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Der Kampf um die Goldbarren

Es wurde Morgen, ehe sich Tarzan eingestehen wollte, daß sein Suchen möglicherweise fehlgeschlagen sei, und selbst dann gab er nur zu, daß der Erfolg nur hinausgeschoben sei. Er wollte essen, schlafen und dann wieder von vorne anfangen. Die Dschungel war groß, aber groß waren auch Tarzans Erfahrung und Klugheit. Taglat konnte weit fort wandern, aber Tarzan würde ihn endlich doch finden, und wenn er jeden Baum des mächtigen Waldes nach ihm absuchen mußte.

Mit solchem Selbstgespräch folgte der Affenmensch der Spur Baras, des Hirsches, den er sich zum Unglück für diesen zur Befriedigung seines Hungers ausgesucht hatte. Eine halbe Stunde lang führte die Spur den Affenmenschen auf einem starkbegangenen Wildpfad ostwärts, als plötzlich zu des Pirschgängers Erstaunen die Beute in Sicht kam, aber in wilder Jagd die schmale Fährte zurück direkt auf ihn zu.

Tarzan, der der Fährte gefolgt war, sprang so rasch in die verbergende grüne Blätterwand, daß der Hirsch von der Anwesenheit dieses neuen Feindes nichts ahnte. Während das Tier immer herangerast kam, schwang sich der Affenmensch auf die unteren Zweige eines Baumes, der den Wildpfad überschattete. Dort hockte er nun wie ein grimmiges Raubtier und erwartete das Herankommen seiner Beute.

Was das Tier in so eilige Flucht gejagt hatte, konnte Tarzan sich nicht denken – vielleicht Numa, der Löwe, oder Sheeta, der Leopard. Aber wer es auch gewesen sein mochte, es machte Affentarzan wenig aus – er war jederzeit bereit und willens, seine Beute gegen jeden anderen Bewohner der Dschungel zu verteidigen. Wenn seine körperlichen Hilfsmittel dazu nicht ausreichten, stand ihm immer noch eine andere, wirksamere Macht zur Verfügung – seine Findigkeit.

Der daherspringende Hirsch lief jetzt geradewegs in den Rachen des Todes. Der Affenmensch drehte sich um, so daß er dem sich nähernden Geschöpf den Rücken wies. Mit gebeugten Knien hielt er sich auf dem leise über dem Pfad schwankenden Ast in der Schwebe und lauschte mit scharfen Ohren dem sich nähernden Hufschlag des erschreckten Hirsches.

In einem Augenblick fuhr die Beute wie ein Blitz unter dem Ast durch, im nächsten war der Affenmensch ihr von oben auf den Rücken gesprungen. Die Wucht des Menschenkörpers warf den Hirsch zu Boden. Bei einem nutzlosen Versuch, sich wieder zu erheben, stolperte er vorwärts, dann zogen ihm mächtige Muskeln den Kopf weit nach rückwärts, gaben dem Genick einen krampfhaften Ruck – Bara war tot.

Das Töten war Augenblickssache gewesen, und ebenso schnell folgten die nächsten Handlungen des Affenmenschen, denn wer konnte wissen, welche Art von Jäger Bara verfolgt hatte und wie nahe er bereits sein mochte? Der Nackenwirbel der Beute hatte kaum geknackt, als der Körper bereits über Tarzans breiter Schulter hing, und einen Augenblick später hockte der Affenmensch wieder auf den unteren Zweigen eines den Wildpfad überragenden Baumes und seine grauen Augen spähten den Pfad entlang, den der Hirsch auf der Flucht durchstürmt hatte.

Es dauerte auch nicht lange, ehe Tarzan die Ursache zu Baras Flucht klar wurde, denn jetzt wurde das unverkennbare Geräusch herannahender Reiter vernehmbar. Seine Beute mit sich schleppend, stieg der Affenmensch bis in halbe Höhe des Baumes hinauf und setzte sich behaglich auf eine Astgabel, von der aus er immer noch den Pfad überschauen konnte, schnitt sich ein saftiges Stück Fleisch aus des Tieres Lende und erfreute sich an dem Gewinn seiner Gewandtheit und Klugheit, indem er mit seinen starken, weißen Zähnen in das warme Fleisch biß.

