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Dritter Dialog.

Sofia. Es dürfte nicht nötig sein, Saulino, dir sämtliche Pläne, die die Arbeitsamkeit oder Rührigkeit oder Geschäftigkeit, oder wie du sie nennen willst (denn sie hat mehr Namen, als ich dir in einer Stunde aufzählen könnte), faßte, im einzelnen auseinanderzusetzen, aber das will ich nicht mit Stillschweigen übergehen, was unmittelbar darauf erfolgte, nachdem sich diese mit ihren Dienerinnen und Gefährtinnen entfernt hatte, um den Platz einzunehmen, den früher der tatenfrohe Perseus innegehabt hatte.

Saulino. So sprich denn, damit ich es höre.

Sofia. Sofort (denn der Sporn des Ehrgeizes versteht es oft, alle heroischen und göttlichen Geister, bis herab zu den beiden zusammengehörigen Göttern Trägheit und Schlaf, anzustacheln) ereignete es sich, daß, kaum nachdem die Arbeitsamkeit und Rührigkeit verschwunden war, die genannten beiden Götter vortraten, nicht träge oder schläfrig, sondern munter und ohne Verzug. Daher sagte Momus: »Jupiter, bewahre uns vor Langerweile, denn ich sehe es ganz deutlich, daß uns auch nach der Verabschiedung des Perseus Zänkereien der Art nicht erspart bleiben werden, wie wir sie in so reichlichem Maße nach der Entsendung des Herkules erleben mußten.« – Darauf erwiderte Jupiter: »Die Trägheit würde nicht die Trägheit und der Schlaf nicht der Schlaf sein, wenn sie uns mit allzugroßer Angelegentlichkeit und Anstrengung allzulange behelligen würden, denn jene hat sich soeben, wie du siehst, entfernt, und diese beiden sind hier ganz allein mit ihrer negativen Kraft gegenwärtig, die in der Abwesenheit ihrer Gegnerin und Feindin besteht.« – »Alles wird noch gut ablaufen, wenn sie nur uns selbst nicht so träge und müde machen, daß wir am heutigen Tage nicht das endgültig erledigen können, was wir über unser Hauptthema beschließen müssen.« Darauf begann die Trägheit sich folgendermaßen vernehmen zu lassen: »Die Trägheit, ihr Götter, ist mitunter ein Übel, wie Fleiß und Arbeitsamkeit viel öfter Übel sind. So ist auch die Trägheit in den meisten Fällen nützlich und gut, wie die Arbeitsamkeit in den sie betreffenden Fällen auch gut ist. Ich glaube nun nicht (wenn sich nämlich Gerechtigkeit unter euch findet), daß ihr mir eine gleiche Ehre verweigern werdet, wenn es nicht eure Pflicht ist, mich für minderwertig zu halten. Ich getraue mir sogar begründeterweise, euch klarzumachen, und zwar auf Grund gewisser Behauptungen, die ich zum Lobe und zu gunsten des Fleißes und der Geschäftigkeit habe anführen hören, daß, wenn wir beide auf die Wage einer vernünftigen Vergleichung gelegt würden, die Trägheit sich nicht nur als ebenso gut herausstellen, sondern sogar ihren weit größeren Nutzen erweisen würde, so daß ihr jene nicht nur in gleicher Weise wie mich für eine Tugend, sondern ganz im Gegenteile für ein Laster halten werdet. Wer ist es denn, ihr Götter, der sich das so gerühmte goldene Zeitalter bewahrt hat, wer hat es eingerichtet, wer anders hat es aufrechterhalten als das Gesetz der Trägheit, das zugleich das Gesetz der Natur ist? Wer hat es beseitigt? wer anders hat es fast unwiderruflich aus der Welt verbannt als die ehrgeizige Strebsamkeit, die sorgende Arbeitsamkeit? Ist diese es nicht, die die Jahrhunderte verwirrt, die Welt in Parteien gespalten, ein eisernes, lehmiges, tönernes Zeitalter heraufgeführt, die Völker an ein Rad gefesselt und in schwindelerregendem Umschwung herumgewirbelt hat, nachdem sie die Menschen zu Hochmut, Neuerungssucht und persönlicher Ehr- und Ruhmbegierde verleitet hat? Jene, die sich in ihrem Wesen in nichts von den anderen unterscheidet und an Würde und Verdienst bisweilen weit unter diesen steht, hat sich nur vermöge ihrer Bosheit über viele emporgeschwungen und hat die Macht erlangt, die Gesetze der Natur umzustoßen und ihre Willkür zum Gesetz zu erheben, der dann tausenderlei Beschwerde, tausenderlei Hoffahrt, tausenderlei Scharfsinn, tausenderlei Sorge und tausende von jeglicher anderen Art von Begleitern dienen, mit denen die Arbeitsamkeit so stolz hinweggeschritten ist, ungerechnet die übrigen, die sich unter ihrer Kleidung verstecken und verbergen und sich nicht öffentlich zu zeigen wagen, wie die List, die Eitelkeit, die Überhebung, die Gewalttätigkeit, die Bosheit, die Lüge und ihre Diener, die sich nicht trauten, vor euch zu erscheinen, wie zum Beispiel die Unterdrückung, die Widerrechtlichkeit, der Schmerz, die Folter, die Furcht, der Tod, die die Willensvollstrecker und Henkersknechte sind niemals des ruhigen Müßigganges, sondern immer der rührigen und unsteten Geschäftigkeit, Arbeitsamkeit, Strebsamkeit, Sorgfalt, und was es sonst noch für andere Namen gibt, die sie sich beilegt, um weniger erkannt zu werden, und durch die es ihr eher gelingt, sich zu verbergen als sich zu erkennen zu geben. Jedermann rühmt das herrliche goldene Zeitalter, in dem ich die Gemüter, die von dem Einfluß dieser eurer tugendhaften Göttin noch frei waren, in ruhige, behagliche Stimmung versetzte. Ihnen genügte der Hunger, um die Eicheln, die Äpfel, die Kastanien, die Pfirsiche und die Wurzeln schmackhafter zu machen, die ihnen die gütige Natur spendete, während sie die Menschen mit solchen Speisen besser nährte, mehr erquickte und längere Zeit am Leben erhielt, als es jemals alle die künstlichen Gewürze zu tun vermögen, die die Geschäftigkeit und das Studium, die Diener der Arbeitsamkeit, entdeckt haben, die den Geschmack täuschen und reizen und ihm Gift als Süßigkeit zuführen, und da nun mehr Dinge hervorgebracht werden, die angenehm schmecken, als solche, die dem Magen dienlich sind, so gelangt man schließlich dazu, der Gesundheit zu schaden und das Leben zu verkürzen, während man bestrebt ist, seinen Gaumen zu kitzeln. Jedermann preist das goldene Zeitalter, und dabei lobt und rühmt man jene Henkerin, die es vernichtet hat, als Tugend, sie, die das mein und dein erfunden hat, sie, die nicht nur die Erde, die allen lebenden Geschöpfen geschenkt worden ist, sondern auch das Meer und vielleicht sogar die Luft verteilt und dem und jenem zu eigen gegeben hat, sie, die den Genuß anderer durch das Gesetz geregelt und es dahin gebracht hat, daß das, was für alle hinreichte, zum Überfluß für die einen und zum Mangel für die anderen wurde. Daher schweigen diese zu ihrem eigenen Schaden, während jene anderen Hungers sterben, sie, die die Meere durchsegelt hat, um die Gesetze der Natur zu verletzen, indem sie die Völker durcheinandermischt, die die gütige Mutter getrennt hat, und um die Laster einer Rasse auf die andere zu verpflanzen, während sich die Tugenden nicht in dieser Weise übertragen lassen, wir müßten denn die Eigenschaften Tugenden und Vorzüge nennen wollen, die man zufolge einer Täuschung und der Gewohnheit als solche bezeichnet und für solche hält, obgleich ihre Wirkungen und Ergebnisse von jedem Sinne und jeder naturgemäßen Vernunft verabscheut werden müssen. Denn sie sind offene Schurkereien und Dummheiten, sowie Bosheiten widerrechtlicher, und das Eigentum am mein und dein regelnder Gesetze, nach denen der stärkere Besitzer auch ein größeres Recht hat, und der Rührigere und Fleißigere, der zugleich erster Besitzergreifer ist, auch würdiger ist jener Gaben und Güter der Erde, die die Natur und demgemäß Gott ohne Unterschied allen schenken. Ich soll vielleicht weniger begünstigt werden als jene? Ich, der ich mit milder Rede, die aus dem Munde der Natur selbst hervorströmt, gelehrt habe, ruhig, behaglich und zufrieden mit dem gegenwärtigen und gewissen Dasein zu leben, und mit dankbarem Sinn und dankbarer Hand die gütigen Gaben, die uns die Natur darreicht, anzunehmen, und wie wir nicht undankbar und unerkenntlich das ausschlagen sollen, was sie uns schenkt und bestimmt, weil eben dieses Gott, deren Schöpfer, gegen den wir uns sonst auf dieselbe Weise undankbar erweisen würden, uns schenkt und befiehlt. Es soll jene mehr begünstigt sein, die so rebellisch und taub gegen die Ratschläge der Natur, so aufsässig und ablehnend gegen deren Gaben, ihre Gedanken und ihre Tätigkeit auf künstliche Unternehmungen und Pläne richtet, durch die die Welt verderbt und das Gesetz unserer Mutter ins Gegenteil verkehrt wird? Hört ihr nicht, wie in diesen unseren Tagen die Welt, die nur allzuspät ihr Übel einsieht, das Verschwinden jenes Zeitalters bejammert, in dem ich unter meiner Herrschaft das Menschengeschlecht heiter und zufrieden erhielt, und wie sie mit lauter Stimme und lauten Klagen das gegenwärtige Zeitalter verwünscht, in dem die Sorge und die angestrengte Arbeit das ganze nicht regelt, wie es heißt, sondern mit dem Sporn des ehrgeizigen Strebens in Verwirrung bringt?

