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Man zeichnet mit verschiedenen Materien und auf verschiedene Weise, mit Kohle, Bleiweiß und der Feder. Die Zeichnungen mit der Feder werden gearbeitet, indem man eine Linie mit der andern durchschneidet und mehr Linien aufsetzt, wo man die Schatten verstärken will; soll er schwächer sein, so läßt man es bei weniger Linien bewenden, und für die Lichter bleibt das Papier ganz weiß. Gedachte Art ist sehr schwer, und nur wenige Künstler haben sie vollkommen zu behandeln gewußt. Auf diesem Wege sind die Kupferstiche erfunden worden, in welchen sich Albrecht Dürer als ein wahrhaft bewundernswürdiger Meister bewiesen hat, sowohl durch die Lebhaftigkeit und Feinheit der Zeichnung als durch die Zartheit des Stichs.
Man zeichnet auch noch auf andere Weise, indem man, nach vollendetem Umriß mit der Feder, Pinsel nimmt und mit mehr oder weniger in Wasser aufgelöster und verdünnter Tusche nach Bedürfnis helleren oder dunklern Schatten anbringt. Diese Art nennt man Aquarell.
Ferner färbt man mit verschiedenen Farben das Papier und bedient sich der schwarzen Kreide, den Schatten, und des Bleiweißes, das Licht anzugeben. Dieses Weiß wird auch gerieben, mit etwas arabischem Gummi vermischt und in Stäbchen, so stark als eine Feder, zu gedachtem Zwecke gebraucht.
Ferner zeichnet man mit Rotstein und schwarzer Kreide. Mit diesen Steinen wird die Zeichnung überaus angenehm und besser als auf die vorige Weise. Alle guten Zeichner bedienen sich derselben, wenn sie etwas nach dem Leben abbilden; denn wenn sie mit gutem Bedacht Arm oder Fuß auf diese oder jene Weise gestellt haben und sie ihn nachher anders zu bewegen gedenken, höher oder niedriger, vor oder zurück, so können sie es leicht tun, weil sich mit ein wenig Brotkrume die Striche leicht wegwischen lassen, und deswegen wird diese Weise für die beste gehalten.
Da ich nun von der Zeichnung rede, so sage ich nach meinem Dafürhalten, die wahre Zeichnung sei nichts anders als der Schatten des Runden, und so kann man sagen, daß das Runde der Vater der Zeichnung sei; die Malerei aber ist eine Zeichnung, mit Farben gefärbt, wie sie uns die Natur zeigt.
Man malt auf zweierlei Weise, einmal, daß man die sämtlichen Farben nachahmt, wie wir sie in der Natur vorfinden; sodann, daß man nur das Helle und Dunkle ausdrückt, welche letztere Art in unsern Zeiten in Rom wieder aufgebracht worden, von Polidor und Maturino, außerordentlichen Zeichnern, welche unter der Regierung Leos, Hadrians und Clemens' unendliche Werke darin verfertigt haben, ohne sich mit den Farben abzugeben.
Indem ich nun aber zu der Art, wie man zeichnet, zurückkehre und besonders meine Beobachtungen über die Verkürzung mitteilen will, so erzähle ich, daß, wenn wir, mehrere Künstler, zusammen studierten, ließen wir einen Mann von guter Gestalt und frischem Alter in einer geweißten Kammer, entweder sitzend oder stehend, verschiedene Stellungen machen, wobei man die schwersten Verkürzungen beobachten konnte. Dann setzten wir ein Licht an die Rückseite, weder zu hoch noch zu tief noch zu weit entfernt von der Figur, und befestigten es, sobald es uns den wahren Schatten zeigte. Dieser wurde denn alsbald umgezogen, und man zeichnete die wenigen Linien, die man im Schatten nicht hatte sehen können, in den Umriß hinein, als: die Falten am Arm, die von der Biegung des Ellbogens herkommen, und so an andern Teilen des Körpers.
