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Achmed Zek erblickt die Juwelen

Qualvoll schleppte sich Mugambi in seinem schwachen und leidenden Zustande auf der Spur der abgezogenen Räuber weiter. Nur langsam und mit häufigen Ruhepausen konnte er vorwärtskommen, aber grimmiger Haß und gleich wilder Wunsch nach Vergeltung ließen ihn durchhalten. Tage vergingen, seine Wunden verharschten und seine Kräfte kamen wieder, bis er endlich über die frühere mächtige Leistungsfähigkeit seines Körpers verfügte. Von da ab gelangte er rascher vorwärts, aber die berittenen Araber hatten schon eine weite Strecke zurückgelegt, während der verwundete Schwarze noch voller Pein hinterherkroch.

Sie hatten ihr verschanztes Lager erreicht und Achmed Zek wartete nun auf das Wiedererscheinen seines Leutnants Albert Werper. Während des langen, beschwerlichen Rittes hatte Jane Clayton mehr unter der Ungewißheit ihres Schicksals als unter den Mühsalen des Weges gelitten.

Achmed Zek ließ sich nicht herab, ihr mitzuteilen, welche Absichten er mit ihr hatte. Sie hoffte sehnlich, die Erwartung von Lösegeld möchte der Grund ihres Raubes sein, aber es gab noch die schreckliche Möglichkeit, daß ein anderes Geschick ihrer wartete. Sie hatte gehört, daß solche Banditen wie Achmed Zek viele Frauen – auch weiße Frauen – in die Sklaverei schwarzer Harems verkauft oder sie weiter nach Norden dem ebenso abscheulichen Leben türkischer Serail überliefert hatten.

Jane Clayton war von zu hartem Holz geschnitzt, um vor der Gefahr haltlos zusammenzubrechen. Solange noch nicht alle Hoffnung geschwunden war, gab sie sich nicht verloren und erst als allerletzten Ausweg vor Entehrung würde sie Hand an sich legen. Solange Tarzan lebte, konnte sie unbedingt auf Befreiung rechnen. Kein Mensch und kein Tier auf diesem wilden Erdteil kam ihrem Gatten und Herrn an Stärke und Überlegung gleich. Für sie war er in seinen Geburtslanden, in dieser Welt wilder Tiere und wilder Menschen, beinahe allmächtig. Tarzan würde kommen. Sie war sicher, befreit und gerächt zu werden. Sie errechnete sich den Tag, an dem er wieder von Opar zurück sein mußte und die während seiner Abwesenheit geschehenen Vorgänge entdeckte. Von da ab konnte es nur noch wenige Tage dauern, bis er die Verschanzung der Araber umzingelte und den bunten Haufen Übeltäter darin bestrafte.

Daß er sie finden würde, war ihr nicht im geringsten zweifelhaft. Keine noch so schwache Spur konnte seinen scharfen Sinnen entgehen. Er würde die Spur der Räuber so klar und deutlich lesen wie sie die Sätze eines Buches.

Aber während sie noch hoffte, kam einer aus der düsteren Dschungel zurück. Tag und Nacht im Banne eines beängstigenden Schreckens traf Albert Werper ein. Wohl ein dutzendmal war er nach eigener Ansicht nur durch ein Wunder den Krallen und Fängen der riesigen Fleischfresser entgangen. Mit dem Messer aus Opar als einziger Waffe hatte er seinen Weg durch das bis heute wildeste Land der Erde gefunden.

Nachts hatte er auf Bäumen geschlafen, tagsüber war er in ständiger Angst mehr vorwärtsgestolpert als geschritten und hatte sich alle Augenblicke in die Zweige geflüchtet, wenn Auge oder Ohr ihn vor der Nähe einer großen Katze warnten. Aber endlich erreichte er die Palisaden und gelangte zu seinen wilden Genossen. Fast gleichzeitig kam Mugambi vor dem umwallten Dorfe aus der Dschungel. Erkundend stand er im Schatten eines Baumes, als ein zerlumpter und erschöpfter Mann fast an seiner Seite ebenfalls aus der Dschungel auftauchte. Er erkannte sofort in dem Manne den Gast, welchen sein Herr vor dem Zuge nach Opar bewirtet hatte.

