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Fünfter Dialog

Die Sterne sind nicht anders am Himmel befestigt, als dieser Stern, der Erde heißt, in demselben Firmamente, dem Ätherraume befestigt ist; man darf ebensowenig von einer achten Sphäre sprechen dort, wo der Schwanz des Bären ist, als hier, wo die Erde ist, auf der wir wohnen; in einer und derselben Ätherregion, wie auf demselben großen Felde, in demselben Raum bewegen sich diese von einander durch passende Zwischenräume getrennten Weltkörper. Vernehmen Sie jetzt den Grund, weshalb man besondere Himmelssphären für die sieben Planeten und eine einzige für alle übrigen Sterne annahm! An den sieben Planeten bemerkte man verschiedene Bewegungen, an allen übrigen Sternen eine einzige regelmäßige, da sie unter einander stets dieselbe Entfernung behalten; man nahm also für letztere eine besondere gemeinsame Sphäre an, auf der sie befestigt seien, und zählte so mit jenen besonderen für die sieben Planeten insgesamt acht Sphären. Wenn wir jedoch so viel Einsicht und Verstand haben, um zu erkennen, daß der Schein der Himmelsbewegungen durch die Drehung der Erde verursacht wird, können wir auch leicht die Ungereimtheit dieser Annahme von acht Sphären erkennen und mit allen unpassenden Folgerungen dieser Phantasievorstellung aufräumen. Der Irrtum kommt daher, daß wir, wenn wir von unserem Standpunkte aus den Blick nach allen Seiten wenden, zwar die größere oder geringere Entfernung zwischen den uns näher befindlichen Gegenständen beurteilen können, daß uns aber über eine gewisse Grenze hinaus alle entfernteren Dinge gleichweit entfernt zu sein scheinen. So, wenn wir die Sterne am Firmament betrachten, erkennen wir zwar bei längerer Beobachtung die Unterschiede der Bewegungen und Entfernungen der uns benachbarten Gestirne, aber die weiter entfernten und ganz entlegenen erscheinen uns unbeweglich, immer in demselben Abstande, sowohl unter sich, wie im Verhältnis zu uns. Beispielsweise können uns zwei Bäume, die nahezu auf derselben Visierlinie stehen, ganz nahe an einander zu stehen scheinen, ja so, daß sie fast wie einer erscheinen, während andere, die auf verschiedenen Gesichtslinien stehen, weiter von einander entfernt zu sein scheinen. Daher wird oft ein Stern, der viel kleiner ist, uns als größer erscheinen, ein anderer, der viel entfernter ist, uns näher erscheinen. Man beachte z. B. folgende Zeichnung: O ist das Auge; O A B, O C, O D Länge, Entfernung und Visierlinie, A C, A B, C D Größe, Breite; hier erscheint dem Auge O-A und B als derselbe Stern, und wenn dieser Stern klar ist, wird er verhältnismäßig nah erscheinen, und der Stern C, weil er auf einem anderen Radius steht, wird uns viel entfernter erscheinen, obwohl er vielleicht näher ist. Wenn wir also nicht viele Bewegungen an jenen Sternen bemerken, wenn sie sich nicht von einander zu entfernen scheinen, so ist gleichwohl damit nicht gesagt, daß sie sich nicht bewegen, da sie doch aus denselben Gründen, die für die anderen bestehen, sich bewegen müßten. Wir dürfen sie also darum nicht für feststehend ansehen, weil sie scheinbar dieselbe Entfernung unter einander und zu uns behalten; ihre Bewegung ist uns lediglich nicht wahrnehmbar. Man kann Gleiches auf dem Meere bei sehr entfernten Schiffen beobachten, die, selbst wenn sie sich mit einer Geschwindigkeit von 30 oder 40 Knoten bewegen, gleichwohl oft festzustehen scheinen. Vergleichsweise werden wir bei viel größeren Entfernungen und ungeheuer großen und leuchtenden Körpern, deren manche und zahllose ebenso groß und hell sind wie die Sonne, ja noch vielmehr, deren viel größere Bahnen und Bewegungen nicht wahrnehmen; sollten diese Gestirne sich auch in Wirklichkeit allmählich nähern oder von einander entfernen, so würden zu ihrer Feststellung doch Beobachtungen von sehr langer Dauer und außerordentlicher Genauigkeit erforderlich sein, wie solche leider, da eben bislang niemand an solche Bewegungen geglaubt hat, noch nicht einmal im Anfangsstadium vorliegen; denn das Prinzip aller Erforschung ist zu wissen oder wissen zu wollen, daß bezw. ob die Sache sei oder wenigstens möglich sei, und nur von dieser Voraussetzung und Vorurteilslosigkeit zieht man Nutzen.

Prudentio: Rem acu tangis. »Du berührst die Sache mit der Nadel« (hast den Nagel auf den Kopf getroffen).

Teofilo: Nun ist diese Unterscheidung der Weltkörper in der Ätherregion bekannt gewesen dem Heraklit, Demokrit, Epikur, Pythagoras, Parmenides, Melissas, wie wir aus den geringen Fragmenten erkennen, die wir noch von ihnen haben; man ersieht daraus, daß sie einen unendlichen Raum kannten, eine unendliche Region, einen unendlichen Wald, eine unendliche Aufnahmefähigkeit für unzählige Welten, ähnlich dieser, welche ebenso ihre Kreise vollenden, wie die Erde den ihrigen, und die sie in ihrer alten Sprache aethria nannten, d. h. Renner, Kuriere, Botschafter, Gesandte des Reiches der Natur, des lebendigen Spiegels der unendlichen Gottheit. Dieser Name aethria ist ihnen dann von der blinden Unwissenheit genommen und auf gewisse fünfte Essenzen übertragen, mit welchen man, wie mit ebensoviel Nägeln, diese Lampen und Laternen befestigen zu müssen glaubte. Diese Renner haben ihr eigenes inneres Bewegungsprinzip, ihre eigene Natur, ihre eigene Seele, ihre eigentümliche Intelligenz; denn der flüssige und feine Äther ist nicht imstande, so dichte und große Maschinen zu bewegen; denn um das zu bewirken, bedürfte es einer Zugkraft oder Triebkraft, die sich nicht ohne Berührung wenigstens zweier Körper denken läßt, von denen der eine mit seiner Oberfläche stößt, der andere gestoßen würde. Und sicherlich haben alle Dinge, die auf diese Art bewegt werden, den Anfang ihrer Bewegung in einem gewaltsamen Stoße, der nicht ihnen natürlich ist, vielmehr gegen ihre Natur oder wenigstens außerhalb derselben entspringt. Folglich entspricht es der Natur seiender Dinge und der Wirkung der vollkommensten Ursache, daß eine Bewegung natürlich sei und aus einem innerlichen Prinzip entstehe, als eigener Antrieb ohne Widerstand. Vor allem ist solche Bewegung allen Körpern zuzuschreiben, die ohne wahrnehmbare Berührung eines anderen, der sie antreibt oder anzieht, sich bewegen. Darum haben diejenigen eine verkehrte Auffassung, die behaupten, der Magnet ziehe das Eisen an, der Bernstein das Stroh, der Mörtel die Feder, die Sonne den Heliotrop; vielmehr ist gewissermaßen im Eisen ein Sinn, der geweckt wird von einer seelischen Kraft, die sich von dem Magneten ausergießt, kraft dessen es sich zu diesem hinbewegt; ebenso verhält es sich mit dem Strohhalme im Verhältnis zum Bernstein: ganz allgemein bewegt sich alles, was Sehnsucht hat und ein Bedürfnis empfindet, nach der ersehnten Sache hin und vereinigt sich so eng als möglich mit dieser, begehrt mit dieser an demselben Raumort zu sein. Wenn man dies bedenkt, daß kein Ding sich durch eine äußere Ursache vom Platze bewegt, wofern es nicht durch eine kräftige Berührung des Widerstandes eines beweglichen Elements dazu gezwungen wird, so wird man es auch für unmöglich halten, ein verständiges Denken zu überzeugen, daß es der Mond sei, der das Wasser des Meeres in Bewegung setze, Flut und Ebbe erzeuge, die Säfte steigen lasse, die Fische befruchte, die Austern wachsen lasse und andere Wirkungen herbeiführe. Der Mond ist von allen diesen Dingen ein Zeichen, nicht aber die Ursache; ein Zeichen und ein begleitender Umstand, sage ich; denn wenn wir diese Erfolge bei gewissen Stellungen des Mondes eintreten sehen und ebenso andere entgegengesetzte und verschiedene Erfolge bei entgegengesetzten und verschiedenen Konstellationen, so hängt dies alles ab von einer gemeinsamen Ordnung und Wechselbeziehung der Dinge und von den Gesetzen einer Veränderung, die gleichwertig und entsprechend ist den Gesetzen, die die Veränderung der anderen Dinge bestimmen.