O schöne, gold'ne Zeit!
Nicht weil die Ströme voll von Milch da waren,
Noch weil da Honig von den Büschen tropfte‚
Nicht weil die Felder ihre Früchte schenkten,
Auch unberührt vom Pfluge, und die Schlangen
Ganz ohne Grimm und Gift durchs Gras sich wanden,
Nicht weil die dunkle Wolke
Mit ihrem Schleier noch das Firmament nicht deckte,
Und immerdar ein ew'ger Lenz
In hellem Glanz vom heitern Himmel strahlte,
Und weil in fremde Häfen
Kein Fichtenstamm Krieg brachte oder Waren –
Nein, ganz allein, weil jener leere
Und inhaltslose Name,
Dies Götzenbild des Irrtums und des Wahns,
Das vom gedankenlosen Pöbel
Ward Ehre späterhin genannt,
Und unsere Natur so hart bedrückte,
Noch nicht mit seinem Zwange
Sich mischte in den frohen Reigen
Verliebter Jünglinge und Mädchen,
Und noch nicht war sein hart Gesetz bekannt
Den Seelen, die in Freiheit sich entwickelt,
Weil die Natur das goldene Gesetz,
Uns zu beglücken, gab: Was dir gefällt, ist dir erlaubt. Tasso, Aminta; Anfang des Chorliedes am Schluß des ersten Aktes.

