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Vorsichtig und verstohlen kroch Cadsch mit seinen hundert keulen- und messerbewaffneten Mannen auf der Verfolgung des Weißen und seiner schwarzen Genossen über die Wasserscheide ins Tal hinab. Sie brauchten nicht zu eilen, denn sie hatten schon von der Zinne der Oparer Außenmauer bemerkt, daß die Abteilung, der sie folgten, sich sehr langsam bewegte, obgleich sie die Gründe dafür nicht kannten. Aus der Entfernung konnten sie nicht sehen, daß jeder der Schwarzen eine Last trug. Außerdem hatte Cadsch nicht die Absicht, seine Opfer bei Tage anzugreifen. Sein Plan bestand darin, sie heimlich in der Nacht zu überfallen, wobei die Plötzlichkeit seines Angriffs verbunden mit der großen Zahl seiner Leute mit Leichtigkeit das im Schlafe liegende Lager in Verwirrung bringen und überwältigen mußte. Die Fährte war so deutlich zu sehen, daß ein Irrtum gar nicht möglich war. Sie zogen langsam den sanften Hang nach dem Talgrund hinab. Kurz vor Morgen brachte sie die Entdeckung einer Dornenboma, die kürzlich auf der kleinen Lichtung vor ihnen erbaut worden war, zum Halten. Aus der Mitte der Borna erhob sich der dünne Rauch eines erlöschenden Feuers. Hier mußte also das Lager des Affenmenschen sein.
Cadsch versteckte seine Leute im Schutz der dichten, die Fährte einfassenden Büsche und entsandte einen einzelnen Mann zur Erkundung. Wenige Augenblicke später kam dieser mit der Meldung zurück, das Lager sei verlassen, und Cadsch rückte mit seinen Leuten weiter vor. Beim Betreten der Boma suchten sie festzustellen, wie stark die Begleitung Tarzans gewesen sein konnte. Als sie noch dabei waren, sah Cadsch etwas halb unter den Büschen verborgen am anderen Ende der Boma liegen und näherte sich ganz vorsichtig, da er die halb im Grase versteckte Gestalt eines Menschen zu erkennen glaubte.
Mit hocherhobenen Keulen schlichen ein Dutzend seiner Leute näher und sahen die leblose Gestalt Tarzans vor sich liegen.
Der Feuergott hat seine Hand ausgestreckt, um die Schändung seines Altars zu rächen, rief der Hohepriester, dessen Augen vom irrsinnigen Feuer des Fanatismus glühten. Ein anderer Priester kniete neben der Gestalt des Affenmenschen nieder und legte sein Ohr an dessen Herz.
Er ist nicht tot, flüsterte er, er schläft vielleicht nur.
Dann packt ihn, schnell! rief Cadsch. Im Nu verschwand Tarzans ganzer Körper unter den behaarten Gestalten, die sich auf ihn warfen. Er leistete keinerlei Widerstand – er öffnete nicht einmal die Augen, und alsbald waren ihm die Arme sicher auf den Rücken gebunden.
Schleppt ihn dahin, wo das Auge des Feuergottes auf ihn ruhen kann, rief Cadsch. Sie schleiften Tarzan ins volle Sonnenlicht nach der Mitte der Boma und Cadsch, der Hohepriester, zog sein Messer aus dem Lendentuch, schwang es hoch über dem Kopfe und trat über die langgestreckte Gestalt seines Opfers.
Obgleich seinen Begleitern nicht recht wohl bei der Sache schien, widersprach ihm doch nur ein einziger.
Cadsch, sagte er, wie kommst du dazu, dem Feuergott ein Opfer darzubringen? Das ist das Vorrecht unserer Königin und Hohepriesterin La, und sie wird dir bitter zürnen, wenn sie hört, was du getan hast.
Schweige, Dooth! rief Cadsch. Ich, Cadsch, bin der Hohepriester von Opar. Ich, Cadsch, bin der Gemahl der Königin La. Mein Wort ist Gesetz in Opar wie das ihre. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann schweige.
Dein Wort ist nicht Gesetz, erwiderte Dooth zornig, und wenn du La, die Hohepriesterin, erzürnst oder den Feuergott kränkst, kannst du bestraft werden wie jeder andere. Wenn du jetzt dieses Opfer vollziehst, sind beide gekränkt.
Genug der Worte, rief Cadsch. Der Feuergott hat zu mir gesprochen und von mir verlangt, daß ich ihm diesen Schänder seines Tempels zum Opfer bringe.
