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Der Dialog »Das Aschermittwochsmahl« ist zwar im rein philosophischen Sinne nicht besonders bemerkenswert, er beschränkt sich im wesentlichen auf Kosmologie und so zu sagen physikalische Erdbeschreibung; aber er ist vielleicht mehr als irgend eine andere Brunoschrift geeignet, uns ein Bildnis der Persönlichkeit Brunos von nahezu photographischer Treue zu bieten. Man darf ferner wohl behaupten, daß Bruno die nachhaltige Teilnahme der Nachwelt weit mehr noch als Persönlichkeit, denn durch seine Werke beansprucht. Zugleich hebt sich dieses Bildnis hier von dem Hintergrunde einer kulturgeschichtlich sehr interessanten Umgebung ab.
Vergegenwärtigen wir uns zunächst in Anknüpfung an unsere kurze Lebensgeschichte in der Einführung (S. 6 ff.) die Veranlassung, die Giordano Bruno nach London führte. Dem bis dahin fast unbekannten entlaufenen Mönche war es gelungen, nach kurzem erfolglosen Aufenthalt in Genf, wo er einen nie vergessenen Haß gegen den fanatischen Calvinismus einsog, sowie nach vorübergehendem Verweilen in Toulouse die Aufmerksamkeit des Königs von Frankreich, Heinrichs III. und der vornehmsten Gesellschaft in Paris auf sich zu lenken; durch einige philosophische Schriften, die sich allerdings noch ausschließlich in der sonderbaren mehr mnemotechnischen Denkform der sog. Lullischen Kunst, einer wissenschaftlichen Modenarrheit jenes Zeitalters bewegten, hatte er schnell eine große Berühmtheit erlangt.
Allerdings verdankte er diese dem Geiste, den er in die leeren Formen des Lullismus zu legen verstand; seine nur sehr äußerlich noch an diese anknüpfende Schrift de umbris idearum »Von den Schatten der Ideen« umhüllt bereits die tiefsten Grundzüge seiner metaphysischen Weltanschauung. Vor allem aber müssen wir annehmen, daß es seine unmittelbar wirkende Persönlichkeit war, die ihn am Hofe des die Wissenschaft liebenden Königs zu einem Gegenstande der Bewunderung machte; der gewesene Mönch muß, ungeachtet oder vielleicht gerade deshalb, weil er in freimütigster Weise seinen innerlich bereits völlig abgeklärten denkerischen Standpunkt im Gegensatze zu der herrschenden Gelehrsamkeit mit ihrer aristotelischen Scholastik geltend zu machen verstand, gewiß auch durch den Zauber einer anziehenden Persönlichkeit und als angenehmer Gesellschafter in den weltmännischen Zirkeln des französischen Hofes geglänzt haben; man hatte ihn zeitweilig wegen seiner aufsehenerregenden Geistesgaben im Verdachte der Magie; der König selbst stellte hierauf an Bruno eine offene Frage, die er natürlich verneinte. Die Gunst des Königs nach dieser vertraulichen Audienz bezeugte sich dadurch, daß er ihm eine außerordentliche und mit Gehalt versehene Professorenstelle an der Universität verlieh. Fünf Jahre hatte Bruno so in Paris verweilt, als er, wie er sagt, lediglich von dem Wunsche geleitet, neue Verhältnisse und neue Leute kennen zu lernen, gegen Ende des Jahres 1583 um längeren Urlaub einkam, um nach England zu gehen. Die königliche Gunst tritt jetzt in besonderem Maße dadurch hervor, daß Heinrich III. ihm ein Empfehlungsschreiben an den französischen Botschafter mitgibt, auf dessen besondere Wärme man daraus schließen muß, daß dieser ihn nach seiner Ankunft sofort als intimen Hausgenossen unter sein Dach aufnimmt. »Unter sein Dach« allerdings im eigentlichsten Sinne; denn wir können uns ja nach der Vorrede zu dem vorstehenden Dialoge (S. 44) fast ein Bild machen von dem Denkerstübchen im höchsten Stockwerke des Botschafterhotels, »wo es die Gunst der Sterne so oft fügt, daß der Botschafter dem ihm anvertrauten philosophischen Flüchtling so manchmal im Lichte des einzigen Fensterchen steht, wenn solches nicht doch noch einen direkten oder reflektierten Lichtstrahl vorbeiläßt, um diesen philosophischen Habenichts, diesen Diogenes, wie er selber sich künftig bezeichnet, der aber ein sehr selbstbewußter Großkapitalist des Geistes ist, noch ärmer zu machen.«
Wer war dieser Botschafter Frankreichs? Es war der Herr Michael von Castelnau oder Mauvissière, der im Jahre 1520 bei Tours geboren, zur Zeit des vorstehenden Dialogs also bereits im 65. Lebensjahre stand und den jener Zeit schwierigsten Gesandtenposten Frankreichs bereits seit 1575, also zehn Jahre lang, bekleidet hatte. Bevor er sich der Diplomatie widmete, hatte er nicht geringen Ruhm als Kriegsmann erworben und sich in den französischen Parteikriegen insbesondere bei Dreux, Jarnac und Montoncour ausgezeichnet. Für sein diplomatisches Geschick spricht nichts mehr als die Tatsache, daß er ungeachtet seiner unausgesetzten und lebhaften Bemühungen für die Rettung der unglücklichen schottischen Königin Maria Stuart, deren Angelegenheit seine wichtigste Mission bildete, – es verstanden hat, sich gleichwohl die persönliche Gunst der Königin Elisabeth bis zum letzten Augenblick zu erhalten; bei seinem Rücktritt vom Botschafterposten, der einige Jahre nach der Zeit des vorstehenden Dialogs erfolgte, erschöpft sich die Königin von England in einem an Katharina von Medici, die Mutter des Königs von Frankreichs, und den Herzog von Guise gerichteten Schreiben in Lobeserhebungen über ihn. Sein unermüdliches, wenn auch erfolgloses Bemühen für Maria Stuart wird durch den erhaltenen lebhaften Briefwechsel zwischen ihm und ihr nicht minder beurkundet wie durch seine Verhandlungen mit König Philipp II. von Spanien und Papst Gregor XIII. zu gunsten einer Intervention. Zumal aus letzteren Verhandlungen tritt uns v. Mauvissière als ein strenggläubiger Christ und Katholik entgegen, der sich mit allem Eifer sogar für die Restauration des Katholizismus in England einsetzt.
