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An die Familie
Anfang Januar 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier Uhr in die Frühmette ins Münster. Das düstere Gewölbe mit seinen Säulen, die Rose und die farbigen Scheiben und die knieende Menge waren nur halb vom Lampenschein erleuchtet. Der Gesang des unsichtbaren Chores schien über dem Chor und dem Altare zu schweben und den vollen Tönen der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knieen der buntscheckigen Pfaffen, aber der Gesang allein machte mehr Eindruck auf mich, als die faden, ewig wiederkehrenden Phrasen unserer meisten Geistlichen, die Jahr aus Jahr ein an jedem Weihnachtstag meist nichts Gescheiteres zu sagen wissen, als, der liebe Herrgott sei doch ein gescheiter Mann gewesen, daß er Christus grade um diese Zeit auf die Welt habe kommen lassen. – (...)
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An die Familie
um den 6. April 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus Frankfurt. Meine Meinung ist die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwungen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie eine erbettelte Gnade und ein elendes Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen Volk seine zu eng geschnürte Wickelschnur vergessen zu machen. Es ist eine blecherne Flinte und ein hölzerner Säbel, womit nur ein Deutscher die Abgeschmacktheit begehen konnte, Soldatchens zu spielen. Unsere Landstände sind eine Satyre auf die gesunde Vernunft, wir können noch ein Säculum damit herumziehen, und wenn wir die Resultate dann zusammennehmen, so hat das Volk die schönen Reden seiner Vertreter noch immer teurer bezahlt, als der römische Kaiser, der seinem Hofpoeten für zwei gebrochene Verse 20,000 Gulden geben ließ. Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt Ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Und dies Gesetz, unterstützt durch eine rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann. Wenn ich an dem, was geschehen, keinen Teil genommen und an dem, was vielleicht geschieht, keinen Teil nehmen werde, so geschieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich im gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht bereites Volk sehen. Diese tolle Meinung führte die Frankfurter Vorfälle herbei, und der Irrtum büßte sich schwer. Irren ist übrigens keine Sünde, und die deutsche Indifferenz ist wirklich von der Art, daß sie alle Berechnung zu Schanden macht. Ich bedaure die Unglücklichen von Herzen. Sollte keiner von meinen Freunden in die Sache verwickelt sein? (...)
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An die Familie
April/Mai 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Wegen mir könnt Ihr ganz ruhig sein; ich werde nicht nach Freiburg gehen, und eben so wenig wie im vorigen Jahre, an einer Versammlung Teil nehmen, (...)
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An die Familie
Ende Mai 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) So eben erhalten wir die Nachricht, daß in Neustadt die Soldateska über eine friedliche und unbewaffnete Versammlung hergefallen sei und ohne Unterschied mehrere Personen niedergemacht habe. Ähnliche Dinge sollen sich im übrigen Rheinbayern zugetragen haben. Die liberale Partei kann sich darüber grade nicht beklagen; man vergilt Gleiches mit Gleichem, Gewalt mit Gewalt. Es wird sich finden, wer der Stärkere ist. – Wenn Ihr neulich bei hellem Wetter bis auf das Münster hättet sehen können, so hättet Ihr mich bei einem langhaarigen, bärtigen, jungen Mann sitzend gefunden. Besagter hatte ein rotes Barett auf dem Kopf, um den Hals einen Cashmir-Shawl, um den Cadaver einen kurzen deutschen Rock, auf die Weste war der Name »Rousseau« gestickt, an den Beinen enge Hosen mit Stegen, in der Hand ein modisches Stöckchen. Ihr seht, die Carricatur ist aus mehreren Jahrhunderten und Weltteilen zusammengesetzt: Asien um den Hals, Deutschland um den Leib, Frankreich an den Beinen, 1400 auf dem Kopf und 1833 in der Hand. Er ist ein Kosmopolit – nein, er ist mehr, er ist St. Simonist! Ihr denkt nun, ich hätte mit einem Narren gesprochen, und Ihr irrt. Es ist ein liebenswürdiger junger Mann, viel gereist. – Ohne sein fatales Kostüm hätte ich nie den St. Simonisten verspürt, wenn er nicht von der femme in Deutschland gesprochen hätte. Bei den Simonisten sind Mann und Frau gleich, sie haben gleiche politische Rechte. Sie haben nun ihren père, der ist St. Simon, ihr Stifter; aber billigerweise müßten sie auch eine mère haben. Die ist aber noch zu suchen, und da haben sie sich denn auf den Weg gemacht, wie Saul nach seines Vaters Eseln, mit dem Unterschied, daß – denn im neunzehnten Jahrhundert ist die Welt gar weit vorangeschritten, – daß die Esel diesmal den Saul suchen. Rousseau mit noch einem Gefährten (beide verstehen kein Wort deutsch) wollten die femme in Deutschland suchen, man beging aber die intolerante Dummheit, sie zurückzuweisen. Ich sagte ihm, er hätte nicht viel an den Weibern, die Weiber aber viel an ihm verloren; bei den Einen hätte er sich ennuyiert und über die Anderen gelacht. Er bleibt jetzt in Straßburg, steckt die Hände in die Taschen und predigt dem Volke die Arbeit, wird für seine Capacität gut bezahlt und marche vers les femmes, wie er sich ausdrückt. Er ist übrigens beneidenswert, führt das bequemste Leben unter der Sonne, und ich möchte aus purer Faulheit St. Simonist werden, denn man müßte mir meine Capacität gehörig honorieren. (...)
