Raphael Kühner
Cicero's drei Bücher von den Pflichten
Raphael Kühner

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V. Inhalt der drei Bücher von den Pflichten.

Erstes Buch.

I. Vorwort. Rechtfertigung dieser Schrift, a) durch den Nutzen, der aus der Fähigkeit sich auch über philosophische Gegenstände in Lateinischer Sprache gut auszudrücken hervorgeht (Kap. 1.); b) durch die Wichtigkeit der Lehre von den Pflichten (Kap. 2.).

Eintheilung der Untersuchung über die Pflichten.

A.  Theoretischer Theil: Lehre von dem höchsten Gute.

B.  Praktischer Theil: Lehre von den Pflichten.

Eintheilung der Pflichten in vollkommene und mittlere oder gewöhnliche. – Begriffsbestimmung.

Eintheilung der mittleren oder gewöhnlichen Pflichten in drei Theile nach der dreifachen Ueberlegung bei Fassung eines Entschlusses. Diese Ueberlegung bezieht sich nämlich:

a) auf das Sittlichgute (Erstes Buch);

b) auf den Nutzen (Zweites Buch);

c) auf den Streit des anscheinend Nützlichen mit dem Sittlichguten (Drittes Buch).

Diesen drei Theilen werden noch zwei Unterabtheilungen hinzugefügt:

aa) wenn zwei sittlichgute Handlungen vorliegen, welche von beiden die bessere sei;

bb) wenn zwei nützliche Handlungen vorliegen, welche von beiden die nützlichere sei. – (Kap. 3.)

II. Abhandlung über das Sittlichgute (Inhalt des ersten Buches).

Ableitung des Sittlichguten von den Grundtrieben des Menschen, als eines vernünftigen Wesens:

a) dem nach Geselligkeit,

b) dem nach Wahrheit,

c) dem nach Herrschaft und Hochherzigkeit,

d) dem nach Ordnung, Anstand, Maß.

Sittlichgut ist also das, was mit diesen Grundtrieben übereinstimmt. – (Kap. 4.)

Ans diesen Grundtrieben entstehen die vier sogenannten Kardinaltugenden,

a) die Klugheit,

b) die Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit,

c) die Tapferkeit oder Hochherzigkeit,

d) die Mäßigung oder Selbstbeherrschung. – (Kap. 5.)

A. Die Klugheit (prudentia, φρόνησις), welche in der Erkenntniß der Wahrheit besteht. – Pflichten derselben:

a) genaue Untersuchung der Wahrheit,

b) Beschäftigung nur mit nützlichen, sittlichguten und wissenswürdigen Gegenständen,

c) Unterordnung der wissenschaftlichen Beschäftigungen unter das thätige Geschäftsleben. – (Kap. 6.).

B. Die Gerechtigkeit (justitia, δικαιοσύνη) und Wohlthätigkeit (beneficientia), worauf die Geselligkeit des Lebens beruhe.

A. Die Gerechtigkeit.

α)  Pflichten der Gerechtigkeit:

a) Niemandem Schaden zuzufügen,

b) das Eigentum zu achten,

c) sein Wort zu halten.

β)  Fehler gegen die Gerechtigkeit – Ungerechtigkeit –:

a) Andere beeinträchtigen,

b) das Unrecht nicht abwehren. – (Kap. 7)

Quellen der Ungerechtigkeit, welche Andere beeinträchtigt:

α) Furcht,

β) Habsucht,

γ) Ehrsucht. (Kap. 7, §. 24. Kap. 8.)

Quellen der Ungerechtigkeit, welche das Unrecht nicht abwehrt:

α) Scheu vor Uebernahme von Feindschaften, Mühen und Kosten,

β) Nachlässigkeit, Trägheit, Schlaffheit,

γ) Lieblingsbeschäftigungen,

δ) Menschenscheu. – (Kap. 9.)

