, alle Kraft gegen den Schwerpunkt der feindlichen Macht zu richten, gibt es nur eine Ausnahme: wenn nämlich Nebenunternehmungen ungewöhnliche Vorteile versprechen, und doch setzen wir dabei voraus, daß entschiedene Überlegenheit uns dazu in den Stand setzt, ohne auf dem Hauptpunkt zu viel zu wagen.

Als General Bülow im Jahr 1814 nach Holland marschierte, konnte man voraussehen, daß die 30000 Mann seines Korps nicht allein ebensoviel Franzosen neutralisieren, sondern auch den Holländern und Engländern Gelegenheit geben würden, mit Kräften aufzutreten, die ohnedem gar nicht in Wirksamkeit gekommen wären.

So wird also der erste Gesichtspunkt beim Entwurf des Krieges der sein: die Schwerpunkte der feindlichen Macht auszumitteln und sie womöglich auf einen zurückzuführen. Der zweite wird sein: die Kräfte, welche gegen diesen Schwerpunkt gebraucht werden sollen, zu einer Haupthandlung zu vereinigen.

Hier können nun folgende Gründe für ein Teilen und Trennen der Streitkräfte uns entgegentreten:

1. Die ursprüngliche Aufstellung der Streitkräfte, also auch die Lager der im Angriff begriffenen Staaten.

Wenn die Vereinigung der Streitkräfte Umwege und Zeitverlust verursacht und die Gefahr beim getrennten Vordringen nicht zu groß ist, so kann dasselbe dadurch gerechtfertigt sein; denn eine nicht notwendige Vereinigung der Kräfte mit großem Zeitverlust zu bewerkstelligen und dem ersten Stoß dadurch seine Frische und Schnellkraft zu benehmen, wäre gegen den zweiten von uns aufgestellten Hauptgrundsatz. In allen Fällen, wo man Aussicht hat, den Feind einigermaßen zu überraschen, wird dies eine besondere Rücksicht verdienen.

Aber wichtiger ist noch der Fall, wenn der Angriff von verbündeten Staaten unternommen wird, die gegen den angegriffenen Staat nicht auf einer Linie, nicht hinter, sondern nebeneinander liegen. Wenn Preußen und Österreich den Krieg gegen Frankreich unternehmen, so wäre es eine sehr gezwungene, Zeit und Kräfte verschwendende Maßregel, wenn die Heere beider Mächte von einem Punkte aus vorgehen wollten, da die natürliche Richtungslinie der Preußen vom Niederrhein und der Österreicher vom Oberrhein auf das Herz von Frankreich geht. Die Vereinigung könnte also hier nicht ohne Aufopferung erreicht werden, und es fragt sich also in dem einzelnen Fall, ob sie so notwendig ist, diese Opfer bringen zu müssen.

2. Das getrennte Vorgehen kann größere Erfolge darbieten.

Da hier von dem getrennten Vorgehen gegen einen Schwerpunkt die Rede ist, so setzt das ein konzentrisches Vorgehen voraus. Ein getrenntes Vorgehen auf parallelen oder exzentrischen Linien gehört in die Rubrik der Nebenunternehmungen, wovon wir schon gesprochen haben.

Nun hat jeder konzentrische Angriff in der Strategie wie in der Taktik die Tendenz der größeren Erfolge; denn wenn er gelingt, so ist nicht ein einfaches Werfen, sondern mehr oder weniger ein Abschneiden der feindlichen Armeen die Folge davon. Der konzentrische Angriff ist also immer der erfolgreichere, aber wegen der getrennten Teile und des vergrößerten Kriegstheaters auch der gewagtere; es verhält sich damit wie mit Angriff und Verteidigung, die schwächere Form hat den größten Erfolg für sich.

Es kommt also darauf an, ob sich der Angreifende stark genug fühlt, nach diesem großen Ziel zu streben.

Als Friedrich der Große im Jahr 1757 in Böhmen vordringen wollte, tat er es mit getrennter Macht von Sachsen und Schlesien aus. Die beiden Hauptgründe dazu waren: daß seine Macht sich im Winter so aufgestellt fand und ein Zusammenziehen derselben auf einen Punkt dem Stoß die Überraschung benommen haben würde; nächst dem aber, daß durch dieses konzentrische Vordringen jedes der beiden österreichischen Kriegstheater in seiner Flanke und im Rücken bedroht war. Die Gefahr, welcher sich Friedrich der Große dabei aussetzte, war, daß eine seiner beiden Armeen von überlegener Macht zugrunde gerichtet würde; verstanden die Österreicher das nicht, so konnten sie die Schlacht entweder nur im Zentro annehmen, oder sie waren in Gefahr, auf der einen oder anderen Seite ganz aus ihrer Rückzugslinie hinausgeworfen zu werden und eine Katastrophe zu erleben; und dies war der erhöhte Erfolg, welchen dieses Vordringen dem Könige versprach. Die Österreicher zogen die Schlacht im Zentro vor, aber Prag, wo sie sich aufstellten, lag noch zu sehr im Einfluß des umfassenden Angriffs, der, weil sie sich ganz leidend verheilten, Zeit hatte, in seine letzte Wirksamkeit auszulaufen. Die Folge war, als sie die Schlacht verloren hatten, eine wahre Katastrophe; denn daß zwei Drittel der Armee mit dem kommandierenden General sich in Prag einschließen lassen mußten, kann wohl dafür gelten.

Dieser glänzende Erfolg bei Eröffnung des Feldzuges lag in dem Wagstück des konzentrischen Angriffs. Wenn Friedrich die Präzision seiner eigenen Bewegungen, die Energie seiner Generale, die moralische Überlegenheit seiner Truppen auf der einen Seite und die Schwerfälligkeit der Österreicher auf der anderen für hinreichend hielt, um seinem Plan Erfolg zu versprechen, wer konnte ihn tadeln! Aber diese moralischen Größen dürfen nicht aus dem Kalkül weggelassen und der einfachen geometrischen Form des Angriffs schlechtweg die Ursache zugeschrieben werden. Man denke nur an den nicht weniger glänzenden Feldzug Bonapartes im Jahr 1796, wo die Überreicher für ein konzentrisches Vordringen in Italien so auffallend bestraft wurden. Die Mittel, welche dem französischen General hier zu Gebot standen, hätten mit Ausschluß der moralischen auch dem österreichischen Feldherrn im Jahr 1757 zu Gebot gestanden, und zwar mehr als das, denn er war nicht, wie Bonaparte, schwächer als sein Gegner. Wo man also befürchten muß, dem Gegner durch ein getrenntes konzentrisches Vordringen die Möglichkeit zu verschaffen, vermittelst der inneren Linien die Ungleichheit der Streitkräfte aufzuheben, da ist es nicht zu raten, und wenn es der Lage der Streitkräfte wegen stattfinden muß, als ein notwendiges Übel zu betrachten.

Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus einen Blick auf den Plan werfen, welcher im Jahr 1814 für das Eindringen in Frankreich gemacht wurde, so können wir ihn unmöglich billigen. Die russische, österreichische und preußische Armee befanden sich auf einem Punkt bei Frankfurt am Main in der natürlichsten und geradesten Richtung gegen den Schwerpunkt der französischen Monarchie. Man trennte sie, um mit einer Armee von Mainz her, mit der anderen durch die Schweiz in Frankreich einzudringen. Da der Feind so schwach an Kräften war, daß an eine Verteidigung der Grenze nicht gedacht werden konnte, so war der ganze Vorteil, welchen man von diesem konzentrischen Vordringen zu erwarten hatte, wenn es gelang, daß, indem man mit der einen Armee Lothringen und den Elsaß eroberte, mit der anderen die Franche-Comté genommen wurde. War dieser kleine Vorteil der Mühe wert, nach der Schweiz zu marschieren? - Wir wissen wohl, daß noch andere, übrigens ebenso schlechte Gründe für diesen Marsch entschieden haben; wir bleiben aber hier bei diesem Element stehen, wovon wir gerade handeln.

Von der anderen Seite war Bonaparte der Mann, der die Verteidigung gegen einen konzentrischen Angriff sehr wohl verstand, wie sein meisterhafter Feldzug von 1796 gezeigt hatte, und wenn man ihm sehr an der Zahl überlegen war, so räumte man doch bei jeder Gelegenheit ein, wie sehr er es moralisch sei. Er kam zu spät bei seiner Armee nach Châlons an und dachte überhaupt zu geringschätzig von seinen Gegnern, und doch fehlte wenig daran, daß er die beiden Armeen unvereinigt getroffen hätte; und wie fand er sie bei Brienne dennoch geschwächt? Blücher hatte von seinen 65000 Mann noch 27000 unter den Händen und die Hauptarmee von 200000 Mann noch 100000. Es war unmöglich, dem Gegner ein besseres Spiel zu geben. Auch fühlte man von dem Augenblick an, wo man zum Handeln schritt, kein sehnlicheres Bedürfnis als die Wiedervereinigung.

Wir glauben nach allen diesen Betrachtungen, daß, wenn der konzentrische Angriff auch an sich das Mittel zu größeren Erfolgen ist, er doch hauptsächlich nur aus der ursprünglichen Verteilung der Streitkräfte hervorgehen soll, und daß es wenig Fälle geben wird, wo man recht hat, um seinetwillen die kürzeste und einfachste Richtung der Kräfte zu verlassen.