Und dieser Mann ist der liebenswürdigste Freund eines Giordano Bruno, der aus seiner philosophischen Überzeugung, wie wir schon aus dem vorstehenden Dialog, noch mehr aber aus den später unter demselben Dache geschriebenen spaccio della bestia trionfante ersehen, damals gewiß noch weniger Hehl machte, wie später vor dem Inquisitor! Um dies zu verstehen, müßten wir uns den hochgebildeten Vollmenschen der Renaissance, den Renaissance-Weltmann, von dem wir in v. Mauvissière einen Vertreter kennen lernen, in seiner ganzen Geistesfreiheit, die etwas durchaus anderes ist, als die frivole Freidenkerei späterer dekadenter Zeitalter, näher rücken. Das strahlende Licht dieser Geistesfreiheit, die sich jener Zeit nicht selten bei den Weltmännern findet, steht allerdings in seltsamem Widerspruch zu dem beschränkten und unduldsamen Eiferertum der damaligen Gelehrtenwelt und der Geistlichkeit. Es steckte gewiß auch nicht eine frivole Ader in diesem auf der Schwelle des Greisenalters stehenden Staatsmann, und doch fand er keine Gefahr für sich und sein Haus in der Beherbergung dieses mit so manchen Anschauungen des kirchlichen Dogmatismus im heftigsten Kampfe stehenden philosophischen Habenichts. Nun eben, nur der wahre Welt mann versteht auch den wahren Welt weisen, der etwas ganz anderes darstellt, als einen Stubendenker, zu würdigen. Auch in Bruno – dies kann nicht genug betont werden – steckte keine frivole Ader, wie etwa in Voltaire und den französischen Encyklopädisten. Nichts wäre falscher, als ihm jene vulgäre Freidenkerfeindschaft gegen Kirche oder gar Religion, oder auch nur gegen die katholische Kirche unterschieben zu wollen, wie dies einige moderne Poeten und Romanschreiber oder auch halbgebildete Politiker, denen zum Verständnis der Philosophie des Nolaners schon die wissenschaftliche Vorbildung abgeht, noch heute mit Vorliebe tun. Eines Gegensatzes gegen die wahren Interessen der Kirche ist Bruno sich nie bewußt gewesen, er betrachtet sie vom philosophischen Standpunkte nicht nur als eine sozial notwendige, sondern sogar als göttliche Einrichtung, und es ist fürwahr keine Heuchelei, wenn er sich immer wieder dagegen verwahrt, nichts gegen Religion und Kirche lehren zu wollen; nur besteht er darauf, der Philosophie und Naturwissenschaft, die nach seiner Überzeugung in ihren wahren Ergebnissen niemals mit dem Glauben, soweit er religiöser Natur ist, in Widerspruch treten kann, ihr freies Grenzgebiet zu wahren. Man muß eben die der Renaissance wohlbekannte, heutzutage freilich wieder besonders durch metaphysische Übergriffe von naturphilosophelnder Seite getrübte Lehre von der doppelten Wahrheit kennen, die keineswegs eine doppelte Buchführung im heuchlerischen Sinne sein will, um die Ehrlichkeit dieses Standpunktes zu begreifen. Im einzelnen vgl. man S. 110ff. des vorstehenden Dialogs.
Übrigens bemerkt Bruno zum venezianischen Inquisitionsprotokoll (Berti S. 347), daß er als Exkommunizierter in London ebensowenig, wie früher in Paris, die Messe besucht habe, auch nicht, wenn sie im Hause des Botschafters gelesen wurde, v. Mauvissière wußte also äußerliches und innerliches Verhältnis zur Kirche und Religion wohl zu unterscheiden, und diese persönlich duldsame Anschauung bestätigt auch eine Äußerung, die ich seinen hinterlassenen Memoiren entnehme, wo er unter Verurteilung theologischer Disputationen bemerkt: la religion ne se peut bien entendre que par la foi et par humilité. Die Memoiren v. Mauvissière, eine reiche Fundgrube für die Geschichte einer Zeit, führen nur bis zum Jahre 1569, so daß in ihnen von den erst später angeknüpften Beziehungen zu Bruno noch keine Rede sein kann; gleichwohl verraten vielleicht einige Stellen einen Einfluß Brunoscher Lieblingssätze, so z. B. wenn gelegentlich der Ermordung Rizzios die Zeit »als ewiger Schoß aller Wechselfälle« bezeichnet wird, wenn es an anderer Stelle heißt, daß »niemand in dieser Welt etwas aus der rechten Hand verliert, was er nicht mit der linken wiedererhält und daß das Vergehen der Dinge nichts anderes ist als die Entstehung neuer.«
Die Gattin v. Mauvissières war eine geborene Marie v. Bochtel, sie wird von Bruno nebst ihrer jüngsten Tochter, einem Mädchen von sechs Jahren, in dem Dialoge »Von der Ursache, dem Anfang und dem Einen« in ehrenvollster Weise erwähnt. Der Nolaner verteidigt hier die Weiblichkeit gegen ihren Verächter, den Pedanten Poliinio mit folgenden Worten: »Um Euch nicht auf weit Entferntes zu verweisen, so hat hier unter diesem Dache der Herr v. Mauvissière eine Frau errungen, die nicht nur mit außergewöhnlicher Körperschönheit als Hülle und Kleid der Seele, sondern auch mit dem Dreiklang von klugem Sinn, edler Sittsamkeit und ehrbarer Artigkeit begabt, mit unauflöslichem Bande die Seele ihres Gemahls gefesselt hält und jeden, der sie kennt, für sich einzunehmen vermag. Und was willst Du von seiner edlen Tochter sagen? Kaum ein Jahr über ein Lustrum hat sie die Sonne gesehen, und doch könntest Du an der Sprache nicht erkennen, ob sie aus Italien, aus Frankreich oder England ist; an ihrer Hand, wenn sie ein musikalisches Instrument spielt, ob sie eine körperliche oder unkörperliche Substanz ist, und in Hinsicht auf die untadelige Lauterkeit ihrer Sitten würdest Du zweifeln, ob sie vom Himmel herabgestiegen oder von der Erde stammt. Jeder sieht, daß in ihr ebensowohl das edle Blut, um einen schönen Körper zu bilden, als auch, um ein ausgezeichnetes Gemüt hervorzubringen, der adlige Charakter beider Eltern sich vereinigt haben.«
In diesem Hause hatte also unser Philosoph, wie er selbst sagt, ein zweites Heim, ein zweites Nola gefunden.
Das England aber, das er von hier aus kennen lernte, war das England der Königin Elisabeth, jedem Kenner Shakespeares genügend aus dessen Dramen bekannt. Auch hier gruppiert sich um den Hof einer feingebildeten Königin eine wahre Blütenlese ausgezeichneter Repräsentanten der Spätrenaissance. Unter ihnen tritt besonders einer hervor, mit dem der Nolaner sich alsbald in warmer Freundschaft verbindet, der junge Lord Philipp Sidney, Sohn des Gouverneurs von Irland, ein Neffe Leicesters, ein junger Mann von ritterlichem Charakter und vorzüglichen Geistesgaben, »in dem sich«, wie Ranke, engl. Geschichte I. 351 sagt, »das englische Ideal edler Ausbildung verwirklicht zu haben schien«. Kriegsheld, Staatsmann und Dichter in einer Person, wird er auch wohl der letzte Ritter, ein Bayard Groß-Britanniens genannt. Sidney kam mit 28 Jahren an den Hof Karls IX. nach Paris, genoß hier unter den » gentilshommes de la chambre« eine bevorzugte Stellung beim König, entging aber dennoch dem Gemetzel der heil. Bartholomäusnacht nur mit knapper Not durch Flucht in das englische Gesandtschaftshotel zu seinem späteren Schwiegervater Lord Walsingham, verließ Frankreich, durchreiste Deutschland, wo er in Frankfurt a. M. und Italien, wo er in Padua längere Zeit wissenschaftlichen Studien oblag, und kehrte 1575 nach London zurück. Hier wurde er nicht nur der Günstling der Königin, sondern – ein seltenes Zusammentreffen – zugleich auch des Volkes, dessen Interessen gegenüber der Königin er mehr als einmal freimütig zu vertreten gewagt hat. Er allein war es, der den Mut besaß, ihr einen oppositionellen Beschluß des Parlaments gegen das Heiratsprojekt der Königin mit dem Herzog von Alençon zu eröffnen, wie er es auch wagte, vor ihr die Verteidigung seines Oheims Leicester mit allem Eifer verwandtschaftlicher Pietät zu führen; und er durfte dies bei dem Zauber seiner Persönlichkeit, ohne dauernd in ihre Ungnade zu verfallen. Ein geborener Beschützer aller Unterdrückten, verteidigte er nicht minder, wie die Interessen der Nation und der sich ihm anvertrauenden Personen auch die Poesie, die Wissenschaft und den guten Geschmack gegen die Eiferer des Puritanismus.