Über der Befriedigung seines Hungers vergaß er aber keineswegs den Wildpfad unten. Seine scharfen Augen sahen es schon, als die Nüstern des Spitzenpferdes auf dem gewundenen Pfade in Sicht kamen, und einen nach dem anderen prüfte er die im Gänsemarsch hintereinander unten durchreitenden Reiter.

Jetzt sah er einen unter ihnen, den er sofort erkannte, aber der Affenmensch hatte seine Gemütsbewegungen so in der Gewalt, daß nicht der geringste Wechsel im Gesichtsausdruck, geschweige denn eine seine Gegenwart womöglich verratende Zornesäußerung seine innere Erregung anzeigte.

Albert Werper unter ihm auf seinem Pferde hatte ebensowenig wie die vor und hinter ihm reitenden Abessinier eine Ahnung davon, daß der Affenmensch in der Nähe war und ihn auf ein Anzeichen der gestohlenen Juwelen-Tasche untersuchte.

Während die Abessinier weiter nach Süden ritten, schwebte eine riesige Gestalt immer über ihnen auf der Fährte – ein ungeheurer, fast nackter Weißer, der den blutigen Körper eines Hirsches über den Schultern trug, denn Tarzan wußte, daß er für die nächste Zeit keine weitere Muße zum Jagen hatte, wenn er mit dem Belgier Schritt halten wollte.

Einen Versuch, ihn mitten unter den bewaffneten Reitern herauszuholen, wollte Tarzan erst im alleräußersten Notfall wagen, denn in der Wildnis sind Vorsicht und Klugheit für die Handlungsweise bestimmend, wenn nicht Schmerz oder Zorn einmal alle Überlegung zum Schweigen bringt.

So zogen die Abessinier mit dem Belgier nach Süden, und Affentarzan schwang sich lautlos in halber Höhe der Bäume über ihren Köpfen durch die schwankenden Zweige.

Ein Marsch von zwei Tagen brachte sie zu einer flachen Ebene, der Gebirge hintergelagert waren – einer Ebene, die Tarzan nicht erblickte, ohne daß sie ihm unklare halberinnerliche Vorstellungen und merkwürdige Gefühle erweckte. Die Reiter ritten auf die freie Ebene hinaus, und in sicherer Entfernung unter Ausnutzung jeder sich auf dem Boden bietenden Deckung kroch der Affenmensch hinterher.

Neben einem Haufen verkohlter Aschenreste hielten die Abessinier, Tarzan schlich sich in die Nähe, barg sich in einem nahegelegenen Gestrüpp und beobachtete sie ganz erstaunt.

Er sah, wie sie die Erde aufgruben, und fragte sich verwundert, ob sie dort wohl rohes Fleisch vergraben hatten und nun wiedergekommen waren, um es zu holen. Dann erinnerte er sich daran, wie er seine hübschen Kiesel vergraben hatte und auf Grund welcher Überlegung er dazu gekommen war. Sie gruben nach Sachen, welche die Schwarzen hier vergraben hatten.

Nun sah er, wie sie einen schmutzig-gelben Gegenstand freilegten und konnte bemerken, wie sich Werper und Abed Morak über das ihnen zu Auge gekommene Stück freuten. Eines nach dem anderen gruben sie aus, lauter gleiche Stücke, alle von demselben matten Gelb, bis ein ganzer Haufen davon auf dem Felde lag, ein Haufen, den Abed Morak in gierigem Entzücken streichelte und patschte.

Irgend etwas in des Affenmenschen Hirn regte sich, als er die goldenen Barren lange vor Augen hatte. Wo hatte er so etwas schon einmal gesehen? Was war es? Warum waren diese Tarmangani so außerordentlich gierig danach? Wem gehörten sie überhaupt?

Er erinnerte sich der Schwarzen, die die Sachen vergraben hatten. Ihnen mußten sie gehören. Werper war dabei, sie zu stehlen, wie er Tarzans Tasche mit Kieseln gestohlen hatte. Des Affenmenschen Augen funkelten vor Zorn. Er hatte große Lust, die Schwarzen zu suchen und sie gegen diese Diebe zu führen. Wo wohl ihr Dorf sein mochte, fragte er sich.

Während alle diese Dinge durch sein reges Gehirn gingen, tauchte am Waldrande der Ebene ein Trupp auf und rückte gegen die Ruinen der verbrannten Farm vor.