Der Schwarze wollte den Belgier schon anrufen, als ihn etwas zurückhielt. Er sah, wie der Mann vertrauensselig über die Lichtung auf das Dorf zuging. Kein vernünftiger Mensch in Afrika wagte das, wenn er nicht eines freundlichen Empfanges sicher war. Mugambi wartete, denn sein Argwohn war geweckt.

Er hörte Werper rufen, sah die Tore sich öffnen und war Zeuge des überraschten und freudigen Willkommens, der dem kürzlichen Gast von Lord und Lady Greystoke zuteil wurde.

Da ging Mugambi ein Licht auf: dieser Weiße war ein Spion und Verräter. Ihm hatten sie den Überfall in Abwesenheit des großen Bwana zu verdanken. Und zu seinem Haß gegen die Araber fügte Mugambi einen noch glühenderen Haß gegen den weißen Spion.

Werper schritt rasch durch das Dorf zu Achmed Zeks Seidenzelt. Der Araber fuhr bei seinem Eintritt auf und erstaunte über das zerlumpte Aussehen des Belgiers. Was ist vorgefallen? fragte er.

Werper erzählte ihm alles außer der kleinen Angelegenheit mit der Tasche Edelsteine, die er jetzt auf den Leib gebunden unter seinen Kleidern trug. Der Araber schaute gierig drein, als ihm sein Helfershelfer von dem Schatz erzählte, den die Waziri an der Stelle des Greystokeschen Bungalows vergraben hatten.

Es ist eine Kleinigkeit, ihn jetzt dort zu holen, sagte Achmed Zek. Erst wollen wir das Kommen der unklugen Waziri abwarten, und wenn wir diese erschlagen haben, können wir uns in aller Ruhe den Schatz holen. Keiner wird ihn mehr aufstöbern, denn wir werden alle töten, die darum wissen.

Und das Weib? fragte Werper.

Die werde ich nach dem Norden verkaufen. Das ist jetzt die einzige Möglichkeit. Es wird sicher gut für sie bezahlt werden.

Der Belgier nickte und überlegte rasch. Wenn er Achmed Zek bestimmen konnte, ihn als Führer der Abteilung mit Lady Greystoke nach Norden zu schicken, dann hatte er die ersehnte Gelegenheit, seinem Herrn auszurücken. Er wollte gerne seinen Anteil am Gold verlieren, wenn er dafür seine Edelsteine ungeschmälert fortbrachte.

Er kannte nunmehr Achmed Zek gut genug, um zu wissen, daß dieser kein Mitglied seiner Bande je wieder freiwillig entließ. Die meisten Ausreißer hatte man wieder gefangen und mehr als einmal hatte Werper ihr Jammergeschrei gehört, wenn sie vor der Hinrichtung erst noch gequält wurden. Der Belgier wollte sich auch nicht der geringsten Möglichkeit einer neuen Festnahme aussetzen.

Wer soll denn das Weib nach Norden bringen? fragte er, während wir das vergrabene Gold der Waziri holen? Achmed Zek dachte nach. Der Wert des vergrabenen Goldes war viel, viel größer als der Preis, den das Weib bringen konnte. Es war nötig, sie so schnell wie möglich loszuwerden und ebenso war es geraten, das Gold ohne Verzug zu holen. Von allen seinen Leuten eignete sich der Belgier am besten zu einem selbständigen Kommando. Ein Araber, welcher die Stämme und Wege so gut kannte wie er selbst, konnte den Preis für das Weib einziehen und damit nach Norden entkommen. Werper dagegen konnte sich schwerlich allein durch ein den Europäern feindliches Gebiet durchschlagen und er wollte schon die Auswahl der Begleiter so treffen, daß Werper unmöglich einen genügenden Teil davon zur Begleitung auf einer etwa ins Auge gefaßten Fahnenflucht überreden konnte.