Dieses Mäcenatentum hat auch wohl Bruno in seinen geistreichen Zirkel geführt. Sein zweifellos sehr intim gewesenes Verhältnis zu unserem Philosophen ehrt diesen nicht minder als ihn.
Der Enthusiasmus Sidneys für den Protestantismus und die Freiheit auch bei anderen Nationen führte ihn später in den Heldentod; 1585 zog er den aufständischen Niederländern gegen die Spanier zur Hilfe, wurde als Anführer der Reiterei in der für die Seinen siegreichen Schlacht bei Zutphen tödlich verwundet und starb, nach dem er auf dem Sterbebett noch eine erhabene Ode gedichtet, 14 Tage nach dieser Schlacht, am 16. Oktober 1586 nach den Worten seines Biographen » en philosophe chrétien«.
Als Pylades dieses Lord Sidney läßt sich Lord Fulk Gréville bezeichnen, dessen von ihm selber bestimmte Grabschrift lautet: »Hier ruht der Freund Philipp Sidneys.«
Er ist es, in dessen Hause der vorstehende Dialog, ein Drama mehr, als eine philosophische Abhandlung, sich abspielt.
Bevor wir auf diesen und seine anscheinend für Brunos Beziehungen zu Gréville verhängnisvoll gewesenen Folgen näher eingehen, müssen wir der Berührung gedenken, die Bruno, der Gelehrte, mit der englischen Gelehrtenwelt offenbar vor Abfassung dieser Schrift gehabt und die ihm zu der Abfassung des Dialogs, der sich augenscheinlich als eine persönlich motivierte Streitschrift darstellt, veranlaßt hat.
Alsbald nach seiner Ankunft in London hatte der Nolaner seine Schrift Explicatio trigiato sigillorum mit folgendem Begleitschreiben an den Vizekanzler der Universität Oxford gesandt:
» Philotheus Jordanus Brununs aus Nola, Doktor einer tiefer ausgearbeiteten Theologie, Professor einer reineren und unschädlicheren Weltweisheit. An den bedeutendsten Akademien Europas wohl bekannter, anerkannter und ehrenvoll aufgenommener Philosoph. Nirgends, außer bei Barbaren und Unedlen ein Fremder. Erwecker schlafender Geister. Bändiger anmaßender und widerspenstiger Unwissenheit. Einer, der in seinen sämtlichen Taten für allgemeine Menschenliebe eintritt, der den Italiener nicht mehr als den Britten, den Mann nicht mehr als das Weib, die Mitra nicht mehr als die Krone, die Toga nicht mehr als den Waffenrock, die Kutte nicht mehr als das Bürgerwams, der jeden friedlichen, höflichen, treuherzigen und nützlichen Umgang liebt. Der nicht auf das gesalbte Haupt, auf die besiegelte Stirn, auf die gewaschenen Hände, auf den beschnittenen penis, sondern darauf Rücksicht zu nehmen gewohnt ist, wie das Antlitz des wahren Menschen, sein Geist, sein Gemüt, seine Bildung beschaffen ist. Den alle Eiferer der Dummheit und alle Heuchlerseelen verabscheuen, den die Redlichen und Fleißigen lieben, dem alle edleren Herzen zuschlagen. Er sendet dem hochwürdigen und hoch zu verehrenden Vizekanzler und allen Zierden der Universität zu Oxford seinen ergebensten Gruß.«
Man muß sich in die ganze Denkart und in die an derartige bombastische Schreibweise gewöhnte Gelehrtensitte jener Tage zurückversetzen, z. B. an das Auftreten eines Bombastus Paracelsus hineindenken, um ein solches Begleitschreiben nicht etwas marktschreierisch zu finden. Daß es jener Zeit nicht ungewöhnlich erschien, beweist am besten die Tatsache, daß Bruno zunächst zu Vorlesungen an der Universität eingeladen wurde. Er begann deren zwei, eine kosmologische »über die fünffache Sphäre«, eine rein philosophische über »die Unsterblichkeit der Seele«. Aber ein Festakt der Universität, an dem sich der Nolaner durch eine Disputation beteiligte, im Dezember 1580 führte zu einem Konflikt, der damit endete, daß man ihm die Fortsetzung der Vorlesungen untersagte. Ein reicher polnischer Fürst, Albert a Lasco, war, um mit seinem Reichtum zu glänzen, nach England gereist und besuchte bei dieser Gelegenheit, vom Grafen Leicester als Kanzler der Universität begleitet, auch Oxford. Es fand ein glänzender Empfang statt. Eine Deputation, die aus den Professoren Unfredus, Tobias Matthew, Arthur Yeldard, Martin Culper, Herbert Westphaling bestand, ging dem Fürsten entgegen, und Westphaling begrüßte ihn mit einer lateinischen Rede, auf die der Fürst lateinisch erwiderte. Vor dem Tore der Stadt standen die Magistratsbehörden und wieder hielt hier der Bürgermeister eine lateinische Rede; jedem Manne aus dem Gefolge wurden ein Paar Handschuhe geschenkt. Danach trat man in die Stadt ein, von einem Musikkorps begleitet, eine ungeheure Menschenmenge bildete Spalier in den festlich geschmückten Straßen. Vor der Kirche der heil. Jungfrau wird dem Fürsten vom Vizekanzler eine kostbare Bibel überreicht und wieder jeder Mann seines Gefolges mit Handschuhen beschenkt. Von hier geht der Zug zur Jesuskirche, wo unter Beteiligung des ganzen Lehrkörpers und der Studenten ein Festmahl genommen wird, wobei die Tafel, wie gemeldet wird, eine besonders glänzende Beleuchtung (vielleicht jetzt sogen. bengalische) durch mit einem gewissen Pulver zubereitete Kerzen erhielt. Am folgenden Tage fanden zahlreiche Vorträge und schließlich die Aufführung einer Tragödie Dido statt, bei der besonders sinnreiche Theatermaschinen zum ersten Male zur Anwendung kamen. Natürlich bildete den gelehrten Glanzpunkt der Festlichkeit am dritten Tage eine Reihe von Disputationen, und hierbei hatte sich der Nolaner seinen Anteil nicht entgehen lassen. Den Ausgang des von ihm wahrscheinlich mit einem Professor Dr. Leyson hier geführten dialektischen Zweikampfs schildert Bruno im vorstehenden Dialog, S. 20.
Er führte unmittelbar zum Bruch mit der Universität. Anscheinend hat nun die sich hieran bis nach London verbreitende allgemeine Anteilnahme dem Lord Fulk Greville Veranlassung geboten, die Disputation in London fortzusetzen. Die Namen Dr. Torquatus und Nundinius sind offenbar pseudonym; welche Oxforder Professoren in Frage kommen, läßt sich nicht feststellen; vielleicht handelte es sich auch nicht um Mitglieder der Universität Oxford, sondern um andere in London ansässige Gelehrte.