Diese Neiderin der Ruhe und Glückseligkeit und selbst des Schattens des Genusses, den wir uns in diesem Erdendasein verschaffen können, hat der Liebeslust, dem Essen, dem Schlafen Gesetze auferlegt, so daß wir nicht nur weniger Genuß haben, sondern in den meisten Fällen Schmerz empfinden und uns abmartern; sie stempelt dadurch zum Diebstahl, was ein freies Geschenk der Natur ist, und will, daß man das schöne, das angenehme, das gute verachte und Wert lege auf das häßliche, das unangenehme und böse. Sie verleitet die Welt dazu, das sichere und gegenwärtige, das diese in den Händen hat, fahren zu lassen, und Arbeit und jegliche Art von Qual auf sich zu nehmen, nur für das Schattenbild künftigen Ruhms. Ich aber lasse die Mahnung, die die Wahrheit mit soviel Spiegeln, wie Sterne am Himmel stehen, verbreitet und die die Natur mit soviel Zungen und Stimmen, wie es schöne Gegenstände gibt, von außen predigt, im tiefsten Innern der Menschenbrust von allen Richtungen her ertönen:

Die Schatten laßt und greifet nach der Wahrheit,
Vertauscht die Gegenwart nicht gegen künft'ges.
Ihr gleicht dem Windspiel, dem das Fleisch entfällt,
Aus seinem Maul beim Schnappen nach dem Schatten.
Niemalen riet ein weiser Mann, ein Gut
Um eines andern willen aufzugeben.
Was sucht ihr euer Glück in weiter Ferne,
Wenn in euch selber liegt das Paradies?
Wer ein Gut in des Lebens Drang verliert,
Erhoffe nach dem Tode ja kein andres,
Der Himmel weigert dem die zweite Gabe,
Der nicht die erste nach Gebühr geschätzt.
Und wenn ihr glaubt, vom Boden euch zu heben,
Und dem Genuß entsagt, verdammt ihr euch
Zur Pein; ihr täuscht euch selbst auf ewig,
Wenn ihr ersehnt den Himmel in der Hölle.«

Hier antwortete Momus, der Götterrat habe nicht soviel Muße, um auf jeden einzelnen der Gründe einzugehen, die der Gott der Muße, der ja nie Mangel an Muße habe, habe zusammenstellen und in gehörige Ordnung bringen können. Für heute möge er sich der Muße überlassen, sich entfernen und drei bis vier Tage warten; vielleicht wäre es dann den Göttern möglich, in aller Muße etwas zu seinen gunsten zu beschließen; für den Augenblick sei dies unmöglich. Der Gott der Muße aber ergriff noch einmal das Wort und sprach: »Es sei mir gestattet, Momus, noch ein paar Gründe vorzubringen, und zwar mit nicht mehr Worten als in der Form einiger Syllogismen, die dem Inhalte nach beweiskräftiger sind als der Form nach. Von diesen lautet der erste folgendermaßen. Solange der erste Vater der Männer ein guter Mann und die erste Mutter der Frauen eine gute Frau war, bestimmte Jupiter mich ihnen als Gefährten; als aber beide schlecht geworden waren, befahl Jupiter jener, sich ihnen als Gefährtin zuzugesellen, damit sie bewirke, daß ihr der Schweiß vom Leibe rinne und ihm die Stirn schmerze.«

Saulino. Er hätte sagen sollen, daß ihm der Schweiß von der Stirne rinne und ihr der Leib schmerze.

Sofia. »Nun bedenkt, ihr Götter«, fuhr er fort, »die Folgerung, die sich daraus ergibt, daß ich zum Gefährten der Unschuld erklärt worden bin, und jene zur Gefährtin der Sünde. Denn wenn sich gleiches zu gleichem gesellt und würdiges zu gleich würdigem, so folgt daraus, daß ich eine Tugend bin und jene ein Laster und daß ich daher dieses Sitzes würdig bin, jene aber seiner unwürdig. Der zweite Syllogismus ist folgender: Die Götter sind Götter, weil sie die Glückseligsten sind, die Glückseligen sind glückselig, weil sie ohne Sorge und Mühe leben; Sorge und Mühe haben die nicht, die sich nicht bewegen und aufregen; dies sind aber namentlich diejenigen, die sich der Muse erfreuen: folglich sind die Götter Götter, weil sie sich der Muse erfreuen.«

Saulino. Was sagte Momus dazu?

Sofia. Er sagte, weil er die Logik im Aristoteles studiert habe, sei er nicht darauf vorbereitet, auf Argumente in der vierten Figur zu antworten. Aristoteles stellt nur drei sogenannte »Schlußfiguren« auf; der Arzt Claudius Galenus (131–200 n. Chr.) fügte diesen eine vierte hinzu.

Saulino. Und was sagte Jupiter?