Der stets wachsame Abed Morak war der erste, der sie bemerkte, aber da waren sie schon halbwegs über die Ebene heran. Er rief seinen Leuten zu, aufzusitzen und sich bereitzuhalten, denn wer kann im Herzen Afrikas wissen, ob ein ankommender Fremder Freund oder Feind ist?

Werper schwang sich in den Sattel und richtete seine Augen auf die Ankömmlinge, dann wandte er sich bleich und zitternd zu Abed Morak.

Achmed Zek ist es mit seinen Räubern, sagte er fast flüsternd. Sie kommen und wollen das Gold ebenfalls holen.

Etwa um dieselbe Zeit mußte wohl Achmed Zek den Haufen der gelben Barren entdeckt haben und sich klar darüber geworden sein, daß das, was er gefürchtet hatte, als er eine Gruppe Menschen neben dem verbrannten Bungalow des Engländers erblickte, Tatsache war – irgend jemand war ihm zuvorgekommen, ein anderer an seiner Statt hatte vor ihm die Hand auf den Schatz gelegt.

Der Araber verlor vor Wut fast die klare Überlegung. Neuerdings ging ihm schon alles verkehrt. Er hatte die Juwelen verloren, dazu den Belgier, und dann zum zweitenmal die Engländerin. Nun war auch noch einer gekommen, um ihm den Schatz zu rauben, den er doch hier vor jeder Berührung so sicher geglaubt hatte, als ob er noch in der Goldmine schlummere.

Er fragte nicht erst, wer die Diebe sein konnten. Ohne Kampf würden sie das Gold doch nicht aufgeben, dessen war er sicher. Mit einem wilden Schrei und einem kurzen Befehl an seine Leute preßte Achmed Zek seinem Roß die Schärfe der Steigbügel in die Flanken und jagte auf die Abessinier los. Hinter ihm mit Schreien und Fluchen, die langen Flinten über den Köpfen schwingend, seine buntscheckige Horde von Halsabschneidern.

Abed Moraks Leute empfingen sie mit einer Salve, die einige Sättel leerte, aber dann stießen die Räuber mit ihnen zusammen und Säbel, Pistole und Flinte taten reihum ihre schreckliche und blutige Arbeit.

Achmed Zek hatte gleich beim ersten Angriff Werper entdeckt und warf sich auf den Belgier, aber diesem saß in Anbetracht des ihm drohenden Geschicks die Angst in den Gliedern, deshalb warf er sein Pferd herum und jagte wie toll davon. Achmed Zek schrie einem Unterführer zu, er solle den Befehl übernehmen, bei Todesstrafe keinen Abessinier entkommen lassen und ihm das Gold nach dem Lager bringen. Dann setzte er dem Belgier über die Ebene nach, denn seine boshafte Veranlagung war selbst auf die Gefahr hin, seinen Schatz zu opfern, außerstande, sich den Genuß der Rache nehmen zu lassen.

Während Verfolgter und Verfolger wie besessen dem fernen Walde zurasten, tobte hinter ihnen der Kampf mit blutiger Wildheit. Schonung wurde weder erbeten noch gewährt, weder seitens der wilden Abessinier noch seitens der mörderischen Schurken Achmed Zeks. Aus dem Versteck der Büsche beobachtete Tarzan den blutigen Strauß, dessen Gruppen ihn so vollständig umzingelt hielten, daß selbst er kein Schlupfloch finden konnte, durch das er sich zur Verfolgung Werpers und des Araberführers hätte davonmachen können.

Die Abessinier bildeten einen Kreis, der Tarzans Versteckplatz einschloß, und außen herum und auf sie ein galoppierten die johlenden Räuber, bald davonsprengend, bald mit Hieb und Stich ihrer krummen Säbel auf sie eindringend.

Achmeds Zeks Leute waren an Zahl überlegen, und langsam aber sicher wurden Meneliks Soldaten niedergemacht. Für Tarzan war der Ausgang Nebensache. Er wartete in einer einzigen Absicht ab – er wollte aus dem Ring der mordwütigen Kämpfer entkommen und sich hinter dem Belgier und seiner Tasche hermachen. Als er den Belgier auf dem Wildpfad, auf dem er Bara, den Hirsch, getötet hatte, entdeckte, traute er erst seinen Augen nicht, und glaubte sich zu täuschen, so sicher war er dessen, daß der Dieb von Numa getötet und gefressen worden war. Aber nachdem er zwei Tage lang der Abteilung gefolgt war, konnte er nicht länger an der Identität des Mannes zweifeln, obgleich er damit das Rätsel zu lösen bekam, wer denn dann der verstümmelte Leichnam gewesen war, den er für den Gesuchten gehalten hatte.