Bemerkung. An sich gerechte Handlungen können zuweilen durch die Umstände zu ungerechten werden. Wie hat man sich dabei zu verhalten? (Kap. 10, §. 31 und 32)

c) Ungerechtigkeit durch Rechtsverdrehung. (Kap. 10, §. 33.)

Pflichten der Gerechtigkeit gegen Beleidiger, namentlich gegen Staatsfeinde. (Kap. 11, 12 u. 13, §. 39–40)

Pflichten der Gerechtigkeit gegen Sklaven. (Kap. 13, §. 41.)

B. Die Wohlthätigkeit.

1)  Pflichten, die bei Ausübung der Wohlthätigkeit zu beobachten sind:

a) Man muß mit ihr wirklichen Nutzen stiften und Anderen nicht schaden,

b) die Wohlthätigkeit darf unser Vermögen nicht übersteigen,

c) die Wohlthat muß nach Verdienst erwiesen werden, indem man hierbei zu berücksichtigen hat:

α) den Charakter des Menschen,

β) die Gesinnung Anderer gegen uns,

γ) die uns erwiesenen Dienste,

δ) das Bedürfniß. – (Kap. 14. 15.)

2)  Pflichten der allgemeinen Wohlthätigkeit, welche sich auf das ganze Menschengeschlecht bezieht. (Kap. 16.)

3)  Pflichten der besonderen Wohlthätigkeit, welche sich auf die verschiedenen Stufen der menschlichen Gesellschaft bezieht:

a) Landsmannschaft, Vaterland,

b) Bürgerschaft,

c) Verwandtschaft.

d) Charakterähnlichkeit (Freundschaft) – (Kap. 17.)

Bemerkung. Zusammenstellung der Pflichten der besonderen Wohlthätigkeit nach ihrer Wichtigkeit (Kap. 17, §. 58.). Umstände und Zeitverhältnisse bewirken jedoch zuweilen eine Abänderung (Kap. 18, §. 59 u. 60).

C. Die Tapferkeit (fortitudo, ανδρεία) oder Hoheit des Geistes (Kap. 18, §. 61.). Sie muß mit Gerechtigkeit verbunden sein und sich nicht auf persönliche Vortheile, sondern auf das allgemeine Wohl beziehen (Kap. 19.). Sie zeigt sich besonders in zwei Stücken: in der Gesinnung und in Thaten. Als Gesinnung betrachtet, begreift sie:

a) die Ueberzeugung, daß nur das Sittlichgute ein Gut sei,

b) die Freiheit von aller Leidenschaft, insbesondere von Geldgier und Ehrsucht.

Bemerkung über die nach Macht Strebenden und an den Staatsgeschäften Theilnehmenden und über die ein zurückgezogenes Leben Führenden und Vergleichung Beider. Bedingungen, unter denen die Zurückgezogenheit vom öffentlichen Leben gestattet ist. – Dem Staatsmanne thut ganz besonders Hochherzigkeit, Geringschätzung irdischer Dinge und Gemüthsruhe Noth. – (Kap. 20 a. E. und 21.)

Vergleichung der Tapferkeit und Hochherzigkeit im Kriege mit der in der inneren Staatsverwaltung. Die Thaten der letzteren stehen den kriegerischen nicht nach, sondern haben oft einen noch höheren Werth, und auf jene ist noch mehr Mühe und Eifer zu verwenden als auf diese. (Kap. 22.).

α)  Kriegerische Tapferkeit beruht mehr auf geistiger als körperlicher Kraft, nämlich auf Geistesgegenwart, Ueberlegung und kluger Berechnung der Zukunft. (Kap. 23.)

Pflichten, die bei der Zerstörung und Plünderung einer feindlichen Stadt zu beobachten sind.

Verwerflich ist bei der kriegerischen Tapferkeit Uebereilung und Tollkühnheit. Bei Gefahren des ganzen Staates muß der persönliche Vortheil dem des Ganzen untergeordnet sein. (Kap. 24.)