Sofia. Daß er von allem, was jener gesagt und er gehört habe, sich nur auf den letzten Grund besinnen könne, nämlich daß er der Gefährte des guten Mannes und der guten Frau gewesen sei; mit bezug darauf falle ihm aber ein, daß die Pferde nicht deswegen Esel sind, weil sie sich in deren Gesellschaft befinden, auch sei das Schaf keine Ziege, wenn es sich bei Ziegen befinde. Und er fügte hinzu, die Götter hätten dem Menschen Verstand und Hände gegeben und ihn zu ihrem Ebenbilde geschaffen, indem sie ihm eine höhere Fähigkeit verliehen als den übrigen Geschöpfen‚ und diese bestände darin, daß er nicht nur nach der Natur und deren Ordnungen handeln könne, sondern auch darüber hinaus. So schaffe er mit Hilfe der denkenden Vernunft und jener Freiheit, ohne die er nicht die erwähnte Ähnlichkeit mit den Göttern habe und sich nicht als Gott der Erde zu behaupten vermöge, eine andere Natur, einen anderen Lauf der Dinge, eine andere Weltordnung oder könne sie wenigstens schaffen. Diese Fähigkeit würde sicher, wenn sie müßig bleiben sollte, ohne Zweck und Nutzen sein, wie das Auge unnütz ist, das nicht sieht, und die Hand, die nicht greift. Und daher hat es die Vorsehung so bestimmt, daß er sich mit der Arbeit seiner Hände und mit verstandesmäßigem Denken beschäftige, derart, daß er nicht ohne die Arbeit seiner Hände nachdenke und keine Handarbeit betreibe, ohne zu denken. Im goldenen Zeitalter waren demnach die Menschen vermöge ihrer Muße nicht tugendhafter, als heutzutage die Tiere tugendhaft sind, und vielleicht waren sie stumpfsinniger als viele von diesen. Da nun aber zufolge der Nachahmung göttlicher Handlungen und der Vervollkommnung der geistigen Kräfte Schwierigkeiten entstanden und sich Bedürfnisse herausstellten, wurde der Verstand geschärft, kamen die Gewerbe auf, wurden die Künste erfunden und tauchen fortwährend von Tag zu Tag infolge des Bedarfs neue wunderbare Erfindungen aus der Tiefe des menschlichen Geistes empor. Daher entfernen sich die Menschen mittels ihrer fleißigen und eifrigen Bemühungen immer mehr vom tierischen und schwingen sich immer höher zum göttlichen Dasein empor. Über die Ungerechtigkeiten und Bosheiten, die zugleich mit dem Gewerbefleiß zunehmen, darfst du dich nicht wundern, denn wenn die Rinder und Affen ebensoviel Geistesvorzüge besäßen wie die Menschen, so würden sie auch dieselben Sorgen, dieselben Leidenschaften, dieselben Laster haben. Daher sind auch unter den Menschen diejenigen, die etwas vom Schwein, vom Esel und vom Rind an sich haben, sicherlich weniger boshaft und nicht mit so vielen schändlichen Lastern befleckt. Aber deswegen sind sie nicht tugendhafter, denn sonst müßten ja auch die Tiere, weil sie von den großen Lastern der Menschen frei sind, deshalb tugendhafter sein als diese. Aber wir rühmen nicht die Tugend der Enthaltsamkeit bei der Sau, die sich von einem einzigen Eber, und nur einmal im Jahr, bespringen läßt, wohl aber bei einer Frau, die nicht nur einmal von dem Naturtriebe zum Zwecke der Fortpflanzung gereizt wird, sondern sich vielmals aus eigener Begierde zum Genuß der Wollust gedrängt fühlt und zwar um der Befriedigung ihrer Sinne willen. Ferner rühmen wir auch eine Frau oder einen Mann von schweineartigem Charakter, die wegen der Stumpfheit und Empfindungslosigkeit ihres Organismus nur selten und mit geringem Genuß von der Wollust gereizt werden, nicht allzusehr, sondern im Gegenteil ebensowenig wegen ihrer Enthaltsamkeit, wie einen Mann, weil er durch Behexung leidenschaftslos geworden ist, oder einen anderen, weil er körperlich schwach ist. Anders jedoch muß die Enthaltsamkeit betrachtet werden, die wirklich Enthaltsamkeit und wirklich Tugend bei einer zarteren, besser genährten, geistigeren, feiner empfindenden und empfänglicheren Natur ist. Daher ist sie wegen der allgemeinen Beschaffenheit der Länder in Deutschland kaum eine Tugend, eher schon in Frankreich, in noch höherem Grade in Italien und am meisten in Libyen. Wenn du es dir genauer überlegst, so war Sokrates soweit entfernt, einen Fehler von sich einzugestehen, daß er sich vielmehr einer größeren Enthaltsamkeit rühmen konnte, als er das Urteil des Physiognomikers über seine natürliche Neigung zu schmutziger Knabenliebe bestätigte. Wenn du also bedenkst, Gott der Muße, was über diesen Punkt alles zu sagen wäre, daß die Menschen in deinem gepriesenen goldenen Zeitalter nicht deshalb tugendhaft waren, weil sie nicht so lasterhaft waren wie jetzt, so ist nicht lasterhaft sein etwas ganz anderes als tugendhaft sein, und das eine folgt durchaus nicht aus dem anderen, wenn man bedenkt, daß, wo nicht dieselben Bestrebungen, dieselben Geistesanlagen, Neigungen und Temperamente vorhanden sind, auch die Tugenden nicht dieselben sind. Denn wenn Toren und Esel Vergleiche ziehen wollten, so würden sie sonst leicht zu der Überzeugung gelangen, daß sich die Barbaren und Wilden mit Recht über uns Götter erheben dürften, weil sie nicht mit denselben Lastern wie wir gebrandmarkt sind, und daß die Tiere, die noch weniger solche Laster aufzuweisen haben, ebendeswegen viel höher ständen als jene. Euch beiden also, Muße und Schlaf, mit eurem goldenen Zeitalter, kann sehr wohl zugestanden werden, daß ihr nicht immer und in jeder Hinsicht lasterhaft seid, aber nie und in keiner Beziehung, daß ihr tugendhaft seid. Wenn du, Schlaf, also nicht mehr Schlaf sein wirst und du, Muße, Tätigkeit, dann werdet ihr zu den Tugenden gerechnet und erhoben werden.« Hier machte der Schlafgott einen kleinen Schritt vorwärts und rieb sich eine geraume Zeit die Augen, um auch ein Wörtchen zu sprechen und irgend einen kleinen Vorschlag dem Senate zu unterbreiten, damit es nicht den Anschein habe, als sei er umsonst mitgekommen. Als Momus ihn so behaglich und langsam herankommen sah, wurde er von der Anmut und den Reizen der Göttin des Gähnens, die, wie die Aurora vor der Sonne, vor ihm herschritt und im Begriff stand, die Rede für ihn zu beginnen, ganz bezaubert, und da er es nicht wagte, in Gegenwart der Götter ihr seine Liebe zu gestehen, weil es ihm nicht erlaubt war, der Dienerin Schmeicheleien zu sagen, so brachte er ihrem Herrn seine Huldigungen dar, indem er einen sehnsuchtsvollen Seufzer ausstieß und, um ihm größere Ehre und Höflichkeit zu erweisen, das Dichterwort rezitierte:

