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Achtzehntes Kapitel
Barbara neigte sich über Babys Wiege und sang leise ein Wiegenlied, während sie zu Käthe aufschaute.
Käthe hatte sich an diesem Morgen verspätet – und als sie in den sonnigen Raum trat, da lag ein mildes Rosenrot auf ihren Wangen und aus ihren Purpuraugen leuchteten Glückesthränen.
Barbara wußte, was kommen würde. Barbara war eine Frau und sagte zuerst nicht viel – sie sang bloß, über das Baby gebeugt, ihr Wiegenlied und schaukelte mit ihrem niedlichen Fuße die Wiege, und wartete.
Käthe blieb eine Zeitlang, über den Blumenständer gebeugt, stehen und versuchte zu sprechen, aber endlich trat sie zu Barbara in das tiefe sonnige Fensterfeld, und dort stand sie und tändelte mit einem späten Blümchen, während leise Röte auf ihre Wangen trat und ihre Lippen sich langsam teilten.
»Haben Sie die ›Evangeline‹ gefunden?« fragte Barbara schließlich harmlos.
Miß Davenants Augen erhoben sich zu ihrem Gesicht und durch den Schleier von Thränen, der sich über ihre Augen gezogen hatte, blitzte ein milder Strahl – sie war so glücklich! so überglücklich!
»Ja!« sagte sie – »und etwas anderes habe ich dazu noch gefunden!«
Barbaras Scherz schmolz dahin in einem Aprilschauer.
»Ich weiß alles, was Sie mir sagen wollen,« sagte sie leise, »Karl hat es mir erzählt. Es macht mich sehr, sehr glücklich. Gott ist gütig gegen Sie gewesen, mein Herzchen!«
Und sie küßte Käthe aber- und abermals.
In diesem Augenblicke gerade rührte das Baby sich in seiner Wiege und wurde munter. Es haschte nach den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster strömten, ganz so, wie Kinder größeren Wuchses nach dem Flitterglanze des Lebens haschen – und Käthe Davenant wandte ihr Antlitz gleichfalls dem Sonnenschein zu, während die Küsse, die Karl ihr am Abend zuvor auf die Lippen gedrückt, dort noch jetzt zu zittern schienen.
»Ja! Gott ist sehr gütig gegen mich gewesen!« meinte sie, – »ich denke, Er hat mich wieder zum Kinde gemacht! noch einmal zu Käthchen, zu Klein Käthchen Mavourneen!«