Dieses ist die wahre Art zu zeichnen, durch die man ein trefflicher Maler wird, wie es unserm außerordentlichen Michelangelo Buonarroti gelungen ist, der, wie ich überzeugt bin, aus keiner andern Ursache in der Malerei so viel geleistet hat, als weil er der vollkommenste Bildhauer war und in dieser Kunst mehr Kenntnisse hatte als niemand anders zu unsern Zeiten.
Und welch ein größeres Lob kann man einer schönen Malerei geben, als wenn man sagt, sie trete dergestalt hervor, daß sie als erhoben erscheine? Daraus lernen wir, daß das Runde und Erhobene als der Vater der Malerei, einer angenehmen und reizenden Tochter, angesehen werden müsse.
Der Maler stellt nur eine der acht vornehmsten Ansichten dar, welche der Bildhauer sämtlich leisten muß. Daher, wenn dieser eine Figur, besonders eine nackte, verfertigen will, nimmt er Erde oder Wachs und stellt die Teile nach und nach auf, indem er von den vordem Ansichten anfängt. Da findet er nun manches zu überlegen, die Glieder zu erhöhen und zu erniedrigen, vorwärts und rückwärts zu wenden und zu biegen. Ist er nun mit der vordem Ansicht zufrieden und betrachtet die Figur auch von der Seite als einer der vier Hauptansichten, so findet er oft, daß sie weniger gefällig erscheint, deswegen er die erste Ansicht, die er bei sich schon festgesetzt hatte, wieder verderben muß, um sie mit der zweiten in Übereinstimmung zu setzen. Und es begegnet wohl, daß ihm jede Seite neue Schwierigkeiten entgegensetzt. Ja, man kann sagen, daß es nicht etwa nur acht, sondern mehr als vierzig Ansichten gibt; denn wie er nur seine Figur im geringsten wendet, so zeigt sich ein Muskel entweder zu sehr oder zu wenig, und es kommen die größten Verschiedenheiten vor. Daher muß der Künstler von der Anmut der ersten Ansicht gar manches aufopfern, um die Übereinstimmung rings um die ganze Figur zu leisten; welche Schwierigkeit so groß ist, daß man niemals eine Figur gesehen hat, welche sich gleich gut von allen Seiten ausnähme.
Will man aber die Schwierigkeit der Bildhauerkunst sich recht vorstellen, so kann man die Arbeiten des Michelangelo zum Maßstabe nehmen. Denn wenn er ein lebensgroßes Modell mit aller gehörigen Sorgfalt, die er bei seinen Arbeiten zu beobachten pflegte, vornahm, so endigte er es gewöhnlich in sieben Tagen. Zwar habe ich ihn auch manchmal ein solches nacktes Modell von morgens bis auf den Abend mit allem gehörigen Kunstfleiß vollenden sehen. Dieses leistete er manchmal, wenn ihn unter der Arbeit ein wundersamer wütender Paroxysmus überfiel. Wir können daher im allgemeinen sieben Tage annehmen. Wollte er aber eine solche Statue in Marmor ausführen, so brauchte er sechs Monate, wie man öfters beobachtet hat.
Auch könnte die Zahl der Werke, welche Michelangelo gemacht, zum Beweis der Schwierigkeit der Bildhauerkunst dienen: denn für eine Figur in Marmor brachte er hundert gemalte zustande, und bloß deswegen, weil die Malerei nicht an der Schwierigkeit so vieler Ansichten haftet. Wir dürfen daher wohl schließen, daß die Schwierigkeit der Bildhauerei nicht bloß von der Materie herkomme, sondern die Ursache in den größern Studien liege, die man machen, und in den vielen Regeln, die man beobachten muß, um etwas Bedeutendes zu leisten, welches bei der Malerei nicht der Fall ist. Daher glaube ich mit aller Bescheidenheit behaupten zu können, daß die Bildhauerkunst der Malerei weit vorzuziehen sei.