Smith: Die Unkenntnis dieses wichtigen Unterschieds ist der Grund, weshalb so viele alte Schmöker so sonderbare Philosophien enthalten, in denen Dinge, die nichts als Zeichen, begleitende Umstände und zufällige Nebenerscheinungen sind, Ursachen genannt werden, unter welchen Torheiten eine der vorherrschendsten die ist, zu behaupten, die senkrechten und geraden Strahlen seien die Ursache größerer Wärme und die schrägen und schiefen die größerer Kälte, was nur ein Nebenumstand ist. Die wahre Ursache ist, daß in dem einen Falle die Sonne länger auf der Erde verweilt, als im anderen. Ein anderes ist es, mit der Geometrie zu spielen, ein anderes mit der Natur Wahrheiten zu erforschen. Nicht die Linien oder Winkel sind es, welche mehr oder weniger Wärme erzeugen, sondern die nähere oder entferntere Lage, der längere oder kürzere Zeitraum der Einwirkung.

Teofilo: Das sehen Sie ganz richtig; so erhellt eine Wahrheit die andere. Um nun unsere Frage nochmals ins Auge zu fassen: wenn diese großen Körper durch äußeren Antrieb bewegt würden, wenn sie gewaltsam und zufällig bewegt würden, so würden sie, auch wenn sie jene Kraft hätten, die man als das Vermögen, nicht zu widerstreben (sog. Gesetz der Trägheit), bezeichnet, doch infolge dieses Nichtwiderstrebens eben dahin gelangen, wo es ihnen paßt. Der äußere Beweger würde sie also nicht ohne Mühe bewegen und doch überflüssig sein. Wollen Sie ihn für nötig halten, so beschuldigen Sie die wirkende Ursache eines Mangels in ihren Wirkungen. So machen es auch die, welche z. B. sagen, daß die Handlungen der Ameisen und Spinnen nicht aus ihrer eigenen Einsicht herrühren, sondern von einer höheren, über ihnen waltenden Einsicht, die ihnen gewissermaßen jenen Antrieb verschaffe, den man Instinkt nennt oder wofür man ein sonstiges sinnloses Wort hat. Fragt man nämlich so einen Gelehrten, was Instinkt sei, so weiß er nichts anderes zu erwidern, als Instinkt sei eben Instinkt, oder er gibt noch ein anderes, ebenso dunkles Wort an, das nichts erklärt.

Prudentio: Nimis arduae quaestiones! Solche Fragen sind allzu schwierig.

Smith: So machen es alle, die nicht auf das Verstehen, sondern auf hartnäckiges Glauben ausgehen. Aber ich möchte gern wissen, was man jenen antworten soll, die da meinen, die Erde könne sich nicht bewegen, da sie ein so großer, dichter und schwerer Körper ist. Ich möchte gern Ihre Ansicht darüber hören, da ich Sie so überzeugt von Ihrer Anschauung sehe.

Prudentio: Non talis mihi. Mir leuchtet es nicht ein.

Smith: Sie sind eben der reine Maulwurf!

Teofilo: Ich würde antworten, daß man ja ganz dasselbe vom Monde, von der Sonne, von all den zahllosen anderen Gestirnen behaupten kann, die doch selbst nach Ansicht der Gegner sich so schnell in so ungeheuer großen Bahnen um die Erde drehen. Was machen diese so großes Wesen daraus, daß die Erde sich in 24 Stunden um ihre Achse und in einem Jahre um die Sonne dreht? Wissen Sie nicht, daß weder die Erde noch überhaupt irgend ein Körper an und für sich schwer oder leicht ist? Kein Körper ist an und für sich schwer oder leicht; diese Eigenschaft haftet nicht an den wesentlichen und besonderen vollendeten Einzelwesen des Weltalls, sondern nur an Teilen derselben, die vom Ganzen getrennt sind und sich außerhalb ihres eigentlichen Elements, gewissermaßen in der Fremde befinden; diese suchen den Ort ihrer Selbsterhaltung aus demselben natürlichen Antriebe wieder zu gewinnen, aus dem das Eisen dem Magneten zustrebt. Die Teile der Erde streben aus der Luft nach unten, da hier unten ihre eigentliche Sphäre ist; wäre letztere dort oben, so würden sie ebenso nach aufwärts streben. Ebenso verhält es sich mit dem Wasser und Feuer. Das Wasser an seinem Platze ist nicht schwer, es belastet auch die nicht, die sich in den Tiefen des Meeres befinden. Der Arm, der Kopf und andere Glieder belasten nicht den eigenen Rumpf, und kein einziges an seinem natürlichen Platze befindliches Ding übt an diesem Platze Gewalt oder Druck aus. Wenn sich im Innern der Erde eine andere Art von Körperlichkeit befände, so würden die irdischen Teile von dort natürlicherweise emporsteigen. So sinkt das Wasser ebenso zum Mittelpunkte der Erde herab, wie es andrerseits auch wieder zur Oberfläche emporsteigt. Was will es sagen: schwer und leicht? Sehen wir nicht, daß die Flamme oft auch zur Tiefe und nach allen Seiten hin sich verbreitet, wo sie nur Nahrung und Daseinsbedingungen findet? Jedes Ding ist also da, wo es sich natürlich befindet, sehr leicht; jede natürliche Bewegung geht mit größter Leichtigkeit von statten.