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An die Familie
Juni 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Ich werde zwar immer meinen Grundsätzen gemäß handeln, habe aber in neuerer Zeit gelernt, daß nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Torenwerk ist. Sie schreiben, man liest sie nicht; sie schreien, man hört sie nicht; sie handeln, man hilft ihnen nicht. Ihr könnt voraussehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde. (...)
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An die Familie
8. Juli 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
(...) Bald im Tal, bald auf den Höhen, zogen wir durch das liebliche Land. Am zweiten Tag gelangten wir auf einer über 3000 Fuß hohen Fläche zum sogenannten weißen und schwarzen See. Es sind zwei finstere Lachen in tiefer Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Felsenwänden. Der weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu unseren Füßen lag still das dunkle Wasser. Über die nächsten Höhen hinaus sahen wir im Osten die Rheinebenen und den Schwarzwald, nach West und Nordwest das Lothringer Hochland; im Süden hingen düstere Wetterwolken, die Luft war still. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene herauf, zu unserer Linken zuckten die Blitze, und unter dem zerrissenen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die Alpengletscher in der Abendsonne. Der dritte Tag gewährte uns den nämlichen herrlichen Anblick; wir bestiegen nämlich den höchsten Punkt der Vogesen, den an 5000 Fuß hohen Bölgen. Man übersieht den Rhein von Basel bis Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Bergen der Champagne, den Anfang der ehemaligen franche Comté, den Jura und die Schweizergebirge vom Rigi bis zu den entferntesten Savoy'schen Alpen. Es war gegen Sonnenuntergang, die Alpen wie blasses Abendrot über der dunkel gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirte haben hundert Kühe und bei neunzig Farren und Stiere auf der Höhe. Bis Sonnenaufgang war der Himmel etwas dunstig, die Sonne warf einen roten Schein über die Landschaft. Über den Schwarzwald und den Jura schien das Gewölk wie ein schäumender Wasserfall zu stürzen, nur die Alpen standen hell darüber, wie eine blitzende Milchstraße. Denkt Euch über der dunklen Kette des Jura und über dem Gewölk im Süden, soweit der Blick reicht, eine ungeheure, schimmernde Eiswand, nur noch oben durch die Zacken und Spitzen der einzelnen Berge unterbrochen. Vom Bölgen stiegen wir rechts herab in das sogenannte Amarinental, das letzte Haupttal der Vogesen. Wir gingen talaufwärts. Das Tal schließt sich mit einem schönen Wiesengrund im wilden Gebirg. Über die Berge führte uns eine gut erhaltene Bergstraße nach Lothringen zu den Quellen der Mosel. Wir folgten eine Zeitlang dem Laufe des Wassers, wandten uns dann nördlich und kehrten über mehrere interessante Punkte nach Straßburg zurück.