Er kniete bei dem Affenmenschen nieder und berührte erst dessen Brust in der Herzgegend mit der scharfen Klinge, dann hob er die Waffe hoch empor und schickte sich zu dem tödlichen Stoß in das kräftig schlagende Herz an. Da überzog eine Wolke das Antlitz der Sonne und warf ihren Schatten auf die Gruppe. Aus der Reihe der Priester ließ sich Gemurmel hören.
Seht ihr, rief Dooth, der Feuergott ist erzürnt. Er verhüllt sein Antlitz vor dem Volke Opars.
Cadsch hielt an. Er warf einen halb trotzigen, halb ängstlichen Blick nach der die Sonne verdunkelnden Wolke. Dann erhob er sich langsam auf die Füße, streckte seine erhobenen Arme dem verhüllten Gott des Tageslichtes entgegen und verharrte einen Augenblick lang schweigend in anscheinend aufmerksamer und lauschender Haltung. Plötzlich wandte er sich seinem Gefolge zu.
Priester von Opar, rief er, der Sonnengott hat zu seinem Hohepriester, Cadsch, gesprochen. Er ist nicht erzürnt. Aber er wünscht zu mir allein zu sprechen und er befiehlt, ihr sollt in die Dschungel gehen und dort warten, bis er gekommen ist und zu Cadsch gesprochen hat. Geht!
Die Mehrzahl schien Cadschs Wort als Gesetz anzunehmen, aber Dooth und einige andere, denen wohl größerer Zweifel innewohnte, zögerten.
Fort mit euch! befahl Cadsch. Und so groß ist die Macht der Gewohnheit beim Gehorchen, daß sich die Zweifler schließlich wegwandten und sich in der Dschungel mit den übrigen zerstreuten. Ein schlaues Lächeln zog über das Gesicht des Hohepriesters, als der letzte von ihnen aus der Sicht verschwand. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Affenmenschen zu. Daß tief in seiner Brust noch eine gewisse angeborene Furcht vor der Gottheit lauerte, zeigte sich darin, daß er fragende Blicke auf den Himmel warf. Er wollte den Affenmenschen töten, solange Dooth und die andern nicht da waren, aber eine abergläubische Scheu hielt ihm die Hand zurück, bis das Licht seiner Gottheit wieder auf ihn scheinen würde.
Endlich konnte Cadsch sehen, daß die Sonne den Rand der Wolke erreichte, und jetzt nahm er wieder mit bereitgehaltenem Messer seine kniende Stellung neben dem Affenmenschen ein. Er sah den Lichtstreifen langsam über die Boma auf sich zuhuschen, noch einen Augenblick und der Flammengott würde das Siegel der Billigung auf das Opfer drücken. Cadsch zitterte im Vorgefühl. Er hob das Messer ein wenig höher, und straffte schon die Muskeln für den Stoß, da unterbrach die fast kreischende Stimme eines Weibes die Stille der Dschungel.
Cadsch! Nur dies eine Wort wurde vernehmlich, aber es wirkte in all seiner Plötzlichkeit wie ein Blitz vom heiteren Himmel.
Mit immer noch hochgehaltenem Messer drehte sich der Hohepriester der Störung zu. An der Ecke der Lichtung stand die Gestalt Las, der Hohepriesterin, und hinter ihr Dooth und ein Dutzend der niederen Priester.
Was soll das bedeuten, Cadsch? fragte La voll Empörung, während sie rasch über die Lichtung auf ihn zukam. Mürrisch erhob sich der Hohepriester.
Der Feuergott forderte das Leben dieses Ungläubigen, rief er.
Elender Lügner, entgegnete ihm La, der Feuergott verkehrt mit den Menschen nur durch die Lippen seiner Hohepriesterin. Zu oft schon hast du gesucht, den Willen deiner Königin zu durchkreuzen. Wisse denn, Cadsch, daß die Gewalt über Leben und Tod, die deine Königin besitzt, bei dir so wirksam ist als bei den andern. Die Sage meldet uns, daß mehr als einmal in den Jahrtausenden, seit Opar besteht, ein Hohepriester auf dem Altar des Feuergottes geopfert wurde. Es scheint mir nicht undenkbar, daß noch ein weiterer den Weg der Anmaßenden gehen könnte. Zügle deine Eitelkeit und deinen Machthunger, daß sie dir nicht zum Verderben gereichen.