Wie er so verborgen unter den dichten Büschen hockte, die vor noch so kurzer Zeit der Stolz und die Freude der Frau gewesen waren, an die er sich nicht mehr erinnern konnte, kamen ein Araber und ein Abessinier durch mehrmaliges Herumwerfen ihrer Pferde, während sie mit den Säbeln aufeinander losschlugen, seinem Aufenthaltsorte immer näher. Schritt für Schritt drängte der Araber seinen Gegner zurück, bis das Pferd des letzteren beinahe auf den Affenmenschen trat. Dann spaltete ein tückischer Hieb dem Schwarzen den Schädel, und die Leiche fiel rückwärts herab und beinahe auf Tarzan.

Als der Abessinier aus dem Sattel taumelte, brachte die Möglichkeit zum Entkommen, die sich mit dem reiterlosen Pferd bot, den Affenmenschen blitzartig zum sofortigen Handeln. Ehe das erschrockene Tier sich faßte und flüchtete, saß bereits ein nackter Riese auf seinem Rücken. Eine kräftige Hand hatte die Zügel gefaßt und der überraschte Araber sah sich einem neuen Feinde im Sattel des von ihm Erschlagenen gegenüber.

Aber dieser Feind schwang keinen Säbel und ließ Speer und Bogen ruhig auf dem Rücken. Der Araber hatte sich von seinem ersten Schrecken erholt und stürzte mit erhobenem Säbel heran, um diesen übermütigen Fremdling zu vernichten. Er führte einen mächtigen Hieb nach dem Kopfe des Affenmenschen, aber der Hieb pfiff harmlos durch dünne Luft, weil ihm Tarzan durch Bücken auswich. Dann fühlte der Araber, daß ihm das Pferd des Gegners das Bein schrammte, ein großer Arm fuhr auf ihn los, schlang sich um seine Hüfte, und ehe er sich recht besann, war er aus dem Sattel gerissen und bildete einen Schild für seinen Gegner, der ihn in wilder Karriere geradewegs durch die umzingelnden Reihen seiner Genossen hindurchtrug.

Jenseits der Kampfreihe fand er sich kurzerhand auf den Boden geworfen und das letzte, was er von seinem merkwürdigen Gegner sah, war, wie dieser im Galopp über die Ebene auf die entfernteste Ecke des Waldrandes lossprengte. Der Kampf tobte noch eine volle Stunde weiter und endete auch nicht, ehe nicht der letzte Abessinier tot auf dem Boden lag oder flüchtend nach Norden davongaloppiert war. Aber eine Handvoll Männer unter ihrem Anführer Abed Morak entkam.

Die siegreichen Räuber stapelten die Goldbarren, welche die Abessinier ausgegraben hatten, auf einen Haufen und erwarteten dann die Rückkehr ihres Führers. Ihr Siegesjubel war allerdings durch den kurzen Blick, den sie auf den nackten weißen Riesen tun konnten, während er mit einem ihrer Kampfgenossen auf einem feindlichen Pferde davongaloppierte, stark abgekühlt. Ihr Gefährte war nun mitten unter ihnen und beschrieb die übermenschliche Stärke des Affenmenschen. Alle, wie sie da waren, kannten sie den Namen und Ruf des Affentarzan, und der Umstand, daß sie den weißen Riesen, den grimmigsten Feind aller Übeltäter in der Dschungel, wiedererkannt hatten, vermehrte insofern ihren Schrecken, als sie sicher geglaubt hatten, Tarzan sei tot.

Von Natur abergläubisch, glaubten sie steif und fest, den körperlosen Geist eines toten Menschen erblickt zu haben und warfen nun angstvolle Blicke um sich in der Erwartung, der Geist werde bald an die Stätte der Verwüstung zurückkehren, die sie hier bei dem kürzlichen Überfall seines Heimes angerichtet hatten. Im aufgeregten Flüsterton erörterten sie, welcherlei Art von Rache ihnen der Geist voraussichtlich zufügen würde, wenn er sie bei der Rückkehr im Besitze seines Goldes fände.

