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Von Wilhelm Büchner
13. November 1831
Aus Darmstadt nach Straßburg
Lieber Georg!
vulgo Hempes I.
Die Gelegenheit, welche sich mir darbiedet, Dir zu schreiben, kann ich nicht unbenutzt lassen, indem ich Dir sehr viel mitzuteilen habe. Das erste ist, Dir zu sagen, daß sich hier mehrere tüchtige Männer mit einander verbunden haben, wie Herr Ökonomierat Papst, Herr Doctor Moldenhauer, Herr Doctor Külp, Herr Doctor Schnittspan und noch mehrere, welche Vorlesungen über Mineralogie, Chemie, Physik, Mathematik, Ökonomie, Tierarzeneikunde und noch einige andere, in der Meierei halten, von welchen ich den 4 ersten beiwohne und welche mir sehr viel Unterhaltung und Vergnügen gewähren. Morgens gehe ich noch in die Apotheke und Mittags zum Herrn Kaup, bei welchem ich unlängst einen Fuchs, den ich vom Onkel Louis geschickt bekommen (präpariert) habe und das Ausstopfen ist mir auch so ziemlich gelungen. Dann habe ich Dir noch zu sagen, daß wir Montag den 7ten Große-Tanzstundte hatten und Montag den 14ten abermals haben werden. Ich möchte doch wissen wie es mit Deinen Tanzbelustigungen steht. Ich hoffe, daß Du jetzo ein sehr eleganter Herr bist; eine Lorniet anhängen, den Hut unter dem Arm, eine Cravatte bis über die Ohren, Sporen an den Stiefeln, sehe ich Dich zum Abmalen auf den Lustplätzen und den Bällen herumstolzieren. Auch hoffe ich daß Du Schmetterlinge einsammlen wirst. Die Schmetterlinge von Rosenberg sind wahrscheinlicher Weise von ihm seinem Onkel hinweggeluchst worden; doch hierüber nichts weiteres, weil ich nichts gewisses davon weiß. Der Mutter war es sehr leid, daß Du ihr gar nicht für die Vorhängen an den Schmetterlingskästen gedankt hast, welche sich sehr schön ausnehmen.
Wilhelm Fehr ist kein Kaufmann mehr, sondern hier und ein eleganter Herr und hört die Vorlesungen mit an, da er Ökonom werden will und geht daher nächsten Sommer nach Reinheim, zum Ökonom Willig. Seine Schwester wird vielleicht mit Herrn Doctor Schnittspan versprochen werden.
Eine Geschichte, welche hier passiert ist, will ich Dir doch erzählen: Der älteste Möllinger I, lag nämlich, während sein Vetter verreist war, eines Abends, allein, im Bette, konnte aber nicht einschlafen. Gegen 10 Uhr des Nachts hörte er leise seine Türe aufmachen und sah einen Menschen mit einer Blendlaterne hereintreten: Er verhielt sich aus Angst ruhig und wollte sich lieber bestehlen, als sich umbringen lassen. Dieser, nachdem er die Stube durchsucht hatte, blendete ihm einige Male in das Gesicht und ging plötzlich auf ihn los. Er in seiner Todesangst warf die Boutellie nach ihm, und aufspringend riß er den Stuhl in die Höhe und machte einen fürchterlichen Lärmen, worauf der Dieb für gut fand, sich so schnell als möglich zu entfernen; obgleich man ihm zuredet und ihm sagt, daß es wahrscheinlicher Weise ein Traum gewesen wäre, so behauptet er doch, daß es wirklich geschehen wäre.
Es setzte uns alle sehr in Erstaunen, daß Du gar nichts von Trapp in Deinen Briefen bemerkt hast, doch ich hoffe, daß dieses in Deiner Reisebeschreibung aufgezeichnet ist. Gegen die Geschichte, welche ich Dir oben mitgeteilt habe, kannst Du mir in einem abaten Brief einige sich dort zugetragenen Wolfsgeschichten erzählen; auch läßt Dich die Mutter warnen, nicht allein zu weit von Strasburg fortzugehen, weil sie Angst hat, es möchte Dir ein Unglück mit einem Wolfe zu stoßen.
Minigerode, Dörr, Kaup, Frisch und Schnitspan, welcher Doctor geworden ist, lassen Dich vielmals grüßen. Dein Pflänzchen ist besorgt. Jedoch ich muß schließen, weil ich keine Zeit mehr habe und auch nichts mehr wichtiges weiß. Doch habe ich Dir noch zu sagen, daß Du, wenn Du mir schreibst, Dich nicht des Namens Schnittspan bedienest (bei dem Verspruch) denn sie sind hier sehr darauf versessen, es zu wissen, aber ich darf es nicht sagen, weil es ein Geheimnis ist, sondern schreibe statt des Namens: N N.
Indem ich auf einen Brief von Dir an mich warte,
verbleibe ich
Dein Dich herzlich liebender Bruder
Wilhelm Büchner
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An die Familie
nach dem 4. Dezember 1831
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Als sich das Gerücht verbreitete, daß Romarino durch Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich eine Subscription und beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß Romarino den Nachmittag mit den Generälen Schneider und Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich in der Akademie; als wir aber durch das Tor ziehen wollten, ließ der Offizier, der von der Regierung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht passieren zu lassen, die Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Romarino, begleitet von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormarschiert. So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Romarino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Romarino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Romarino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Comödie ist fertig. (...)
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An die Familie
Dezember 1831
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Es sieht verzweifelt kriegerisch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutschland vornehmlich eine babylonische Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede sein wird. Es kann Alles gewonnen und Alles verloren werden; wenn aber die Russen über die Oder gehn, dann nehme ich den Schießprügel, und sollte ich's in Frankreich tun. Gott mag den allerdurchlauchtigsten und gesalbten Schafsköpfen gnädig sein; auf der Erde werden sie hoffentlich keine Gnade mehr finden. (...)