Somne quies rerum, placidissime, somne, deorum,
Pax animi, quem cura fugit, qui corpora duris
Fessa ministeriis mulces, reparasque labori. Schlaf, du Ruhe der Wesen, o Schlaf, huldreichster der Götter,
Friede dem Geist, der du Sorgen verbannst und ermüdete Herzen
Nach des Tages Geschäft einwiegst und erneuest zur Arbeit.
        Ovid, Metamorphosen XI. 623-625 (Übersetzung von Voß).

Kaum hatte der Gott des Tadels, der aus dem genannten Grunde seine Pflicht vergessen hatte, diese Verse zu deklamieren begonnen, als der Schlafgott, entzückt über diese Lobsprüche und eingelullt durch den Klang der Stimme, dem Schlummer, der ihm im Busen wohnte, Zutritt gewährte; dieser gab den Dünsten, die ihren Sitz im Magen haben, einen Wink, die nun allesamt zum Gehirn emporstiegen, ihm den Kopf schwer machten und die Sinne umnebelten. Als nun auch der Schnarcher drinnen seine Pfeifen und Trompeten erschallen ließ, wankte er mit unsicheren Schritten vorwärts, fiel vornüber und legte seinen Kopf in Frau Junos Schoß. Infolge dieses Bückens ereignete es sich, da dieser Gott stets im bloßen Hemd und ohne Beinkleider geht, daß er, weil sein Hemd allzu kurz war, dem Momus und sämtlichen anderen Göttern, die auf derselben Seite wie dieser standen, den Hinteren zeigte. Bei dieser Gelegenheit trat der Gott des Lachens auf den Plan, gewährte dem Senat den Anblick sovieler Knöchelchen, wie er Zähne hatte, und unterbrach mit der mißtönenden Musik seines wiehernden Gelächters den Faden von Momus' Rede, der jetzt, da er sich nicht an diesem rächen konnte, seinen ganzen Zorn gegen den Schlafgott richtete, der ihn herausgefordert hatte, weil er nicht wenigstens auf seine Rede gehört hatte und ihm noch obenein mit solcher Feierlichkeit sein Purgatorium präsentierte, wie um ihm seine volle Verachtung für seine schmeichlerische Liebeserklärung zu zeigen. Er merkte sehr wohl, daß die Götter nicht sowohl über die Entblößung des Schlafgottes wie über den seltsamen Fall lachten, der ihm selbst begegnet war und darüber, daß der Schlafgott zum Spötter und er selbst zur Zielscheibe dieser Komödie geworden war; daher überzog sich sein Antlitz mit dem blutroten Schleier der Scham und er rief: »Wer untersteht sich, dieses Rund vor uns zu erheben? Wer stellt uns zum Spott diesen Spiegel so breit vor unsere Augen?« Über diesen wütenden Ausfall des Momus, eines Gottes, der nicht zu den niedrigststehenden Göttern im Himmel gehört, erschrocken, nahm die Göttin der Feigheit ihren Gemahl in die Arme, führte ihn eiligst davon und geleitete ihn in die Höhle eines Berges an der Grenze Kimmeriens, und mit ihnen entfernten sich ihre drei Söhne Morpheus, Icelus und Phantasus. Nach kurzer Zeit gelangten sie alle in eine Gegend, wo von der Erde beständig Nebel aufsteigen, die die Luft in ewige Dämmerung hüllen, wo kein Wind weht und die stumme Ruhe einen ihrer Paläste in der Nähe der Königsburg des Schlafes besitzt, vor dessen Eingang ein Garten von Taxus, Buchen, Cypressen und Lorbeerbäumen liegt; in dessen Mitte befindet sich ein Springbrunnen, der sein Wasser aus einem kleinen Seitenarme des Lethestromes bezieht, der sich hier aus der dunklen Unterwelt nach der Oberfläche der Erde abzweigt, um an das helle Licht des Tages zu treten. Hier legten sie den schlafenden Gott in sein Bett, dessen Gestell aus Ebenholz besteht, dessen Pfühle mit Federn gefüllt sind und dessen Baldachin aus pardelfarbener Seide gefertigt ist. Inzwischen hatte sich auch der Gott des Lachens von den Göttern verabschiedet und war fortgegangen; die Lippen und Kinnladen der Götter, die sich bei einigen beinahe ausgerenkt hatten, waren in ihre richtige Lage zurückgekehrt, und da der Gott der Muße, der allein zurückgeblieben war, sah, daß sich das Urteil der Götter nicht allzustark zu seinen gunsten neigte, und er daran verzweifelte, noch in irgend einer Hinsicht etwas zu erreichen, da fast alle seine Gründe und darunter die wichtigsten verworfen, kopfüber zur Erde geschleudert worden waren, wo sie infolge der Kraft des Sturzes teils kaum noch atmeten, teils schon ihren Geist aufgegeben, teils den Hals gebrochen hatten und teils ganz und gar in Stücke gegangen waren, so konnte er kaum die Zeit erwarten, wo er Gelegenheit finden könne, sich aus der Mitte der Götter zu entfernen, bevor ihm selber ein ähnlicher Schimpf wie seinem Freunde widerfahre, wegen dessen er von Momus noch recht hart angelassen zu werden fürchtete. Aber als dieser bemerkte, welche Furcht er hatte, wegen fremder Handlungen gescholten zu werden, sagte er: »Habe keine Furcht, armer Kerl, denn da ich vom Fatum zum Armenadvokaten bestellt worden bin, werde ich nicht verfehlen, deine Sache zu führen«, und zu Jupiter gewandt, fuhr er fort: »Nach deinen Ausführungen über den Gott der Muße muß ich annehmen, daß du über sein Wesen, seinen Wohnsitz, seine Diener und seinen Hofstaat nicht gehörig informiert bist; wenn du erst alle Verhältnisse völlig durchschaust, so bin ich überzeugt, daß du ihn, wenn auch nicht unter die Sterne versetzen, doch wenigstens zusammen mit der Geschäftigkeit, die seine Feindin genannt wird und dafür gilt, einquartieren wirst; sie werden dann beide dauernd zusammenwohnen können, ohne sich gegenseitig etwas zu leide zu tun.