β)  Tapferkeit, d. i. Erhabenheit und Stärke des Geistes, beim Staatsmanne. Pflichten derselben:

a) sie soll alle ihre Handlungen auf den Nutzen der Bürger beziehen,

b) sie soll für den ganzen Staatskörper Sorge tragen. Sie hüte sich daher vor folgenden Fehlern:

aa) vor Eigennutz,

bb) vor Parteisucht;

c) sie soll Versöhnlichkeit und Milde auch gegen Feinde üben; zum Besten des Staates aber auch Strenge dazunehmen; bei der Bestrafung der Schuldigen mit Gerechtigkeit und ohne alle Leidenschaftlichkeit verfahren. – (Kap. 25.)

d) sie soll im Glücke Bescheidenheit, sowie

e) im ganzen Leben Gleichmuth bewahren, die Hinfälligkeit alles Irdischen und den Wechsel des Glückes einsehen, auf den Rath guter Freunde hören und den Schmeichlern das Ohr verschließen.

Bemerkung. Wenn auch die Erhabenheit des Geistes am Glänzendsten in der Staatsverwaltung hervortritt, so kann sie sich doch auch bei dem gelehrten und reichen Privatmanne zeigen. – (Kap. 26.)

D. Die Mäßigung (moderatio. σωφροσύνη) oder Sittsamkeit (verecundia), Selbstbeherrschung (temperantia), Bescheidenheit (modestia).

Zu dieser Tugend gehört das Anständige (decorum, τὸ πρέπον). Dasselbe ist zweierlei:

a) das allgemeine Anständige, das, mit der Tugend ganz verschmolzen, sich in der Sittlichkeit im Allgemeinen kund thut; es ist das Anständige, das der Erhabenheit des Menschen angemessen ist, inwiefern sein Wesen sich von dem der übrigen lebenden Wesen unterscheidet;

b) das besondere Anständige, das sich auf die einzelnen Theile der Sittlichkeit bezieht, namentlich auf die Mäßigkeit; es ist das Anständige, das unserer Natur insofern angemessen ist, als sich darin Mäßigung und Selbstbeherrschung mit einer gewissen edlen äußeren Haltung zeigt. – (Kap. 27.)

Das Wesen des Anständigen beruht auf der Beobachtung des Naturgemäßen, und zwar nicht bloß in äußerlichen Handlungen, sondern in noch höherem Grade in den Aeußerungen der Seele. – (Kap. 28.)

Pflichten des Anständigen:

a) die Begierden der Vernunft zu unterwerfen;

b) immer mit Besonnenheit zu handeln;

c) selbst beim Scherze und Spiele jede Unmäßigkeit zu vermeiden und ein edles und anmuthiges Benehmen zu zeigen – (Kap. 29.) –;

d) die Sinnenlust zu verwerfen oder wenigstens im Genusse derselben sorgfältig Maß zu halten – (Kap. 30, §§. 105. 106.) –;

e) da die Naturanlagen und der Charakter der Menschen sehr verschieden sind (Kap. 30, §§. 107–109.), so soll Jeder in seinem Benehmen an seiner natürlichen Eigentümlichkeit, die ihm besser ansteht als die Nachahmung fremder Vorzüge, festhalten – (Kap. 31.) –

f) bei der Wahl unserer Lebensweise müssen vor Allem die natürlichen Eigenschaften, dann aber auch die Glücksumstände berücksichtigt werden; der getroffenen Wahl soll man nicht ohne wichtige Gründe untreu werden;

g) man soll den Aeltern und Vorältern in ihren Vorzügen nachahmen. – (Kap. 32 und 33.)

Besondere Pflichten der Jugend wie des Alters, der obrigkeitlichen wie der Privatpersonen, der Bürger wie der Fremden in Beziehung auf den Anstand. (Kap. 34)

Aeußerer Anstand im Benehmen. Er beruht auf:

a) Schönheit,

b) Ordnung,

c) einem zur Handlung passenden Schmucke (gefälligen Sitten).

Bemerkung. Die Natur selbst leitet in der Einrichtung des menschlichen Körpers auf die Beobachtung des Anstandes hin. – (Kap. 35.)

a. Von der Schönheit. Zwei Arten der Schönheit:

aa) Anmuth, weibliche Schönheit,

bb) Würde, männliche Schönheit.