Schließlich sagte er: Wir brauchen nicht beide nach dem Golde zu gehen. Du nimmst das Weib mit nach Norden und bekommst einen Brief für einen meiner Freunde, der immer den besten Absatz für solche Ware hat, während ich das Gold hole. Wir können uns dann nach Erledigung unserer Geschäfte wieder hier treffen. Werper konnte kaum seine Freude über diese für ihn so willkommene Entscheidung verhehlen, und es ist fraglich, ob sie dem scharfen, argwöhnischen Auge Achmed Zeks völlig verborgen blieb. Da indessen die Frage einmal entschieden war, besprach der Araber noch die nötigen Einzelheiten mit seinem Leutnant, bis sich dieser entschuldigte und in sein Zelt ging, um die langentbehrte Annehmlichkeit des Badens und Rasierens zu genießen.

Nach dem Bade band der Belgier einen Taschenspiegel an einen Strick der Zelthinterwand, setzte einen rohen Tisch unter den Spiegel, einen ebenso rohen Stuhl davor und begann sich die rauhen Stoppeln aus dem Gesicht zu rasieren.

Als er damit fertig war, räckelte er sich noch auf seinem wackeligen Stuhle, um sich vor der Ruhe dem Genuß einer Zigarette hinzugeben. Als er bequem das Gewicht der Arme mit den Daumen am Leibgurt abstützte, fühlte er das Band der Juwelentasche auf seinem Leib. Er zitterte vor Freude, als er an den Wert des Schatzes dachte, den er unter der Kleidung trug. Was würde Achmed Zek sagen, wenn er das wüßte! Werper grinste. Würde der alte Spitzbube Augen machen, wenn er einen Blick auf die funkelnden Prachtstücke werfen könnte! Werper hatte sich bisher noch nie längere Zeit an ihrem Anblick erfreuen können. Er hatte sie noch nicht einmal gezählt – nur ganz roh hatte er ihren Wert abgeschätzt.

Er löste seinen Gürtel und zog die Tasche aus ihrem Versteck. Er war allein. Die Besatzung des Lagers, außer den Wachen, war zur Ruhe gegangen – keiner würde sein Zelt betreten. Er befingerte die Tasche und befühlte die Form und Größe der kostbaren kleinen Knoten darin. Er wog den Beutel erst in der einen, dann in der anderen Hand, schließlich zog er seinen Stuhl leise an den Tisch heran und ließ die glitzernden Steine unter den Strahlen seiner kleinen Lampe über das ungehobelte Holz rollen.

Die gebrochenen Lichtstrahlen auf den Steinen verwandelten in den Augen des träumenden Mannes das schmutzige Segeltuchzelt in einen glänzenden Palast. Er sah die goldenen Tore des Genusses sich dem Besitzer all dieser Reichtümer auf der fleckigen, gespaltenen Tischplatte öffnen. Er träumte von Vergnügen, Luxus und Macht, Dingen, die stets jenseits seines Bereichs gewesen waren und hob den Blick aufwärts wie ein Träumer, schauend ohne zu sehen, hinauf zu dem weiten, hohen Ziel über dem niedrigen Niveau des irdischen Alltags.

Ohne hinzusehen starrten seine Augen in den Rasierspiegel, der immer noch an der Zeltwand hing, aber sie sahen ins Leere. Da bewegte sich ein Schatten auf der polierten Fläche, die Augen des Träumers fuhren zurück aus der Weite auf die Fläche des Spiegels und sahen das grimmige Gesicht Achmed Zeks im Rahmen der Zeltöffnung hinter Werpers Rücken.

Der Belgier erstickte ein Ächzen der Wut. Mit seltener Selbstbeherrschung ließ er seinen Schleier fallen, bis er auf den Juwelen lag. Dann schob er sie ohne Hast in die Tasche zurück, die er im Hemde barg. Gähnend reckte er die Arme über den Kopf und wandte sich langsam nach dem anderen Ende des Zeltes. Achmed Zeks Gesicht war verschwunden.

Zu sagen, daß Werper erschrocken war, wäre zu gelinde. Er war sich darüber klar, daß er sowohl sein Leben wie seinen Schatz verwirkt hatte. Achmed Zek würde sich nie den entdeckten Reichtum durch die Finger schlüpfen lassen, so wenig er die Zweideutigkeit eines Untergebenen verzeihen würde, der einen solchen Schatz erlangte, ohne ihn mit seinem Herrn freiwillig zu teilen.

