Clemens Brentano
Gockel, Hinkel und Gackeleia
Clemens Brentano

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Aus dem Tagebuch der Ahnfrau.

(Vom Charfreitag bis Sonnenwende 1317).

Der fromme und gelehrte Jakob von Guise ermahnte in dieser heiligen Fastenzeit die Frauen und Jungfrauen des Landes Hennegau gar eindringlich, sie möchten, statt ihre Zeit mit Lesung tiefsinniger Bücher zu verlieren, doch den elenden Stand der verlassenen armen Kinder, von denen alle Straßen wimmelten, zu Herzen ziehen, und sich Gott durch Barmherzigkeit an diesen gefällig machen. Seine Worte rührten mein Herz, jede Noth, jede Unart eines Kindes, die mir bekannt ward, fühlte ich wie eine Beschuldigung. Ich dachte nach, wie ich, als die Erste des Landes, mit einem Beispiele vorgehen sollte. – Ich sprach darüber mit acht meiner adeligen Gespielinnen, und forderte sie zum Gebet auf, daß Gott mir die rechten Wege dazu zeige.

Charfreitag. Jakob von Guise, mit dem ich von meinen guten Wünschen für die armen Kinder gesprochen hatte, hielt uns heute noch eine Ermahnung, nie der Armen, welche Gott mit vielen Kindern gesegnet, zu spotten. – Er gab uns diese Warnung, weil Gott heute vor 42 Jahren solchen Spott an Margaretha, Gräfin von Holland strafte, indem er ihr eine große Zahl kleiner Kinder bescheerte, welche, vom Bischof Guido in zwei Becken, die Knaben Johannes, die Mägdlein Elisabeth getauft, nebst der Mutter schnell gestorben und in der Kirche zu Leusden begraben sind. – Er erzählte auch von der großen Gefahr der aufsichtslosen Kinder ein erschreckliches Beispiel. – Im Jahre 1284 kam gen Hammeln ein Rattenfänger, der hieß Bundting, seines buntgefleckten Gewandes wegen, der ward mit dem Rathe einig, um ein gewisses Geld alle Ratten und Mäuse der Stadt mit seiner Pfeife hinaus in die Weser zu locken. Er hielt auch sein Wort, den Rath aber gereute der Lohn, und hielt er sein Wort nicht. Darob erbitterte der Bundting und als am 26. Juni Morgens 7 Uhr Alles in der Kirche war und die Kinder auf der Straße spielten, kam er wieder als ein Jäger mit schrecklichem Angesicht und einem rothen wunderlichen Hut und pfiff durch die Straßen, da zogen ihm viele Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an und darunter des Bürgermeisters schon erwachsenes Töchterlein nach und er führte sie hinaus in einen Berg und verschwand mit 130 Kindern in demselben. Ein stummes Kind hatte sich verspätet, denn es führte ein blindes Kind dem Zuge nach, das stumme zeigte den Ort, wo sie alle verschwunden, das blinde sprach von dem wunderlichen Ton der Pfeife, dem sie alle gefolgt. Ein Knäblein, das im Hemd mitgelaufen, kehrte um, seinen Rock zu holen, und da es mit diesem den Andern nachlief, waren alle schon verschwunden; so ward es gerettet und konnte von Allem den Eltern berichten. Diese waren in großem Leid, suchten und forschten aller Orten, sendeten Boten zu Wasser und zu Land nach den Kindern, aber vergeblich; und sind ihrer auch mehrmalen bei uns im Lande Hennegau gewesen. Die Trauer der unglückseligen Leute ist noch also groß um ihre Kinder, daß in der Straße ihres Auszugs weder Trommelschall noch Saitenspiel, noch Tanz, auch selbst bei Brautzügen seyn darf. – Der liebe Herr Jakob von Guise legte diese wahre Geschichte aus gleich einer Parabel auf die Gefahren der verlassenen Kinder, und fügte noch eine Betrachtung hinzu über die Worte des Herrn: »Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt u. s. w.« dann sagte er: »wen sollte das tiefer treffen, als uns, die wir hier im Lande Hennegau leben; aber wie steht es mit den Küchlein, o gäb' ihnen Gott eine Henne, die sie unter ihre Flügel versammelt. – O gnädige Gräfin Amey gedenket der armen Kinder!« – Da sagte ich: »Habt Dank hochwürdiger Herr! ja so Gott Segen giebt, will ich ihnen eine Henne werden und meine hier anwesenden Gespielinnen werden mir helfen;« da erhoben diese sich sämmtlich und sprachen: »ja mit Gottes Gnade, das soll wahr seyn!« Da segnete Jakob von Guise neun Schaupfennige und gab sie uns am Rosenkranz zu tragen. Es ist aber auf der einen Seite eine Gluckhenne abgebildet, welche ihre Küchlein mit den Flügeln decket und auf der andern Seite stehen die Worte: Nähre und schirme. Diese Pfennige hatte der gute Mann uns zur Mahnung prägen lassen, denn er hatte im Gebet erkannt, mein Herz sey kein steiniger Acker, wenn gleich hie und da eine Heerstraße; darum wollte er es einzäunen. Gott segne seinen Willen an mir! – Ich entschloß mich nun fest, gleich nach Ostern eine Ordnung mit meinen Gespielen zum Besten der armen Kinder zu treffen.

