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Brussa.

Mittags landeten wir in Mudania. Unzählige Burschen stürmten das Deck, sie schleuderten Seile mit Haken aufs Geländer, kämpften, warfen sich ins Wasser, klommen hinan wie Räuber, rissen das Gepäck herunter, schlugen sich mit den Matrosen, gelangten wie sie gekommen wieder an Land; dort hockten sie nieder und starrten mit dem unfasslichen Blick schläfriger, misstrauischer Tiere vor sich hin. Zwanzig Männer aus Brussa empfingen uns. Offiziere, Priester, Beamte und Vertreter des Roten Halbmondes. Die Zeremonien nahmen ihren Verlauf, der Gruss vom Kinn zur Stirn und jener ältere, wobei die Hand aufs Herz gelegt wird und der Blick sich senkt.

Man führte uns in einen leeren getünchten Raum des kleinen Bahnhofs und bewirtete uns mit Kaffee; die Priester holten Früchte aus den Taschen ihres Kaftans, man schlug sie nicht ab, man verneigte sich und ass; wie aus Jaspis geschnittene Pflaumen gab mir ein Greis, der einen Knaben, ein aufgewecktes, freundliches Kind, mit sich führte; nach Mandeln und Rosen dufteten die Früchte. Später gingen wir durch die heisse elende Stadt im glühenden Staub, in den Buden kauerten die Händler, ihre Ware priesen sie nicht an, sie war zu gering; zwei Juden begrüssten uns im Vorübergehen mit Worten und freundlichen Gebärden, die Türken erhoben sich schweigsam. Räudige Hunde frassen Unrat; durch siedende Luft trabten die kleinen Esel, sie trugen verhüllte und ängstlich geduckte Frauen. Manchmal aber leuchtete das Meer durch die Fensterhöhlen der aus Lehm erstellten Hütten, und ein Zug gekühlten Windes legte sich sanft auf Stirne und Schultern.

Wir fuhren gegen Mittag weg. Unser Wagen war der letzte, er war geteilt in einen geschlossenen Raum und in eine geräumige, offene Plattform. Still setzten sich die Türken im Wageninnern; in ihrer stolzen Höflichkeit überliessen sie es nun der grossen sich erschliessenden Landschaft uns würdig zu empfangen. Hinter Hügelzügen verschwand das Meer; fruchtbare Felder zogen zwischen den Gebirgen, die ein freundliches Tal umsäumten, durch das wir langsam hinanstiegen. Mit den Abendstunden frischte es auf, immer üppiger wurde das Land, Pappeln mit weissen Stämmen standen an hellen Teichen durch welche klare und rasche Bäche zogen. Wein und Oliven und breitgeschnittene Maulbeerbäume drängten in den Mulden, streichende Luft lag auf den Mohnfeldern. Wenn die Büffelherden an den Gebüschen vorüberstampften, dann stoben saphirblaue Vögel mit rabenschwarzen Schnäbeln schreiend auf, sie stürzten wie die Blitze eines blauen Stahlhiebes durch das Licht und fielen ins nächste Dickicht ein, wo sie verschwanden. Ledige Pferde, zwei Falbe und ein kleiner etwa zweijähriger Schimmel, stemmten die Vorfüsse breit in den Weidegrund, streckten die Hälse vor, witterten gegen den Zug mit gespitzten Ohren, dann stieg der Schimmel, warf sich herum und feuerte dreimal im Fortgaloppieren aus, die beiden Falben bockten in ungeschickten Kapriolen, dann streckten sie den Lauf zum Rennen etwa dreihundert Meter weit, hielten an und begannen wieder friedlich zu grasen. Reiter, die im Schritt uns entgegenkamen, zügelten ihre erschreckten Tiere, und fielen dann gleich wieder in diese [Scanfehler, von Hand korrigiert. Re] grosse Ruhe des ziehenden Nomaden zurück. Plötzlich sodann nach einer Wendung um einen kleinen Wald von Steineichen, in dessen Schatten die wüst hingeworfenen Grabsteine lagen, tat sich ein neues grosses Tal vor dem erstaunten Blicke auf. Von einem starken Strom durchflossen, in leuchtenden Terrassen dem Lichte des Westens voll dargeboten, umfasste es mit unendlicher Kühle, frischer Grüne buschiger Gärten, das am Hang hinanleuchtende Brussa, die Stadt, die von unzähligen Gewässern durchrauscht ist, welche dem Olymp entstürzen.