3. Die Ausbreitung eines Kriegstheaters kann ein Grund zum getrennten Vorgehen sein.

Wenn eine angreifende Armee von einem Punkt aus vorgeht und mit Erfolg weiter in das feindliche Land eindringt, so wird zwar der Raum, welchen sie beherrscht, nicht genau auf die Wege, die sie zieht, beschränkt bleiben, sondern sich etwas erweitern, doch wird dies von der Dichtigkeit und Kohäsion des feindlichen Staates abhängen, wenn wir uns dieses Bildes bedienen dürfen. Hängt der feindliche Staat nur locker zusammen, ist sein Volk weichlich und des Krieges entwöhnt, so wird, ohne daß wir viel dazu tun, sich hinter unserem siegreichen Heer ein weiter Landstrich öffnen; haben wir es aber mit einem tapferen und treuen Volk zu tun, so wird der Raum hinter unserem Heere mehr oder weniger ein schmales Dreieck sein.

Um nun diesem Übel vorzubeugen, hat der Vorgehende das Bedürfnis, sein Vordringen in einer gewissen Breite anzuordnen. Ist die feindliche Macht auf einem Punkt vereinigt, so kann diese Breite nur so lange beibehalten werden, als wir nicht im Kontakt mit ihr sind, und muß sich zu ihrem Aufstellungspunkt hin verengen; das ist an sich verständlich.

Aber wenn der Feind sich selbst in einer gewissen Breite aufgestellt hat, so würde eine ebenmäßige Verteilung unserer Streitkräfte an sich nichts Widersinniges haben. Wir sprechen hier von einem Kriegstheater, oder von mehreren, die aber nahe beieinander liegen. Offenbar ist also dies da der Fall, wo nach unserer Ansicht die Hauptunternehmung über die Nebenpunkte mitentscheiden soll.

Kann man es nun immer darauf ankommen lassen, und darf man sich der Gefahr aussetzen, welche entsteht, wenn der Einfluß des Hauptpunktes auf die Nebenpunkte nicht groß genug ist? Verdient das Bedürfnis einer gewissen Breite des Kriegstheaters nicht eine besondere Rücksicht?

Hier wie überall ist es unmöglich, die Zahl der Kombinationen zu erschöpfen, die stattfinden können; aber wir behaupten, daß mit wenig Ausnahmen die Entscheidung auf dem Hauptpunkte die Nebenpunkte mittreffen werde. Nach diesem Grundsatz ist also die Handlung in allen Fällen einzurichten, wo nicht das Gegenteil offenbar ist.

Als Bonaparte in Rußland eindrang, durfte er mit Recht glauben, die Streitkräfte der Russen an der oberen Düna durch die Überwältigung der Hauptmacht mitfortreißen zu können. Er ließ anfangs nur das Korps von Oudinot gegen sie stehen, allein Wittgenstein ging zum Angriff über, und Bonaparte war genötigt, auch noch das sechste Korps dahin zu schicken.

Dagegen hatte er von Hause aus einen Teil seiner Streitkräfte gegen Bagration gerichtet; dieser aber wurde von der rückgängigen Bewegung der Mitte mit fortgerissen, und Bonaparte konnte diese Streitkräfte wieder an sich ziehen. Hätte Wittgenstein nicht die zweite Hauptstadt zu decken gehabt, so würde auch er Barclay gefolgt sein.

In den Jahren 1805 und 1809 hatte Bonaparte bei Ulm und Regensburg über Italien und Tirol mitentschieden, obgleich das erstere doch ein ziemlich entlegenes, für sich bestehendes Kriegstheater war. Im Jahr 1806 hat er bei Jena und Auerstedt über alles entschieden, was in Westfalen, Hessen und auf der Frankfurter Straße gegen ihn geschehen konnte.

Unter der Menge von Umständen, welche auf den Widerstand der Seitenteile Einfluß haben können, treten hauptsächlich zwei hervor.

Der erste ist: wenn man, wie in Rußland, einem Lande von großen Dimensionen und verhältnismäßig auch großen Kräften, den entscheidenden Schlag im Hauptpunkte lange verzögern kann und nicht genötigt ist, dort alles in der Eile zusammenzuraffen.

Der zweite: wenn, wie im Jahr 1806 Schlesien, ein Seitenpunkt durch eine Masse von Festungen ungewöhnliche Selbständigkeit bekommt. Und doch hat Bonaparte diesen Punkt mit großer Geringschätzung behandelt, indem er, ob er in gleich bei seinem Marsch auf Warschau hinter sich lassen mußte, doch nur 20000 Mann unter seinem Bruder Jérôme dahin anrücken ließ.

Hat sich nun in einem vorliegenden Falle ergeben, daß der Schlag auf den Hauptpunkt die Seitenpunkte höchstwahrscheinlich nicht erschüttern wird oder wirklich nicht erschüttert hat, so liegt doch darin, daß der Feind auf diesen Punkten wirklich Streitkräfte aufgestellt hat, und diesen werden dann als ein notwendiges Übel andere, angemessenere entgegengestellt werden müssen, weil man seine Verbindungslinie nicht von Hause aus absolut preisgeben kann.

Die Vorsicht aber kann noch einen Schritt weiter gehen; sie kann fordern, daß das Vorschreiten gegen den Hauptpunkt mit dem Vorschreiten auf Nebenpunkten genau Schritt halte, und daß folglich jedesmal mit dem Hauptunternehmen innegehalten werde, wenn die Nebenpunkte des Feindes nicht weichen wollen.

Dieser Grundsatz würde dem unserigen, alles in eine Haupthandlung soviel als möglich zu vereinigen, zwar nicht geradezu widersprechen, allein der Geist, aus welchem er entspringt, ist dem Geist, in welchem der unserige gedacht ist, vollkommen entgegen. Aus diesem Grundsatz würde ein solches Abmessen der Bewegung, ein solches Lähmen der Stoßkraft, ein solches Spiel von Zufällen, ein solcher Zeitverlust entstehen, daß er sich mit einer Offensive, die auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist, praktisch durchaus nicht verträgt.

Die Schwierigkeit wird noch größer, wenn die Kräfte dieser Nebenpunkte sich exzentrisch zurückziehen können - was würde da aus der Einheit unseres Stoßes werden?

Wir müssen uns also gegen die Abhängigkeit des Hauptangriffs von den Nebenpunkten als Grundsatz durchaus erklären und behaupten: daß ein auf das Niederwerfen des Gegners gerichteter Angriff, der nicht die Kühnheit hat, wie eine Pfeilspitze gegen das Herz des feindlichen Staates hinzuschießen, sein Ziel nicht erreichen kann.

4. Endlich liegt noch in der Erleichterung des Unterhaltes ein vierter Grund zum getrennten Vorgehen.

Es ist freilich viel angenehmer, mit einer kleinen Armee durch eine wohlhabende Provinz zu ziehen als mit einer großen durch eine arme; aber bei zweckmäßigen Maßregeln und einem an Entbehrung gewöhnten Heere ist das letztere nicht unmöglich, und es sollte also das erstere niemals so viel Einfluß auf unsere Entschlüsse haben, um uns einer großen Gefahr auszusetzen.

Wir haben nun hiermit den Gründen zur Trennung der Kräfte, wodurch die eine Haupthandlung in mehrere zerlegt wird, ihr Recht eingeräumt und werden nicht zu tadeln wagen, wenn die Trennung nach einem dieser Gründe mit deutlichem Bewußtsein des Zweckes und sorgfältiger Abwägung der Vorteile und Nachteile geschieht.

Wenn aber, wie es gewöhnlich geschieht, von einem gelehrten Generalstabe der Plan bloß aus der Gewohnheit so gemacht wird, wenn die verschiedenen Kriegstheater wie die Felder im Schachspiel, jedes mit seinem Teil, vorher besetzt werden müssen, ehe die Züge anfangen, wenn diese Züge mit einer eingebildeten Kombinationsweisheit in verwickelten Linien und Verhältnissen sich dem Ziele nähern, wenn die Heere sich heute trennen müssen, um ihre ganze Kunst darin bestehen zu lassen, sich in vierzehn Tagen mit größter Gefahr wieder zu vereinigen - dann haben wir ein Greuel an diesem Verlassen des geraden, einfachen, schlichten Weges, um sich absichtlich in lauter Verwirrung zu stürzen. Diese Torheit tritt um so leichter ein, je weniger es der oberste Feldherr ist, der den Krieg leitet und ihn in dem Sinne, wie wir im ersten Kapitel angedeutet haben, als eine einfache Handlung seines mit ungeheuren Kräften ausgerüsteten Individuums führt, je mehr also der ganze Plan in der Fabrik eines unpraktischen Generalstabes entstanden und aus den Ideen von einem Dutzend Halbwisser hervorgegangen ist. -

Wir haben nun noch den dritten Teil unseres ersten Grundsatzes zu bedenken: nämlich die untergeordneten Teile so untergeordnet als möglich zu halten.