Käme freilich es der Erde von Natur zu, festzustehen, so würde ihre Bewegung unnatürlich und gewaltsam sein. Aber wer hat das bewiesen? Die gemeine Unwissenheit, der Mangel an Sinn und Verstand.

Smith: Ich habe jetzt begriffen, daß die Erde an ihrer Stelle weder schwer noch leicht ist, ebensowenig wie die Sonne an ihrer, ebensowenig wie die Wasser in ihren Sphären, zu denen sie eben nur dann hindrängen, wenn sie durch einen Zwischenraum davon getrennt sind. So sehen wir oft auch Kometen und andere Flammenkörper, die ihre Flammen nach der entgegengesetzten Seite hin entsenden, als sogenannte Haarsterne, oder gegen uns, als Bartsterne oder nach anderen Seiten als Schweifsterne. Der Äther, der alles umfaßt und das Firmament der sphärischen Körper bildet, geht eben von allen Teilen aus, tritt in alle Teile ein, dringt durch alles hindurch, ergießt sich überall hin; daher ist es ein törichter Satz, den jene für die Unbeweglichkeit der Erde aus ihrer Schwere, Dichtigkeit und Kälte annehmen.

Teofilo: Ich danke Gott, daß ich Sie so einsichtig sehe und daß Sie mich der Mühe entheben, Ihnen das Prinzip klarzulegen, mit dem man auf diese und andere leichte Einwürfe der Vulgarphilosophie antworten kann; Sie sind bereits tief in das Wesen der Natur eingedrungen!

Smith: Bevor Sie jetzt auf andere Fragen kommen, möchte ich noch wissen, wie Sie beweisen wollen, daß die Sonne aus Feuer besteht und sich in der Mitte der Planeten befindet, zu welchen letzteren wir die Erde rechnen? Denn mir scheint es doch wahrscheinlicher zu sein, daß dieser Körper sich bewegt, als die anderen, wie uns die Sinneswahrnehmung zeigt.

Teofilo: Sagen Sie den Grund!

Smith: Die Teile der Erde, wo immer sie sich aus natürlichem Grunde oder durch Gewalt gehalten befinden, bewegen sich nicht. So sind auch die Teile des Wassers außerhalb des Meeres, die Flüsse und andere zusammenhängende Wassermassen ruhig. Aber alle Feuerteile, wenn sie keine Gelegenheit haben, nach aufwärts zu steigen, z. B. wenn sie in den Öfen eingeschlossen sind, sind immerfort in kreisender Bewegung. Wenn wir hieraus ein Argument entnehmen können, so ist es dies, daß von Natur eher dem Feuer und der Sonne als der Erde Bewegung zukommt.

Teofilo: Hierauf antworte ich zuerst, daß man einräumen kann, daß auch die Sonne sich um ihr eigenes Zentrum dreht, wenn vielleicht nicht gar noch um irgend ein anderes; hier genügt es mir, daß sämtliche in ihrem Bereiche befindlichen Weltkörper sich um sie drehen, da jene ihrer bedürfen, vielleicht auch deshalb, weil sie jener bedürftig ist. Zweitens ist zu beachten, daß das Element des Feuers der Träger der ersten Wärme ist und an sich ein ebenso dichter und in allen Teilen und Gliedern ungleicher Stoff, wie die Erde. Daher ist jenes Feuer, das wir draußen sich bewegen sehen, die brennende Luft, die wir Flamme nennen, wie dieselbe Luft, wenn sie von der Kälte der Erde alteriert ist, Dampf genannt wird.

Smith: Was ich eben sagte, wird doch auch dadurch bestätigt, daß der Dampf sich langsam und träge bewegt, die Flamme aber sehr schnell; denn jene ist dem Feuer, dieser der Erde näher verwandt.

Teofilo: Der Grund ist dieser, daß das Feuer dieser Gegend schneller zu entfliehen bestrebt ist, da diese der entgegengesetzten Qualität passender ist. Auch das Wasser oder der Dampf, wenn er sich in dem Bereiche des Feuers befände, würde von dort mit größerer Geschwindigkeit entweichen. Dies möge Ihnen genügen; denn für die Behauptung des Nolaners ist eine bestimmte Entscheidung über die Bewegung oder den Stillstand der Sonne unerheblich. Die Bewegung der Flamme im Ofen aber ist eine Folge dessen, daß die Kraft des Feuers die dunstige Luft, aus der es sich vermehren und ernähren will, verfolgt, entzündet, verändert und verwandelt, jene aber sich zurückzieht und den Feind ihres Wesens und ihrer Erhaltung flieht.

Smith: Ihr sprecht da von der dunstigen Luft; was werdet Ihr von der reinen und einfachen (dem Äther) sagen?

Teofilo: Dieser ist weder ein Träger der Wärme noch der Kälte; er ist nicht mehr aufnahmefähig für Feuchtigkeit, wenn er vom kalten, als für Dampf und Ausdünstung, wenn er von dem durch Wärme ausgedehnten Wasser durchsetzt wird.

Smith: Da die Natur überall mit Bewußtsein und niemals ohne Endzweck arbeitet, so möchte ich, um vollkommen alles zu verstehen, was Sie gesagt haben, noch wissen, welches der Zweck der räumlichen Bewegung der Erde ist.