« Jupiter antwortete, er werde es gern sehen, wenn ihm eine Gelegenheit geboten werde, den Gott der Muße zufriedenzustellen, da es keinen Sterblichen oder Gott gebe, der nicht häufig genug an dessen Wohltaten seine helle Freude habe; daher werde er gern zuhören, wenn Momus zu dessen gunsten ein kräftiges Wörtlein reden wolle. »Bist du damit einverstanden, Jupiter«, begann nun dieser, »daß in der Behausung des Gottes der Muße derselbe Müßiggang herrsche wie im praktischen Leben, dort, wo so viele vomehme Herren der Gesellschaft nebst ihren Dienern weilen, die schon frühzeitig am Morgen aufstehen, um sich drei- bis viermal mit fünf bis sieben Arten von Wasser das Gesicht und die Hände zu waschen, dann zwei Stunden dazu gebrauchen, um sich mit einem heißen Brenneisen und Farnkrautpomade das Haar zu kräuseln und zu frisieren, indem sie so das Walten der hohen, erhabenen Vorsehung nachahmen, nach dem es kein Haar auf unserem Haupte gibt, das nicht gezählt worden wäre, damit sie nach ihrem Ermessen darüber verfüge? Wo sie sich dann mit solcher Sorgfalt das Wams schnüren, die Falten des Kragens ordnen, mit solcher Geduld die Knöpfe zuknöpfen, mit solcher Achtsamkeit die Manschetten anlegen, mit solcher Sauberkeit die Nägel reinigen und glätten, mit solchem Gerechtigkeits- und Billigkeitsgefühl sich die Beinkleider ans Wams befestigen, mit solcher Umsicht die Knoten der Schnürbänder binden, mit solchem Eifer sich mit der flachen Hand auf und abfahren, um die Strümpfe glatt zu streichen, sich mit großem Verständnis für Symmetrie daran machen, dort, wo die Öffnungen der Beinkleider in der Nähe der Biegung des Knies sich an die Strümpfe anschließen, die Enden in das richtige Verhältnis zu bringen, mit solcher Geduld die engsten Bänder und Schnallen ertragen, damit sich die Strümpfe nicht verziehen und Falten werfen, sondern sich der Form des Beines vollkommen glatt anschmiegen, wo der Scharfsinn mit der äußersten Anstrengung dem Verstand die Meinung beibringt, es sei nicht elegant und schicklich, daß sich der Schuh dem Fuße anbequeme, sondern daß der breite, verwachsene, knochige und plumpe Fuß zu seiner größten Unbequemlichkeit in einen engen, geraden, netten, zierlichen Schuh gepreßt werde? Wo sie sich mit solcher Eleganz bewegen, spazieren gehen, um sich von der ganzen Stadt bewundern zu lassen, die Damen besuchen und unterhalten, Bälle geben, allerhand Albernheiten, Rennen, Gastmähler, Gelage veranstalten, und wenn sie endlich des ganzen Treibens müde sind und nichts anderes mehr anzufangen wissen, sich, um den bösen Anreizen zur Sünde zu entgehen, an den Tisch setzen, um zu spielen und sich von den anderen mehr Kraft erfordernden und anstrengenderen Vergnügungen zurückzuziehen, und auf diese Weise alle Sünden vermeiden, wenn es deren noch mehr gibt als die sieben Tod- und Hauptsünden? Denn wie ein Spieler in Genua sagte: Wie könnte man jemandem Hochmut vorwerfen, der, wenn er hundert Scudi an einen Grafen verloren hat, sich mit einem Bedienten ins Spiel einläßt, um diesem vier Realen abzugewinnen? Wie könnte jemand geizig sein, der mit tausend Scudi nicht acht Tage ausreicht? Wie sollte man Wollust und Neigung zu sinnlicher Liebe bei dem antreffen, der seine ganze Aufmerksamkeit auf das Spiel konzentriert? Wie kann man den des Zornes beschuldigen, der aus Furcht, sein Gefährte könne vom Spiele aufstehen, tausend Beleidigungen einsteckt und mit Höflichkeit und Geduld einem Übermütigen antwortet, der ihm im Spiele voraus ist? Und wie kann der ein Schlemmer sein, der seine ganze Zeit und Mühe auf seine Übung im Spiele verwendet? Wie kann der von Neid auf das, was andere besitzen, erfüllt sein, der das seinige fortwirft und anscheinend geringschätzt? Wie kann der faul sein, der zu Mittag, bisweilen auch schon des Morgens zu spielen beginnt und bis Mitternacht damit nicht aufhört? Und glaubt ihr, der Spieler lasse unterdessen seine Bedienten mäßig herumstehen, sowohl diejenigen, die ihnen aufwarten müssen, wie die, die sie überallhin zu begleiten haben, in den Tempel, auf den Markt, in das Weinhaus, in das Speisehaus, in den Stall, ins Bett, ins Bordell? Und um dir, Jupiter, und euch anderen Göttern zu zeigen, daß es in der Behausung des Gottes der Muße auch nicht an gelehrten und literarisch gebildeten Männern fehlt, die sich ebenso den Studien widmen wie jene den Geschäften, von denen wir gesprochen haben, glaubt ihr, daß in der Behausung des Gottes der Muße in betreff des beschaulichen Lebens Müßiggang herrsche, wo es nicht an Grammatikern fehlt, die darüber streiten, was zuerst dagewesen sei, das Nomen oder das Verbum, woher es komme, daß das Adjektivum teils vor, teils hinter das Substantivum gesetzt werde, und weshalb man in der Rede die eine Konjunktion, wie zum Beispiel et, voranstelle und eine andere, wie zum Beispiel que, anhänge, wie es komme, daß das e und d mit dem Bindestrich und der Teilung des d in der Mitte ein passendes Symbol jenes Gottes von Lampsakus ist, der aus Neid einen Esel ermordete, wer der Dichter sei, dem man mit Recht die Priapea zuweisen könne, der Mantuaner Maro oder der Sulmonese Naso. Ich übergehe andere ähnliche und zum Teil noch hübschere Fragen als die genannten. Es fehlt hier nicht an Dialektikern, die da untersuchen, ob Chrysaorius, der Schüler des Porphyrius, in Wirklichkeit oder dem Rufe oder nur dem Beinamen nach einen goldenen Mund gehabt habe, ob die Periermenia den Kategorien vorangehen oder nachfolgen müsse oder nach Belieben vor oder hinter sie gesetzt werden könne Περὶ έρμηνείας und Κατηγορίαι sind zwei logische Schriften des Aristoteles., ob das individuum vagum in die Zahl oder in die Mitte zu setzen sei als eine sechste Aussageform, oder ob es nur gleichsam ein Schildknappe der Art oder ein Schleppenträger der Gattung sei, ob wir uns, wenn wir uns mit der Form