Pflichten des Anstandes hinsichtlich der Kleidung, der Bewegung des Körpers und der Seele. – (Kap. 36)

Pflichten des Anstandes hinsichtlich der Rede sowol in öffentlichen Versammlungen als auch in der geselligen Unterhaltung. – (Kap. 37 u. 38.)

Pflichten des Anstandes hinsichtlich der Wohnung.

Pflichten des Anstandes bei allen Unternehmungen und Geschäften des Lebens. – (Kap. 39.)

b. Von der Ordnung in den Handlungen und der Berücksichtigung des schicklichen Ortes und der schicklichen Zeit. Pflichten der Ordnung. – (Kap. 40.)

Bemerkung. Ans kleinen Verstößen gegen den Anstand lassen sich oft wichtige Schlüsse machen. Dergleichen Verstöße lassen sich besser an Anderen beurtheilen als an uns selbst und so auch an uns selbst vermeiden. In zweifelhaften Fällen des Anstandes ist es zweckmäßig, gebildete und erfahrene Männer zu Rathe zu ziehen. – Jedem Menschen soll man nach Maßgabe seiner Verdienste, seiner Stellung im Staate und anderer Verhältnisse Ehre und Achtung erweisen (Kap. 41.). Würdigung der Künste und Gewerbe hinsichtlich des Anstandes. (Kap. 42.)

Vergleichung der vier Haupttugenden.

Die Pflichten der Geselligkeit sind den Pflichten der Klugheit oder Erkenntniß vorzuziehen. (Kap. 43 u. 44.)

Bemerkung. Berührung der Frage, ob der Geselligkeitstrieb der Mäßigung und Sittsamkeit zu jeder Zeit vorzuziehen sei, d. h. ob unanständige Handlungen erlaubt sein können, wenn damit der Gesellschaft gedient wäre.

III. Schluß. Kurze Wiederholung des Hauptinhaltes der ganzen Untersuchung. – (Kap. 45.)

Zweites Buch.

I. Vorwort. Rechtfertigung der Beschäftigung mit Philosophie durch die damalige Staatsverfassung (Kap. 1.) – Lob der Philosophie und des Studiums derselben. – Begriffsbestimmung der Philosophie. – Beseitigung des Einwurfes, daß die neuere Akademie, welcher Cicero zugethan war, nicht für die Erörterung eines philosophischen Gegenstandes geeignet sei. (Kap. 2.)

II. Abhandlung über das Nützliche (Inhalt des zweiten Buches).

Begriff des Nützlichen.

Eintheilung des uns Nützlichen:

a) leblose Dinge,

b) lebende Wesen.

Der Mensch ist nach den Göttern unter allen lebenden Wesen dasjenige, welches den Menschen den größten Nutzen verschafft. – Der Mensch bedarf gegenseitiger Unterstützung von Menschen. (Kap. 3 u. 4.) – Aber auch den größten Schaden kann der Mensch den Menschen verursachen. Wir müssen daher suchen die Menschen zu gewinnen und sie zu unserem Nutzen zu verbinden. Dieß ist die Aufgabe der Weisheit und Tugend. (Kap. 5)

Bemerkung über den Einfluß des Schicksales auf unser Wohl und Weh, aber meistens unter Mitwirkung der Menschen.

Verschiedene Beweggründe für die Menschen Anderer Vortheil zu befördern, sowie auch sich der Herrschaft und Gewalt Anderer zu unterwerfen. (Kap. 6.)

Mittel Andere dem eigenen Vortheile geneigt zu machen:

1)  Liebe, welcher Furcht entgegengesetzt ist, und Freundschaft. (Kap. 7 und 8.)

2) Ruhm, Ehre und Achtung, die man bei den Menschen erwerben muß.

Sie beruhen:

a) auf Liebe und Wohlwollen,

b) auf Vertrauen,

c) auf Hochachtung.