Cadsch steckte sein Messer in die Scheide und kehrte sich mürrisch ab, aber nicht ohne Dooth, dem er seine Niederlage zuschrieb, einen giftigen Blick zuzuwerfen. Daß er für den Augenblick durch die Gegenwart der Königin in seine Schranken zurückverwiesen war, ließ sich sehen, aber wer Cadsch kannte, wußte, daß er immer den Affenmenschen beseitigen würde, sobald sich Gelegenheit dazu bot, denn Cadsch hatte im Volke und unter den Priestern von Opar eine starke Anhängerschaft. Viele zweifelten, ob es La wagen werde, das Mißvergnügen und den Zorn einer so einflußreichen Partei durch Beseitigung ihres Hohepriesters auf sich zu ziehen.
Jahrelang hatte sie bald diese, bald jene Ausrede gefunden, um die Zeremonien hinauszuschieben, die sie mit dem Hohepriester ehelich vereinigten. Sie hatte durch fühlbare Beweise ihrer Schwäche für den Affenmenschen die Gegnerschaft ihres Volkes erregt, und als sie schließlich notgedrungen Cadsch zum Gatten nahm, verbarg sie ihren Haß gegen Cadsch keineswegs. Da Cadsch alle diese Umstände kannte, war es nicht weiter verwunderlich, daß er hochverräterische Absichten gegen seine Königin hegte. Oah, eine Priesterin, die nach der Macht und Würde Las strebte, hielt zu ihm. Wenn La beseitigt war, hatte Cadsch genug Einfluß, um Oah zur Hohepriesterin zu machen. Oah wollte ihn dafür zum Gatten nehmen und als König herrschen lassen. Zwar vorderhand hielten sich die beiden noch zurück, aber es bedurfte nur eines kleinen Funkens, um die Flammen des Verrats um La emporlodern zu lassen.
Als sie dem Hohepriester die Opferung Tarzans untersagte, war sie in vollem Rechte. Aber ihr Schicksal, vielleicht ihr Leben hing von der Behandlung ab, die sie dem Gefangenen angedeihen ließ. Schonte sie ihn, ließ sie sich nur das geringste von ihrer früheren Liebe merken, dann war ihr Geschick besiegelt.
Cadsch und die übrigen beobachteten sie scharf, als sie zu Tarzan hinübertrat. Sie sah einige Augenblicke schweigend auf ihn hinab.
Ist er tot? fragte sie.
Als Cadsch uns fortschickte, war er noch nicht tot, erklärte Dooth bereitwillig. Wenn er jetzt tot ist, muß ihn Cadsch während unserer Abwesenheit getötet haben.
Ich tötete ihn nicht, sagte Cadsch. Das ist Sache unserer Königin. Hohepriesterin von Opar, das Auge des Feuergottes ruht auf dir, das Messer ist an deiner Seite, das Opfer liegt vor dir bereit.
Ohne sich um die Worte des Mannes zu kümmern, wandte sich La zu Dooth. Wenn er noch am Leben ist, dann fertigt eine Bahre und bringt ihn nach Opar.
So kam Affentarzan abermals in die alte Pflanzstadt der Atlantis.
Die Wirkung des ihm durch Kraski beigebrachten Betäubungstrankes ließ erst nach vielen Stunden nach. Als er die Augen öffnete, war es Nacht und für einen Augenblick war er von der umgebenden Dunkelheit und dem herrschenden Schweigen ganz verwirrt. Alles, was er zunächst durch den Geruch feststellen konnte, war, daß er auf einem Lager aus Fellen lag. Allmählich brach sich die Erkenntnis über den Streich Bahn, den man ihm gespielt hatte. Wie lange er ohne Besinnung gelegen hatte und wo er sich gegenwärtig befand, konnte er sich noch nicht denken. Langsam erhob er sich auf die Füße und merkte, daß er, abgesehen von einem geringen Schwindelgefühl, wieder Herr seiner selbst war. Vorsichtig fühlte er in der Dunkelheit herum, wobei er eine Hand vorausstreckte und Schritt für Schritt erst mit dem Fuße sicheren Grund suchte. Fast unmittelbar hemmte eine steinerne Wand seinen Weg, der folgend er bald herausfand, daß er sich in einem kleinen Raum mit zwei gegenüberliegenden Türen befand. Hier waren ihm nur sein Gefühls- und Geruchsinn von Nutzen. Diese beiden sagten ihm, daß er sich in einer unterirdischen Kammer befinde. Bald war Tarzan überzeugt, daß er mit den im Raume herrschenden Düften vertraut sei. Auf einmal drang zu ihm von oben durch Erde und Mauerwerk ganz schwach ein unheimlicher Schrei, dessen Klang lebhafte Erinnerungen hervorrief. Jetzt wußte er, daß er sich in einer Kammer unter Opar befand.