des Syllogismus vertraut gemacht haben, von den ersten Analytika zum Studium der zweiten, in der die Lehre vom Urteil abgeschlossen wird, wenden oder gleich zu den Topika übergehen sollen, in denen die erfindende Kunst zur Vollkommenheit gebracht wird, ob man Trugschlüsse anwenden dürfe ad usum vel ad fugam vel in abusum, ob die Modi, die die Modalitäten bilden, vier, vierzig oder vierhundert an der Zahl seien. Es gibt noch tausend andere schöne Fragen der Art, die ich aber nicht aufzählen will. Ferner weilen hier Physiker, die daran zweifeln, ob es überhaupt eine Wissenschaft von den natürlichen Dingen geben könne und ob deren Gegenstand ein bewegliches Wesen oder ein beweglicher Körper, ein natürliches Wesen oder ein natürlicher Körper sei, ob der Materie eine andere Tätigkeit als eine entitative zukomme, wo die Berührungslinie zwischen dem physischen und dem mathematischen liege, ob es eine Schöpfung oder Hervorbringung aus dem Nichts gebe oder nicht, ob die Materie ohne die Form bestehen könne, ob mehrere substantielle Formen zusammen bestehen können, und noch andere unzählige Fragen werden über Dinge aufgeworfen, die klar wie der Tag wären, wenn man sie nicht mittelst der unfruchtbarsten Untersuchungen in Zweifel zöge. Hier zerbrechen sich die Metaphysiker den Kopf über das principium individuationis, über das konkrete seiende, inwieweit es wahrhaft seiend ist, über den Beweis, daß die Zahlen der Arithmetik und die Größen der Geometrie nicht die Substanz der Dinge seien, ob es wahr sei, daß die Ideen ein subsistentiales Sein haben, über Identität und Verschiedenheit in subjektivem und objektivem Sinne, über das Sein und das Wesen, über die an Zahl gleichen Accidentien in einem Subjekte oder in mehreren, über die Äquivokation‚ Univokation und Analogie des seienden, ob die Verbindung der Intelligenzen mit den Sternenkreisen sich nach Art der Seele oder nur nach Art einer bewegenden Kraft vollziehe, ob die unendliche Tugend an Größe endlich sein könne, über die Einheit oder Mehrheit der ersten bewegenden Ursachen, über die Stufenleiter des endlichen oder unendlichen Fortschrittes in untergeordneten Dingen und über so und so viele andere ähnliche Dinge, die soviele Kapuzen verrückt machen und so vielen Protosophisten das Gehirn aus dem Schädel pressen.« Hierauf entgegnete Jupiter: »O, Momus, ich glaube, der Gott der Muße hat dich für seine Sache gewonnen und angestiftet, daß du hier so müßig unsere Zeit vergeudest, die wir besser verwenden könnten. Komme zum Schluß, denn es ist doch schon bei uns festbeschlossene Sache, was wir mit diesem da anfangen sollen.« »Ich unterlasse es also«, versetzte Momus, »all die anderen zahllosen geschäftigen Leute zu erwähnen, die in der Behausung dieses Gottes tätig sind, wie zum Beispiel die vielen albernen Versemacher, die zum Verdruß der Welt durchaus als Dichter gelten wollen, die vielen Romanschreiber, die vielen Erzähler alter Geschichten, die tausendmal von tausend anderen und tausendmal besser erzählt worden sind. Ich übergehe die Algebraisten, die Quadratoren des Kreises, die Figuristen, Methodiker, Reformatoren der Dialektik, Verbesserer der Orthographie, die Grübler über Leben und Tod, die wahren Postillone des Paradieses, die neuen Führer zum ewigen Leben, von neuem verbessert und gedruckt mit vielen sehr nützlichen Zusätzen, die guten Verkündiger besseren Brotes, besseren Fleisches und besseren Weines, als der griechische von Somma, der Malvasier von Candia und der Asprinier von Nola sein kann. Ich übergehe die schönen Spekulationen über das Schicksal und die Gnadenwahl, über die Ubiquität eines Körpers und die hervorragende Gerechtigkeitsliebe, die bei den Blutegeln zu finden ist.« Hier entgegnete Minerva: »Wenn du diesem Schwätzer nicht den Mund verbietest, o Vater, so werden wir unsere Zeit nutzlos vergeuden, und es wird heut nicht mehr möglich sein, unser Hauptgeschäft zu erledigen.« Daher sagte der Vater Jupiter zu Momus: »Ich habe keine Zeit, mich auf deine ironischen Ausfälle einzulassen. Um aber zu deiner Verabschiedung zu gelangen, Gott der Muße, so sage ich dir, daß diejenige Muße, die lobenswert und tätig ist, mit der Rührigkeit auf demselben Throne sitzen soll und sitzen wird, denn die Arbeit soll sich von der Muße pflegen lassen, und die Muße soll sich der Arbeit anpassen. Mit Hilfe der Muße soll die Arbeit vernunftgemäßer, munterer und rascher werden, denn es ist schwer, unmittelbar von einer Arbeit zur anderen überzugehen. Und wie die Handlungen ohne vorhergehende Überlegung nichts taugen, so besitzen sie auch ohne vorhergehende Muße keinen Wert. Gleicherweise ist der unmittelbare Übergang von einer Mußezeit zur anderen nicht angenehm; denn die Muße ist nur dann erquickend, wenn sie aus dem Schoße der Arbeit hervorgeht. Daher soll es nie geschehen, daß du, Muße, in Wahrheit süß bist, wenn du nicht auf würdige Beschäftigungen folgst. Die gemeine und träge Muße aber soll, so bestimme ich es, für ein edles Gemüt die größte Plage sein, die es geben kann, wenn sie sich nicht nach löblicher Arbeit und Anstrengung einstellt. Ich will, daß du dich zum Herrn über das Greisenalter machen und dieses oft seine Augen nach rückwärts richten lassen sollst, und wenn es keine würdigen Spuren hinterlassen hat, so sollst du es lästig, traurig gestalten und es mit Furcht vor dem in naher Zukunft bevorstehenden Gericht erfüllen, das es vor den unerbittlichen Richterstuhl des Rhadamantys führt, und so wird es die Schrecken des Todes fühlen, ehe dieser selbst naht.«