Mittel zu diesen drei Eigenschaften zu gelangen. – (Kap. 9–11.) Der wahre Ruhm fordert wirkliche Vorzüge und ist mit dem bloßen Scheine unverträglich. (Kap. 12)

Vorschriften, wie junge Männer zu Ruhm gelangen können:

a) sie sollen sich frühzeitig bekannt machen, wozu besonders Kriegsdienste Gelegenheit geben;

b) durch Bescheidenheit, Liebe zu den Aeltern, Wohlwollen gegen die Anverwandten;

c) durch das Anschließen an angesehene und weise Männer;

d) durch freundliche Umgangssprache und durch öffentliche Beredsamkeit. – (Kap. 13 u. 14.)

3)  Wohlthätigkeit und Freigebigkeit:

a) persönliche Dienstleistungen,

b) Geldaufwand.

Jene verdienen den Vorzug vor diesem, obwol dieser nicht geradezu verwerflich ist, aber er erfordert Vorsicht. – (Kap. 15.) – Ein Abweg des Gelbaufwandes ist Verschwendung, der besonders in Schenkungen an das Volk, namentlich bei den kostbaren Festlichkeiten zur Belustigung des Volkes besteht. (Kap. 16.) Da diese Schenkungen herkömmlich sind, so sind sie nicht zu vermeiden, aber sie müssen sich nach dem Vermögen richten und sich auf die Mittelstraße beschränken. Aufwand für gemeinnützige Anstalten ist ihnen vorzuziehen. (Kap. 17.)

a.  Pflichten der wahren Freigebigkeit durch Geldaufwand, bestehend in der Unterstützung Anderer:

α) Berücksichtigung der Lage und des Charakters derer, die wir unterstützen wollen;

β) Anderen solche Wohlthaten zu erweisen, welche die Menschen zur Dankbarkeit verpflichten;

γ) Anderen solche Wohlthaten zu erweisen, welche zugleich auch dem Staate Vortheil bringen;

δ) mit der Freigebigkeit hängt die Billigkeit im Fordern und in jedem Verkehre des Lebens zusammen;

ε) Gastfreiheit zu üben. – (Kap. 18.)

b.  Pflichten der Wohlthätigkeit durch Dienstleistungen;

α) gegen Einzelne vorzüglich durch die Rechtswissenschaft und die Beredsamkeit, dann aber auch durch andere Gefälligkeiten. Bei den persönlichen Dienstleistungen ist Vorsicht nöthig, daß man die nicht verletze, denen man helfen will. – (Kap. 19.) – Beweggründe zu persönlichen Dienstleistungen. Die Rücksicht auf den Charakter soll entscheiden. – Nichts soll man gegen die Billigkeit für einen Anderen, Nichts für eine ungerechte Sache thun. (Kap. 20.)

β) gegen den ganzen Staat. Die Staatsbeamten müssen dafür sorgen, daß das Eigentum des Einzelnen bewahrt werde; daß es nicht durch Abgaben geschwächt werde; daß ein reichlicher Vorrath von Lebensbedürfnissen vorhanden sei; daß sie sich von allem Eigennutz fern halten. (Kap. 21.) – Uneigennützigkeit ist die größte Empfehlung für den Staatsmann, sowie Eigennutz der häßlichste Fehler für ihn. – Gütervertheilungen und Schuldenerlasse sind für den Staat sehr gefährlich. Auch wird der damit erstrebte Zweck nicht erreicht. (Kap. 22 u. 23.) – Man muß Vorsichtsmaßregeln treffen, daß keine Schuldenlast entstehe, die dem Staate nachtheilig sein kann. Treue und Glauben ist eine feste Stütze des Staates. Der Staatsmann muß durch Recht und Billigkeit dafür sorgen, daß Jeder im Besitze des Seinigen bleibe.

Bemerkung über die Sorge für Gesundheit und Vermögen. – (Kap. 24.)