Indem man den ganzen kriegerischen Akt auf ein einfaches Ziel zurückzuführen strebt und dieses soviel als möglich durch eine große Handlung zu erreichen sucht, beraubt man die übrigen Berührungspunkte der gegenseitigen Kriegsstaaten eines Teiles ihrer Selbständigkeit; sie werden untergeordnete Handlungen. Könnte man alles absolut in eine einzige zusammendrängen, so würden jene Berührungspunkte ganz neutralisiert werden; das ist aber selten möglich, und es kommt also darauf an, sie so in Schranken zu halten, daß sie der Hauptsache nicht zu viel Kräfte entziehen.

Wir fangen damit an, zu sagen, daß der Kriegsplan diese Tendenz selbst dann haben muß, wenn es nicht möglich ist, den ganzen feindlichen Widerstand auf einen Schwerpunkt zurückzuführen, wenn man also in dem Fall ist, wie wir uns schon einmal ausgedrückt haben, zwei fast ganz verschiedene Kriege zu gleicher Zeit zu führen. Immer muß der eine als die Hauptsache angesehen werden, auf welche sich vorzugsweise die Kräfte und Tätigkeiten richten.

Bei dieser Ansicht ist es vernünftig, angriffsweise nur nach dieser einen Hauptseite hinzugehen, auf der anderen aber verteidigend zu bleiben. Nur wo ungewöhnliche Umstände zu einem Angriff einladen, würde er zu rechtfertigen sein.

Ferner wird man diese Verteidigung, welche auf den untergeordneten Punkten stattfindet, mit so wenigen Kräften als möglich zu führen und sich aller Vorteile zu bedienen suchen, welche diese Widerstandsform zu gewähren vermag.

Noch viel mehr wird diese Ansicht bei allen Kriegstheatern gelten, auf welchen zwar auch Heere verschiedener Mächte auftreten, aber doch solche, die in dem allgemeinen Schwerpunkte mitgetroffen werden.

Gegen den Feind aber, welchem der Hauptstoß gilt, kann es hiernach auf Nebenkriegstheatern keine Verteidigung mehr geben. Der Hauptangriff selbst und die durch andere Rücksichten herbeigeführten untergeordneten Angriffe machen diesen Stoß aus und machen jede Verteidigung von Punkten, welche durch sie nicht unmittelbar gedeckt werden, überflüssig. Auf die Hauptentscheidung kommt es an, in ihr wird jeder Verlust eingebracht. Reichen die Kräfte hin, eine solche Hauptentscheidung vernünftigerweise zu suchen, so kann die Möglichkeit des Fehlschlagens nicht mehr als ein Grund gebraucht werden, sich in jedem Fall auf anderen Punkten für Schaden zu hüten; denn dieses Fehlschlagen wird eben dadurch viel wahrscheinlicher, und es ist also in unserer Handlung ein Widerspruch entstanden.

Aber dieses Vorherrschen der Haupthandlung über die untergeordneten soll auch selbst bei den einzelnen Gliedern des ganzen Angriffs stattfinden. Da sich aber meist aus anderweitigen Gründen bestimmt, welche Kräfte von dem einen Kriegstheater, und welche von dem anderen gegen den gemeinschaftlichen Schwerpunkt vordringen sollen, so kann hier nur gemeint sein, daß ein Bestreben da sein muß, die Haupthandlung vorwalten zu lassen, und daß alles einfacher und weniger Zufällen unterworfen sein wird, je mehr dieses Vorwalten erreicht werden kann.

Der zweite Grundsatz betrifft den schnellen Gebrauch der Streitkräfte.

Jeder unnütze Zeitaufwand, jeder unnütze Umweg ist eine Verschwendung der Kräfte und also der Strategie ein Greuel.

Aber wichtiger ist die Erinnerung, daß der Angriff überhaupt fast seinen einzigen Vorzug in der Überraschung besitzt, womit die Eröffnung der Szene wirken kann. Das Plötzliche und Unaufhaltsame sind seine stärksten Schwingen, und wo es auf die Niederwerfung des Gegners ankommt, kann er dieser selten entbehren.

Hiermit fordert die Theorie also die kürzesten Wege zum Ziel und schließt die zahllosen Diskussionen über rechts und links, hierhin oder dorthin von der Betrachtung ganz aus.

Wenn wir an das erinnern, was wir in dem Kapitel von dem Gegenstand des strategischen Angriffs über die Herzgrube der Staaten gesagt haben, ferner an das, was im vierten Kapitel dieses Buches über den Einfluß der Zeit vorkommt, so glauben wir, bedarf es keiner weiteren Entwicklungen, um zu zeigen, daß jenem Grundsatz der Einfluß wirklich gebühre, welchen wir für ihn fordern.

Bonaparte hat niemals anders gehandelt. Die nächste Hauptstraße von Heer zu Heer oder von Hauptstadt zu Hauptstadt war ihm immer der liebste Weg.

Und worin wird nun die Haupthandlung, auf welche wir alles zurückgeführt, und für welche wir eine rasche und unumwundene Vollziehung gefordert haben, bestehen?

Was die Niederwerfung des Feindes sei, haben wir, soviel es sich im allgemeinen tun läßt, im vierten Kapitel gesagt, und es wäre unnütz, es zu wiederholen. Worauf es nun auch dabei im einzelnen Fall am Ende ankommen mag, so ist doch der Anfang dazu überall derselbe: die Vernichtung der feindlichen Streitkraft, d. h. ein großer Sieg über dieselbe und ihre Zetrümmerung. Je früher, d. h. je näher an unseren Grenzen dieser Sieg gesucht wird, um so leichter ist er; je später, d. h. je tiefer im feindlichen Lande er erfochten wird, um so entscheidender ist er. Hier wie überall halten sich die Leichtigkeit des Erfolges und die Größe desselben das Gleichgewicht. Sind wir also der feindlichen Streitkraft nicht so überlegen, daß der Sieg unzweifelhaft ist, so müssen wir sie, d. h. ihre Hauptmacht, womöglich aufsuchen. Wir sagen womöglich, denn wenn dieses Aufsuchen zu großen Umwegen, falschen Richtungen und Zeitverlust für uns führte, so könnte es leicht ein Fehler werden. Findet sich die feindliche Hauptmacht nicht auf unserem Wege, und können wir, weil es sonst gegen unser Interesse ist, sie nicht aufsuchen, so dürfen wir sicher sein, sie später zu finden, denn sie wird nicht säumen, sich uns entgegenzuwerfen. Wir werden dann, wie wir eben gesagt haben, unter weniger vorteilhaften Umständen schlagen: ein Übel, dem wir uns unterziehen müssen. Gewinnen wir die Schlacht dennoch, so wird sie um so entscheidender sein.

Hieraus folgt, daß in dem angenommenen Fall ein absichtliches Vorbeigehen der feindlichen Hauptmacht, wenn sie sich schon auf unserem Wege befindet, ein Fehler sein würde, wenigstens insofern man dabei eine Erleichterung des Sieges beabsichtigte.

Dagegen folgt aus dem Obigen, daß man bei einer sehr entschiedenen Überlegenheit der feindlichen Hauptmacht absichtlich vorbeigehen könne, um späterhin eine entscheidendere Schlacht zu liefern.

Wir haben von einem vollständigen Siege, also von einer Niederlage des Feindes, und nicht von einer bloßen gewonnenen Schlacht gesprochen. Zu einem solchen Siege aber gehört ein umfassender Angriff oder eine Schlacht mit verwandter Fronte, denn beide geben dem Ausgang jedesmal einen entscheidenden Charakter. Es gehört also zum Wesentlichen des Kriegsplanes, daß wir uns darauf einrichten, sowohl was die Masse der Streitkräfte betrifft, die nötig, als die Richtungen, welche ihnen zu geben sind, wovon das Weitere im Kapitel von dem Feldzugsplan gesagt werden soll.

Daß auch Schlachten mit gerader Fronte zu vollkommenen Niederlagen führen, ist zwar nicht unmöglich, und es fehlt nicht an Beispielen in der Kriegsgeschichte, allein der Fall ist seltener und wird immer seltener, je mehr die Heere sich an Ausbildung und an Gewandtheit ähnlicher werden. Jetzt macht man nicht mehr wie bei Blenheim einundzwanzig Bataillone in einem Dorfe gefangen.

Ist nun der große Sieg erfochten, so soll von keiner Rast, von keinem Atemholen, von keinem Besinnen, von keinem Feststellen usw. die Rede sein, sondern nur von der Verfolgung, von neuen Stößen, wo sie nötig sind, von der Einnahme der feindlichen Hauptstadt, von dem Angriff der feindlichen Hilfsheere, oder was sonst als der Unterstützungspunkt des feindlichen Staates erscheint.