Teofilo: Der Zweck ist die Erneuerung und Wiedergeburt dieses Körpers, der aus demselben Grunde nicht beständig ist, der alle Wesen, die, um den gewöhnlichen Ausdruck zu gebrauchen, in ihrer Zahl d. h. als Individuen nicht beständig sind, nötigt, sich wenigstens ihrer Art nach zu erhalten; die Substanzen, welche sich nicht in demselben Aussehen erhalten können, verändern eben ihre Gestalt. Denn die Materie und das Wesen der Dinge ist unzerstörlich und hiernach müssen alle ihre Teile allen Formen unterworfen sein, sodaß schließlich alle ihre Teile im ewigen Wechsel der Zeit in deren verschiedenen Augenblicken nach und nach und wechselweise alles werden. Die Materie ist für alle Formen als Ganzes empfänglich, ihre einzelnen Teile aber können an dieser Formfähigkeit nur successiv teilnehmen. Für die ganze Masse, die diesen Globus zusammensetzt, gibt es keinen Tod und keine Auflösung, die Vernichtung der ganzen Natur ist eine Unmöglichkeit; daher müssen sich von Zeit zu Zeit nach einer bestimmten Reihenfolge alle ihre Teile verändern und erneuern, indem ein Teil an die Stelle des anderen tritt; denn andernfalls müßten auch diese Körper, da sie auflösbar sind, sich wirklich einmal so vollständig auflösen, wie dies bei uns, den besonderen und kleineren Lebewesen geschieht. Aber zu jenen ist, wie Plato im Timaeus sagt und auch wir glauben, vom ersten Weltgrunde gesagt worden: »Ihr seid zwar zerstörlich, aber Ihr sollt nicht zerstört werden!« Dieser Satz widerspricht dem bekannten Gemeinplatze, daß alles, was einen Anfang in der Zeit habe, auch ein Ende haben müsse. Dieser Satz aber, der oft auch zur Widerlegung des individuellen Unsterblichkeitsglaubens benutzt wird, hat in der Tat nur eine sog. empirische Wahrscheinlichkeit und ist keineswegs eine notwendige (apriorische) Wahrheit. Wir finden ihn zuerst bei Aristoteles ( de coelo 1, 10); er schreibt: »Zu behaupten, etwas sei entstanden, aber dennoch immerwährend, gehört zu den Unmöglichkeiten; denn man kann doch nur jenes wohlbegründet aufstellen, wovon wir sehen, daß es bei vielem oder bei allem stattfinde, betreffs dieser Behauptung aber trifft gerade das Gegenteil zu, denn es zeigt sich, daß alles, was entsteht, auch vergeht.«
Aber die Beweiskraft einer solchen Induktion ist doch keineswegs zwingend. Beneke wendet in seiner Metaphysik p. 211 mit Recht dagegen ein: »Ein notwendiges (logisches) Zusammen zwischen Gewordensein und Wiedervergehen brauchen wir keineswegs anzunehmen. Auch in der menschlichen Seele finden wir außer dem sinnlichen Urvermögen alles geworden: alle unsere Kenntnisse, Talente, Charaktereigenschaften, unser Ich selbst aus einer unendlichen Menge von Spuren zusammengewachsen. Dessenungeachtet aber finden wir kein Hindernis, uns zu denken, daß das in dieser Art Gewordene unter allen später dafür eintretenden Entwicklungsverhältnissen unauflösbar wäre; was auch unstreitig der Fall sein muß, wenn die Unsterblichkeit für uns Wert haben sollte.«
Wir sehen, daß schon Plato und hier ihm folgend Bruno jenen viel mißbrauchten mephistophelischen Gemeinplatz, daß »alles, was entsteht, ist wert, daß es zugrunde geht« nicht gelten ließ; er ist in der Tat ein Schibboleth des Schlechtigkeitspessimismus, der an eine gute Wurzel des Daseins nicht glauben will; denn hätte jener Satz recht, so dürfte man auch mit Mephisto hinzusetzen: »Drum besser wär's, daß nichts entstünde!«
Daher kommt es, daß kein Teil sich im Mittelpunkte und Inneren dieses Sternes findet, der nicht einmal an dessen Oberfläche und auf den Umfang gelangen wird, und kein Teil sich auf seiner Außenseite befindet, der nicht auch einmal sein Innerstes bilden wird. Das bestätigt die Erfahrung jedes Tages, einige Dinge kehren in den Schoß der Erde zurück, andere treten aus ihm hervor. Und wir selber und unsere Bestandteile kommen und gehen, scheiden und kehren zurück, und wir besitzen nichts, was nicht einmal uns fremd würde, und nichts ist uns fremd, was nicht einmal unser würde. Wenn es nur eine Materie gibt, so muß dies in einer Gattung, wenn es aber zwei gibt, in zwei Gattungen stattfinden; denn darüber besteht noch keine Gewißheit, ob auch die Substanz oder Materie, die wir die geistige nennen, sich in diejenige verwandelt, die wir körperlich nennen, und umgekehrt. Jedenfalls erleiden alle Dinge in ihrer Gattung jeden Wechsel von Herrschaft und Knechtschaft, Glück und Unglück, von jenem Zustande, den man Leben nennt, und jenem, der Tod genannt wird, von Licht und Finsternis, von Gut und Böse. Kein Ding ist ewig, ausgenommen die Materie, diese aber nur in beständiger Verwandlung. (Von der überwesentlichen Substanz spreche ich hier nicht.) – Aber ich kehre zu diesem großen Individuum zurück, von dem wir reden, zu unserer beständigen Mutter und Ernährerin, bezüglich deren Sie gefragt hatten, was die Ursache ihrer räumlichen Bewegung sei. Und ich sage, die Ursache der ganzen Bewegung, sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtheit als ihrer einzelnen Teile ist der Wechsel, nicht nur, daß alles sich in allen Orten befinden soll, sondern auch, daß alles durch diese Veränderung an allen Dispositionen und Formen teilnehme: denn die räumliche Bewegung ist das Prinzip jeder anderen Veränderung und Form; ist sie genommen, so entfällt auch jede andere Wirkung.

Auch Aristoteles hat davon im ersten Buche seiner Meteora gesprochen, wenngleich nur nach Art eines Sehers. Nicht immer, sagt er, sind dieselben Gegenden der Erde feucht oder trocken, sondern sie ändern sich mit der Entstehung und dem Verschwinden der Flüsse. Denn das, was Meer war und ist, ist nicht immer Meer gewesen und wird es nicht immer sein; und was jetzt Festland ist, war nicht immer Festland und wird es nicht immer sein; sondern es gibt einen gewissen Wechsel, eine bestimmte Reihenfolge und einen Kreislauf; wo das eine war, wird das andere sein, wo das andere ist, wird das eine sein. Und fragen Sie den Aristoteles nach der Ursache dieses Wechsels, so antwortet er, die inneren Teile der Erde haben wie Pflanzen und Tiere eine Zeit ihrer höchsten Blüte und verfallen dann dem Alter. Aber es ist doch ein Unterschied zwischen der Erde und den anderen genannten Körpern. Denn letztere haben als ganze und für alle ihre Teile gleichzeitig eine Periode des Wachstums und darnach eine des Verfalls, wie er sagt, des Alterns: in der Erde findet dieser Wechsel nach und nach von Teil zu Teil statt, durch die Reihenfolge von Wärme und Kälte, welche Wachstum und Minderung zur Folge hat.