Je länger sie darüber sprachen, je mehr wuchs ihr Schauder, während aus dem Versteck des Riedgrases am Flusse unten eine kleine Abteilung nackter Schwarzer jede ihrer Bewegungen beobachtete. Von den Hügeln jenseits des Flusses hatten die Schwarzen das Kampfgetöse vernommen, waren vorsichtig zum Fluß herabgekommen und durch die Furt in die Riedgräser vorgerückt, bis sie sich an einer Stelle befanden, von der aus sie jede Bewegung der Kämpfenden übersehen konnten.

Eine halbe Stunde lang warteten die Räuber auf Achmed Zeks Rückkehr, während welcher Zeit die Scheu vor einer baldigen Rückkehr von Tarzans Geist allmählich ihre Ergebenheit gegen ihren Herrn und die Furcht vor ihm untergrub. Schließlich sprach einer von ihnen nur den Wunsch aller übrigen aus, als er erklärte, er wolle auf die Suche nach Achmed Zek nach Norden in den Wald reiten. Im Nu war jeder von ihnen im Sattel.

Das Gold ist hier sicher genug, rief einer. Wir haben die Abessinier getötet und andere, die es forttragen könnten, sind nicht da. Wir wollen auf die Suche nach Achmed Zek reiten!

Einen Augenblick später galoppierten die Räuber inmitten einer Staubwolke wild über die Ebene davon, und aus dem Versteck des Riedgrases längs des Flusses kroch eine Anzahl schwarzer Krieger nach der Stelle, an der die Goldbarren von Opar auf dem Boden aufgestapelt lagen.

*

Als Werper den Wald erreichte, war er Achmed Zek noch ein Stück voraus, aber der letztere war besser beritten und gewann ihm Boden ab. Mit dem rücksichtslosen Mut der Verzweiflung reitend, trieb der Belgier sein Tier in der Enge des gewundenen Wildpfades noch zu vermehrter Eile an.

Hinter sich konnte er die Stimme Achmed Zeks hören, wie er ihm Halt zuschrie, aber Werper drückte die Sporen nur tiefer in die blutenden Flanken seines keuchenden Rosses. Zweihundert Meter weit im Walde drin lag ein abgebrochener Ast quer über dem Pfade. Das Hindernis war so gering, daß ein Pferd es ohne sein Vorhandensein auch nur zu merken in seiner gewöhnlichen Gangart hätte passieren können. Aber Werpers Pferd war erschöpft und seine Beine waren todmüde. Als sich die Vorhand im Zweige verfing, stolperte es, konnte sich nicht mehr halten, fiel und blieb um sich schlagend auf dem Pfade liegen.

Werper war über den Kopf heruntergestürzt und ein paar Meter weit gerollt. Er raffte sich wieder auf und lief zurück. Die Zügel packend, suchte er das Tier in die Höhe zu reißen, aber das Pferd konnte oder wollte sich nicht erheben. Während der Belgier noch mit Fluchen nach ihm schlug, erschien Achmed Zek hinten auf der Bildfläche.

Alsbald ließ der Belgier mit seinen Bemühungen von dem sterbend vor ihm liegenden Tier ab, packte sein Gewehr, warf sich hinter das Pferd und feuerte auf den anreitenden Araber. Sein niedrig gezielter Schuß traf Achmed Zeks Pferd in die Brust und brachte es etwa hundert Meter von der Stelle entfernt, an der Werper zum nächsten Schuß bereit lag, zu Fall.

Der Araber stellte sich erst breitbeinig hin, verlor aber in Anbetracht der gutgewählten Stellung des Belgiers hinter dem gefallenen Pferde keine Zeit, sondern warf sich ebenfalls hinter sein Pferd.

Da lagen denn nun die beiden und feuerten abwechselnd Schüsse und Flüche aufeinander ab, während im Rücken des Arabers Affentarzan dem Waldrande nahte. Er hörte die gelegentlichen Schüsse des Zweikampfes und zog die sichere und raschere Verkehrsstraße über die Zweige des Waldes dem unsicheren Beförderungsmittel vor, das ihm das halbniedergebrochene abessinische Pony nur sein konnte. Er kletterte in die Bäume hinauf.