Der Belgier legte sich schlafen. Er wußte nicht, ob er bewacht war, aber jedenfalls konnte ihm ein etwaiger Lauscher nichts von der nervösen Erregung anmerken, die ihn erfüllte. Als er sein Lager zurechtgemacht hatte, trat er zu dem Tisch und löschte das Licht.

Zwei Stunden später öffneten sich leise die Lappen des Zelteingangs und ließen eine dunkelgekleidete Gestalt ein, die geräuschlos in das Dunkel hineinschlich. Vorsichtig kroch der Schleicher mit einem langen Messer in der Hand durch das Innere. Nun kam er an den Haufen Decken, die nahe einer Wand über einige Matten gebreitet waren.

Die tastenden Finger suchten und fanden den Körper unter den Decken – Albert Werpers Körper. Sie grenzten die Gestalt des Mannes ab, dann stieg ein Arm in die Höhe, blieb halten und stieß herunter. Wieder und wieder ging der Arm auf und nieder und jedesmal begrub sich die lange Klinge in dem Leib unter den Decken. Aber von Anfang an war der schweigende Körper so seltsam ruhig und leblos, daß der Mörder staunte. Fiebernd warf er die Decken zurück und suchte mit gierigen Händen nach der Edelsteintasche, die er an dem Leibe seines Opfers zu finden dachte.

Achmed Zek – denn er war es – erhob sich mit einem Fluch, als er entdeckte, daß die Decken seines Leutnants nur einen Haufen alter Kleider bargen, die wie der Körper eines Menschen zusammengerollt waren. Albert Werper war geflohen.

Der Führer rannte in das Dorf und rief mit wütender Stimme die schläfrigen Araber auf, die auf seinen Ruf aus ihren Zelten taumelten. Aber obgleich sie das Dorf mehrmals untersuchten, fanden sie von dem Belgier keine Spur. Achmed Zek, vor Wut schäumend, ließ seine Leute aufsitzen und hetzte sie in die pechfinstere Nacht hinaus, um den Wald ringsum nach dem Flüchtling abzusuchen.

Als sie aus den geöffneten Toren galoppierten, schlüpfte Mugambi ungesehen von einem Busch in der Nähe in die Palisaden. Ein Dutzend Schwarzer besah am Tore den Austritt und schob nach dem Durchgang des letzten die Torflügel zu. Mugambi legte mit Hand an, als ob er sein Leben lang unter den Räubern gewesen wäre. Ohne angehalten zu werden, ging er durch die Finsternis wie einer der ihren, und als sie sich nach ihren Hütten zerstreuten, tauchte er in den Schatten und verschwand.

Eine Stunde lang kroch er hinter den verschiedenen Hütten herum, um herauszufinden, in welcher seines Herrn Gattin eingekerkert war. Dann fand er eine, die er ganz richtig dafür einschätzte, weil vor ihr allein ein Posten stand. Mugambi kroch in den Schatten des Gebäudes und schlich gerade vor dem ahnungslosen Wachtposten um die Ecke, als ein anderer nahte, um seinen Gefährten abzulösen.

Ist der Gefangene sicher? fragte die Ablösung.

Gewiß, denn seit ich hier stehe, hat keiner die Schwelle überschritten.

Der neue Posten hockte sich neben die Tür, während der alte sich nach seiner Hütte machte. Mugambi schlich näher um die Ecke. In der kräftigen Hand hielt er einen schweren Knüppel. Kein Zeichen von Freude störte seine Ruhe, so glücklich er innerlich über den eben erhaltenen Beweis war, daß »Lady« wirklich in der Hütte war.

Der Posten saß mit dem Rücken nach der Ecke, die den schwarzen Riesen verbarg. Der Bursche sah nichts von der großen Gestalt, die sich hinter ihm aufrichtete. Der Knüppel flog im Bogen hoch und wieder nieder, ein dumpfer Schlag, und der Posten sank in einen schweigsamen Haufen feuchten Lehm.

Im Nu durchsuchte Mugambi das Innere der Hütte. Erst rief er leise »Lady«, flüsterte nur, dann rief er mit fast sinnlosem Eifer, bis ihm die Erkenntnis dämmerte – die Hütte war leer!


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