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Mit Erlaubniß Eurer ehrenwerthen Lordschaft
sprachen wir über dieß und das, über hier und
dort.
Der Fremde.
Aubrey hatte den ganzen Morgen mit Eveline eine geheime Unterredung gehabt; gleichzeitig mit seiner Ankunft erhielt sie die Nachricht von Maltravers' Abreise; diese Kunde versetzte sie in große Aufregung. Eveline setzte dieses Ereigniß mit den feierlichen Worten am vergangenen Abend in Verbindung und fragte sich erstaunt selbst, welche Gefühle sie Maltravers eingeflößt haben könnte. Konnte er sie lieben? Sie, die so jung, so untergeordnet, so wenig unterrichtet war? – Unmöglich! Ach, was Maltravers betrifft, so entfernten sein Genius, seine Gaben, seine hohen Eigenschaften, Alles, was die Bewunderung und beinahe die Ehrfurcht Evelinens erwarb, ihn zu sehr von ihrem Herzen. Als sie sich selbst fragte, ob er sie liebe, fragte sie sich nicht zugleich, ob sie ihn liebte. Allein auch jene Frage beantwortete ihre Urtheils kraft in verneinender Weise. Warum sollte er sie lieben, und sie doch fliehen? Sie verstand nicht seine hochgespannten Bedenklichkeiten, seinen selbsttäuschenden Glauben. Aubrey ward eher verwirrt, als daß er durch das Gespräch mit seiner Schülerin Aufklärung erhielt; nur eins schien sicher: ihr Entzücken, zum kleinen Landhause und zu ihrer Mutter zurückzukehren.
Eveline konnte nicht genug ihre Fassung wieder erlangen, um sich in die Gesellschaft unten zu mischen; Aubrey überließ sie beim zweiten Läuten der Mittagsglocke ihrer Einsamkeit und entschuldigte sie bei Frau Merton.
»Wahrlich,« sagte die würdige Dame, »es thut mir sehr leid. Schon beim Frühstück hielt ich Miß Cameron für sehr angegriffen; ihre Stimmung schien etwas hysterisch, und ich glaube, die Ueberraschung über Ihre Ankunft hat sie so ergriffen. Caroline, meine Theure, gehen Sie doch hin, um zu fragen, was sie auf ihrem Zimmer essen möchte. Ein wenig Suppe und ein Stück Hühnchen.«
»Meine Theure,« sagte Herr Merton etwas pomphaft; »der Miß Cameron würde passende Achtung erwiesen, wenn Sie selbst Caroline begleiteten.«
»Ich gebe Ihnen die Versicherung,« sagte der Pfarrer, über die Lawine von Artigkeit erschreckt, womit die arme Eveline bedroht wurde, »daß Miß Cameron jetzt am liebsten allein sein wird; wie Frau Merton sagte, ist sie ein wenig aufgeregt.«
Allein Frau Merton hatte nach leichter Verbeugung schon das Zimmer verlassen, und Caroline mit ihr.
»Kommt zurück, Sophie und Cäcilie,« sagte Herr Merton, indem er seinen Busenstreif »Hemdkrause«. Anm.d.Hrsg. zurecht legte.
»Die theure, arme Eveline ist krank,« sagte Sophie; »wir möchten zu Eveline; ich will zu ihr, Papa.«
»Nein, meine Theure, ihr seid zu lärmend. Die Kinder sind gänzlich verzogen, Herr Aubrey.«
Der alte Mann blickte wohlwollend auf Beide und nahm sie auf sein Knie; während Cäcilie seine langen, weißen Locken strich und Sophie von der Freundlichkeit und Güte Evelinens fort schwatzte, schlenderte Lord Vargrave in's Zimmer. Als er den Pfarrer erblickte, erglänzte sein freimüthiges Gesicht von Ueberraschung und Vergnügen; er eilte zu ihm hin, ergriff ihn bei beiden Händen, sprach seine herzliche Freude aus, ihn zu sehen, erkundigte sich zärtlich nach Lady Vargrave, und seine Entzückung verschwand erst, als er außer Athem war und als Frau Merton und Caroline zurückkehrend ihn von Miß Camerons Unpäßlichkeit benachrichtigten. So wie er im Augenblick vorher voll von Freude gewesen war, schien er jetzt voll von Kummer. Das Mittagessen ging etwas still vorüber; die Kinder, die zum Dessert wieder zugelassen wurden, ertheilten der Gesellschaft wieder einige Heiterkeit; als diese und die beiden Damen fort waren, stand Aubrey schnell auf, um sich wieder zu Evelinen zu begeben.«
»Gehen Sie zu Miß Cameron?« sagte Lord Vargrave; »bitte, sagen Sie ihr, wie unglücklich ich mich durch ihr Unwohlsein fühle. Ich glaube, diese Trauben (sie sind ausgezeichnet) können ihr keinen Schaden bringen. Darf ich Sie bitten, ihr dieselben zu überreichen, mit der Versicherung meiner Betrübniß! Ich werde mich bis zu Ihrer Rückkehr sehr unbehaglich befinden. Nun, Merton (als die Thüre sich hinter dem Pfarrer geschlossen hatte), lassen Sie uns noch eine Flasche von diesem trefflichen Bordeaux trinken – ein drolliger alter Mann, ein sonderbarer Charakter.«
»Er ist ein großer Günstling von Lady Vargrave und Miß Cameron, wie ich glaube,« sagte Herr Merton; »ein bloßer Dorfpriester, nicht wahr, ohne Talent und Kraft; sonst besäße er in dem Alter eine höhere Pfründe.«
»Sehr wahr; eine scharfsinnige Bemerkung. Der geistliche Stand ist ebensowohl wie jeder andere dazu geeignet, sich vorwärts zu bringen. Sie werde ich noch als einen Bischof erblicken.«
Herr Merton schüttelte den Kopf.
»O gewiß! Obgleich Sie bis jetzt die drei Haupterfordernisse für die Bischofswürde zu zeigen verschmäht haben.«
»Welche sind das?«
»Die Herausgabe eines griechischen Trauerspiels; die Verfassung einer politischen Broschüre und einen Parteiabfall im rechten Augenblick.«
»Ha, ha, Ew. Lordschaft nimmt uns arg mit.«
»O nein! Ich wünschte nur, ich wäre für die Kirche erzogen worden – ein trefflicher Stand, wenn man ihn gehörig versteht. Bei Jupiter, ich wäre ein vortrefflicher Bischof geworden!«
In seiner Eigenschaft als Geistlicher suchte Herr Merton ernst auszusehen, in seiner Eigenschaft als freisinniger und in der Welt gewandter Gentleman gab er den Versuch auf und lachte vergnügt über den Scherz des in seiner Laufbahn steigenden Staatsmannes.