Die Veröffentlichung der Schrift verschärfte den Konflikt gewaltig. Es brach ein gewaltiger Sturm der Entrüstung los, und man suchte die Angelegenheit zu einer Beleidigung der englischen Nation aufzubauschen. Einer Anmerkung bei Frith, life of Giordano Bruno, S. 126, n. 2 entnehme ich, daß der Verleger der Schrift, Thomas Vautrollier, um sich einer strafrechtlichen Verfolgung wegen ihrer Veröffentlichung zu entziehen, nach Schottland floh.
Daß Bruno so etwas erwartet hatte, deutet übrigens bereits die merkwürdige Stelle des Vorworts an, wo er sich (S. 44) gewissermaßen als Exterritorialer – als Hausgenosse des Gesandten – dem völkerrechtlichen Schutze des Königs von Frankreich anempfiehlt.
In dem etwas später ebenfalls in London veröffentlichten Dialoge: »Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen« kommt Bruno in interessanter Weise auf diesen Entrüstungssturm zu sprechen und versucht ihn zu beschwichtigen und sich zu rechtfertigen.
Der Unterredner Armesso fragt hier den Filoteo, welcher letzterer wieder die Person des Nolaners bezeichnet: »Mit welchen Leuten wollt Ihr, daß wir insbesondere jenes Phänomen von Gelehrsamkeit begrüßen sollen, welches das Buch vom Aschermittwochsgastmahl ausmacht? Was für Tiere sind es, die es vorgetragen haben? Wasser-, Luft-, Land- oder Mondtiere? Und von den Äußerungen des Smith, Prudentio und Frulla abgesehen, – ich begehre zu wissen, ob die sich irren, welche behaupten, daß Du die Stimme eines tollen und rasenden Hundes annimmst, daß Du ferner zuweilen den Affen, zuweilen den Wolf, die Elster, den Papagei, bald ein Tier, bald ein anderes nachahmst und bedeutende und ernste, moralische und physikalische, gemeine und würdige, philosophische und komische Sätze durcheinander würfelst.
Filoteo: Wundert Euch nicht, Bruder! War es doch nichts als ein Gastmahl, wo die Gehirne durch die Affekte regiert werden, wie solche durch die Einwirkung der Geschmäcke und Düfte von Getränken und Speisen entstehen. Wie nun das Gastmahl in Materie und Körper beschaffen sein kann, ganz analog ist auch das Gastmahl in Wort und Geist. So hat denn dieses Gastmahl in Gesprächsform seine mannigfachen und verschiedenen Teile, wie ein Gastmahl sie zu haben pflegt: es hat seine eigentümlichen Verhältnisse, Umstände und Mittel, wie sie in seiner Weise jenes haben könnte.
Armesso: Seid so gut und macht, daß ich Euch verstehe!
Filoteo: Dort pflegt sich der Gewohnheit und Gebühr nach Salat, Speise, Obst und Hausmannskost aus der Küche, aus der Apotheke zu finden, für Gesunde, für Kranke; Kaltes, Warmes, Rohes, Gekochtes; aus dem Wasser, vom Lande, aus dem Hause und aus der Wildnis; Geröstetes, Gesottenes, Reifes, Herbes; Dinge, die zur Ernährung allein und solche, die nur dem Gaumen dienen; Substantielles und Leichtes, Salziges und Fades, Rohes und Eingemachtes, Bitteres und Süßes. Und so haben sich auch hier in bestimmter Reihenfolge die Gegensätze und Verschiedenheiten eingefunden, den Verschiedenheiten des Magens und des Geschmackes bei denen entsprechend, denen es gefallen möchte, bei unserem symbolischen Gastmahl zu erscheinen, damit niemand sich beklage, er habe sich vergebens eingestellt, und damit, wem das eine nicht gefällt, vom anderen nehme.
Armesso: Schon gut; aber was sagt Ihr dazu, wenn überdies in Eurem Gastmahl Dinge vorkommen, die weder als Salat noch als Speise, als Obst oder Hausmannskost taugen, weder kalt noch warm, weder roh noch gekocht, die weder für den Appetit noch für den Hunger, weder für Gesunde noch für Kranke gut sind und demgemäß weder aus den Händen des Kochs noch des Apothekers hervorgehen?
Filoteo: Du wirst sehen, daß auch darin unser Gastmahl jedem beliebigen anderen nicht unähnlich ist. Wie Du dort mitten im besten Essen Dich entweder an einem allzuheißen Bissen verbrennst, so daß Du ihn entweder ausspeien oder unter Ächzen und Tränen dem Gaumen liebäugelnd solange anvertrauen mußt, bis Du ihn hinunterwürgen kannst; oder es wird Dir ein Zahn stumpf, oder die Zunge kommt Dir in den Weg, daß Damit dem Brote auf sie beißt; oder ein Steinchen wird zwischen den Zähnen zertrümmert, daß Du den ganzen Bissen ausspeien mußt; oder ein Härchen aus dem Barte oder vom Kopfe des Kochs schleicht sich durch bis zu deinem Gaumen, um dich zum Brechen zu reizen; oder eine Gräte bleibt Dir im Halse stecken, um Dich plötzlich husten zu machen; oder ein Knöchelchen legt sich Dir quer vor den Schlund und bringt Dich in Gefahr zu ersticken: gerade so haben sich in unserem Gastmahl zu unserem und aller Mißvergnügen entsprechende und ähnliche Dinge eingefunden. Das kommt alles von der Sünde unseres alten Urvaters Adam her, durch welche die verderbte menschliche Natur dazu verdammt ist, daß sich ihr mit jedem Genusse der Verdruß verbindet.
Armesso: Wie andächtig und erbaulich das klingt! Nun, was antwortet Ihr denen, welche sagen, daß Ihr ein rasender Cyniker seid?
Filoteo: Ich werde es gern, wenn nicht ganz, doch zum Teil zugestehen.
Armesso: Aber wißt Ihr, daß es kein so schwerer Tadel ist, Beschimpfungen hinzunehmen, als sie auszuteilen?
Filoteo: Mir genügt's, daß die meinigen Wiedervergeltung, diejenigen anderer Angriffe heißen.
Armesso: Auch die Götter sind in der Lage, Beleidigungen zu empfangen, Beschimpfungen zu dulden und Tadel zu erleiden; aber selber tadeln, beschimpfen und beleidigen ist die Art gemeiner, unedler, unwürdiger und schlechtgesinnter Menschen.
Filoteo: Wohl wahr; aber wir beleidigen nicht, sondern wir geben nur die Beleidigungen zurück, die nicht sowohl uns, als der verachteten Philosophie angetan werden, und wir tun das, damit nicht zu den schon erlittenen Kränkungen neue hinzukommen.
Armesso: Ihr wollt einem bissigen Hunde gleichen, damit jedermann sich hüte, Euch lästig zu fallen?
Filoteo: So ist's. Ich wünsche Ruhe, und Verdruß verdrießt mich.
Armesso: Schön; aber man meint, Ihr verfahrt zu streng.
Filoteo: Damit sie nicht wiederkommen, und damit andere lernen; nicht mit mir und mit andern zu disputieren, indem sie aus ähnlichen Mittelbegriffen solche Schlüsse ziehen.
Armesso: Die Beleidigung war eine private, die Rache ist öffentlich.
Filoteo: Nicht deshalb ist sie ungerecht. Denn viele Irrtümer, die im verborgenen begangen sind, werden doch gerechterweise öffentlich gestraft.