Wir kennen die Grenze wo die Schönheit schwer erträglich wird; wenn sie nämlich im Übermaass vorhanden ist, ohne den herben Sinn der sie zum Gleichnis erhebt, der sie flüchtig werden lässt, sie wieder ergreift, bei ihr verweilt und sie sodann verliert. Schönheit in ihrer ganzen Macht und klaren Vollendung, wendet sich im Strahlenkranze ihres kristallenen Daseins leise und unaufhaltsam um sich selbst, Nun war mir die Unruhe der beginnenden Arbeit plötzlich nahe, die sich schliessenden Zusammenhänge, die Gesichter der zum Vorgange dieser nächsten Wochen Berufenen, eins nach dem andern vor mich hintretend und erscheinend noch vor der Sammlung des Gemütes. In diesem seltsamen Zustande zur Hälfte schon aufbrechend und halb mir völlig noch angehörend betrat ich diese Stadt,

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In der Reinheit und seligen Gelassenheit der seit den Kinderjahren tief im Innern bewahrten Landschaftsbilder, ist mir über alle Grenzen besänftigend und erhebend und darum vor allem scheu bewahrt jener Blick von einem Hügel der Heimat über grüne Buchten, wandernde Seen, den Zug der Insel, hinein in die Tiefe der fernen Ebene, aus welcher wie zögernde Wolken der Umriss jener Berge steigt, die einst aus dem Grunde der Erde Feuer gespieen, und die heute, von innen erkaltet, vom Lichte des Tages aber sanft erwärmt, rauschende Bäume tragen schwer von Früchten, Trümmer der Wohnungen und Burgen längst vergangener Geschlechter, und Kinder der heutigen und der kommendenTage, die immer wieder im Herbstwind spielen, im wehenden Gras, das die uralten Flanken dieser einsam aus der Ebene steigenden Gebirge bedeckt. Eine solche Landschaft, verwandt dieser einen und auch einmalig und unvergleichlich wie ein Gestirn vor dem andern, eine solche Landschaft war an diesem Abend in Brussa ausgebreitet vor den Terrassen, auf denen ich an der steinernen Brüstung lehnte, über der Stadt, über dem Strom, dem Tal und den in ihrem goldenen Saum in der Weite dahindunkelnden Uferbergen. Wir aber waren im vollen Lichte des Abends, von unzähligen Brunnen umrauscht, leichte Winde waren in den Bäumen, vor uns die aufgetane Welt, hinter uns stumme Wacht marmorner Paläste: die Bäder, in denen seit Menschengedenken für so viele niedergegangene und neue Völker schon immer dieselben eiskalten und die heissen, heilkräftigen Quellen sprangen; und über den Bädern die Grabgewölbe der Eroberer mit Zypressen und goldgezierten Minareten, wie Lanzen, die ein gigantisches Reitervolk im Vorüberziehen an die Denkmäler seiner Siege und die Stätten seiner grossen Toten gepflanzt hätte. Noch höher, über den Gräbern, die silbernen Moscheen – und kein Glockenklang – die Klage nur der die Stundengebete singenden Hodjas von den leuchtenden Zinnen herab; zuletzt dann am allerhöchsten, jenes fast unhörbare Getöse anderer Ordnung, das die grosse, freie Natur im Umkreise menschlicher Siedelung hat, das Donnern der Giessbäche und fernes Steinestürzen des zum Himmel und dem emporgleitenden Mond gewaltig ansteigenden Berges der der Götter Wohnung ist. Auf den weiten Terrassen der Stadt aber, wo man still versunken verweilt, das leise Kommen und Gehen der würdevollen Geniessenden, sie grüssen sich, betreten die Heiligtümer, die Badehäuser, rauchen auf weichen Teppichen unter den Platanen; Knaben bringen Getränke, rasch ziehen verhüllte Frauen vorbei und sehnige Burschen halten die ungeduldig wartenden Pferde der Herren. Diese Herren sind alle Türken, nur die Diener bisweilen Albaner und Bosniaken. Nichts haben diese Eroberer gebaut, jede Form übernahmen sie von Griechen, Persern und Arabern und immer wieder wollte man ihnen alles entreissen und immer wieder erhoben sie sich aus ihrer Ruhe, und mit dem Schwert wahrten sie den Besitz. Zuletzt waren sie stets Sieger, und sie setzten sich wieder hin auf ihre Teppiche, mit dem verschleierten Blick des Alten und des Wissenden, der durch sein Dasein und Herrschen ein Gesetz erfüllt, das er kennt, und aus dem ihn keiner vertreibt.