Führt uns der Strom des Sieges an feindlichen Festungen vorbei, so hängt es von unserer Stärke ab, ob sie belagert werden sollen oder nicht. Bei großer Überlegenheit wäre es ein Zeitverlust, sich ihrer nicht so früh als möglich zu bemächtigen; sind wir aber des ferneren Erfolges an der Spitze nicht sicher, so müssen wir uns vor den Festungen mit so wenigem als möglich behelfen, und das schließt die gründliche Belagerung derselben aus. Von dem Augenblick an, wo die Belagerung der Festungen uns zwingt, mit dem Vorschreiten des Angriffs innezuhalten, hat dieser in der Regel seinen Kulminationspunkt erreicht. Wir fordern also ein schnelles, rastloses Vordringen und Nachdringen der Hauptmacht; wir haben es schon verworfen, daß dieses Vorschreiten auf dem Hauptpunkte sich nach dem Erfolg auf den Nebenpunkten richte; die Folge wird also sein, daß in allen gewöhnlichen Fällen unser Hauptheer nur einen schmalen Landstrich hinter sie behält, welchen es sein nennen kann, und der also sein Kriegstheater ausmacht. Die Art, wie dies die Stoßkraft an der Spitze schwächt, die Gefahren, welche dem Angreifenden daraus erwachsen, haben wir früher gezeigt. Wird diese Schwierigkeit, wird dieses innere Gegengewicht nicht einen Punkt erreichen können, der das weitere Vordringen hemmt? Allerdings kann das sein. Aber so wie wir oben behauptet haben, daß es ein Fehler wäre, von Hause aus dieses verengte Kriegstheater vermeiden zu wollen und um dieses Zweckes willen dem Angriff seine Schnellkraft zu benehmen, so behaupten wir auch jetzt: solange der Feldherr seinen Gegner noch nicht niedergeworfen hat, solange er glaubt, stark genug zu sein, um das Ziel zu gewinnen, solange muß er es verfolgen. Er tut es vielleicht mit steigender Gefahr, aber auch mit steigender Größe des Erfolges. Kommt ein Punkt, wo er es nicht wagt, weiterzugehen, wo er glaubt, für seinen Rücken sorgen zu müssen, sich rechts und links auszubreiten - wohlan, es ist höchst wahrscheinlich sein Kulminationspunkt. Die Flugkraft ist dann zu Ende, und wenn der Gegner nicht niedergeworfen ist, so wird höchstwahrscheinlich nichts daraus werden.

Alles, was er zur intensiven Ausbildung seines Angriffs mit Eroberung von Festungen, Pässen, Provinzen tut, ist zwar noch ein langsames Vorschreiten, aber nur ein relatives, kein absolutes mehr. Der Feind ist nicht mehr auf der Flucht, er rüstet sich vielleicht schon zu erneuertem Widerstand, und es ist also schon möglich, daß, obgleich der Angreifende noch intensiv vorwärtsschreitet, der Verteidiger, indem er es auch tut, schon täglich etwas über ihn gewinnt. Kurz, wir kommen darauf zurück: es gibt in der Regel nach einem notwendigen Halt keinen zweiten Anlauf.

Die Theorie fordert also nur, daß, solange die Idee besteht, den Feind niederzuwerfen, rastlos gegen ihn vorgeschritten werde; gibt der Feldherr dieses Ziel auf, weil er die Gefahr dabei zu groß findet, so tut er recht, innezuhalten und sich auszubreiten. Die Theorie tadelt dies nur, wenn er es tut, um dadurch zum Niederwerfen des Gegners geschickter zu werden.

Wir sind nicht so töricht, zu behaupten, daß es kein Beispiel von Staaten gäbe, die nach und nach aufs äußerste gebracht worden wären. Erstlich ist der von uns aufgestellte Satz keine absolute Wahrheit, von der eine Ausnahme unmöglich wäre, sondern er gründet sich nur auf den wahrscheinlichen und gewöhnlichen Erfolg; sodann muß man unterscheiden, ob der Untergang eines Staates nach und nach sich historisch zugetragen hat, oder ob er gleich das Ziel des ersten Feldzuges gewesen war. Nur von diesem Fall sprechen wir hier, denn nur in ihm findet jene Spannung der Kräfte statt, die den Schwerpunkt der Last entweder überwältigt oder in Gefahr ist, von ihm überwältigt zu werden. Wenn man sich im ersten Jahre einen mäßigen Vorteil verschafft, zu diesem im folgenden einen anderen hinzufügt und so nach und nach langsam gegen das Ziel vorschreitet, so findet sich nirgends eine eminente Gefahr, aber dafür ist sie auf viele Punkte verteilt. Jeder Zwischenraum von einem Erfolg zum anderen gibt dem Feinde neue Aussichten; die Wirkungen des früheren Erfolges haben auf den späteren einen sehr geringen Einfluß, oft keinen, oft einen negativen, weil der Feind sich erholt oder gar zu größerem Widerstand entflammt wird oder neue Hilfe von außen bekommt, während da, wo alles in einem Zuge geschieht, der gestrige Erfolg den heutigen mit sich fortreißt, der Brand am Brande sich entzündet. Wenn es Staaten gibt, die durch sukzessive Stöße überwältigt worden sind, und wo sich also die Zeit dem Verteidiger, dessen Schutzheiliger sie ist, verderblich gezeigt hat, - wie unendlich viel zahlreicher sind die Beispiele, wo die Absicht des Angreifenden darüber ganz verfehlt worden ist. Man denke nur an den Erfolg des Siebenjährigen Krieges, wo die Österreicher das Ziel mit soviel Gemächlichkeit, Behutsamkeit und Vorsicht zu erreichen suchten, daß sie es ganz verfehlten.

Bei dieser Ansicht können wir also gar nicht der Meinung sein, daß die Sorge für ein gehörig eingerichtetes Kriegstheater dem Trieb nach vorwärts immer zur Seite stehen und ihm gewissermaßen das Gleichgewicht halten müsse, sondern wir sehen die Nachteile, die daraus erwachsen, als ein unvermeidliches Übel an, welches erst dann Rücksicht verdient, wenn uns nach vornhin keine Hoffnung mehr bleibt.

Bonapartes Beispiel vom Jahre 1812, weit entfernt, uns von unserer Behauptung zurückzuschrecken, hat uns vielmehr darin bestärkt.

Sein Feldzug ist nicht mißraten, weil er zu schnell und zu weit vorgedrungen ist, wie die gewöhnliche Meinung geht, sondern weil die einzelnen Mittel zum Erfolg fehlschlugen. Das russische Reich ist kein Land, was man förmlich erobern, d. h. besetzt halten kann, wenigstens nicht mit den Kräften jetziger europäischer Staaten, und auch nicht mit den 500000 Mann, die Bonaparte dazu anführte. Ein solches Land kann nur bezwungen werden durch eigene Schwäche und durch die Wirkungen des inneren Zwiespaltes. Um auf diese schwachen Stellen des politischen Daseins zu stoßen, ist eine bis ins Herz des Staates gehender Erschütterung notwendig. Nur wenn Bonaparte mit seinem kräftigen Stoß bis Moskau hinreichte, durfte er hoffen, den Mut der Regierung und die Treue und Standhaftigkeit des Volkes zu erschüttern. In Moskau hoffte er den Frieden zu finden, und dies war das einzige vernünftige Ziel, welches er sich bei diesem Kriege stecken konnte.

Er führte also seine Hauptmacht gegen die Hauptmacht der Russen, die vor ihm zurück über das Lager von Drissa hinstolperte und erst bei Smolensk zum Stehen kam. Er riß Bagration mit fort, schlug beide und nahm Moskau ein. Er handelte hier, wie er immer gehandelt hatte; nur auf diese Weise war er der Gebieter Europas geworden, und nur auf diese Weise hatte er es werden können.

Wer also Bonaparte in allen seinen früheren Feldzügen als den größten Feldherrn bewundert, der soll sich in diesem nicht über ihn erheben.

Es ist erlaubt, eine Begebenheit nach dem Erfolg zu beurteilen, weil dieser die beste Kritik davon ist (siehe fünftes Kapitel des zweiten Buches), aber dieses bloß aus dem Erfolg gezogene Urteil muß man dann nicht mit menschlicher Weisheit nachweisen wollen. Die Ursachen eines verunglückten Feldzuges aufsuchen, heißt noch nicht, eine Kritik desselben machen; nur wenn man beweist, daß diese Ursachen nicht hätten übersehen oder unbeachtet bleiben sollen, macht man die Kritik und erhebt sich über den Feldherrn.

Nun behaupten wird, daß, wer in dem Feldzug von 1812 bloß wegen seines ungeheuren Rückschlages eine Absurdität findet, während er beim glücklichen Erfolg darin die erhabensten Kombinationen gesehen hätte, eine völlige Unfähigkeit des Urteils zeigt.

Wäre Bonaparte in Litauen stehengeblieben, wie die meisten Kritiker gewollt haben, um sich erst der Festungen zu versichern, deren es übrigens außer dem völlig seitwärts gelegenen Riga kaum eine gab, weil Bobruisk ein kleines, unbedeutendes Nest ist, so würde er sich für den Winter in ein trauriges Verteidigungssystem verwickelt haben; dann würden dieselben Leute die ersten gewesen sein, welche ausgerufen hätten: das ist nicht mehr der alte Bonaparte! Wie, nicht einmal zu einer ersten Hauptschlacht hat er es getrieben, er, der seine Eroberungen durch die Siege von Austerlitz und Friedland an den letzten Mauern der feindlichen Staaten zu besiegeln pflegte? Die feindliche Hauptstadt, das entblößte, zum Fall bereite Moskau hat er zu nehmen zaghaft versäumt und dadurch den Kern bestehen lassen, um den sich neuer Widerstand sammeln konnte? Er hat das unerhörte Glück, diesen entfernten, ungeheuren Koloß zu überfallen, wie man eine benachbarte Stadt, oder wie Friedrich der Große das kleine, nahe Schlesien überfällt, und er benutzt diesen Vorteil nicht, hält mitten im Siegeslauf inne, als wenn sich ein böser Geist an seine Fersen gelegt hätte? - So würden die Leute geurteilt haben, denn so sind die Urteile der meisten Kritiker beschaffen.