Hier ging es seit einigen Tagen etwas unruhig zu. Ein ministerieller Deputierter, Herr Saglio, kam vor einigen Tagen aus Paris zurück. Es kümmerte sich Niemand um ihn. Eine bankerotte Ehrlichkeit ist heutzutage etwas zu Gemeines, als daß ein Volksvertreter, der seinen Frack wie einen Schandpfahl auf dem Rücken trägt, noch Jemanden interessieren könnte. Die Polizei war aber entgegengesetzter Meinung und stellte deshalb eine bedeutende Anzahl Soldaten auf dem Paradeplatz und vor dem Hause des Herrn Saglio auf. Dies lockte denn endlich am zweiten oder dritten Tage die Menge herbei, gestern und vorgestern Abend wurde etwas vor dem Hause gelärmt. Präfect und Maire hielten es für die beste Gelegenheit, einen Orden zu erwischen, sie ließen die Truppen ausrücken, die Straßen räumen, Bajonnette und Kolbenstöße austeilen, Verhaftungen vornehmen, Proklamationen anschlagen u.s.w. (...)
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An Edouard Reuss
31. August 1833
Aus Darmstadt nach Straßburg
Lieber Edouard!
Soll ich meine träge Hand entschuldigen? Für mein Gedächtnis ist's nicht nötig; ich kümmerte mich sonst wenig darum, jetzt aber macht es bei mir den Wiederkäuer und füttert mich mit der Erinnerung an frohe Tage. Ich könnte in diesem lamentierenden Style fortfahren um Dir einen Begriff von meiner hiesigen Existenz zu geben, wenn Du nicht schon einmal selbst so eine Art vom Darmstädter Geschmack gehabt hättest. Meine Familie im engern Sinne traf ich im erwünschtesten Wohlsein, und meine Mutter erholt sich zusehends von ihrer schweren Krankheit. Eltern und Geschwister wiederzusehen, war eine große Freude; das entschädigt aber nicht für meine sonstigen furchtbar, kolossal, langweiligen Umgebungen. Es ist etwas großartiges in dieser Wüstenei, die Wüste Sahara in allen Köpfen und Herzen. Von den übrigen Verwandten weiß ich wenig. Nach dem pflichtmäßigen Antritts-Gerüssel, mache ich so gegen Ende Oktobers mein officielles Abschieds-Gerüssel, wo ich nach Gießen abziehe. Meine verwandtschaftlichen Regungen sind damit beseitigt. Von Gießen verspreche ich mir wenig, meine Freunde sind flüchtig oder im Gefängnis. Für mich ist nichts zu fürchten, ich bin hier konstitutionell, liberal aufgeklärt geworden, seit ich weiß, daß das tausendjährige Reich mit der konstitutionellen Ära angefangen! Unser Landtag führt den Beweis, seine Lebensfrage ist seit 8 Monat noch nicht entschieden. Ein Mensch braucht höchstens eine Stunde um auf die Welt zu kommen, (wo die Civilisation und Aufklärung noch nicht so weit gekommen wie z. B. bei den Indiern 10 Minuten) ein deutscher Landtag deren 5760, ein Mensch lebt 60 Jahr, ein Landtag 41272; O Messias! Über seine Physiognomie kann ich Dir grade nichts sagen, sintemal es noch nicht entschieden, ob das Kind mit Kopf oder podex zuerst auf die Welt kommt.
Doch wird es wahrs(cheinlich) die Familienzüge behalten und so zi(em)lich seiner französischen Mama gleichen.
Bei unsrer Manier im Briefschreiben, hoffe ich kaum bald Antwort zu erhalten; doch dürftest Du mit mir einmal eine Ausnahme machen, so eine gänzliche Trennung von Straßburg schmerzt mich. Ich habe an Boeckel geschrieben, aber keine Antwort. Grüße ihn und sag' ihm er möge bald antworten und mir die These von Goupil schicken, die andre hätte ich erhalten und ließe ihm danken. Ist Stöber in Straßburg? Viel Grüße an ihn und die andern Freunde. Und Wulfes? Ist er noch bei Dir, so sag ihm, ich hoffte ihn bei mir zu sehen, wenn seine Reise ihn in unsre Gegend brächte. Ihr werdet mich doch über einem Monat ohne Briefe nicht vergessen haben. Ich bitte und hoffe auf baldige Antwort.
Bringe meine herzlichsten Grüße Deiner Mutter, Schwester und Tante, und sage ihnen, daß die in ihrer Nähe verlebten Augenblicke zu den frohsten meines Lebens gehörten. Lebe wohl,
Dein Georg.
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Von Eugène Boeckel und Adolph Stöber
3. September 1833
Aus Straßburg nach Darmstadt
Endlich mein Lieber ergreife ich die Feder um Dir zu schreiben entschuldigen will ich mich nicht Du kennst meine Schwachheiten zu gut; ich denke il vaut mieux tard que jamais.