Fünfzehn Geschlechter nun der Griechen und Armenier stehen seit sechshundert Jahren unter der Herrschaft des Eroberers; eine kurze kaum nennenswerte Zeit für den Orient. Früher lebten sie wie rechtlose aber gutgehaltene Brüder mit dem Türken, sie bestellten ihm dienstbar das Haus, sie trieben dabei ihren einträglichen Handel, sie waren reich, wurden schwierig, begannen auf die Wünsche der Grossmächte zu hören: das war ihr Verderben. Des Türken Waffenbruder ist der Kurde, ein Feudalherr und Nomade; der Gebieter im Lande braucht ihn stets nur dort, wo das Kühnste und Verwegenste zu vollbringen ist. Die andern Völker kommen und gehen; die edelsten der Gäste, die Tscherkessen, ehren die Heiligtümer Mohammeds und auch die Gräber seiner tapfersten Verfechter; noch heute! wo das letzte Geschehen in dieser zermürbten Weltgegend nur wenige Tscherkessen erhielt; ja wenn diese Pferdediebe, Rosstäuscher, Räuber und Messerstecher in ihrer herrlichen, straffen Tracht, selbst schlank wie die Klinge ihrer Dolche, den Sultansgräbern vorüberreiten, so neigen sie sich vor dem Geweihten. Nach Djamils Fall sind sie aus dem russischen Kaukasus, mehr als eine Million beiderlei Geschlechts, ausgewandert, sie waren Brüder und Schwestern der Sultaninnen, der Schönsten welche Frauenhäuser der Grossen des Reiches bevölkerten. Als solche zogen sie ein aus der Schneeluft ihres Gebirgs in die brennende Ebene, an Sümpfe und auf die graue blendende Steppe; bald aber bewältigte Gewöhnung der Angesessenen ihre edle ausgenommene Haltung als Gäste, das Land das sie selbstherrlich sich angeeignet hatten, wurde ihnen wieder entrissen, geschlechterweis starben sie in Sumpfgebieten, im Krieg wurden sie vielfach zu Verrätern der Türken, sie ertrugen es nicht, beherrscht zu sein; dann traf sie die Rache mit den andern gemeinsam, heute sieht man entlang den Bahnen die armseligen Lager der Vertriebenen und Umherirrenden, Greise, Kinder und finstere Frauen, alle gekennzeichnet durch dasselbe Ebenmaass ihrer edeln Gestalt. Muhadschir nennt man diese aus fernen Gegenden des Glaubens wegen hergewanderten Stämme.