Daher bleiben die mit Wasser bedeckten Stellen nur für eine Zeit lang der Herrschaft des Wassers unterworfen, sie werden später wieder trocken und andere Stellen werden statt dessen mit dem Wasser erfrischt. Daher sehen wir Quellen verschwinden, große Flüsse kleiner werden oder gar schließlich austrocknen. Und wenn die Flüsse eingehen, müssen sich notwendigerweise auch die Sümpfe und Seen, ja selbst die Meere verändern; freilich geschieht das alles in sehr großen Zeiträumen und vielfach geht darüber das Gedächtnis ganzer Völker verloren, inzwischen vollziehen sich oft die größten Zerstörungen und Umwälzungen durch Kriege, Seuchen, Überschwemmungen, Veränderungen der Sprachen und des Schrifttums, Völkerwanderungen und Unfruchtbarkeit der Gegenden, sodaß man nach Verlauf vieler ereignisreicher Jahrhunderte kaum die frühere Beschaffenheit der Gegenden wiedererkennen könnte. Welche Veränderungen weist nicht der Ausfluß des Nil auf seit jenen alten Zeiten, wo daselbst noch die Stadt Memphis bewohnt war, oder Argos und Mykene; zur Zeit der Trojaner war ersteres sumpfig und nur schwach bewohnt, letzteres fruchtbar und stark bevölkert; in unserer Zeit ist es umgekehrt, Mykene ist ganz trocken und Argos gemäßigt und fruchtbar geworden. Was sich im kleinen abspielt, findet auch im großen und ganzen statt. Viele Teile, die in unvordenklicher Zeit unter Wasser standen, sind jetzt Festland geworden, andere stattdessen dem Meere verfallen; solche Veränderungen vollziehen sich ganz allmählich, das beweisen uns die Spuren des Meeres an den höchsten und jetzt von der Küste entferntesten Gebirgen, die oft noch so frische Spuren von Wellen und Fluten zeigen. Aus der Geschichte des nolanischen Märtyrers Felix geht hervor, daß zu dessen Lebenszeiten, also vor noch nicht ganz 1000 Jahren, das Meer dieser Stadt sehr nahe war; befindet sich doch ein Tempel, der den Namen Hafentempel führt, dort, von wo es jetzt 12 Meilen entfernt ist. Zeigt sich nicht dasselbe in der ganzen Provence? Alle dort zerstreut auf den Feldern liegenden Steine zeigen die Spur früherer Bewegung durch Meereswellen. Das Klima Frankreichs muß sich seit Cäsars Zeit nicht wenig gemildert haben. Damals war dieses Land nirgends für Weinkultur geeignet, jetzt bringt es so kostbare Trauben hervor, wie nur irgend ein anderer Teil der Welt. Und noch in diesem Jahr habe ich Trauben aus den Gärten von London gegessen, die zwar nicht so vollkommen waren, wie die schlechtesten in Frankreich, immerhin aber von einer Güte, die man in dieser nördlichen Breite kaum hätte erwarten mögen. Wenn also Italien und Frankreich mit der Zeit ein wärmeres Klima erhalten haben und England milder wird, so darf man allgemein annehmen, daß die Kälte nach dem Nordpol hin im Abnehmen begriffen ist. Fragt man nun den Aristoteles, woher dies kommt, so antwortet er: Von der Sonne und der Kreisbewegung. Mir scheint dies nicht so sehr eine dunkle, als vielmehr tiefsinnige und wahre Äußerung zu sein. Zwar nicht im philosophischen, sondern mehr im divinatorischen Sinne. Vielleicht wagte er nur nicht zu sagen, was er klar verstand; vielleicht sah er, aber glaubte nicht, was er sah, oder wenn er es glaubte, fürchtete er sich, es einzugestehen, damit nicht jemand ihn dafür einen Grund beizubringen nötigte, den er nicht hatte. Er teilt es uns mit, wie einer, der dem, der mehr wissen möchte, den Mund verschließt; oder vielleicht entnahm er diese Ausdrucksform den älteren Philosophen. Er sagt also, daß die Wärme, die Kälte, die Trockenheit, die Feuchtigkeit auf allen Teilen der Erde ab- und zunimmt, und fügt als Grund hinzu: propter solem et circumlationem. Warum aber sagt er nicht: propter solis circumlationem? Weil es bei ihm und allen Philosophen seiner Zeit und Richtung feststand, daß die Sonne durch ihre Bewegung diese Veränderung nicht bewirken könne; denn soweit die Ekliptik sich vom Äquinoktialpunkte entfernt, hält sich die Sonne immer zwischen den beiden Wendepunkten; darnach müßten die Zonen und Klimate stets in derselben Lage verharren. Warum sagte er nicht: infolge einer Drehung der ersten beweglichen? Weil er keine andere Bewegung kannte und weil man zu seiner Zeit noch kaum an eine Verzögerung dieser Bewegung, ähnlich derjenigen der Planeten dachte. Warum sagte er nicht: infolge einer Bewegung des Himmels? Weil er nicht sagen konnte, wieso eine solche stattfinden könne. Warum sagte er nicht: infolge einer Bewegung der Erde? Weil er von der Voraussetzung ausging, daß die Erde unbeweglich sei. Warum also sagte er es? Weil ihn die Wahrheit dazu nötigte, die sich durch ihre natürlichen Wirkungen hörbar macht. Es bleibt also nichts zur Erklärung übrig als Sonne und Bewegung. Sonne, sage ich, weil diese das einzige ist, was Leben erzeugt; Bewegung, weil, um an diesem Leben teilzunehmen, entweder sie sich zu den anderen Körpern hinbewegen muß oder diese zu ihr. Es muß also notwendig Bewegung stattfinden, und zwar eine solche, die allen Teilen gerecht wird. Nun aber können wir viel eher annehmen, daß diese Erdkugel sich in einer jährlichen Bahn um den Herd des Feuers bewegt, als daß umgekehrt die Sonne und die Gesamtheit der Sterne sich um sie bewegt.

Smith: Lassen Sie uns diesen Punkt jetzt voraussetzen! Denn was mich betrifft, so halte ich es für durchaus gewiß, daß viel eher die Erde sich notwendig bewegt, als jenes ganze Gewölbe mit den angeblich daran festgenagelten Lampen.

Wenn's Ihnen beliebt, so seien Sie so gut, mir die Bewegungsarten dieser Erdkugel auseinanderzusetzen!