Wir sagen: der Feldzug von 1812 ist nicht gelungen, weil die feindliche Regierung fest, das Volk treu und standhaft blieb, weil er also nicht gelingen konnte. Es mag ein Fehler Bonapartes sein, ihn unternommen zu haben, wenigstens hat der Erfolg gezeigt, daß er sich in seinem Kalkül betrogen hat, aber wir behaupten, daß, wenn dieses Ziel gesucht werden sollte, es der Hauptsache nach nicht anders zu erreichen war.

Anstatt sich im Osten einen endlosen, kostbaren Verteidigungskrieg aufzuladen, wie er ihn schon im Westen zu führen hatte, versuchte Bonaparte das einzige Mittel zum Zweck: mit einem kühnen Schlag dem bestürzten Gegner den Frieden abzugewinnen. Daß seine Armee dabei zugrunde ging, war die Gefahr, welcher er sich dabei unterzog, es war der Einsatz im Spiel, der Preis der großen Hoffnung. Ist dieser Zerstörung seiner Streitkräfte durch seine Schuld größer geworden, als nötig gewesen wäre, so ist diese Schuld nicht in das weite Vordringen zu setzen, denn dies war Zweck und unvermeidlich, sondern in die späte Eröffnung des Feldzuges, in die Menschenverschwendung seiner Taktik, in den Mangel an Sorgfalt für den Unterhalt des Heeres und für die Einrichtung der Rückzugsstraße, endlich in den etwas verspäteten Abmarsch von Moskau.

Daß sich ihm die russischen Armeen an der Beresina vorlegen konnten, um ihm förmlich den Rückzug zu verwehren, ist kein starkes Argument gegen uns. Denn: erstlich hat gerade dies gezeigt, wie schwer das wirkliche Abschneiden zu bewirken ist, da sich der Abgeschnittene unter den ungünstigsten denkbaren Umständen am Ende den Weg noch gebahnt hat, und dieser ganze Akt zur Vergrößerung seiner Katastrophe zwar beigetragen hat, aber sie doch nicht wesentlich ausmachte. Zweitens bot nur die seltene Beschaffenheit der Gegend die Mittel dar, es so weit zu treiben, und ohne die der großen Straße sich quervorlegenden Sümpfe der Beresina mit ihren waldreichen, unzugänglichen Rändern wäre ein Abschneiden noch weniger möglich gewesen. Drittens gibt es überhaupt kein Mittel, sich gegen eine solche Möglichkeit anders zu sichern, als indem man seine Macht in einer gewissen Breite vorführt, welches wir schon früher verworfen haben; denn ist man einmal darauf eingegangen, in der Mitte vorzudringen und sich die Seiten durch Heere zu decken, die man rechts und links zurückläßt, so müßte man bei jedem möglichen Unfall eines solchen Heeres mit der Spitze gleich zurückeilen, und dann könnte wohl aus dem Angriff nicht viel werden.

Man kann gar nicht sagen, daß Bonaparte seine Seiten vernachlässigt habe. Gegen Wittgenstein blieb eine überlegene Macht stehen: vor Riga stand ein angemessenes Belagerungskorps, welches sogar dort überflüssig war, und im Süden hatte Schwarzenberg 50000 Mann, womit er Tormassow überlegen und selbst Tschitschagow beinahe gewachsen war; dazu kamen noch 30000 Mann unter Victor im Mittelpunkt des Rückens. - Selbst im Monat November, also im entscheidenden Augenblick, als sich die russischen Streitkräfte verstärkt hatten und die französischen schon sehr geschwächt waren, war die Überlegenheit der Russen im Rücken der Moskauer Armee noch nicht so außerordentlich. Wittgenstein, Tschitschagow und Sacken bildeten zusammen eine Macht von 110000 Mann. Schwarzenberg, Reynier, Victor, Oudinot und St.-Cyr waren effektiv noch 80000 Mann. Der behutsamste General würde beim Vorgehen seinen Flanken kaum eine größere Streitkraft widmen.

Hätte Bonaparte von den 600000 Mann, die im Jahr 1812 den Njemen überschritten haben, statt 50000, die mit Schwarzenberg, Reynier und Macdonald über denselben zurückgegangen sind, 250000 zurückgebracht, welches bei Vermeidung der Fehler, die wir ihm vorgeworfen haben, möglich war, so blieb es ein unglücklicher Feldzug, aber die Theorie hätte nichts dagegen einwenden können, denn über die Hälfte seines Heeres einzubüßen, ist in solchem Fall nichts Ungewöhnliches und nimmt sich für uns nur wegen des großen Maßstabes so aus.

Soviel über die Haupthandlung, ihre notwendige Tendenz und ihre unvermeidlichen Gefahren. Was die untergeordneten Handlungen betrifft, so sagen wir vor allen Dingen: es muß ein gemeinschaftliches Ziel aller da sein, aber dieses Ziel muß so gestellt werden, daß es nicht die Tätigkeiten einzelner Teile lähmt. Wenn man vom Ober- und Mittelrhein und von Holland aus gegen Frankreich vordringt, um sich bei Paris ein Rendezvous zu geben, und jede Armee nichts wagen, sondern sich soviel wie möglich intakt erhalten soll, bis diese Vereinigung erreicht ist, so nennen wir das einen verderblichen Plan. Es entsteht notwendig ein Abwägen der dreifachen Bewegung, welche Zögerung, Unentschlossenheit und Zaghaftigkeit in das Vorschreiten jedes Teiles bringt. Besser ist es, jedem Teil seine Armee für sich zuzumessen und nur die Einheit dahin zu setzen, wo diese verschiedenen Tätigkeiten von selbst zur Einheit werden.

Dieses Trennen, um sich ein paar Märsche später wieder zu vereinigen, kommt fast in allen Kriegen vor und ist doch im Grunde ganz ohne Sinn. Ist man getrennt, so muß man wissen, warum man es ist, und dieses Warum muß erfüllt werden und kann nicht in der späteren Vereinigung bestehen wie bei einer Quadrillentour.

Es soll also, wenn die Kriegsmacht zum Angriff auf getrennten Kriegstheatern vorgeht, jedem Heer seine Aufgabe für sich bestehend gegeben werden, an deren Gegenstand es seine Stoßkraft erschöpfen kann. Daß dies letztere von allen Seiten geschehe, darauf kommt es an, und nicht darauf, daß alle verhältnismäßige Vorteile erringen.

Wird einem der Heere seine Rolle zu schwer, weil der Feind eine andere Verteidigung gemacht hat, als wir glaubten, erlebt es Unglücksfälle, so muß und darf dies keinen Einfluß auf die Tätigkeit der anderen haben, oder man würde von Hause aus die Wahrscheinlichkeit des allgemeinen Erfolges gegen sich selbst wenden. Nur wenn die Mehrheit unglücklich ist oder die Hauptteile es sind, darf und muß dies Einfluß auf die anderen haben: alsdann ist nämlich der Fall eines verfehlten Planes eingetreten.

Eben diese Regel gilt für diejenigen Heere und Abteilungen, welche ursprünglich zur Verteidigung bestimmt sind und durch einen günstigen Erfolg derselben zum Angriff übergehen können, wenn es nicht vorzuziehen ist, ihre überflüssigen Streitkräfte auf den Hauptpunkt der Offensive überzuführen, welches hauptsächlich von der geographischen Lage des Kriegstheaters abhängt.

Aber was wird unter diesen Umständen aus der geometrischen Gestalt und Einheit des ganzen Angriffs, was aus Flanken und Rücken der einem geschlagenen Teile benachbarten Abteilungen?

Das ist es eben, was wir hauptsächlich bekämpfen wollen. Dieses Zusammenleimen eines großen Angriffs in ein geometrisches Viereck ist eine Verirrung in ein falsches Gedankensystem hinein.

Wir haben in dem fünfzehnten Kapitel des dritten Buches gezeigt, daß das geometrische Element in der Strategie nicht so wirksam ist als in der Taktik, und wir wollen hier nur das Resultat wiederholen, daß besonders beim Angriff die wirklichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr Rücksicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff nach und nach durch die Verschiedenheit der Erfolge entstehen kann.

In jedem Fall aber ist es eine ausgemachte Sache, daß bei den großen Räumen in der Strategie die Rücksichten und Entschlüsse, welche die geometrische Lage der Teile veranlassen, füglich dem Oberfeldherrn überlassen bleiben können; daß also keiner der Unterfeldherren das Recht hat, nach dem zu fragen, was sein Nachbar tut oder unterläßt, sondern angewiesen werden kann, sein Ziel unbedingt zu verfolgen. Entsteht wirklich ein starkes Mißverhältnis daraus, so kann die Abhilfe von oben her immer noch zur rechten Zeit gegeben werden. Und damit ist denn das Hauptübel dieser getrennten Wirkungsweise entfernt: daß an die Stelle realer Dinge eine Menge von Befürchtungen und Voraussetzungen sich in den Verlauf der Begebenheit mischen, daß jeder Zufall nicht bloß den Teil, den er trifft, sondern konsensualisch das Ganze affiziert, und daß persönlichen Schwächen und persönlicher Feindschaft der Unterfeldherren ein weites Feld eröffnet wird.