Armesso: Aber damit verderbt Ihr Euren Ruf und macht Euch tadelnswerter als jene; denn man wird öffentlich sagen, daß Ihr ungeduldig, launenhaft, eigensinnig, unbesonnen seid.
Filoteo: Das soll mich wenig kümmern, wenn nur sie und andere mir nicht weiter lästig fallen. Dazu zeige ich den Zynikern Prügel, daß sie mich mit meiner Handlungsweise in Ruhe lassen, und wenn sie von mir keine Liebkosungen wollen, nicht an mir ihre Unhöflichkeit auslassen.
Armesso: Scheint es Dir denn einem Philosophen zu geziemen, auf Rache zu sinnen?
Filoteo: Wären die, die mich ärgern, eine Xantippe, so würde ich ein Sokrates sein.
Armesso: Weißt Du nicht, daß Langmut und Geduld allen gut steht? daß wir durch sie den Heroen und Göttern ähnlich werden, welche nach einigen sich spät rächen, nach anderen sich weder rächen noch erzürnen?
Filoteo: Du irrst, wenn Du glaubst, ich hätte auf Rache gesonnen.
Armesso: Auf was denn?
Filoteo: Auf Besserung habe ich gesonnen, und dadurch werden wir auch den Göttern ähnlich. Du weißt, daß der arme Vulkan von Jupiter Dispens hat, auch an Festtagen zu arbeiten, und so wird der verwünschte Amboß nimmer müde, die Streiche der gewaltigen Hämmer zu erdulden. So wie der eine erhoben ist, fällt der andere nieder, damit nur die gerechten Blitze zur Züchtigung der Verbrecher und Freyler niemals ausgehen.
Armesso: Doch ist ein Unterschied zwischen Euch und dem Schmiede des Jupiter, dem Gemahl der Cypria.
Filoteo: Genug, daß ich jenem vielleicht nicht so unähnlich bin an Geduld und Langmut. Auch in dieser Sache habe ich sie geübt; denn ich habe meinem Unwillen nicht durchaus den Zügel schießen lassen und meinem Zorne nicht die schärfsten Sporen gegeben.
Armesso: Nicht jedermann soll sich damit zu schaffen machen, ein Verbesserer zu sein, besonders der Menge.
Filoteo: Sagt doch auch, besonders dann, wenn diese sich mit ihm nichts zu schaffen macht.
Armesso: Man sagt, daß man sich nicht bekümmern muß um ein fremdes Land.
Filoteo: Und ich sage zweierlei: erstens, daß man einen fremden Arzt nicht töten soll, weil er die Kuren vorzunehmen versucht, die die heimischen nicht machen; zweitens, daß dem wahren Philosophen jedes Land sein Vaterland ist.
Armesso: Wenn sie Dich nun aber nicht haben wollen, weder als Philosophen, noch als Arzt, noch als Landsmann?
Filoteo: Deshalb werde ich nicht aufhören es zu sein.
Armesso: Wer bürgt Euch dafür?
Filoteo: Die Götter, welche mich hierher geschickt haben; ich, der ich mich hier befinde; und die, welche Augen haben, mich hier zu sehen.
Armesso: Da hast Du sehr wenige und wenig anerkannte Zeugen.
Filoteo: Sehr wenig zahlreich und wenig anerkannt sind auch die rechten Ärzte; beinahe alle sind rechte Kranke. Ich wiederhole, daß es ihnen nicht gestattet ist, das eine zu bewirken, ohne die anderen, die ehrenwerte Dienste leisten, ob sie nun Fremde seien oder nicht, vor solcher Behandlung zu schützen.
Armesso: Wenige kennen diese Dienste.
Filoteo: Nicht deshalb sind die Perlen weniger kostbar, und wir müssen sie mit aller unserer Kraft verteidigen und mit der äußersten Strenge dahin wirken, daß sie davor geschützt, gesichert und gerettet werden, daß die Säue sie nicht mit ihren Füßen zertreten. Und so mögen mir die hohen Götter gnädig sein, mein Armesso, als ich niemals aus schmutziger Eigenliebe oder aus gemeiner Sorge für ein privates Interesse solche Rache geübt habe, sondern aus Liebe zu meiner vielgeliebten Mutter, der Philosophie, und aus Eifer um ihre verletzte Majestät. – Jetzt möchte sich jeder nichtsnutzige Pedant, jeder lumpige Wortheld, jeder dumme Faun, jeder unwissende Esel, indem er sich mit einer Last von Büchern zeigt, sich den Bart lang wachsen läßt und allerlei besondere Manieren annimmt, dafür ausgeben, als ob er zur Familie gehörte. Durch solche falsche Freunde und Söhne ist die Philosophie so weit heruntergebracht, daß bei der Menge ein Philosoph so viel heißt als ein unnützer Mensch, ein Pedant, ein Gaukler, ein Marktschreier, ein Scharlatan, gut genug, um als Zeitvertreib im Hause und als Vogelscheuche auf dem Felde zu dienen.
Elitropio: Die Wahrheit zu sagen, wird die Sippe der Philosophen von dem größten Teile der Menschen noch niedriger geachtet, als die der Priester, weil diese, aus jeder Art von Gesindel entnommen, das priesterliche Amt nicht so in Verruf gebracht haben, wie jene, die nach jeder Art von Bestien benannt, der Philosophie Verachtung zugezogen haben.
Filoteo: Loben wir also in seiner Art das Altertum, wo die Philosophen zu Gesetzgebern, Räten und Königen emporsteigen, Räte und Könige aber zu Priestern erhoben werden durften. In unsern Tagen ist die Mehrzahl der Priester derartig, daß sie und um ihretwillen die göttlichen Gesetze verachtet sind; fast alle aber, welche wir als Philosophen betrachten, sind von der Art, daß sie selbst und um ihretwillen die Wissenschaften in Geringschätzung sinken. Überdies pflegt unter ihnen die Menge von Schurken, wie Nesseln die Saat, mit ihren entgegengesetzten Phantastereien die seltene Tugend und Wahrheit zu überwuchern, welche nur seltenen Menschen erkennbar ist.
Armesso: Ich kenne keinen Philosophen, Elitropio, der sich so für die verachtete Philosophie ereiferte, keinen, der für seine Wissenschaft so eingenommen wäre, wie dieser Teofilo. Was würde geschehen, wenn alle andern Philosophen von derselben Beschaffenheit, ich meine, ebenso heftig wären!
Elitropio: Diese andern Philosophen haben nicht so viel erfunden, haben auch nicht so viel zu behüten, nicht so viel zu verteidigen. Sie freilich können immerhin eine Philosophie gering schätzen, die nichts taugt, oder eine andere, die wenig taugt, oder eine solche, die sie nicht kennen; aber dieser, der die Wahrheit, den verborgenen Schatz, gefunden hat, ist von der Schönheit dieses göttlichen Antlitzes entflammt und nicht weniger eifersüchtig darauf, daß sie nicht verfälscht, vernachlässigt oder entweiht werde, als ein anderer in schmutziger Begierde vom Golde, vom Karfunkel oder Diamanten oder von einem schönen Weibsbilde eingenommen sein mag.
Armesso: Aber besinnen wir uns und kommen zurück zur Sache! Man sagt von Euch, Teofilo, Ihr hättet in jenem Euren Aschermittwochsgespräch eine ganze Stadt, eine ganze Provinz, ein ganzes Reich geschmäht und beleidigt.