Saulino. Schön sagt über diesen Punkt Tansillo:

O glaubet dem, der euch den Eid d'rauf leistet,
Die schlimmste Strafe, die die Welt gesehen,
Ist die, die aus der Reue ist entsprungen,
Denn die Vergangenheit kehrt niemals wieder.
Und wenn auch jede Reue Qualen bringt,
So martert uns doch die am fürchterlichsten,
Und schlägt uns Wunden, die nicht heilen können,
Wenn vieles wir vermocht, doch nichts geleistet.

Sofia. »Nicht weniger traurig, ja noch trauriger«, fuhr Jupiter fort, »soll der Erfolg der unnützen Beschäftigungen sein, von denen Momus einige aufgezählt hat, die im Hause des Gottes der Muße weilen, und ich will, daß sich der Zorn der Götter an jenen geschäftigen Müßiggang hefte, der die Welt in größere Sorge und Pein versetzt hat, als es irgend eine Tat je vermocht hat. Ich meine jene, die da glauben, der ganze Adel und die ganze Vollkommenheit des Menschenlebens gehe einzig und allein in müßigen Glaubenssatzungen und Phantasien auf, während sie die Bestrebungen und Werke der Gerechtigkeit so anrühmen, daß sie behaupten, der Mensch werde durch sie nicht besser, obgleich dies sonnenklar ist, und die Laster und die Trägheit dergestalt tadeln, daß sie behaupten, die Menschen machten sich dadurch nicht weniger beliebt bei den Göttern, denen sie lieb seien, selbst wenn ihre Sündenlast noch größer wäre. Du träger, unnützer, verderblicher Müßiggang, erwarte nicht, daß man dich aus deiner Behausung in den Himmel und unter die himmlischen Götter versetze, in der Unterwelt ist dein Platz bei den Dienern des rauhen, unversöhnlichen Pluto.« Nun will ich dir nicht näher berichten, wie langsam sich der Gott der Muße auf den Weg machte und wie er, trotzdem man ihm zahlreiche Rippenstöße versetzte, kaum vom Flecke kam, wenn er sich nicht endlich, von der Göttin der Notwendigkeit, die ihm einige Fußtritte gab, fortgetrieben, entfernt hätte, wobei er jedoch fortwährend über den Götterrat klagte, daß man ihm nicht wenigstens einige Tage Zeit gelassen hätte, sich aus der Versammlung zu entfernen.

 

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