Deine beiden Briefe erhielt ich richtig und ersehe daraus daß Du mehr arbeitest als ich, Du weißt wie viel Zeit mir das Balbieren wegnimmt, so daß ich beinah verzweifeln muß zu einer ordentlich. wissenschaftlichen Bildg zugelangen; indessen denke ich auch in dieser Hinsicht il vaut mieux tard que jamais, und gründliche Studien suche ich so viel als möglich bei meiner Lage und meinem unruhigen Charakter.
Botanique hab ich während dieser Zeit ziemlich betrieben, Du wirst freilich es mir nicht glauben, wenn ich Dir sage daß ich viele Pflanzen analysiert habe nach den descriptions de Decandolle und nach seinem clavis, freilich hab ich hauptsächlich den Unterschied der Familien studieren müssen, weil ich diesen noch nicht hinlänglich kannte.
In Conradi hab ich die Blut und Bauchflüsse studiert und die Frakturen von Astley Cooper, Übersetzg von Froriep. Endlich den Thiers, hist. d. la révolution geendigt. Du weißt daß ich durch Aufzählg. dieser Bücher Dir keines-wegs beweisen will daß ich viel studiert habe.
Stöber Auguste, ist seit 3 Tagen in Oberbronn, nichtsdesto weniger ist seine Adresse, Aug. Stöb, rue d. jeu des enfans N o 35. Ich denke ihn in 8 od 14 Tagen zu besuchen.
Ad. Stöber ist seit 8 Tagen hier in Straßburg und wird hier bleiben bis zu Ende des Oktobers. Er ist auf dem Landgute v. Hr. Reybel in der Ruprechtsau.
Baum arbeitet an seiner Schrift üb. die Methodisten, eine Preisfrage; die Arbeit muß bis Ende Oktobers abgeliefert werden. Der Preis beträgt 3000 fr. (Au)ßer ihm concurrieren noch Ernst und Becker. Reuss teilte ich Deinen Brief mit so wie auch Lambossy welcher wirklich in Baden ist. Louis und Melle sah ich mehrere male während dies. Zeit.
Wie sehr alle und hauptsächlich wir Eugeniten bedauern daß Du nicht hier bist, brauche ich Dir nicht zu sagen besonders da jetzt Adolphe hier sich befindet.
Die These v. Lauth wirst Du durch die Buchhandlung erhalt. haben. Die v. Goupil habe ich selbst nicht und Lambossy konnte sie mir auch nicht verschaffen. Sein sujet ist: La contraction musculaire, étant donné à considérer les muscles en action, particulièrement dans la station, la progression le saut etc.
Lauth wurde oft colliert hauptsächlich über Fragen welche auf mécanique und physique Bezug hatten Goupil wurde v. d. Jury zum Professor proklamiert. Lauth soll die Anatomie chaire erhalten und Ehrenmann die accouchement chaire nehmen; wenigstens wurde v. d. doyen Caillot dieses Begehren an das ministerium gemacht. Was geschehn wird, zeigt sich mit d. Zeit. Lauth ist seit 14 Tagen in Paris. Wie sehr es ihn kränkt den Sieg nicht davon getragen zu haben kannst Du Dir vorstellen. Alle d(etails) des Concours kann ich Dir unmöglich schreiben, es würde zu lange dauern, die Fragen waren über folgde Gegstde: sur la vue, schriftlich in acht Stunden (séance tenante) eingeliefert. 2. fonctions du foie et d. 1. rate frei darüb. gesprochen nach 3 Stunden, etc.
Vulpes ist noch bei Reuss, er läßt Dich vielmal grüßen. Apostel Petrus hat seit seiner Abreise noch nicht geschrieben. Dein Eug. Boeckel
Grüß Gott, lieber Büchner! Ich bin wieder in der Heimat und atme Elsässerluft; wie sehr hätte michs gefreut, auch Deine Hand wieder zu drücken! Doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, Dich auf diesem Erdenrund wiederzusehen: ich hoffe nach einigen Jahren von meinem ägyptischen Dienst erlöst, ins gelobte Land der Freiheit heimzukehren; dann will ich Deutschland durchwandern und auch an Deiner Türe anpochen. Doch vielleicht kommst Du selbst noch früher zu mir. Einstweilen bleiben wir uns jedenfalls treu – mit warmem Bruderhandschlag – Gottbefohlen!