Da mich nun aber diese Meinung noch auf eine andere führt, die einen verwandten Gegenstand betrifft, so halte ich für schicklich, auch dieselbe hier vorzutragen.
Ich bin nämlich überzeugt, daß diejenigen Künstler, welche durch Übung der Bildhauerkunst den menschlichen Körper mit seinen Proportionen und Maßen am besten verstehen, auch die bessern Architekten sein werden, vorausgesetzt, daß sie die andern Studien dieser nötigen und trefflichen Kunst nicht versäumt haben. Denn nicht allein haben die Gebäude einen Bezug auf den menschlichen Körper, sondern die Proportion und das Maß der Säulen und anderer Zieraten haben daher ihren Ursprung, und wer eine Statue mit ihren übereinstimmenden Maßen und Teilen zu machen versteht, dem wird es auch in der Baukunst gelingen, weil er gewohnt ist, große Schwierigkeiten zu überwinden und mit besonderm Fleiß zu arbeiten; daher er denn auch ein besonderes Urteil sich über die Gebäude erwerben wird.
Dadurch will ich aber nicht behaupten, daß nur der treffliche Bildhauer ein guter Baumeister sein könne, denn Bramante, Raphael und viele andere Maler haben auch mit großem Sinn und vieler Anmut sich in der Baukunst bewiesen; doch sind sie nicht zu der Höhe gelangt, auf welcher sich unser Buonarroti gezeigt hat, welches nur daher kam, weil er besser als jeder andere eine Statue zu machen verstand. Deswegen finden wir so viel Zierlichkeit und Anmut in seinen architektonischen Werken, daß unsere Augen sich an ihrem Anschauen niemals genug sättigen können.
Dieses habe ich nicht sowohl um des Streites der Bildhauerkunst und der Malerei willen hier anführen wollen, sondern weil es viele gibt, denen nur ein kleines Lichtchen in der Zeichenkunst geschienen und die, als völlige Idioten, sich unterstehen, Werke der Baukunst zu unternehmen. Dies begegnete dem Meister Terzo, einem ferraresischen Krämer, der mit einer gewissen Neigung zur Baukunst und mit Hülfe einiger Bücher, die davon handelten, welche er fleißig las, mehrere bedeutende Männer überredete und viele Gebäude aufführte. Ja, er ward so kühn, daß er sein erstes Gewerb verließ und sich der Baukunst ganz ergab. Er pflegte zu sagen, die vollkommensten Meister dieser Kunst seien Bramante und Antonio von San Gallo gewesen; außer diesen nehme er es mit jedem auf. Dadurch erwarb er sich den Spitznamen ›Meister Terzo‹ (der dritte).
Wußte denn der Mann nicht, daß Brunellesco der erste gewesen, der die Baukunst nach so vielen Jahren wieder aufgeweckt, nachdem sie unter den Händen barbarischer Handwerker völlig erloschen? Wohl haben sich nachher Bramante, Antonio von San Gallo und Balthasar Peruzzi hervorgetan, aber zuletzt ist sie auf den höchsten Grad der Vortrefflichkeit durch Michelangelo gelangt, welcher, da er die lebhafteste Kraft der Zeichnung durch das Mittel der Bildhauerkunst erlangt, vieles an dem Tempel von St. Peter in Rom veränderte, was jene angegeben hatten, wobei er sich nach dem allgemeinen Urteil den guten Regeln der Architektur mehr angenähert.
Übrigens behalte ich mir vor, ein andermal mehr hierüber zu sprechen, da ich denn auch die Perspektive abhandlen und nächst dem, was ich aus mir selbst mitzuteilen denke, auch unzählige Bemerkungen des Leonardo da Vinci, die ich aus einer schönen Schrift desselben gezogen, überliefern werde.
Daher will ich nicht länger säumen und dasjenige, was ich bisher gesagt habe, denen übergeben, die mit größern und bessern Gründen, ohne Leidenschaft, diese Dinge abzuhandeln werden imstande sein.