Filoteo: Das habe ich nie gedacht, nie beabsichtigt, nie getan, und wenn ich es gedacht, beabsichtigt oder getan hätte, so würde ich mich selber am strengsten verdammen und zu tausend Widerrufen, Abbitten und Palinodien bereit sein. Und das nicht allein, wenn ich ein altes edles Reich wie dieses beleidigt hätte, sondern auch jegliches andere sonst, für so barbarisch es auch gelten möge; und ich meine nicht nur, jede Stadt, für wie ungebildet sie berufen sei, sondern auch jegliches Geschlecht, als wie roh es auch bekannt sei, sondern auch jede Familie, wie ungastlich sie auch heiße. Denn es kann kein Reich, keine Stadt, kein Geschlecht, kein ganzes Haus geben, wo alle gleichen Sinnes wären oder wo man dies annehmen dürfte, und wo sich nicht so entgegengesetzte und widersprechende Charaktere fänden, daß was dem einen gefällt, dem andern mißfallen muß.
Armesso: Gewiß, was mich anbetrifft, der ich das Ganze gelesen und wiedergelesen und wohl erwogen habe, ich finde Euch wohl im einzelnen vielleicht etwas gar zu ausführlich; im allgemeinen finde ich Euer Verfahren anständig, vernünftig und rücksichtsvoll. Aber das Gerücht geht so, wie ich sage.
Elitropio: Dies und andere Gerüchte sind durch die Gemeinheit einiger von denen ausgestreut worden, die sich getroffen fühlen. Rachsüchtig und durch eignen Verstand, Gelehrsamkeit, Geist und Kraft sich zu schwach fühlend, erdichten sie alle möglichen Unwahrheiten, denen nur ihresgleichen Glauben schenken können, und werben Genossen, indem sie zu erreichen suchen, daß der Tadel gegen einzelne für eine Beleidigung gegen die Gesamtheit angesehen werde.
Armesso: Ich glaube vielmehr, daß es Personen gibt, nicht ohne Urteil und Verstand, welche die Beleidigung auf die Gesamtheit beziehen, weil Ihr solche Sitten Personen von solcher Abkunft beilegt.
Filoteo: Nun, was für Sitten sind denn das, daß ähnliche, schlimmere und viel fremdartigere in Geschlecht, Art und Zahl sich nicht in den vorzüglichsten Ländern und Gegenden der Welt fänden? Oder werdet Ihr es vielleicht beleidigend finden, und zwar beleidigend und undankbar gegen mein Vaterland, wenn ich sage, daß ähnliche und noch verwerflichere Sitten in Italien, in Neapel, in Nola vorkommen? Würdige ich vielleicht dadurch dieses vom Himmel begnadigte Land herab, welches so oft zugleich zum Haupt und zur rechten Hand dieser Erde gesetzt war, zum Erzieher und Bezwinger der andern Geschlechter, dies Land, das von uns und andern immer als Lehrerin, Säugamme und Mutter aller Tugenden, Wissenschaften, aller Bildung, alles guten Anstandes und aller höflichen Sitte geschätzt worden ist, wenn noch mehr überboten wird, was von ihm gerade auch unsere Poeten gesungen haben, welche es doch ebensosehr als Lehrerin aller Laster, alles Betruges, aller Habsucht und Grausamkeit darstellen?
Elitropio: Das ist gewiß den Grundsätzen Eurer Philosophie gemäß, sofern Ihr meint, daß die Gegensätze in den Prinzipien und in den nächsten Objekten zusammenfallen. Denn eben dieselben Geister, welche für hohe, tugendhafte und edelmütige Handlungen die geeignetsten sind, sinken am tiefsten, wenn sie auf Abwege geraten. Dort finden sich die selteneren und auserleseneren Geister, wo im allgemeinen die unwissenderen und ungeschickteren sind, und wo meistenteils weniger gebildete und höfliche Leute sind, findet man in einzelnen Fällen Extreme von Bildung und Feinheit. Daher scheint den verschiedenen Geschlechtern das gleiche Maß von Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten in verschiedener Verteilung gegeben zu sein.
Filoteo: Ganz recht.
Armesso: Bei alledem bedaure ich wie viele andere mit mir, o Teofilo, daß Ihr in unserm lieben Vaterlande auf solche Subjekte gestoßen seid, die Euch zu einer solchen Aschermittwochslamentation Anlaß gegeben haben, und nicht auf so viele andere, die Euch gezeigt hätten, wie sehr dies unser Land, mag es auch immer von den Eurigen »gänzlich vom Erdenrunde entlegen« genannt werden, allen Studien edler Wissenschaften, der Waffen, der Ritterlichkeit, Bildung und höflicher Sitten ergeben sei. Soweit unsere Kraft reicht, suchen wir darin nicht hinter unsern Ahnen zurückzubleiben oder von anderen Völkern übertroffen zu werden, besonders von denen, welche sich einbilden, die edle Anlage, Wissenschaften, Waffen und Bildung wie von Natur zu haben.
Filoteo: Bei meiner Treue, Armesso, dem was Ihr darlegt, darf ich nicht, könnte ich auch nicht widersprechen, weder mit Worten noch mit Gründen oder auch nur innerlich; führt Ihr doch Eure Sache mit aller Geschicklichkeit bescheiden und gründlich. Deshalb erfaßt mich Euretwillen und um dessentwillen, daß Ihr mir nicht mit barbarischem Stolze genahet seid, Reue, und ich bedaure, daß ich von den oben erwähnten Leuten Anlaß genommen habe, Euch und andere Leute von ehrenwertester und humaner Gesinnung zu betrüben. Ich möchte deshalb, jene Dialoge wären nicht veröffentlicht, und wenn es Euch recht ist, so werde ich mich darum bemühen, daß sie fernerhin nicht ans Licht gelangen.
Armesso: Meine Betrübnis, sowie die anderer vortrefflicher Leute, stammt so wenig aus der Veröffentlichung jener Dialoge, daß ich eher dafür sorgen möchte, daß sie in unsere Landessprache übersetzt würden, damit sie den wenig oder übel gesitteten unter uns zur Lektüre dienen könnten. Vielleicht wenn sie sehen, mit welchem Abscheu ihre unhöflichen Manieren aufgenommen, in welchen Zügen sie geschildert worden und wie widerlich dieselben sind, wandeln sie sich, wenn sie sich durch gute Lehre und gutes Vorbild, das sie an den Besseren und Höheren sehen, von ihrem Wege nicht abbringen lassen, wenigstens um und bilden sich nach jenen aus Scham, unter jenes Gesindel gezählt zu werden, indem sie lernen, daß die Ehre der Personen und die Tüchtigkeit nicht in dem Können und Wissen davon besteht, auf welche Art man andere ärgert, sondern durchaus im Gegenteil.