Teofilo: Recht gern: denn diese letzte Abschweifung hat mich schon gar zu lange davon abgehalten, den Schluß der Notwendigkeit und des Fatums klarzustellen, daß sämtliche Teile der Erde nacheinander aller Ansichten und Stellungen zur Sonne teilhaftig werden und zu Trägern aller klimatischen Zustände und Gestaltungen werden müssen. Zu dem Ende ist es eine statthafte und notwendige Annahme, daß die Bewegung der Erde eine solche sei, daß in bestimmter Reihenfolge, wo jetzt Meer ist, Festland werde und umgekehrt, daß es, wo es jetzt warm ist, kalt werde und umgekehrt, daß wo jetzt ein weniger bewohnbares und weniger gemäßigtes Klima herrscht, ein bewohnbares und gemäßigtes eintrete, kurz, daß schließlich jeder Teil in jede Stellung gelange, welche alle anderen Teile zur Sonne gehabt haben, auf daß jeder Teil an jedem Leben, an jedem Erzeugnis, an jedem Guten teilnehme. Erstens nun dreht sich die Erde zur Erhaltung ihres Lebens und desjenigen der Wesen, die sie umfaßt, und um mit der täglichen Wärme und Kälte, mit Licht und Finsternis ein- und auszuatmen, in einem Zeitraume von 24 gleichen Stunden um ihren eignen Mittelpunkt, soweit es möglich ist, der Sonne die ganze Oberfläche bietend. Zweitens umkreist sie zwecks Wiedererzeugung der Dinge, die auf ihrer Oberfläche leben und vergehen, mit ihrem Mittelpunkte den leuchtenden Sonnenkörper in 365 und ungefähr ¼ Tagen, wobei sie durch 4 Punkte der Ekliptik die Abschnitte der Erzeugung, des Wachstums, des Bestandes und des Eingehens ihrer Dinge bestimmt. Drittens nimmt sie mit der Wiederkehr der Jahrhunderte teil an einer anderen Bewegung, durch welche die Stellung ihrer oberen Halbkugel zum Universum mit derjenigen der unteren abwechselt. Viertens, wegen der Veränderung der Ansichten und Beschaffenheiten der Erde muß man ihr notwendig noch eine andere Bewegung zuschreiben, durch welche die Lage des Nordpols der Erde zum Nordpol des Firmaments sich mit derjenigen des Südpols zum Nordpol des Sternenhimmels austauscht. Die zweite Bewegung mißt man von einem gedachten Punkte der Ekliptik d. h. der Erdbahn um die Sonne bis dahin, wo sie zu demselben oder genauer nur in die Nähe derselben zurückkehrt. Die dritte Bewegung mißt man durch die Lage, welche ein Breitengrad, der den Horizont mit seinen Unterschieden bestimmt, zum Universum einnimmt, bis dahin, daß dieselbe Gradlinie oder eine ihr entsprechende in dieselbe zurückkehrt. Die vierte Bewegung mißt man durch den Fortschritt eines polaren Punktes der Erde, welcher sich durch die Gerade irgend eines Meridians zum anderen Pole bewegt und so zu demselben oder ungefähr zu derselben Stellung zum Firmament zurückkehrt. Und hierbei ist zu bedenken, daß wir zwar sagen, es seien vier Bewegungen, daß diese aber in einer einzigen zusammengesetzten Bewegung sich vereinigen.

Von diesen vier Bewegungen erkennt man die erste daran, daß innerhalb eines natürlichen Tages scheinbar alles sich um die Erde dreht, wie man sagt, um die Pole der Welt. Die zweite erkennt man daran, daß es den Anschein hat, als ob die Sonne innerhalb eines Jahres den ganzen Tierkreis durchwandle, mit jedem Tage nach Ptolemäus im 3. Hauptstück des Almagest 59' 8" 17"' 13"" 12""' 30""", nach Alfons 59' 8" 11"' 37"" 19""' 13""" 56"""', nach Kopernikus 59' 8" 11"'

Die dritte Bewegung erkennt man daraus, daß es scheint, als ob die achte Sphäre mit der Reihenfolge der Zeichen der täglichen Bewegung entgegen sich um die Pole des Tierkreises so langsam drehe, daß sie in je 200 Jahren nicht mehr als 1° 28' vorrückt, sodaß sie in 49 000 Jahren den Kreis vollendet, und die Ursache dieser Bewegung suchen sie in einer neunten Sphäre. Die vierte Bewegung erkennt man an einer Schwankung, einem Vorrücken und Rückschreiten, welches die Sphärengläubigen durch eine Drehung der achten Sphäre um zwei gleiche Kreise erklären innerhalb der Hohlkugel der neunten Sphäre, um den Anfangspunkt des Widders und der Wage im Tierkreise. Aus dieser Beobachtung ist zu folgern, daß es notwendig sei, daß die Ekliptik der achten Sphäre den Äquator nicht immer an denselben Punkten schneide, sondern daß diese Kreuzungspunkte sich bald am Kopfe des Widders, bald diesseits oder jenseits desselben in der Ekliptik befinden, da man sieht, daß die größten Deklinationen des Tierkreises nicht immer dieselben sind, was zur notwendigen Folge hat, daß die Äquinoktial- und Solstitialpunkte sich fortwährend verändern, was in der Tat seit langer Zeit beobachtet ist.

Bedenken Sie nun erstens, daß, obwohl wir hier von vier Bewegungen sprechen, diese nichtsdestoweniger doch alle in einer zusammengesetzten zusammenfallen; zweitens, daß, obwohl man sie als Kreisförmige bezeichnet, dennoch keine derselben eine wahrhaft kreisförmige ist; drittens, daß, obwohl viele sich bislang bemüht haben, die wahre Regel dieser Bewegungen zu finden, dennoch alle solche Bemühungen umsonst gewesen sind! Denn keine derselben ist einer regelmäßigen geometrischen Verzeichnung fähig. Es sind also vier Bewegungen; – und mehr oder weniger Veränderungen in der räumlichen Lage der Erde, meine ich, kann es nicht geben; und wenn eine von ihnen unregelmäßig ist, so müssen notwendigerweise auch die anderen von der Regel abweichen. Ich will versuchen, sie an der Bewegung eines in die Luft geschleuderten Balls zu veranschaulichen. Derselbe bewegte sich erstens mit dem Mittelpunkte von A nach B; zweitens, während er sich so von unten nach oben oder von oben nach unten bewegt, drehte er sich um sein eigenes Zentrum, indem er I nach dem Orte von K und von K nach dem Orte von I bewegt; drittens, wende er sich allmählich und nehme gleichzeitig an geradliniger und Drehungsgeschwindigkeit zu oder ab, wie dies mit einem Ball geschieht, der, wenn er in die Höhe steigt, sich anfangs schneller und allmählich langsamer bewegt und umgekehrt, zurückfällt, und in den mittleren Entfernungen, durch die er aufsteigt oder zurückfällt, ein mittleres Verhältnis erlangt zwischen jener Haltung, welche die mit 1 2 3 4 bezeichnete Hälfte seines Umkreises hat, und der anderen mit 5 6 7 8 bezeichneten. Viertens, da dieser Ortswechsel nicht geradlinig geschieht, da ja die Erde nicht wie ein Rad läuft, das vom Moment der Schwere beständig in seiner Kreisbahn erhalten wird, sondern sich neigt als eine nicht ganz regelmäßige Kugel, die sich leicht nach allen Seiten neigen kann, so tauschen sich die Punkte I und K nicht immer durch dieselben Geraden aus, vielmehr ist es notwendig, daß sie bei längerem oder kürzerem Zeitverlauf kontinuierlich oder mit Unterbrechungen sich so auseinanderschieben, daß sie zugleich jene Bewegung verwirklichen, die den Punkt O an die Stelle des Punktes V gelangen läßt und umgekehrt.