Der Affenmensch hielt sich auf der einen Seite des Wildpfades und kam gleich darauf an eine Stelle, von der er den Kämpfern in verhältnismäßiger Sicherheit zusehen konnte. Erst hob sich der eine, dann der andere etwas über seine Brustwehr aus Pferdefleisch, feuerte und ließ sich sofort wieder flach hinter der Deckung niedersinken, um zu laden und dasselbe Manöver einen Augenblick später zu wiederholen.

Werper hatte nur wenig Munition. Abed Morak hatte ihn hastig mit den Waffen eines Abessiniers versehen, der als einer der ersten beim Gefecht um den Goldbarren-Stapel gefallen war. Er merkte, daß er bald seine letzte Patrone verschossen haben würde. Dann war er dem Araber auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert – und was der dann tun würde, wußte er gut genug.

Angesichts von Tod und Beraubung um seinen Schatz, sah sich der Belgier nach einem Ausweg zum Entkommen um und der einzige, der ihm eine schwache Möglichkeit des Erfolges in sich zu schließen schien, hing davon ab, ob sich Achmed Zek betören ließ.

Werper hatte sich bis auf eine einzige Patrone verschossen, als er während einer Gefechtspause seinen Gegner laut anrief:

Achmed Zek, rief er, Allah allein weiß, wessen Gebeine heute auf diesem Pfade zum Modern liegen bleiben werden, wenn wir beide unseren törichten Kampf weiter fortsetzen. Du willst den Inhalt der Tasche, die ich auf dem Leibe trage, mir ist mein Leben und meine Freiheit noch lieber als selbst die Edelsteine. Lasse denn jeden von uns das nehmen, was ihm am wertvollsten ist, und seiner Wege gehen. Ich werde die Tasche auf den Kadaver meines Pferdes legen, wo du sie sehen kannst, du dagegen lege dein Gewehr mit dem Kolben mir zugekehrt über das deine. Dann will ich fortgehen und dir die Tasche überlassen und du wirst mich ungefährdet ziehen lassen. Ich will nur mein Leben und meine Freiheit.

Der Araber dachte einen Augenblick schweigend nach. Als er dann sprach, war seine Antwort von der Tatsache bestimmt, daß er eben seinen letzten Schuß verbraucht hatte.

So gehe denn deines Weges, sagte er grollend, und lasse die Tasche deutlich sichtbar hinter dir zurück. Schau her, ich lege mein Gewehr so, mit dem Kolben nach dir zeigend. Nun gehe.

Werper nahm die Tasche vom Leibe. Kummervoll und zärtlich befühlten seine Finger die harten Umrisse des Inhalts. Ach, wenn er doch nur eine kleine Handvoll der kostbaren Steine hätte herausnehmen können! Aber Achmed Zek war nun aufgestanden und hatte mit seinen Adleraugen einen guten Überblick auf den Belgier und jede seiner Handlungen.

Mit tiefstem Bedauern legte Werper die Tasche auf sein totes Pferd, ohne ihren Inhalt zu berühren, erhob sich, nahm sein Gewehr und zog sich langsam auf dem Wildpfad zurück, bis ihn eine Biegung dem Blick des wachsamen Arabers entzog.

Aber Achmed Zek wagte auch jetzt noch nicht vorzurücken, denn er fürchtete eine Verräterei, der er unter ähnlichen Umständen ebensogut fähig gewesen wäre. Sein Argwohn war auch keineswegs grundlos, denn der Belgier war kaum aus dem Gesichtskreis des Arabers, als er sich hinter einem Baumstamm barg, von dem aus er immer noch ungehinderte Sicht nach seinem toten Pferde und der Tasche hatte. Dann legte er sein Gewehr an und richtete es auf die Stelle, wo der Körper des anderen erscheinen müßte, wenn er vorkam, um den Schatz zu packen.

Aber Achmed Zek war nicht der Narr, sich auf die geschwätzte Ehre eines Diebes und Mörders zu verlassen. Er nahm seine lange Flinte, verließ den Wildpfad, schlug sich in die Ranken und verwachsenen Pflanzen, die ihn auf der Seite einzäunten und kroch langsam auf Händen und Füßen neben dem Pfade entlang. Auch nicht einen Augenblick war sein Körper der Flinte des verborgenen Rächers ausgesetzt.