Elitropio: Ihr zeigt Euch sehr verständig und gewandt in Sachen Eures Vaterlandes, und seid nicht, wie viele an Geist und Wert Arme, undankbar und unkenntlich für die guten Dienste anderer. Aber Filoteo scheint mir nicht so vorsichtig, um seinen Ruf zu wahren und seine Person zu verteidigen. Denn so verschieden adliges und bäurisches Wesen ist, so entgegengesetzte Wirkungen muß man auch von beiden hoffen oder fürchten. Denke Dir, ein scythischer Bauernknecht, der ein Gelehrter geworden, Glück gehabt und Ruhm erlangt hätte, verließe die Ufer der Donau und tastete mit kühnem Tadel und gerechter Anklage das Ansehen und die Majestät des römischen Senats an. Dieser würde aus jenes Mannes Tadel und Beleidigung Anlaß zu einem Akte äußerster Klugheit und Großmut nehmen und den strengen Tadler mit einer Kolossalstatue beehren. Denke dagegen, ein römischer Edelmann und Senator habe Unglück und wäre so wenig weise, daß er die lieblichen Gestade seiner Tiber verließe und gleichfalls mit gerechter Anklage und dem vernünftigsten Tadel die scythischen Bauern angriffe. Diese würden daraus Anlaß nehmen, die Beweise ihrer Unbildung, Ehrlosigkeit und Roheit zu babylonischen Türmen aufzuhäufen, ihn steinigen, der Volkswut die Zügel schießen lassen, um den andern Geschlechtern zu zeigen, welch ein Unterschied es sei, mit Menschen zu verkehren, oder mit solchen, welche nur nach dem Bild und Gleichnis von Menschen gemacht sind.
Armesso: Niemals, o Teofilo, werde ich es für gebührend halten, daß ich, oder ein anderer von mehr Witz als ich, die Sache und den Schutz der von Deiner Satire Getroffenen als von Landsleuten übernehme, zu deren Verteidigung uns das Naturgesetz selber treibt. Denn niemals werde ich zugestehen und niemals aufhören den zu bekämpfen, welcher behauptet, daß jene Leute Teile und Glieder unseres Vaterlandes seien. Dieses besteht aus ebenso edlen, gebildeten, sittlichen, wohlerzogenen, zartfühlenden, humanen, verständigen Leuten als irgend ein anderes. Wenn jene Art von Leuten darin vorkommt, so doch sicher nur als Schmutz, Hefen, Mist und Moders in keinem andern Sinne können sie Teile eines Reiches oder einer Stadt heißen, als wie auch die Jauche ein Teil des Schiffes ist. Weit entfernt daher, daß wir um solcher Leute willen empfindlich sein müßten, würden wir durch solche Empfindlichkeit vielmehr tadelnswert werden. Aus der Zahl jener schließe ich einen großen Teil der Gelehrten und Geistlichen nicht aus. Wenn auch einige von ihnen vermöge ihrer Doktoren-Würde große Herren werden, so kehren sie den bäurischen Stolz, den sie zuerst nicht zu zeigen wagten, nachher mit der Zuversichtlichkeit und dem Hochmut, der sich ihnen infolge des Rufes als Gelehrte oder Priester anhängt, dreist und prahlerisch heraus. Kein Wunder daher, wenn Ihr viele und aber viele seht, die in jener Doktoren- und Priesterwürde mehr nach Rindvieh, Herde und Stall schmecken, als die wirklichen Pferdeknechte, Hirten und Ackersleute. Deshalb möchte ich, Ihr hättet nicht so heftig gegen unsere Universität geeifert, indem Ihr gewissermaßen dem Ganzen nichts nachsahet noch bedachtet, was sie gewesen ist, in Zukunft sein wird oder sein kann und zum Teil doch auch jetzt ist.
Filoteo: Beunruhigt Euch nicht! Denn wenn sie auch bei dieser Gelegenheit getreu geschildert worden ist, so begeht sie doch jedenfalls keinen größeren Irrtum als alle anderen, die höher zu stehen glauben, und die unter dem höchst albernen Titel von Doktoren Pferde mit Ringen und Esel mit Doktorhüten erzeugen. Gleichwohl verkenne ich nicht, wie sehr sie von Anfang an wohl eingerichtet gewesen ist, die schönen Studienordnungen, die Würde des Zeremonials, die Verteilung der Übungen, die Schönheit der Trachten und vieles andere, was zum Bedürfnis und Schmuck einer Akademie beiträgt. Jedermann muß sie daher ohne Zweifel als die erste in ganz Europa und mithin in der ganzen Welt anerkennen, und ich leugne nicht, daß sie an Gewandtheit und Feinheit der Geister, wie beide Teile Britanniens sie von Natur erzeugen, allen denen, die wirklich die vortrefflichsten sind, ähnlich ist und gleichkommen mag. Nichtsdestoweniger hat sich das Andenken daran verloren, daß die spekulativen Studien, ehe sie noch in den anderen Teilen Europas wiedererwachten, an diesem Orte geblüht haben, und daß durch diese ihre Meister in der Metaphysik, wie barbarisch auch immer von Sprache und mönchisch von Profession sie waren, der Glanz eines herrlichen und hervorragenden Zweiges der Philosophie, welcher in unseren Zeiten beinahe erloschen ist, über alle andern Akademien nicht von Barbaren bewohnter Länder verbreitet worden ist. Aber was mich angewidert hat und mir zugleich Ekel und Lachen erregt, ist das, daß während ich nirgends Leute finde, die von Sprache mehr Römer, mehr Athener wären, als an diesem Ort, sie sich im übrigen – ich spreche von der großen Masse – rühmen, ihren Vorgängern durchaus unähnlich und entgegengesetzt zu sein. Diese waren freilich wenig besorgt um Beredsamkeit und grammatische Strenge und ganz auf die Spekulation gerichtet, welche von jenen Sophisterei genannt wird; aber ihre Metaphysik, mit der sie ihren Meister Aristoteles übertroffen haben, wenn auch immerhin getrübt und verunreinigt durch manche wertlose Schlüsse und Lehrsätze, die nicht philosophisch noch theologisch sind, sondern von einem müßigen und seine Kraft übel verwendeten Geiste zeugen – ihre Metaphysik steht mir doch unendlich höher, als alles was diese Männer der Gegenwart mit aller ihrer ciceronianischen Beredsamkeit und deklamatorischen Kunst vorbringen können.
Armesso: Das sind doch keine verächtlichen Sachen.
Filoteo: Gewiß nicht. Aber wenn man zwischen beiden wählen muß, so schätze ich die Ausbildung des Geistes, wie sehr sie auch sonst getrübt sein mag, höher als diejenige noch so beredter Worte und Redeweisen.
Elitropio: Das erinnert mich an den Bruder Ventura, der bei der Besprechung der Stelle der Heiligen Schrift: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!« bei Gelegenheit alle Namen von Münzen, die es zu den Zeiten der Römer gab und die er ich weiß nicht aus welchem alten Tröster oder welcher Scharteke aufgelesen hatte, – es waren mehr als hundertundzwanzig, – nach Gepräge und Gewicht anbrachte, um zu zeigen, wie fleißig und wie gelehrt er sei. Als nun am Schluß der Predigt ein Biedermann zu ihm trat und bat: »Ehrwürdiger Pater, seid so gut und leiht mir einen Carlin!« antwortete er, er gehöre zum Bettelorden.
Armesso: Zu welchem Zwecke erwähnt Ihr das?
Elitropio: Ich will damit sagen, daß die, welche in Redensarten und Namen sehr bewandert sind und sich nicht um die Sachen kümmern, denselben Gaul wie jener ehrwürdige Vater der Gäule reiten.
Armesso: Ich glaube doch, daß sie außer dem Studium der Beredsamkeit, in welcher sie alle ihre Vorgänger übertreffen und den andern Modernen nicht nachstehen, auch in der Philosophie und auf andern Gebieten der Spekulation nicht so bettelarm sind, da sie ohne deren gründliche Kenntnis zu keinem Grade promoviert werden können. Denn die Statuten der Universität, auf welche sie eidlich verpflichtet sind, bestimmen, daß niemand zur Magister- und Doktorwürde in der Philosophie und Theologie promoviert werden soll, wenn er nicht aus dem Brunnen des Aristoteles gründlich geschöpft habe.