Wir glauben, daß man diese Ansicht nur dann paradox finden wird, wenn man noch nicht lange und ernst genug die Kriegsgeschichte im Auge gehabt, das Wichtige von dem Unwichtigen getrennt und den ganzen Einfluß der menschlichen Schwächen gewürdigt hat.

Wenn es schon in der Taktik schwer ist, den glücklichen Erfolg eines Angriffs in mehreren getrennten Kolonnen durch die genaue Zusammenstimmung aller Teile zu erhalten, wie das Urteil aller Erfahrenen einräumt, wieviel schwieriger oder vielmehr wie ganz unmöglich wird dies in der Strategie sein, wo die Trennung soviel größer ist. Sollte also das beständige Zusammenstimmen aller Teile eine notwendige Bedingung des Erfolges sein, so müßte ein solcher strategischer Angriff durchaus verworfen werden. Aber von der einen Seite hängt es nicht von unserer Willkür ab, ihn ganz zu verwerfen, weil Umstände dazu bestimmen können, über welche wir gar nicht zu gebieten haben, von der anderen ist selbst in der Taktik diese beständige Zusammenstimmung aller Teile für jeden Augenblick des Verlaufes nicht einmal nötig, und viel weniger ist sie es, wie gesagt, in der Strategie. Man muß also in dieser um so mehr davon absehen und um so mehr darauf beharren, daß jedem Teil ein selbständiges Stück Arbeit zugemessen werde.

Diesem haben wir noch eine wichtige Bemerkung anzuschließen, sie betrifft die gute Verteilung der Rollen.

In den Jahren 1793 und 1794 befand sich die österreichische Hauptmacht in den Niederlanden, die preußische am Oberrhein. Die österreichischen Truppen wurden von Wien nach Condé und Valenciennes gefahren und durchkreuzten sich mit den preußischen, die von Berlin nach Landau mußten. Die Österreicher hatten zwar dort ihre belgischen Provinzen zu verteidigen, und wenn sie Eroberungen im französischen Flandern machten, so waren sie ihnen sehr gelegen, allein dies Interesse war nicht stark genug. Nach dem Tode des Fürsten Kaunitz setzte der österreichische Minister Thugut die Maßregel durch, die Niederlande ganz aufzugeben, um seine Kräfte mehr zu konzentrieren. In der Tat haben die Österreicher nach Flandern fast noch einmal so weit als nach dem Elsaß, und in einer Zeit, wo die Streitkräfte sich in sehr gemessenen Grenzen befanden und alles mit barem Gelde unterhalten werden mußte, war das keine Kleinigkeit. Doch war die Absicht des Ministers Thugut offenbar noch eine andere: er wollte die Mächte, welche bei der Verteidigung der Niederlande und des Niederrheins interessiert waren, Holland, England und Preußen, durch die Dringlichkeit der Gefahr in den Fall setzen, stärkere Anstrengungen zu machen. Er hat sich in seinem Kalkül betrogen, weil dem preußischen Kabinett damals auf keine Weise beizukommen war. Aber immer zeigt dieser Hergang den Einfluß des politischen Interesses auf den Gang des Krieges.

Preußen hatte im Elsaß weder etwas zu verteidigen noch zu erobern. Es hatte im Jahr 1792 den Marsch durch Lothringen nach der Champagne in einem ritterlichen Sinne unternommen. Als dieser gegen den Drang der Umstände nicht mehr vorhielt, führte es den Krieg nur noch mit halbem Interesse fort. Hätten sich die preußischen Truppen in den Niederlanden befunden, so waren sie mit Holland in unmittelbarer Verbindung, welches sie halb und halb als ihr eigenes Land ansehen konnten, da sie es im Jahr 1787 unterworfen hatten, sie deckten den Niederrhein und folglich denjenigen Teil der preußischen Monarchie, der dem Kriegstheater am nächsten lag. Auch mit England befand sich Preußen wegen der Subsidien in einem stärkeren Bundesverhältnisse, welches unter diesen Umständen nicht so leicht in die Hinterlist ausarten konnte, welcher sich das preußische Kabinett damals schuldig gemacht hat.

Es wäre also eine viel bessere Wirkung zu erwarten gewesen, wenn die Österreicher mit ihrer Hauptmacht am Oberrhein, die Preußen mit ihrer ganzen Macht in den Niederlanden aufgetreten wären, und die Österreicher dort nur ein verhältnismäßiges Korps gelassen hätten.

Wenn man im Jahr 1814 statt des unternehmenden Blüchers den General Barclay an die Spitze der Schlesischen Armee gestellt und Blücher unter Schwarzenberg bei der Hauptarmee behalten hätte, so wäre der Feldzug vielleicht ganz verunglückt.

Wenn der unternehmende Laudon, statt sein Kriegstheater auf dem stärksten Punkt der preußischen Monarchie, nämlich in Schlesien zu haben, sich an der Stelle der Reichsarmee befunden hätte, so würde vielleicht der ganze Siebenjährige Krieg eine andere Wendung genommen haben. Um diesem Gegenstande näher zu treten, müssen wir die Fälle nach ihren Hauptverschiedenheiten betrachten.

Der erste ist: wenn wir den Krieg mit anderen Mächten gemeinschaftlich führen, die nicht bloß als unsere Bundesgenossen auftreten, sondern ein selbständiges Interesse haben.

Der zweite: wenn ein Bundesheer zu unserem Beistande herbeigekommen ist.

Der Dritte: wenn nur von der persönlichen Eigentümlichkeit der Generale die Rede ist.

Für die beiden ersten Fälle kann man die Frage aufwerfen, ob es besser sei, die Truppen der verschiedenen Mächte vollkommen zu vermischen, so daß die einzelnen Heere aus Korps verschiedener Mächte zusammengesetzt sind, wie das in den Jahren 1813 und 1814 stattgefunden hat, oder ob man sie soviel als möglich trennen soll, damit jede selbständiger handle.

Offenbar ist das erste das Heilsamste, aber es setzt einen Grad von Befreundung und gemeinschaftlichem Interesse voraus, der selten stattfinden wird. Bei dieser engen Verbindung der Streitkräfte wird den Kabinetten die Absonderung ihrer Interessen weit schwerer, und was den schädlichen Einfluß egoistischer Ansichten bei den Heerführern betrifft, so kann er sich unter diesen Umständen nur bei den Unterfeldherren, also nur im Gebiet der Taktik, und auch hier nicht so ungestraft und frei zeigen wie bei einer vollkommenen Trennung. Bei dieser geht er in die Strategie über und wirkt also in entscheidenden Zügen. Aber, wie gesagt, es gehört eine seltene Hingebung von seiten der Regierung dazu. Im Jahr 1813 drängte die Not alle in diese Richtung, und doch ist es nicht genug zu preisen, daß der Kaiser von Rußland, der mit der stärksten Streitkraft auftrat und das größte Verdienst um den Umschwung des Glückes hatte, seine Truppen den preußischen und österreichischen Befehlshabern unterordnete, ohne den Ehrgeiz zu haben, mit einer selbständigen russischen Armee aufzutreten.

Ist nun eine solche Vereinigung der Streitkräfte nicht zu erhalten, so ist eine vollkommene Trennung derselben allerdings besser als eine halbe, und das Schlimmste ist immer, wenn zwei unabhängige Feldherren verschiedener Mächte sich auf ein und demselben Kriegstheater befinden, wie das im Siebenjährigen Kriege mit den Russen, Österreichern und der Reichsarmee häufig der Fall war. Bei einer vollkommenen Trennung der Kräfte sind auch die Lasten, welche überwunden werden sollen, mehr getrennt, und es wird dann jeder von der seinigen gedrückt, also durch die Gewalt der Umstände mehr zur Tätigkeit gedrängt; befinden sie sich aber in naher Verbindung oder gar auf einem Kriegstheater, so ist dies nicht der Fall, und außerdem lähmt der üble Wille des einen die Kräfte des anderen mit.

Im ersten der drei angegebenen Fälle wird die völlige Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natürliche Interesse jeder Macht ihr gewöhnlich schon eine andere Richtung ihrer Kräfte zuweist; im zweiten Fall kann es daran fehlen, und dann bleibt in der Regel nichts übrig, als sich der Hilfsarmee, wenn ihre Stärke einigermaßen dazu geeignet ist, ganz unterzuordnen, wie die Österreicher am Ende des Feldzuges von 1815 und die Preußen im Feldzug von 1807 getan haben.

