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An Wilhelm Büchner
Ende 1836/Anfang 1837
Aus Zürich nach Heidelberg
(...) Ich sitze am Tage mit dem Scalpell und die Nacht mit den Büchern. (...)
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An Wilhelmine Jaeglé
1837
Aus Zürich nach Straßburg
(...) in längstens acht Tagen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen erscheinen lassen. (...)
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Von Eugène Boeckel
11. Januar 1837
Aus Paris nach Zürich
Mein lieber, il vaut mieux tard que jamais, allein es ist zu bemerken daß ich Deine adresse erst vor 14 Tagen erhielt, diejenige welche mir M elle Jägle gab verlor ich auf d. Reise hieher. Seit meinem Aufenthalt in Strasburg hab ich nichts mehr von Dir erfahren Du kannst Dir also denken wie begierig ich bin von Dir Nachricht zu erhalten. Ich hoffe Du wirst mit gutem Erfolg in Zürich aufgetreten sein und so Deinem Ziele nähergekommen. Schreibe mir doch wenn Du dieses Jahr nach Strasburg kommst, weil ich meine Reise darnach einrichten will, wenn Deine Vacanzen wie ich glaube im Mai statt haben so kann ich Dich auf jeden Fall sehn, aber früher werde ich wahrscheinlich nicht von hier fortgehn können. Ob ich durch die Schweiz nach Strasburg gehe ist noch ungewiß. Mit meinem Aufenthalt hier bin ich zufrieden, Du weißt übrigens daß ich ungefähr überall zufrieden bin. Im ganzen genommen hat es mir weit besser in Teutschland als in Frankreich gefallen. Ich gebe mich hier mit Syphilis, Auscultation und Chirurgie ab, dies wären anziehende Studien für Dich. Die Auscultation seh ich als eine sehr wichtige Entdeckung an. Übrigens ist es hier ziemlich leicht viele Übung im Auscultieren zu erlangen. Die syphilitische Kkht. w(er)den besonders gut von Ricord behandelt. Für médecine opératoire s(in)d gute privatissima und viele Cadaver's vorhanden. Von der übrigen medizinischen Fakultät schreibe ich Dir nichts, weil Dich die praktische Medizin nicht interessiert und ich mich hier ausschließlich mit abgebe.
Paris ist in Vergleich d. andern Städte welche ich gesehn, immens, grandios, und reich. Es wundert mich nicht mehr daß man von Paris d. hyperbolischen Ausdruck braucht la capitale du monde, denn es ist hier auch so außerordentlich vieles vereinigt. Für Naturgeschichte, physiolog. und Anatomie simple et comparée wäre eine Aufenthalt hier sehr interessant für Dich. Die Gemälde Gallerie würde Dich auch größtenteils interessieren; übrigens weißt Du wie wenig ich davon verstehe – Unterdessen bin ich jedoch ein außerordentlicher Liebhaber d. italienischen Oper, Laplache, Tamburini und D elle Grisi s(in)d unübertrefflich und müssen durch ihren Gesang selbst einen Laien Unkundigen ergreifen. Du würdest hier gewiß öfters in die Oper gehn puritani, Il matrimonio secreto, Othello etc – Die französische Oper ist ziemlich gut. – Im theatre français tritt die D elle Mars zuweilen auf. Die große Masse der übrigen Theater ist mittelmäßig od. schlecht und gemein, zuweilen unerträglich. Die berühmte D elle Ferrand, jetzt M e Roy sah ich in d. operacomique. Du wirst die tragische Geschichte dieser edlen Dame kennen; ich denke que les poils auront repoussé. Seit meinem Aufenthalt in Wien bin ich wider meine frühern Gewohnheiten ein ziemlich fleißiger Theater-Besucher worden. Aber freilich ein Theater wie das Burgtheater in Wien hab ich nicht wieder gefunden. Nirgends ist es angenehmer sich ohne Zweck in den Straßen herumtreiben flaner als hier, von der Pracht und dem Reichtum der superben Buden, Bazar's hauptsächlich derjenigen im palaisroyal hat man in andern Städten kaum eine Idee – An Spaziergängen hier fehlt es auch nicht hauptsächlich die boulevards, d. jardin des tuileries Luxembourg, jardin du roi, und dann noch einige breite schöne Straßen w.z.B. rue d. Rivoli, Castiglione, place Vendôme etc.