Über ihm, in ihrem Tempelzimmer, warf sich die Hohepriesterin La ruhelos auf ihrem Lager herum. Sie kannte die Stimmung ihres Volkes und Cadschs Verräterei nur zu gut. Sie vermutete ganz mit Recht, daß Cadsch ihre Untertanen gegen sie aufwiegeln werde, wenn sie sich diesmal der Opferung des Affenmenschen entziehen würde. Ihre Anstrengung, einen Ausweg zu finden, ließ sie ohne Schlaf, denn La brachte es nicht über das Herz, Tarzan zu opfern. Zweimal zuvor war er ihrem Opfermesser entgangen; im letzten Moment hatte die Liebe doch über Eifersucht und Fanatismus triumphiert, und das Weib in La hatte erkannt, daß sie nie und nimmer das Leben des geliebten Mannes gefährden könne, so hoffnungslos ihre Liebe auch war.
Diesmal ging aber die Lösung der Aufgabe über ihre Kräfte. Ihre Ehe mit Cadsch vernichtete die letzte Hoffnung, je das Weib des Affenmenschen zu werden. Doch darum war sie nicht weniger entschlossen, Tarzan wenn irgend möglich zu retten. Zweimal hatte dieser ihr Leben beschützt, einmal als ein Priester toll geworden war, dann als Tantor sie bedrohte. Zudem hatte sie auch ihr Wort verpfändet, daß Tarzan bei seiner Wiederkehr nach Opar als Freund angesehen und empfangen werden solle. Aber Cadsch hatte großen Einfluß, und sie wußte, daß dieser Einfluß unablässig gegen den Affenmenschen am Werke war. Früher oder später würden sie ihr den Gehorsam aufkündigen, sie suchten nur noch nach einer Entschuldigung, die sie in ihrer künftigen Haltung gegen Affentarzan zu finden hofften. Spät nach Mitternacht kam zu ihr eine der Priesterinnen, die stets am Außentor ihrer Räume Wache hielten.
Dooth wünscht mit dir zu sprechen, flüsterte die Dienerin.
Es ist schon spät, erwiderte La und Männer haben zu diesem Teil des Tempels keinen Zutritt. Wie kommt er hierher und was will er?
Er sagt, er komme im Dienste Las, die in großer Gefahr schwebe, erwiderte das Mädchen.
So bringe ihn denn her, sagte La, aber so lieb dir dein Leben ist, sprich mit keinem darüber.
Ich bin stumm wie die Steine des Altars, antwortete das Mädchen.
Bald darauf brachte sie Dooth, der einige Schritte vor der Hohepriesterin stehen blieb und sie begrüßte. La gab dem Mädchen ein Zeichen, sich zurückzuziehen und wendete sich fragend an den Mann.
Sprich Dooth, befahl sie.
Wir kennen alle, sagte dieser, Las Liebe für den Fremden, und es steht mir, einem Unterpriester, nicht zu, über die Gedanken oder Handlungen meiner Hohepriesterin zu urteilen. Meine Pflicht ist, dir zu dienen, wie auch jene besser täten, die sich gegen dich verschwören.
Was willst du damit sagen, Dooth? Wer verschwört sich gegen mich?
Eben in diesem Augenblick entwerfen Cadsch, Oah und mehrere Priester und Priesterinnen einen Plan, dich zu stürzen. Sie haben dich mit Spionen umgeben, die dich bewachen, da sie wissen, daß du den Affenmenschen befreien willst. Jemand wird zu dir kommen und dir sagen, es sei die einfachste Lösung für dich, ihn entkommen zu lassen. Diese Persönlichkeit wird ein Abgesandter von Cadsch sein. Dann werden sie dich scharf überwachen und dem Volke und der Priesterschaft melden, daß sie gesehen haben, wie du das Opfer freigelassen hast. Aber selbst diese Freilassung wird keinen Wert für dich haben, denn Cadsch, Oah und die anderen haben auf dem aus Opar führenden Wege viele Männer in den Hinterhalt gelegt, die den Affenmenschen überfallen und erschlagen werden, ehe der Feuergott zweimal im westlichen Walde zur Ruhe geht. Es gibt nur einen Weg, dich zu retten, La von Opar. Du mußt eigenhändig den Affenmenschen auf dem Altar deines Tempels dem Feuergott opfern.