Was die persönliche Eigentümlichkeit der Generale betrifft, so geht hier alles in das Individuelle über, aber die eine allgemeine Bemerkung dürfen wir nicht übergehen, daß man nicht, wie wohl zu geschehen pflegt, die vorsichtigsten und behutsamsten an die Spitze der untergeordneten Armeen stellen soll, sondern die unternehmendsten, denn wir kommen darauf zurück: es ist bei der getrennten strategischen Wirksamkeit nichts so wichtig, als daß jeder Teil tüchtig arbeite, die volle Wirksamkeit seiner Kräfte äußere, wobei denn die Fehler, welche auf einem Punkte begangen sein können, durch die Geschicklichkeit auf anderen ausgeglichen werden. Nun ist man aber dieser vollen Tätigkeit aller Teile nur gewiß, wenn die Führer rasche, unternehmende Leute sind, die der innere Trieb, das eigene Herz vorwärtstreibt, weil eine bloße objektive, kalte Überlegung von der Notwendigkeit des Handelns selten ausreicht.

Endlich bleibt noch die Bemerkung übrig, daß, wenn es sonst die Umstände gestatten, die Truppen und Feldherren in Beziehung auf ihre Bestimmung und auf die Natur der Gegend nach ihren Eigentümlichkeiten gebraucht werden sollen.

Stehende Heere, gute Truppen, zahlreiche Reiterei, alte, vorsichtige, verständige Feldherren in offenen Gegenden; Landmilizen, Volksbewaffnung, zusammengerafftes Gesindel, junge, unternehmende Führer in Wäldern, Bergen und Pässen, Hilfsheere in reichen Provinzen, wo sie sich gefallen.

Was wir bisher über den Kriegsplan im allgemeinen und in diesem Kapitel über denjenigen insbesondere gesagt haben, welcher auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist, hatte die Absicht, das Ziel desselben über alles hervorzuheben und demnächst Grundsätze anzugeben, welche bei der Einrichtung der Mittel und Wege leiten sollen. Wir wollten dadurch ein klares Bewußtsein von dem, was man in einem solchen Kriege will und soll, bewirken. Das Notwendige und Allgemeine wollten wir herausheben, dem Individuellen und Zufälligen seinen Spielraum lassen, aber das Willkürliche, Unbegründete, das Spielende oder Phantastische oder Sophistische wollten wir entfernen. Haben wir diesen Zweck erreicht, so sehen wir unsere Aufgabe als gelöst an.

Wer nun sehr betreten ist, hier nichts von Umgehung der Flüsse, von Bemeisterung der Gebirge durch ihre beherrschenden Punkte, von Vermeidung der festen Stellungen und Schlüssel des Landes zu finden, der hat uns nicht verstanden, und wir gestehen, daß wir glauben, ein solcher hat auch den Krieg in seinen großen Beziehungen noch nicht verstanden.

Wir haben in den früheren Büchern diese Gegenstände im allgemeinen charakterisiert und dabei gefunden, daß sie meistens von einer viel schwächeren Natur sind, als man nach ihrem Ruf glauben sollte. Um so weniger können und sollen sie in einem Kriege, dessen Ziel die Niederwerfung des Feindes ist, eine große Rolle spielen, nämlich eine solche, die auf den ganzen Kriegsentwurf Einfluß hätte.

Der Einrichtung des Oberbefehls werden wir am Schlusse dieses Buches ein eigenes Kapitel widmen. -

Wir wollen dies Kapitel mit einem Beispiel beschließen.

Wenn Österreich, Preußen, der Deutsche Bund, die Niederlande und England einen Krieg gegen Frankreich beschließen, Rußland aber neutral bleibt, ein Fall, der sich seit hundertundfünfzig Jahren schon so oft erneuert hat, so sind sie imstande, einen Angriffskrieg zu führen, der auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist. Denn so groß und mächtig Frankreich ist, so kann es doch in den Fall kommen, die größere Hälfte seines Reiches von feindlichen Armeen überschwemmt, die Hauptstadt in ihrem Besitz und sich auf unzureichende Hilfsquellen zurückgeführt zu sehen, ohne daß es außer Rußland eine Macht gäbe, die es mit großer Wirksamkeit unterstützen könnte. Spanien ist zu weit entfernt und zu unvorteilhaft gelegen; die italienischen Staaten sind vorderhand zu morsch und ohnmächtig.

Die genannten Länder haben ohne ihre außereuropäischen Besitzungen über 75000000 Einwohner zu gebieten, während Frankreich nur 30000000 hat, und das Heer, welches sie zu einem ernstlich gemeinten Kriege gegen Frankreich aufzubieten haben, würde ohne Übertreibung folgendes sein können:

Österreich 250000 Mann

Preußen 200000 Mann

Das übrige Deutschland 150000 Mann

Die Niederlande 75000 Mann

England 50000 Mann

Summa 725000 Mann.

Treten diese effektiv auf, so sind sie der Macht, welche Frankreich entgegenstellen kann, höchstwahrscheinlich weit überlegen, denn dieses Land hat unter Bonaparte zu keiner Zeit eine Streitmasse von ähnlicher Stärke gehabt. Bedenkt man nun, was an Festungsbesatzungen und Depots zur Bewachung der Küste usw. abgeht, so wird man die Wahrscheinlichkeit einer bedeutenden Überlegenheit auf dem Hauptkriegstheater nicht bezweifeln, und auf diese ist der Zweck, den Feind niederzuwerfen, hauptsächlich gegründet.

Der Schwerpunkt des französischen Reiches liegt in seiner Kriegsmacht und in Paris. Jene in einer oder mehreren Hauptschlachten besiegen, Paris erobern, die Überreste des feindlichen Heeres über die Loire zurückwerfen, muß das Ziel der Verbündeten sein. Die Herzgrube der französischen Monarchie liegt zwischen Paris und Brüssel, dort ist die Grenze von der Hauptstadt nur 30 Meilen entfernt. Der eine Teil der Verbündeten, die Engländer, Niederländer, Preußen und die norddeutschen Staaten, haben dort ihren natürlichen Aufstellungspunkt, ihre Länder liegen zum Teil in der Nähe, zum Teil gerade dahinter. Österreich und Süddeutschland kann seinen Krieg mit Bequemlichkeit nur vom Oberrhein her führen. Die natürlichste Richtung geht auf Troyes und Paris oder auch auf Orléans. Beide Stöße, der von den Niederlanden wie der vom Oberrhein her, sind also ganz direkt und ohne Zwang, kurz und kräftig, und beide führen zum Schwerpunkt der feindlichen Macht. Auf diese beiden Punkte sollte also die ganze feindliche Macht verteilt werden.

Nur zwei Rücksichten entfernen von dieser Einfachheit des Planes.

Die Österreicher werden Italien nicht entblößen, sie werden dort in jedem Fall Meister der Begebenheiten bleiben wollen. Sie werden es also nicht darauf ankommen lassen, Italien durch einen Angriff auf das Herz von Frankreich mittelbar zu decken. Bei dem politischen Zustande des Landes ist diese Nebenabsicht nicht zu verwerfen; aber es würde ein ganz entschiedener Fehler sein, wenn die alte, schon so oft versuchte Idee eines Angriffs des südlichen Frankreichs von Italien her damit verbunden und aus diesem Grunde der italienischen Macht eine Größe gegeben würde, die sie zur bloßen Sicherung gegen die äußersten Unglücksfälle im ersten Feldzuge nicht brauchte. Nur soviel soll in Italien bleiben, nur soviel darf der Hauptunternehmung entzogen werden, wenn man dem Hauptgedanken, Einheit des Planes, Vereinigung der Macht, nicht untreu werden will. Wenn man Frankreich an der Rhône erobern will, so ist das, als wenn man eine Muskete an der Spitze ihres Bajonetts aufheben will; aber auch als Nebenunternehmung ist ein Angriff auf das südliche Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue Kräfte gegen uns. Jedesmal, wo man eine entfernte Provinz angreift, rührt man Interessen und Tätigkeiten auf, die sonst geschlummert hätten. Nur wenn sich zeigt, daß die in Italien gelassenen Kräfte für die bloße Sicherung des Landes zu groß wären und also müßig bleiben müßten, ist ein Angriff auf das südliche Frankreich von da aus gerechtfertigt.

Wir wiederholen es daher: die italienische Macht muß so schwach gehalten werden, als es die Umstände nur irgend zulassen, und sie ist hinreichend, wenn die Österreicher nicht in einem Feldzuge das ganze Land verlieren können. Nehmen wir diese Macht in unserem Beispiele mit 50000 Mann an.

Die andere Rücksicht ist das Verhältnis Frankreichs als Küstenland, Da England zur See die Oberhand hat, so folgt daraus eine große Reizbarkeit Frankreichs längs seiner ganzen atlantischen Küste und folglich eine mehr oder weniger starke Besetzung derselben. Wie schwach diese nun auch eingerichtet sei, so wird doch die französische Grenze damit verdreifacht, und es kann nicht fehlen, daß dadurch den französischen Armeen auf den Kriegstheatern eine Menge von Kräften entzogen werden. 20 oder 30 000 Mann disponibler Landungstruppen, womit die Engländer Frankreich bedrohen, würden vielleicht das Doppelte oder Dreifache von französischen Kräften absorbieren, wobei man nicht bloß an Truppen, sondern auch an Geld, Kanonen usw. denken muß, welche Flotte und Strandbatterien erfordern. Nehmen wir an, daß die Engländer dazu 25000 Mann verwenden.