Viele excursionen habe ich noch nicht gemacht, teils weil ich viel zu tun habe, teils wegen des schlechten Wetters, ich verspare die weiten Ausflüge auf das Frühjahr. In Paris selbsten kann man für 6 sols überall in dem omnibus, hirondelles, Orléanaises etc. herumfahren, ein wohlfeiles und zuweilen angenehmes Vergnügen. Den Arc d. triomphe, d. Obelisken, d. colonne Vendôme, den Platz d. bastille und mehrere andere Merkwürdigkeiten habe ich öfters besucht. In den salon's des palais-royal haben mich die historischen Gemälde aus der revolution am meisten interessiert. Lese-Cabinet's s(in)d hier unzählige, in einigen hat man auch die allgemeine Zeitung. In d. Café's wd. nicht geraucht. Dies ist etwas für Dich. Dagegen gibt es viele estaminets in welchen geraucht wd.
Lambossy ist schon lang von hier weg. Es hat ihm hier nicht gefallen, wahrschlch. weil er sich in der ungeheuren Masse verlor. Held und Schwebel s(in)d noch hier, letzterer wd. in einigen Wochen von hier absegeln um sich in Barr als Arzt zu etablieren. Sonstige Bekannte habe ich hier viele getroffen. Der dickbauchige pädagog liegt im Gloster in Strasburg, sauft café, streicht sich den Bauch und schneidet Gesichter, i(ch) habe zweimal an ihn geschrieben; natürlich ohne jemalen (eine) Zeile von ihm zu erhalten. Von einem Theologen muß man nicht (zu) viel begehren. Müntz welcher einige Zeit hier war ist leider abgereiset. Er hat eine Stelle als professeur du collège Schlettstadt. Selestat. Ich denke mich nächsten Sommer irgend w(o zu) etablieren, ich weiß nicht ob ich in Strasburg bleibe oder ob ich in den Oberrhein gehe, geschieht letzteres so sind wir ganz nahe bei einander.
Sehr teuer ist d. Aufenthalt in Paris nicht wenn man keine besondern Auslagen für Bücher od. Collegien od. sonstige Dinge hat so kann man mit 200 fr. monatlich leben. Die Zimmer sind etwas teuer. Das Mittagessen nicht so sehr wie man glaubt für 20 sols ißt man erträglich für 30 ziemlich gut.
Die Kleider sind hier sehr teuer, für ein. schwarzen Frack zahlte ich 100 fr. und es gibt auch zu 150–200 fr – Im ganzen habe ich im Laufe des vorigen Jahres 4000 fr. gebraucht. Dies ist auch ein Beweggrund weswegen ich dieses Jahr dem Reisen ein Ende machen will, denn mein kleines Capital geht zu Grunde, und einige Tausend Franken will ich für mein Établissement reservieren. Lange wd. sich nächstens verheuraten. Stöber hat seine fiancée, definitif aufgegeben wie man mir sagte; das arme Mädchen dauert mich. Sie wd. schwer eine andere Partie machen können. Ich bin Dieu merci noch frei, teils weil ich es aus Grundsatz bleiben will, teils weil ich nicht weiß ob mich andere Leute wollen
Dein Eugène.
Adresse Eug. Boeckel, quai st. Michel N° 13. hôtel d. l'étoile du nord.