Dein Ad. Stöber.
19
An die Familie
1. November 1833
Aus Gießen nach Darmstadt
... Gestern wurden wieder zwei Studenten verhaftet, der kleine Stamm und Groß. (...)
20
An die Familie
12. oder 19. November 1833
Aus Gießen nach Darmstadt
(...) Gestern war ich bei dem Bankett zu Ehren der zurückgekehrten Deputierten. An zweihundert Personen, unter ihnen Balser und Vogt. Einige loyale Toaste, bis man sich Courage getrunken, und dann das Polenlied, die Marseillaise gesungen und den in Friedberg Verhafteten ein Vivat gebracht! Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt! (...)
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An August Stöber
9. Dezember 1833
Aus Darmstadt nach Oberbronn
Lieber August!
Ich schreibe in Ungewißheit, wo Dich dieser Brief treffen wird. Ich müßte mich sehr irren, wenn mir nicht Lambossy geschrieben hätte, daß Du Dich gewöhnlich in Oberbrunn aufhieltest. Das nämliche sagte mir Künzel, der von Deinem Vater auf einen an Dich gerichteten Brief Antwort erhalten hatte. Du erhältst am spätesten einen Brief, weil ich Dich am letzten mit einem finsteren Gesicht quälen wollte, denn wenigstens Eurer Teilnahme halte ich mich immer versichert. Ich schrieb mehrmals, vielleicht sahst Du meine Briefe; ich klagte über mich und spottete über andere; beides kann Dir zeigen, wie übel ich mich befand. Ich wollte Dich nicht auch in's Lazarett führen und so schwieg ich.
Du magst entscheiden ob die Erinnerung an 2 glückliche Jahre, und die Sehnsucht nach all dem, was sie glücklich machte oder ob die widrigen Verhältnisse unter denen ich hier lebe, mich in die unglückselige Stimmung setzen. Ich glaube s'ist beides. Manchmal fühle ich ein wahres Heimweh nach Euren Bergen. Hier ist Alles so eng und klein. Natur und Menschen, die kleinlichsten Umgebungen, denen ich auch keinen Augenblick Interesse abgewinnen kann. Zu Ende Oktobers ging ich von hier nach Gießen. 5 Wochen brachte ich daselbst halb im Dreck und halb im Bett zu. Ich bekam einen Anfall von Hirnhautentzündung; die Krankheit wurde im Entstehen unterdrückt, ich wurde aber gleichwohl gezwungen nach Darmstadt zurückzukehren um mich daselbst völlig zu erholen. Ich denke noch bis Neujahr hier zu bleiben und d. 5. oder 6. Januar wieder nach Gießen abzureisen.
Ein Brief von Dir würde mir große Freude machen, und, nicht wahr, Christ einem Reconvaleszenten schlägt man nichts ab? Seit ich Euch am Mittwoch Abend vor 5 Monaten zum letzten mal die Hände zum Kutschenschlag hinausstreckte, ist's mir als wären sie mir abge(rissen) und ich denke wir drücken uns die Hände um so fester, je seltner wir sie uns reichen. 3 treffliche Freunde habe ich in Gießen gelassen und bin jetzt ganz allein.
H. Dr. H. K ... ist freilich noch da, aber das ästhetische Geschlapp steht mir am Hals, er hat schon alle mögliche poetischen Accouchierstühle probiert, ich glaube er kann höchstens noch an eine kritische Nottaufe in der Abendzeitung appellieren.
Ich werfe mich mit aller Gewalt in die Philosophie, die Kunstsprache ist abscheulich, ich meine für menschliche Dinge, müßte man auch menschliche Ausdrücke finden; doch das stört mich nicht, ich lache über meine Narrheit, und meine es gäbe im Grund genommen doch nichts als taube Nüsse zu knacken. Man muß aber unter der Sonne doch auf irgendeinem Esel reiten und so sattle ich in Gottes Namen den meinigen; für's Futter ist mir nicht bang, an Distelköpfen wird's nicht fehlen, solang die Buchdruckerkunst nicht verloren geht. Lebe wohl, Bester. Grüße die Freunde, es geschieht dann doppelt, ich habe auch Boeckel drum gebeten.
Was schreiben Viktor und Scherb?
Und Adolph ist er wieder in Metz? ich schicke Dir nächstens einige Zeilen an ihn.
Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. Ich bete jeden Abend zum Hanf und zu d. Laternen.