In dieser Weise rückte Achmed Zek vor, bis er sich auf gleicher Höhe mit dem toten Pferd des Gegners befand. Die Tasche lag immer noch klar sichtbar da, während Werper mit zunehmender Ungeduld und Nervosität wartete und sich wunderte, daß der Araber nicht kam, um seine Belohnung einzuheimsen. Auf einmal sah er plötzlich und heimlich einen Flintenlauf ein paar Zoll über der Tasche erscheinen und ehe er noch den schlauen Streich, den ihm der Araber gespielt hatte, recht erfaßte, hing sich das Korn der Gewehrmündung geschickt in den Rohlederriemen, an dem die Tasche um den Leib getragen worden war, und zog sie rasch außer Sichtweite in das dichte Laub neben der Fährte.

Nicht für einen Augenblick hatte der Räuber auch nur einen Quadratzentimeter seines Körpers gezeigt und Werper wagte seinen letzten Schuß nicht eher abzugeben, als bis er alle Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Treffers für sich hatte. Leise vor sich hinlachend, zog sich Achmed Zek einige Schritte in die Dschungel zurück, denn er war so überzeugt davon, daß Werper in nächster Nähe auf die Gelegenheit wartete, ihm eins auf den Pelz zu brennen, als ob seine Augen durch die Dschungelbäume bis zu der Stelle hindurchgesehen hätten, wo sich die Gestalt des Belgiers verbarg, der hinter dem Stamm eines schützenden Riesen mit seinem Gewehr herumhantierte. Werper wagte nicht, vorzurücken – seine Gier erlaubte ihm aber auch nicht, sich zu entfernen, und so stand er denn da, hielt das Gewehr schußbereit und bewachte mit den Augen katzenartig gespannt die Fährte vor sich.

Aber noch ein anderer hatte die Tasche gesehen und erkannt, einer, der mit Achmed Zek vorrückte und über ihm so schweigsam und sicher wie der leibhaftige Tod lauerte. Während sich der Araber ein kleines, weniger mit Büschen überwuchertes Fleckchen suchte, als er bisher gefunden hatte, um seine Augen am Inhalt der Tasche zu weiden, hielt Tarzan, der ganz dieselbe Absicht hatte, gerade über ihm.

Achmed Zek löste langsam die Schlingen, die die Öffnung der Tasche verschlossen, dann rundete er eine seiner klauenartigen Hände und schüttete sich einen Teil des Inhalts in die hohle Hand.

Einen einzigen Blick tat er auf die in seiner Hand liegenden Steine. Dann kniff er die Augen zusammen und schleuderte die kleinen Gegenstände mit einem wilden Fluche verächtlich fort. Rasch entleerte er den Rest des Tascheninhalts, bis er jeden Stein einzeln geprüft hatte, dann schleuderte er sie alle zu Boden, stampfte in seiner Wut darauf herum, wobei die Muskeln seines Gesichts in dämonartigem Grimm zuckten, und ballte die Fäuste, daß sich die Nägel in das Fleisch drückten.

Tarzan über ihm sah voll Erstaunen zu. Er war voller Neugierde gewesen, zu erfahren, was all dieser Spektakel wegen seiner Tasche bedeuten sollte. Er wollte sehen, was der Araber tun würde, wenn der andere seiner Wege gegangen war und die Tasche hinter sich zurückgelassen hatte, und wenn er dann seine Neugier befriedigt hatte, wollte er sich auf Achmed Zek stürzen und ihm die Tasche und seine hübschen Kiesel abnehmen; gehörten sie denn nicht Tarzan?

Nun sah er, wie der Araber die leere Tasche beiseite warf, seine lange Flinte wie eine Keule am Lauf packte und sich verstohlen neben dem Wildpfad, auf dem sich Werper fortgemacht hatte, durch die Dschungel schlich.

Als ihm der Mann aus dem Gesichtskreis entschwunden war, ließ sich Tarzan auf den Boden herunter und begann den verstreuten Inhalt seiner Tasche aufzusammeln. Aber sobald er den ersten näheren Blick auf die verstreuten Kiesel getan hatte, konnte er die Wut des Arabers verstehen, denn statt der glitzernden und funkelnden Edelsteine, die von Anfang an die Aufmerksamkeit und Vorliebe des Affenmenschen auf sich gezogen hatten, enthielt die Tasche nunmehr nur eine Sammlung ganz gewöhnlicher Flußkiesel.


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