Elitropio: O, ich will Euch sagen, wie sie es gemacht haben, um nicht meineidig zu werden. Von drei Brunnen, die sich bei der Universität befinden, haben sie dem einen den Namen Brunnen des Aristoteles gegeben; den andern nennen sie Brunnen des Pythagoras, den dritten Brunnen des Plato. Da sie nun aus jenen drei Brunnen ihr Wasser entnehmen, um Bier und dergleichen zu machen, – mit demselben Wasser werden freilich auch die Ochsen und Pferde getränkt, – so gibt es natürlich keinen Menschen, der nicht, auch wenn er sich kaum drei oder vier Tage in jenen Studien- und Kollegienhäusern aufgehalten hat, mit dem Brunnen nicht nur des Aristoteles, sondern auch außerdem mit dem des Pythagoras und Plato reichlich durchtränkt worden wäre.
Armesso: Ach, daß Ihr nur allzuwahr redet! Daher kommt es, Teofilo, daß die Doktoren zu so billigen Preisen fortgehen wie die Sardellen. Wie man sie mit wenig Mühe kreiert, findet, fischt, so kauft man sie auch für ein Geringes. Da nun bei uns die Masse der Doktoren in dieser Zeit so beschaffen ist, – den Ruhm einiger durch Redegabe, Gelehrsamkeit, weltmännische Bildung ausgezeichneter Männer, wie ein Tobias Matthew, Culpeper und andere, die ich nicht zu nennen weiß, immer ausgenommen – so fehlt viel daran, daß einer weil er sich Doktor nennt dafür gelte einen neuen Adelsrang zu haben; vielmehr ist er gerade der entgegengesetzten Natur und Beschaffenheit so lange verdächtig, als man nicht etwas von ihm besonders weiß. So kommt es, daß diejenigen, die von Geburt oder sonst adlig sind, auch wenn sie damit das schönste Teil des Adels, die gelehrte Bildung, verbinden, sich schämen, sich promovieren und zu Doktoren ernennen zu lassen, indem es ihnen genügt, gelehrt zu sein. Und von solchen findet man eine größere Zahl an den Höfen, als man Pedanten an der Universität findet.
Filoteo: Grämt Euch nicht darüber, Armesso! Denn überall, wo es Doktoren und Priester gibt, gibt es auch beide Arten von ihnen. Diejenigen, die wahrhafte Gelehrte und wahrhafte Priester sind, mögen sie auch aus niederem Stande emporgekommen sein, können nicht anders als gebildet und geadelt sein; denn die Wissenschaft ist der auserlesene Weg, um den menschlichen Geist zu erhabenem Streben zu entzünden. Jene andern aber erscheinen uns um so roher, je mehr sie, mit dem Divûm pater oder mit dem Giganten Salmoneus »hochdonnernd«, gleich einem Satyr oder Faun im Purpurgewande mit schreckeneinflößendem und gebieterischem Pompe einherschreiten, nachdem sie auf dem Katheder des Schulobersten ausgemacht haben, – nach welcher Deklination hic et haec et hoc nihil geht.«
Übrigens hat Brunos Freund Sidney durchaus dasselbe Urteil über die damalige Universität zu Oxford gefällt, er schreibt in einem seiner Briefe an seinem Bruder Robert: »Die vier Fakultäten sind auf eine zusammengeschmolzen, die der Wortweisen; um die Sache kümmern sie sich nicht, Worten jagen sie nach.« (Vgl. Frith, Life of G. Bruno p. 120.)
Die Schilderung, die Bruno im vorstehenden Dialoge von London gibt, ist nicht übertrieben. London war in jener Zeit eine Stadt von ca. 150 000 Einwohnern. Es war kaum mit Antwerpen zu vergleichen, und stand in vieler Hinsicht weit hinter Paris und Lissabon zurück. Seine hygienischen Verhältnisse waren so ungünstig, daß die Zahl der Todesfälle kaum die der Geburten überstieg. Ein Knäuel schmutziger enger Gassen, durch deren Mitte eine offene Gasse den Unrat abführte, die Häuser schmal und hoch mit überhängenden Giebeln, die das Tageslicht beschränkten; 120 Kirchen, unter ihnen schon die ungeheure Masse des alten Domes St. Paul mit seinem soliden viereckigen Turme; eine einzige breitere Straße führte vom Tower am Ufer der Themse bis Westminster-Hall und Southwerk-Bridge teils mit Läden und Magazinen, teils aber auch mit stattlichen Häusern, den Palästen der Vornehmen besetzt, deren jedes einen großen Garten besaß, der an die Themse grenzte.
Der Londoner Pöbel war wegen seines Fremdenhasses, wie auch Casaubon in einem Briefe an Baudius bemerkt, besonders berüchtigt, doch haben offenbar gerade diese wahrheitsgetreuen Schilderungen die Entrüstung des damals wohl schon ebenso wie jetzt sehr empfindlichen britischen Nationalstolzes gegen den Italiener hervorgerufen.
Zeitweilig scheint die Veröffentlichung des Dialoges auch das Verhältnis Brunos zum Gastgeber Lord Fulk Gréville getrübt zu haben, freilich anscheinend mehr auf Brunos Seite, als auf Seite des letzteren. In der Widmung seines spaccio an Sidney deutet Bruno an, daß Lord Gréville ihm nächst Sidney »als Zweiter die größten Wohltaten angeboten habe«, und fügt hinzu:
»und ich würde diese, so gewiß er selber sie erfüllt haben würde, auch nicht verschmäht haben, hätte nicht damals eine neidische Erinnys zwischen ihm und mir das Gift ihrer gemeinen, boshaften und unwürdigen Verleumdungen gestreut.«
Offenbar war aber in jener Zeit dieses Mißverständnis durch Sidneys Vermittlung beseitigt, denn Bruno verspricht a. a. O. zugleich, daß er diese Dialoge (den spaccio) zwar Sidney widme, dem er in erster Linie sich verpflichtet fühle, dem Lord Gréville aber einen andern Stoff vorbehalten wolle. Die ganze Haltung Brunos beweist, daß er weit entfernt von jeglichem Schmarotzertum mit jenen Edelmännern wie ein Gleicher mit Gleichen verkehrte.
Endlich ist es sehr bezeichnend für des Nolaners Persönlichkeit, daß er »mit Männern zwar sich schlagend, mit Weibern sich vertragend« seine im Aschermittwochsmahl gegen die Unhöflichkeit der englischen Männerwelt gerichteten Angriffe durch um so größere Huldigungen vor der englischen Frauenwelt wieder auszugleichen bemüht war. Man vergleiche in dieser Hinsicht seine überschwenglichen Huldigungen an »die tugendlichen und liebenswürdigen Damen Englands« im Vorwort der Eroici Furori und insbesondere den letzten poetischen Erguß dieser merkwürdigen Schrift:
»Mein Wasserreich,« singt hier Neptun, »umrauscht ein Inselland,
Wo wohlverwahrt vor dreisten Neiderblicken
Am gartenreichen, grünen Themsestrand
Die schönsten Nymphen mir mein Herz erquicken.«
Erläuterungen eingearbeitet. joe_ebc für Gutenberg.