Bei diesen Bewegungen genügt die Unregelmäßigkeit einer einzigen, um auch die Regelmäßigkeit der übrigen zu stören; wenn eine unbekannt ist, so macht sie auch die sämtlichen anderen unbekannt. Gleichwohl haben sie doch eine bestimmte Ordnung, derzufolge sie sich von der Regelmäßigkeit mehr oder weniger entfernen oder ihr nähern. Von diesen Bewegungen ist diejenige, welche der vollkommenen Regelmäßigkeit am nächsten kommt, die des Mittelpunkts. Ihr zunächst kommt diejenige um den Mittelpunkt, durch den Diameter, welche schneller ist. Die dritte ist diejenige, welche mit der Unregelmäßigkeit der zweiten, die eine Beschleunigung oder auch Verlangsamung bewirkt, allmählich den ganzen Anblick der Hemisphäre verwandelt. Die letzte, unregelmäßigste und unbestimmteste ist die, welche die Seiten ändert, denn sie geht häufig anstatt vorzurücken wieder rückwärts und wechselt so mit großer Unbeständigkeit schließlich die Stelle eines Punktes mit derjenigen seines entgegengesetzten.

Ähnlich verhält es sich mit der Erde. Diese hat erstens die jährliche Bewegung ihres Zentrums, die regelmäßiger ist und mehr sich selbst bleibt, als die anderen; zweitens die weniger regelmäßige tägliche; drittens die unregelmäßige sogenannte hemisphärische, und viertens die polare oder kolurale Bewegung, welche die unregelmäßigste ist. Die beiden ersten Bewegungsarten, die Bruno der Erde zuschreibt, ihre Bahn um die Sonne und ihre Achsendrehung, sind an sich heutzutage gemeinverständlich. Hervorzuheben ist nur, daß Bruno neben Kopernikus als der Erste dasteht, der diese heutzutage gemeinverständlichen Wahrheiten, welche mit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung wieder von der Nacht der Unwissenheit und des Aberglaubens verschlungen wurden, wiedererkannt und sozusagen wiedererkämpft hat. Daß im griechischen Altertum der Astronom Aristarch von Samos (c. 250 Jahre v. Chr.), der u. a. auch schon die Entfernung des Mondes von der Erde annähernd richtig berechnete, die Bewegung der Erde und der anderen Planeten um die Sonne gelehrt hat, steht unbestritten fest. Es ist wahrscheinlich, daß Kopernikus nur diesen überlieferten Gedanken Aristarchs wieder aufgenommen und sich in mathematisch etwas beengter Weise an denselben gehalten hat, während Bruno sichtlich mit kühner Anschauung und genialer Analogie darüber hinausschreitet und sowohl die Abweichung der Planetenbahnen von der strengen Kreisform als auch zu allererst den Sonnencharakter der Fixsterne voraussetzt.
Einige Schriftsteller möchten freilich Bruno selbst in seinen naturwissenschaftlichen Anschauungen, in denen er seiner Zeit um Jahrhunderte voraussah, zu einem bloßen Nachbeter des Kardinals von Cusa, der gewöhnlich schlechthin als der Cusaner bezeichnet wird, degradieren. Diese dürften aber weder mit solchen klaren Stellen in den Werken Brunos, wie die vorstehende eine ist, noch mit den schwer verständlichen Schriften jenes Mystikers vertraut sein. Allerdings findet sich – nicht in den gedruckten Schriften, – sondern in einen dem Cusaner, ich weiß nicht mit welchem Rechte, zugeschriebenem Manuskripte eine unklare Phantasie über Bewegung der Erde, die auf dem metaphysischen Gedanken beruht, daß ohne Bewegung allein das Weltzentrum sein könne, und daß also, da nicht die Erde, sondern Gott das Weltzentrum sei, auch die Erde nicht ohne Bewegung sei. Man lese aber die fragliche von Clemens in seinem Buche: Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa, Bonn 1847, S. 95, mitgeteilte Handschrift nach, um sich zu überzeugen, daß Mädler in seiner Astronomie I. S. 118 dem Kardinal mit Recht jede Ahnung des wahren Weltsystems abstreitet. Der Kardinal ist nur geneigt, eine undefinierbare Bewegung nicht der Erde um die Sonne, sondern der Erde mit sämtlichen Gestirnen, einschließlich der sich nach ihm um die Erde drehenden Sonne, um das metaphysische Weltzentrum und die Pole des Universums anzunehmen.
Was die 3. und 4. von Bruno angenommene Bewegung betrifft, so schien es mir früher nahezuliegen, in der 3. eine Erklärung der Präzession und in der 4. die Nutation zu finden, und so habe ich auch in meinem Anhang zur ersten Auflage des spaccio, S. 365 unter Zitation der im Lehrgedicht de Immenso I, c. 3. v. 1-6 befindlichen Parallelstelle dem Nolaner eine Divination der richtigen Erklärung der Nutation zugeschrieben. Bekanntlich ist die von Hipparch (160-125 v. Chr.) entdeckte Präzession, das scheinbare Fortschreiten der Nachtgleichen auf der Grundlage der heliozentrischen Anschauung dadurch zu erklären, daß die Ebene des Himmelsäquators, also die Richtung der auf dieser rechtwinklig stehenden Erdachse allmählich ihre Stellung ändert und in einem Zeitraum, den Hipparch irrtümlich nach unzulänglichen Beobachtungen auf 36 000 Jahre, Bruno aber oben noch unrichtiger aus 49 000 Jahre veranschlagt, und der in Wirklichkeit ungefähr 26 000 Jahre beträgt, – einen Kreis um die Pole der Ekliptik beschreibt. Innerhalb dieses Zeitraums nun wiederholt sich in Perioden von ungefähr 18½ Jahren noch eine besondere Schwankung der Erdachse, – und dies ist die erst im 18. Jahrhundert von Bradley entdeckte Nutation, eine Bewegung, die so zu erklären ist, daß der Pol P (vgl. Zeichnung Nr. 3) zur Präzession keinen reinen Kreis, sondern eine wellenförmige Kurve beschreibt und sich auf einer kleinen Ellipse bewegt, deren Mittelpunkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit die Kreisbahn der Präzession zurücklegt.
Indes möchte ich jetzt doch annehmen, daß Bruno von dieser Nebenschwankung der Nutation noch keine Ahnung gehabt haben kann, und halte es für wahrscheinlicher, daß sich Brunos dritte und vierte Bewegung einfach dadurch erklärt, daß er, einem früheren Herkommen gemäß, die Präzession selbst nach Rektaszension und Deklination in zwei Bestandteile zerlegt.
Daß er übrigens auch der Präzessionsbewegung eine weit größere Ausdehnung zuschreibt, als die wissenschaftliche Astronomie bestätigen kann, indem er eine schließliche totale Stellungsänderung der Erdachse annimmt, beruht auf seinem zur Erklärung derselben angewandten metaphysischen Grundsatz, daß jedes Element alle möglichen Änderungen durchlaufen müsse.
Die physische Ursache jener periodischen Schwankungen ist in den Störungen (Perturbationen) zu suchen, die jeder Planet und so auch die Erde durch die Anziehungskräfte von seiten aller übrigen Planeten erfährt. Diese Störungen aber halten sich eben innerhalb gewisser periodischer Grenzen und lassen in der Gesamtheit der Achsenstellungen und Neigungen der Planetenbahnen das bestehen, was man die Stabilität des Weltsystems nennt oder auch sein »bewegliches Gleichgewicht« nennen könnte.