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An Wilhelmine Jaeglé
13. Januar 1837
Aus Zürich nach Straßburg
Mein lieb Kind! ... Ich zähle die Wochen bis zu Ostern an den Fingern. Es wird immer öder. So im Anfange ging's: neue Umgebungen, Menschen, Verhältnisse, Beschäftigungen – aber jetzt, da ich an Alles gewöhnt bin, Alles mit Regelmäßigkeit vor sich geht, man vergißt sich nicht mehr. Das Beste ist, meine Phantasie ist tätig, und die mechanische Beschäftigung des Präparierens läßt ihr Raum. Ich sehe dich immer so halb durch zwischen Fischschwänzen, Froschzehen etc. Ist das nicht rührender, als die Geschichte von Abälard, wie sich ihm Heloise immer zwischen die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden Tag poetischer, alle meine Gedanken schwimmen in Spiritus. Gott sei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf ist nicht mehr so schwer. (...)
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An Wilhelmine Jaeglé
20. Januar 1837
Aus Zürich nach Straßburg
Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt ist's besser. Wenn man so ein wenig unwohl ist, hat man ein so groß Gelüsten nach Faulheit; aber das Mühlrad dreht sich als fort ohne Rast und Ruh ... Heute und gestern gönne ich mir jedoch ein wenig Ruhe und lese nicht; morgen geht's wieder im alten Trab, du glaubst nicht, wie regelmäßig und ordentlich. Ich gehe fast so richtig, wie eine Schwarzwälder Uhr. Doch ist's gut: auf all das aufgeregte, geistige Leben Ruhe, und dabei die Freude am Schaffen meiner poetischen Produkte. Der arme Shakspeare war Schreiber den Tag über und mußte Nachts dichten, und ich, der ich nicht wert bin, ihm die Schuhriemen zu lösen, hab's weit besser. – ...
Lernst Du bis Ostern die Volkslieder singen, wenn's Dich nicht angreift? Man hört hier keine Stimme; das Volk singt nicht, und Du weißt, wie ich die Frauenzimmer lieb habe, die in einer Soiree oder einem Concerte einige Töne totschreien oder winseln. Ich komme dem Volk und dem Mittelalter immer näher, jeden Tag wird mir's heller – und gelt, Du singst die Lieder? Ich bekomme halb das Heimweh, wenn ich mir eine Melodie summe ... ...Jeden Abend sitz' ich eine oder zwei Stunden im Casino; Du kennst meine Vorliebe für schöne Säle, Lichter und Menschen um mich. (...)
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An Wilhelmine Jaeglé
27. Januar 1837
Aus Zürich nach Straßburg
Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgnis und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, Du stirbst – aber ich habe keine Lust zum Sterben und bin gesund wie je. Ich glaube, die Furcht vor der Pflege hier hat mich gesund gemacht; in Straßburg wäre es ganz angenehm gewesen, und ich hätte mich mit dem größten Behagen in's Bett gelegt, vierzehn Tage lang, rue St. Guillaume Nro. 66, links eine Treppe hoch, in einem etwas überzwergen Zimmer, mit grüner Tapete! Hätt' ich dort umsonst geklingelt? Es ist mir heut einigermaßen innerlich wohl, ich zehre noch von gestern, die Sonne war groß und warm im reinsten Himmel – und dazu hab' ich meine Laterne gelöscht und einen edlen Menschen an die Brust gedrückt, nämlich einen kleinen Wirt, der aussieht, wie ein betrunkenes Kaninchen, und mir in seinem prächtigen Hause vor der Stadt ein großes elegantes Zimmer vermietet hat. Edler Mensch! Das Haus steht nicht weit vom See, vor meinen Fenstern die Wasserfläche und von allen Seiten die Alpen, wie sonnenglänzendes Gewölk. – Du kommst bald? mit dem Jugendmut ist's fort, ich bekomme sonst graue Haare, ich muß mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen bösen Eigenschaften, böses Mädchen. Adio piccola mia! (...)