«Muhadschir» sagt mir der Priester, der mich zur Stadt führt, und er zeigt mir Bosniaken die Esel treiben, deren Körbe mit eingesponnenen Seidenraupen bis zum Rande gefüllt sind. Er führt mich zum Bazar und zu dem Markte der von den Wandelhallen des Bazars umschlossen ist. Dort ist noch Seidenmarkt, zu Hunderten sitzen die Bauern vor ihren Körben; schweres Abendlicht schwankt in dem grossen Hofe an den Erdmauern flüssig auf und nieder, liegt auf den Körben, den weissen, den ockerbraunen, den zitronengelben Raupengespinsten, auf den schreienden Händlern, die unter farbigen Tüchern kauern, weisse Zähne zeigen aus den Gesichtern die wie beschienene Ackerschollen sind; ihre Hände aber wie sie sich mit der Ware entgegenstrecken scheinen schwarz, die Nägel sind hoch gewölbt und bläulich, sie blinken auf in dem späten Schein, bisweilen blitzt auch ein Stein an der Hand eines Grosshändlers, ein roter oder ein grüner; in dem Hof ist es warm, ein Brodem und tanzender Staubglanz hebt sich und sinkt über dem uralten, reinlichen Handel mit den geheimnisvoll lebendigen Gespinsten. Und so gelangen wir in die Gänge des Bazars, hier zieht frische, duftgetränkte Luft spürbar über den Häuptern der feilschenden, langsam vorwärtsdrängenden Menge; auch hier ist noch spätes Licht aus Luken des Gewölbes und offenen Bogenfenstern einfallend und fast alle Ware ist Seide; aus den Ständen über die Auslagetische fliesst sie, meterweise, breit, im eigenen satten Glanze und dem Glanz der späten Stunde, weiss, gelb und braunrot wie die lebende Seide in den Körben, in Wellen, als ströme sie unablässig geheimnisvoll verwandelt aus den Tiefen der Gewölbe in denen der Kaufherr kauert, und sie fliesst in die Hände der eiligen Käufer, der Frauen die auf flachen Sohlen sich scheu herbeidrängen: der braune Arm des Händlers greift mit der blanken, langen Schere in den satten Fluss, die Klingen blitzen auf, dringen ein, die seidene Last fällt und wird von den jungen Armen der Verhüllten aufgefangen, weggetragen, und wieder rauscht es aus dem Gewölbe über die Tische unerschöpflich den neuen Käufern entgegen. Auch Lampen sind schon entzündet, schwanken an eisernen Stäben, und nun beginnen im Zwielicht die Riesenschatten über die verwitterten Wände und die reine herandrängende Ware zitternd, verhalten und plötzlich hinzulaufen. Dann ist die Stunde, um vor der Weiterreise noch die Moscheen der Stadt zu sehen.

Mehmet Medschnun hat die Grüne Moschee erbaut aus hellgrünem und rötlichweissem Marmor mit Bändern und Füllungen in dunkelgrünblauer Keramik. «Mehmet der Wahnsinnige», sein Werk ist das Werk eines Träumenden; nichts ist da von der stets dem Menschenleben entnommenen, fast immer leidenschaftlich der Natur entgegengehaltenen Sprache grosser europäischer Architektur, nichts von dem heroisch freien das unsere edeln Bauwerke dem Wesen hoher Geschicke zum kühnen Zeichen setzt, nichts von der lieblichen Zier heiterer, kleiner Paläste, in welchen die dem freud- und leidvoll bewegten Herzen entstiegenen Rhythmen und Harmonien unserer Musik tragend und getragen wirken, und im Triebe nach entfaltetem Aufstieg schon angeweht von leichtem Zweifel sich begnügen. Vor allem aber spüre ich, wie niemals, die Ferne der Gotik. Hier ist kein Ansatz zu Verwandlung nach dem Geheiss eines einzigen beherrschenden Gefühls; alles ist in sich geschlossen wie in einem Zauberwürfel; unendlich fern ist diese Ergriffenheit unseres Mittelalters die sich emporwarf, Formen schaffend in der letzten Grenze ihrer stofflichen Möglichkeit, als wären sie die einzige und letzte Wahrheit. Nicht dem Menschen entnommen und seinem schmerzlichen Drange, nein, das Menschliche und die ganze Natur gleichermaassen gebannt in eine kostbare Formel, geometrisch gebunden, knospenhaft, so ist diese Baukunst, geträumt, so als zeichne einer auf der Rast in der mondhellen Nacht nachdenklich mit dem Stabe in den Sand.