Smith: Ich möchte doch wissen, in welcher Ordnung und Regel der Nolaner diese Bewegungen uns anschaulich machen würde!

Prudentio: Ecquis erit modus? Novis usque et usque semper indigebimus theoriis? Gibt es denn gar kein Maß? Immer und immer mehr neue Theorieen werden wir nötig haben!

Teofilo: Seien Sie unbesorgt, Prudentio; denn vom guten Alten soll nichts verschüttet werden! Ihnen aber, Herr Smith, werde ich jenen Dialog des Nolaners schicken, der den Titel führt: Fegefeuer der Hölle; dort werden Sie die Frucht der Erlösung finden! Sie, Herr Frulla, halten Sie unsere Gespräche geheim, daß nichts davon denen zu Ohren komme, über die wir uns aufgehalten haben; sie möchten sich noch mehr gegen uns erzürnen und uns neue Veranlassung geben, sie noch schlechter zu behandeln und noch mehr zu züchtigen! Sie aber, Magister Prudentio, machen Sie jetzt den Schluß und halten Sie einen moralischen Epilogus zu unserem Tetralog; denn der spekulative Stoff, den wir dem Aschermittwochsmahl entnommen haben, ist erschöpft!

Prudentio: Ich beschwöre Dich, o Nolaner, bei der Hoffnung, die Du auf die höchste und unendliche Einheit setzest, die Dich belebt und die Du anbetest, bei den erhabenen Gottheiten, die Dich beschützen und die Du verehrst, bei Deinem göttlichen Genius, der Dich verteidigt und auf den Du vertraust, er möge Dich bewahren vor gemeinen, unedlen, barbarischen und unwürdigen Unterhaltungen, auf daß nicht schließlich Verdruß und Ärger Dich dauernd in eine so verbissene Stimmung versetze, wie sie den satirischen Momus unter den Göttern und den Menschenfeind Timon unter den Menschen auszeichnete! Tröste Du Dich nur mit der vornehmen und edlen Gesinnung des Herrn v. Mauvissière, unter dessen Auspizien Du mit der Veröffentlichung einer so erhabenen Philosophie begonnen hast! Denn vielleicht wird noch ein völlig ausreichendes Mittel sich finden, durch das die Gestirne und die mächtigen höheren Wesen Dich zu einem Ziele führen, von wo aus Du weit auf ähnliche Roheiten herabblicken kannst!

Und auch Ihr anderen vornehmen Persönlichkeiten, beim Szepter des hochdonnernden Zeus, bei der ruhmreichen Höflichkeit der Priamiden, bei der Hochherzigkeit des römischen Senats und Volks, bei jenem Nektargelage, das die Götter hochthronend über dem siedenden Äthiopien veranstalteten, beschwöre ich Euch! Wenn jemals wieder der Nolaner, um Euch einen Gefallen zu tun, Euch einen Dienst und eine Gefälligkeit zu erweisen, in Euren Häusern übernachtet, so sorgt dafür, daß er vor ähnlichen Angriffen sicher sei, und wenn er bei finstrer Nacht in sein Heim zurückkehren muß, wenn ihr ihm dann auch kein Geleit mit 50 oder 100 Fackeln erteilen wollt, wie solches ihm nicht versagt werden wird, müßte er auch am hellen Mittage einherschreiten, wenn es ihm bestimmt ist, auf römisch-katholischem Boden zu sterben Wir haben hier eine von vielen geschichtlich beglaubigten Bestätigungen des Divinations- oder Sehervermögens, das besonders bei genialen Menschen, vor allem bei Dichtern nicht selten zutage tritt (vgl. die Monographie darüber von Steinbeck, »der Dichter ein Seher«).
Bruno prophezeit in diesen Sätzen sein eigenes Schicksal.
Ein sehr interessantes Beispiel solcher unbewußter Divinationen bietet bekanntlich Rousseaus Hinweis auf Napoleon I. bei einer von ihm 1770 gelieferten Schilderung Korsikas, und endlich Napoleons kürzlich erst entdecktes aus seinem 9. Lebensjahre stammendes Schülerheft, auf dessen letzter Seite als letzte Notiz steht »St. Helena, eine kleine Insel im atlantischen Ozean.« Für Materialisten ist dies natürlich alles trivialer Zufall. Licht auf solche Tatsachen und Probleme wirft jedoch kein Buch mehr als Du Prels Philosophie der Mystik.
, – so gebt ihm wenigstens einen Fackelträger mit, und wenn Euch auch dieses zuviel ist, so leiht ihm eine Laterne mit einem Talglichtstümpfchen drin, damit wir wenigstens von seiner glücklichen Heimkehr reden können, von der jetzt nicht die Rede sein konnte!

Ich beschwöre Euch, Ihr Herren Doktoren Nundinius und Torquatus, bei der Speise der Menschenfresser, bei dem Wassertroge des Cynikers Anaxarch, bei den ungeheuren Schlangen des Laokoon und dem schrecklichen Strande von San Rocco, verklagt, wenn auch erst in den Tiefen des Orkus oder am Tage des jüngsten Gerichts, Eure ungebildeten und bäurischen Erzieher, die Euch zu solchen Erzeseln gemacht haben und eine so schlechte Art zu disputieren lehrten, daß sie Euch die so schlecht aufgewandten Erziehungsgelder zurückzahlen und Zinsen zahlen für die daran verschwendete Zeit und Arbeit! Ich beschwöre Euch, Ihr Londoner Bootsführer, die Ihr mit Euren Rudern die Wellen der stolzen Themse schlagt, bei dem Namen des Evenus und Tiberinus, nach denen zwei berühmte Ströme genannt sind, bei dem Grabmal des Palinurus, daß Ihr uns für unser Geld auch in den Hafen bringen mögt!

Und Ihr anderen ungeschlachten Thrasos und Marsverehrer im städtischen Pöbel seid beschworen bei jenen Liebkosungen, welche die Strymonierinnen einem Orpheus angedeihen ließen, bei dem letzten Dienste, den die Rosse einem Diomedes und dem Bruder der Semele leisteten, bei der Kraft des Steinschleuderers und schildbewehrten Cefeus, wenn Ihr Fremden und Reisenden begegnet, enthaltet Euch wenigstens der Stöße und Rempeleien, wenn Ihr Euch der feindseligen und errinnischen Blicke nicht enthalten könnt!

Euch alle zusammen aber beschwöre ich, die einen beim Schilde und bei der Lanze der Minerva, die anderen bei der edlen Nachkommenschaft des trojanischen Pferdes, die anderen beim ehrwürdigen Barte des Äskulap, die anderen beim Dreizacke Neptuns, die anderen bei den Küssen, welche die Stuten dem Glaukos gaben, ein andermal setzt uns von Euren Taten durch bessere Dialoge in Kenntnis oder schweigt!


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