Vergleichung des Werthes verschiedener Güter oder die Frage: Wenn mehrere Gegenstände des Nützlichen vorliegen, welcher verdient den Vorzug? (Kap. 25.)

Drittes Buch.

I. Vorwort. Klage Cicero's über die ihm durch die traurige Lage des Staates auferlegte Muße und seine Erklärung über die Anwendung dieser Muße zu der Abfassung schriftlicher Werke. (Kap. 1.) – Wichtigkeit der Lehre von den Pflichten. – Ermahnung an seinen Sohn sich mit den Lehren der Philosophie eifrig zu beschäftigen. (Kap. 2, §§. 5–7.)

II. Einleitung in die Untersuchung von dem Streite zwischen Sittlichkeit und Nutzen.

1. Bemerkung über den Punkt, daß Panätius und Posidonius den dritten Theil der Lehre von den Pflichten, wie man sich bei einem Streite des anscheinend Sittlichguten mit dem anscheinend Nützlichen zu entscheiden habe, in ihren Untersuchungen über die Pflicht weggelassen haben. (Kap. 2, §§. 8–10.)

2. Untersuchung der Frage, ob von einem Streite zwischen Sittlichkeit und Nutzen die Rede sein könne. – An und für sich können Sittlichkeit und Nutzen nie in Streit mit einander gerathen; denn das Sittlichgute muß stets nützlich sein, und das Nützliche muß stets sittlichgut sein. Allein man muß zwischen der vollendeten Tugend des Weisen und den lobenswerthen Handlungen gewöhnlicher Menschen unterscheiden. Da von den letzteren hier die Rede ist, so kann auch von einem Streite zwischen Sittlichkeit und Nutzen die Rede sein, insofern nämlich im gewöhnlichen Leben die Umstände es oft mit sich bringen, daß eine Handlung, die man gemeiniglich für unsittlich hält, als nicht unsittlich befunden wird. Um daher in Fällen, wo das sogenannte Nützliche mit dem, was wir als sittlichgut erkennen, in Streit zu kommen scheint, mit Sicherheit entscheiden zu können, muß man eine Vorschrift aufstellen, deren Befolgung uns bei der Vergleichung der Dinge vor der Abweichung von der Pflicht bewahrt. – (Kap. 3 und 4.)

Vorschrift: Einem Anderen Etwas entziehen und mit dem Nachtheile des Anderen seinen eigenen Vortheil finden ist mehr gegen die Natur als Tod, Armut, Schmerz und alle sonstigen Uebel unseres Körpers und unserer äußeren Verhältnisse. (Kap. 5.)

Der Nutzen jedes Einzelnen und der ganzen Menschheit muß also als ein und dasselbe angesehen werden.

Angaben der Fälle, in denen es gestattet ist von der angegebenen Vorschrift abzuweichen. – (Kap. 6.)

Nicht das Nützliche kann mit dem Sittlichguten bisweilen in Streit gerathen,. sondern nur das anscheinend Nützliche. (Kap. 7.)

In einer und derselben Sache kann nicht Nutzen und Unsittlichkeit vereint sein. – Was gut ist, ist nützlich; also ist Alles, was sittlichgut ist, nützlich. – Verderblich ist der Irrwahn, der das scheinbar Nützliche von dem Sittlichguten trennt. – Solche Dinge, bei welchen schon die Berathung unsittlich ist, dürfen gar nicht in Berathung gezogen werden. – Die Hoffnung verborgen zu bleiben darf uns nie zu einer unsittlichen Handlung verleiten. (Kap. 8. u. 9.)

III. Abhandlung von dem Streite zwischen Sittlichkeit und Nutzen.

Es kommen Fälle vor, in denen eine Ueberlegung statt finden kann, ob eine anscheinend nützliche Handlung ohne Verletzung der Sittlichkeit geschehen könne.

Auf seinen eigenen Vortheil Bedacht zu nehmen, so weit es ohne Beeinträchtigung Anderer möglich ist, ist pflichtmäßig.