Die Front der Grünen Moschee, bei der, an dem Seidenglanz ihres erlesenen Gesteins ansteigenden, blauen Nacht, ist schön, wie ein Geschmeide schön ist, das eine Frau vom Halse nimmt und weglegt, wir aber wenden uns ab von dem Kleinod und sinnen der Gebärde nach, der freien Gebärde des täglichen Lebens, der Selbstverständlichkeit antiker Plastik, die unmittelbar und mündig vor dem Göttlichen dieselbe Haltung bewahrt, die jeder edle Grundriss unserer Bauten, sowie jedes human geführte Leben sein eigen nennt. Wir treten durch die Öffnung der Fassade wie durch einen Teppich. Im Innern ist es schon dunkel, man hört nur das Klingen des Springbrunnens. Der Hodja, mit dem ich nicht reden kann, führt mich auf den beiden Längsseiten des Baus zu den beiden kleinen Säulen, die er mich berühren lässt; sie drehen ohne Zapfen zwischen Kapital und Basis und zeigen an, wenn das Gebäude sich im geringsten senkt, denn dann ist ihre Bewegung gesperrt. Wir setzen uns auf dem Boden nieder. Der Priester sinnt vor sich hin; es ist ganz still; dann kommen Diener und entzünden Lichter, geschützt und ruhig brennend in hängenden Ampeln aus Glas; der überfliessende Marmorbrunnen und der leise Strahl, der seiner Krönung entsteigt sind nun beleuchtet. So sitzen wir lange; die nach Mekka gerichteten Teppiche ziehn wie mitsichreissende, magische Strassen dahin ins Dunkel. Weniger Weihe ist, als in unseren Domen, aber etwas anderes, viel irdischer, alles versammelt um den Sinn der Quelle, der Kühle, das Ziel der Sehnsucht durch heisse Wüsten und Steppen Ziehender. Erfrischung aus silbernen Schalen in Marmorbecken fliessend, etwas vom gütigen Wesen der Tiefe, nicht von ihren feurigen Mächten, die der christlichen Hölle Bezirk sind, nein das milde Segen- und Kraftspendende, das Gleichnis, dass auch das uns tragende Gestirn wie alles Gewaltige, tief im Innern von milden Kräften erfüllt ist. In einer der dunkelblinkenden Gebetsnischen zu der man breite Stufen hinansteigt, sitzt noch einer im Scheine der grünblauen Keramik die ihn umgibt und schreibt bei einem kleinen Lichte mit der schönen zur Mitte durch das Herz strebenden Schrift, der Schrift, welche uns, die wir von unsern Herzen weg, hinaus in den Raum schreiben, von Anfang an mit stummer Gewalt entgegenläuft.

Spät in der Nacht erst betraten wir die Hauptmoschee Brussas, erst nachdem der Schreiber sein Buch geschlossen hatte und die Lampen in dem grünen Dome waren gelöscht worden. Immer mit meinem stummen Begleiter war ich durch die dunkeln Gärten gegangen, in dem mächtigen Raume des Gotteshauses waren wir sodann mit einem nun völlig allein und weit über den Tag und seine mannigfaltigen Gesichter hinausgehoben, denn die Kuppel des Domes ist offen und in dem Brunnen seiner Mitte spiegeln sich die Gestirne. Ihre lautlosen Bahnen kreuzen sich zwischen den Marmorrändern des Beckens, Vega zittert nahe dem Zenit, die Spitze der Deichsel des tiefstehenden Wagens weist über den hellen Arktur auf Jungfrau und Saturn, manchmal fährt ein fahler Schein über den regungslosen dunkeln Wasserspiegel, dann ist ein Stern gefallen über das Gewölbe, den steinernen Rändern unseres Ausblickes vorbei in den Weltraum, und diese steinernen Ränder der aufgetanen Kuppel über dem ruhenden Brunnen stehen unbewegt, als stünden wir festgewurzelt in ewiger Ruhe, und das Spiel der Welt in stiller Harmonie der Sphären zöge über uns dahin. Das Erhabene geht um und ist nahe, aber dieweil ich hinaufschaue in den ehernen Zwang der in vorgeschriebener Bahn durch die Räume ziehenden Welten, schaut der Priester unablässig nach der Spiegelung im klaren Element und zieht im Geist die Linien zwischen den Bildern des Himmels, als webe er einen der sinnvollen Teppiche, in denen die lebendigen Gesetze zu demütiger Sprache verbunden scheinen.

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