Unser Kriegsplan würde also ganz einfacherweise darin bestehen:

Erstens: Daß sich in den Niederlanden

200000 Mann Preußen,

75000 Mann Niederländer,

25000 Mann Engländer,

50000 Mann norddeutscher Bundestruppen,

Summa 350000 Mann versammelten, wovon etwa 50000 zur

Besetzung der Grenzfestungen verwendet werden und 300000 übrigbleiben, um gegen Paris vorzudringen und den französischen Armeen eine Hauptschlacht zu liefern.

Zweitens: Daß sich 200000 Österreicher und 100000 Mann süddeutscher Truppen am Oberrhein versammelten, und gleichzeitig mit der niederländischen Armee vorzudringen, und zwar gegen die obere Seine und von da gegen die Loire, um der feindlichen Armee gleichfalls eine Hauptschlacht zu liefern. An der Loire würden sich vielleicht diese beiden Stöße zu einem verbinden.

Hiermit ist die Hauptsache bestimmt; was wir weiter zu sagen haben, betrifft hauptsächlich die Entfernung falscher Ideen und besteht in folgendem:

Erstens: Die vorgeschriebene Hauptschlacht zu suchen und sie mit einem Machtverhältnis und unter Umständen zu liefern, die einen entscheidenden Sieg versprechen, muß die Tendenz der Feldherren sein; diesem Zweck müssen sie alles aufopfern und sich übrigens in Belagerungen, Einschließungen, Besatzungen usw. mit so wenigem als möglich behelfen. Wenn sie, wie Schwarzenberg im Jahre 1814 tat, sobald sie das feindliche Gebiet betreten, in exzentrischen Radien auseinandergehen, so ist alles verloren, und die Verbündeten verdankten im Jahre 1814 es nur der Ohnmacht Frankreichs, daß nicht in den ersten vierzehn Tagen wirklich alles verlorenging. Der Angriff soll einem kräftig getriebenen Pfeil und nicht einer Seifenblase gleichen, die sich bis zum Zerplatzen ausdehnt.

Zweitens: Die Schweiz muß man ihren eigenen Kräften überlassen. Bleibt sie neutral, so hat man am Oberrhein einen guten Anlehnungspunkt; wird sie von Frankreich angegriffen, so mag sie sich ihrer Haut wehren, wozu sie in mehr als einer Hinsicht sehr geeignet ist. Nichts wäre törichter, als der Schweiz, weil sie das höchste Land Europas ist, einen geographisch herrschenden Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten einräumen zu wollen. Ein solcher Einfluß besteht nur unter gewissen, sehr beschränkten Bedingungen, die hier gar nicht vorhanden sind. Während die Franzosen im Herzen ihres Landes angegriffen sind, können sie keine kräftige Offensive von der Schweiz aus weder nach Italien noch nach Schwaben hinein unternehmen, und am wenigsten kann dabei die hohe Lage dieses Landes als ein entscheidender Umstand in Betrachtung kommen. Der Vorteil des strategischen Dominierens ist zuerst hauptsächlich bei der Verteidigung wichtig, und was für den Angriff von dieser Wichtigkeit übrigbleibt, kann sich in einem einzelnen Stoß zeigen. Wer dies nicht weiß, hat die Sache nicht bis zur Klarheit durchdacht, und wenn im künftigen Rat des Machthabers und Feldherrn sich ein gelehrter Generalstabsoffizier finden sollte, der mit sorgenvoller Stirn solche Weisheit auskramt, so erklären wir es im voraus für eitle Torheit und wünschen, daß sich in eben diesem Rat irgendein tüchtiger Haudegen, ein Kind des gesunden Menschenverstandes finden möge, der ihm das Wort beim Munde abschneidet.

Drittens: Den Raum zwischen beiden Angriffen lassen wir so gut wie unbeachtet. Muß man, während sich 600000 Mann 30 und 40 Meilen von Paris versammeln, um gegen das Herz des französischen Staates vorzudringen, noch darauf denken, den Mittelrhein, also Berlin, Dresden, Wien und München zu decken? Darin wäre kein Menschenverstand. Soll man die Verbindung decken? Das wäre nicht unwichtig; aber dann kann man logisch bald dahin geführt werden, dieser Deckung die Stärke und Wichtigkeit eines Angriffs geben zu müssen und also, anstatt auf zwei Linien vorzugehen, wozu die Lage der Staaten unbedingt nötigt, auf dreien vorzugehen, wozu sie nicht nötigt, und diese drei würden dann vielleicht zu fünf oder gar zu sieben werden und so die ganze alte Litanei wieder an die Tagesordnung kommen.

Unsere beiden Angriffe haben jeder ihr Ziel; die darauf verwendeten Kräfte sind höchstwahrscheinlich den feindlichen merklich überlegen; geht jeder seinen kräftigen Gang vorwärts, so kann es nicht anders sein, als daß sie gegenseitig vorteilhaft aufeinander wirken. Wäre einer der beiden Angriffe unglücklich, weil der Feind seine Macht zu ungleich verteilt hat, so ist mit Recht zu erwarten, daß der Erfolg des anderen dieses Unglück von selbst gutmachen werde, und dies ist der wahre Zusammenhang beider. Einen Zusammenhang, welcher sich auf die Begebenheiten der einzelnen Tage erstreckte, können sie bei der Entfernung nicht haben; sie brauchen ihn nicht, und darum ist die unmittelbare oder vielmehr die gerade Verbindung von keinem so großen Werte.

Der Feind, welcher in seinem Innersten angegriffen ist, wird ohnehin keine namhaften Streitkräfte zur Unterbrechung dieser Verbindung verwenden können; alles, was zu befürchten ist, besteht vielmehr darin, daß diese Unterbrechung durch die Mitwirkung der von Streifparteien unterstützten Einwohner allein bewirkt werde, so daß dieser Zweck dem Feinde an eigentlicher Streitkraft nichts kostet. Um dem zu begegnen, ist es hinreichend, wenn von Trier aus ein 10 bis 15000 Mann, an Kavallerie vorzüglich starkes Korps die Richtung auf Reims hält; es wird hinreichend sein, jedem Parteigänger über den Leib zu marschieren und die Höhe der großen Armee zu halten. Es soll weder Festungen einschließen noch beobachten, sondern zwischen ihnen durchmarschieren, sich keine feste Basis halten und einer Übermacht nach jeder beliebigen Richtung ausweichen. Ein großes Unglück wird ihm da nicht begegnen können, und wenn dies geschähe, so wäre es wieder kein großes Unglück für das Ganze. Unter diesen Umständen wird ein solches Korps wahrscheinlich hinreichen, einen Zwischenpunkt für die beiden Angriffe zu bilden.

Viertens: Die beiden Nebenunternehmungen, nämlich die österreichische Armee in Italien und die englische Landungsarmee, mögen ihrem Zweck nach bester Weise nachgeben. Wenn sie nicht müßig bleiben, so ist er der Hauptsache nach schon erfüllt, und auf keinen Fall soll einer der beiden großen Angriffe in irgendeiner Art davon abhängig gemacht werden.

Wir halten uns fest überzeugt, daß auf diese Weise Frankreich jedesmal niedergeworfen und gezüchtigt werden kann, wenn es sich einfallen läßt, den Übermut, womit es Europa 150 Jahre lang gedrückt hat, wieder anzunehmen. Nur jenseits Paris an der Loire kann man von ihm die Bedingungen erhalten, die zu Europas Ruhe nötig sind. Nur so wird sich schnell das natürliche Verhältnis von 30000000 zu 75000000 kundtun, nicht aber wenn jenes Land, wie 150 Jahre lang geschehen ist, von Dünkirchen bis Genua mit einem Gürtel von Armeen umschnallt werden soll, indem man fünfzigerlei verschiedene kleine Zwecke sich vorsetzt, wovon keiner stark genug ist, die Inertie, die Friktion, die fremdartigen Einflüsse zu überwältigen, die sich überall, besonders aber bei verbündeten Heeren, erzeugen und ewig regenerieren.

Wie wenig einer solchen Anordnung die vorläufigen Anordnungen des deutschen Bundesheeres entsprechen, wird dem Leser von selbst einfallen. In diesen Einrichtungen bildet der föderative Teil Deutschlands den Kern der deutschen Macht, und Preußen und Österreich, durch ihn geschwächt, verlieren ihr natürliches Gewicht. Ein föderativer Staat ist aber im Kriege ein sehr morscher Kern; da ist keine Einheit, keine Energie, keine vernünftige Wahl des Feldherrn, keine Autorität, keine Verantwortlichkeit denkbar.

Österreich und Preußen sind die beiden natürlichen Mittelpunkte des Stoßes für das Deutsche Reich, sie bilden den Schwingungspunkt, die Stärke der Klinge, sie sind monarchische Staaten, des Krieges gewohnt, haben ihre bestimmten Interessen, Selbständigkeit der Macht, sind vorherrschend vor den anderen. Diesen natürlichen Lineamenten muß die Einrichtung folgen und nicht einer falschen Idee von Einheit; diese ist hier ganz unmöglich, und wer über dem Unmöglichen das Mögliche versäumt, der ist ein Tor.


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