Streit des Nutzens

A. mit der Gerechtigkeit. (Kap. 10–25.)

a) in der Freundschaft. (Kap. 10) } Die Rücksicht auf die Sittlichkeit muß obsiegen.
b) im Staate. (Kap. 11.) }
c) im Handel und Wandel. Hier ist es unsittlich, um seines Vortheiles willen Anderen Etwas zu verhehlen oder gar durch falsche Angaben einen Anderen zu betrügen. – Der Arglist wird im Staate durch Gesetze, das bürgerliche Recht und die Gerichte gesteuert; aber noch mehr durch das Naturgesetz, das Völkerrecht. – (Kap. 12–17.)

Auch selbst unter den Menschen, die für ehrlich gelten, gibt es nur wenige, die bei Gewißheit aller Straflosigkeit und Verborgenheit sich des Unrechtes enthalten. (Kap. 18.)

Aber der wahrhaft rechtschaffene Mann wird unter keiner Bedingung Unrecht thun, da er Nichts für vortheilhaft hält, was ungerecht ist (Kap. 19.), auch dann nicht, wenn der Vortheil, der durch das Unrecht gewonnen wird, sehr groß und die Verletzung der Billigkeit nicht sehr bedeutend ist. Denn entweder darf das, was man für nützlich hält, nicht unsittlich sein, oder wenn es unsittlich ist, so darf man es nicht für nützlich halten. (Kap. 20–22.)

Anführung und Beurtheilung einiger besonderer Streitfälle zwischen Sittlichkeit und Nutzen (Kap. 23.).

Inwiefern Verträge und Versprechungen nicht zu halten seien, wird erörtert (Kap. 24); ebenso auch, in welchem Falle man Anvertrautes nicht zurückzugeben brauche.

B. Mit der Tapferkeit oder Erhabenheit des Geistes (Kap. 26–32.)

Auch mit der Tapferkeit oder Erhabenheit des Geistes kann der Nutzen nie in Streit gerathen. Denn was mit Tapferkeit oder Erhabenheit des Geistes geschieht, ist sowol sittlichgut als auch nützlich, sowie dagegen das, was mit Feigheit geschieht, sowol unsittlich als auch schädlich ist. Erläuterung dieses Grundsatzes an Beispielen. Die Grundgesetze der Natur werden umgestoßen, wenn Nutzen und Sittlichkeit von einander getrennt werden. Das Nützliche aber kann nur im Sittlichguten gefunden werden. (Kap. 26–28.) – Bemerkung über den Eid. (Kap. 29.) – Verpflichtungen gegen den Feind. (Kap. 30.)

Nicht ist Etwas sittlichgut, weil es nützlich ist, sondern weil es sittlichgut ist, ist es nützlich (Kap. 30, §. 110).

Beispiele von der Heilighaltung des Eides und vom Gegentheile (Kap. 31 u. 32).

Ergebniß der Untersuchung: Alle Handlungen, welche gegen die Tapferkeit und Erhabenheit des Geistes streiten, können niemals nützlich sein, weil sie unsittlich sind (Kap. 32, §. 115).

C. Mit der Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Selbstbeherrschung.

Wenn das sinnliche Vergnügen als das höchste Gut angesehen und die Tugend nur insofern für lobenswürdig erklärt wird, als sie ein Hülfsmittel zu dem Vergnügen sei: so muß ein solcher Nutzen gegen die Sittlichkeit streiten. Bei dem Grundsatze, daß das sinnliche Vergnügen das höchste Gut und der Schmerz das höchste Uebel sei, erscheint die Tugend als der Sinnlichkeit untergeordnet, während die Sinnlichkeit der Tugend untergeordnet sein soll.

Ergebniß der Untersuchung: Alles sinnliche Vergnügen ist der Sittlichkeit entgegen.

Tadelnswerth sind die Philosophen, die das sinnliche Vergnügen mit der Sittlichkeit verbinden.

IV. Schluß. Aufforderung, gerichtet an den jungen Cicero, dem Studium dieser Bücher Zeit und Fleiß zu widmen. – (Kap. 33.).


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