Charsamstag. Heute sprach ich nochmals mit Jakob von Guise über mein Vorhaben und er ermahnte mich, daß doch Alles, was ich hiezu verordne, einfältig, demüthig, fromm und freudig seyn möge; ich solle mich mit meinen Andachten und Lesungen an das halten, was die Kirche das Jahr hindurch feiere, und alles Besondere ablegen, dieses sey das geistliche Brod, das ich den armen Kindern täglich gehörig zertheilet spenden solle, außerdem solle ich ihnen auch mit dem leiblichen Brod treue Vorsorge thun. Er machte mir hiebei eine gar rührende Auslegung des Vaterunsers, welche die ganze Regel des weltlichen Ordens enthält, den ich stiften will unter dem Namen der freudigen, frommen Kinder. Dessen Aufgabe aber soll seyn, daß die Kinder von Hennegau freudig und fromm werden; dazu aber gehöret alle Christentugend, zu der helfe mir Gott und lege mir eine treue, freigebige, fleißige Hand auf das Herz und ein aufrichtig wahres Herz auf die Hand und auf die Zunge! – Heut brachte mir auch Meister Andreas der Goldschmied die Ordenszeichen, die ich bei ihm bestellt, und war auf der einen Seite ein Windelkindlein, auf der andern ein Lerchlein, das singend zum Himmel fliegt, abgebildet. Ich befestigte sie an amarantfarbige Bänder und zeigte sie meinen Gespielen noch nicht. Wir giengen heut alle zur Kirche und versprachen einander, morgen bei dem Feste Gott unser Vorhaben demüthig aufzuopfern.

Heut auch besuchte ich nach meinem jährlichen Gebrauch die gottselige Jungfrau Verena und das fromme Hühnlein; und da mich Jakob von Guise ermahnt hat, in Allem so zu schreiben, daß es auch die Nachwelt verstehen könne, will ich hier kürzlich von Verena und dem Hühnlein sprechen. – Vor vielen hundert Jahren kam ein römischer Soldat von Pilati Leibwache hier in die Lande; er hieß Salmo und war nach dem ersten Pfingstfest in Jerusalem getauft durch Petrus. Er hatte sich zum ewigen Andenken ein Hühnlein aus Jerusalem mitgebracht, das von dem Hahn abstammte, der bei Petri Verläugnung gekräht. Es war aber hier noch Alles wilder Wald und hie und da ein Edelhof mit Feldern und einigen Bauern umher. Auf einem solchen Hofe saßen dann Kriegsleute, die sich häuslich niedergelassen, die lebten von der Jagd, und machten sich so viel Landes unterthan, als sie umreiten wollten. Belgius, ein solcher Kriegsmann hatte sein Haus hier, wo jetzt mein Schloß steht, und da er in den Wald ritt zu jagen, sah er eine schöne weiße Henne, deren Art er hier zu Land nie gesehen, im Walde laufen. Da folgte er dem Hühnlein tief in den Wald bis in eine Höhle, darin ein Mann gar elendiglich lag. Das war aber Salmo, der römische Soldat, der war im Walde verirrt und schier Hungers gestorben, und war sein frommes Hühnlein fortgelaufen, ihm Hülfe zu suchen. Da labte Belgius den Salmo und nahm ihn sammt dem Hühnlein auf sein Roß und führt ihn in sein Haus, und er und sein Weib pflegten ihn, bis er gesund war. Salmo aber erzählte ihnen, was er in Jerusalem erlebet, und vom Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, und von St. Petrus, der ihn getaufet und auch von dem Hühnlein, darob sie groß Wunder hatten. Während dem aber legte das Hühnlein ein Ei, und sie ließen den Salmo nicht fort, bis es ausgebrütet war, da schenkte er ihnen das ausgebrütete junge Hühnlein und zog weiter. Wann er nicht wußte wohin, ließ er sein Hühnlein laufen und folgte ihm. So kam er bis an einen Bach in einer lustigen Gegend, und da sein Hühnlein sehr durstet und hungert, kam ein Hahn aus dem Walde geflogen und lockte es bis zu dem Bach, und sie tranken daraus; da sagte Salmo: »das ist der Hahnebach« und der Hahn lockte wieder und scharrte einen Weizenkern aus dem Boden, den fraß das Hühnlein und war wohlgemuth. Da aber Salmo weiter reisen wollte, denn er war aus Savoyer Land, wollt das Hühnlein nicht von dannen, und so blieb Salmo hier, und baute sich ein Haus an dem Hahnebach und nannte es Kern wegen dem Weizenkern. Er nahm auch ein Weib und sind die Grafen Salm daraus worden und die Stadt Kern oder Kyrn am Hahnebach. – Das Hühnlein aber, das hier im Hause des Belgius geblieben, ward gar gut gehalten und ward Gallina genannt. Belgius aber war ein Heide und ein abergläubischer Mann, und nahm er allerlei Wahrzeichen an der Henne in Acht; nachdem sie fraß und froh oder traurig war, darnach handelte er. Nun war er schon bejahrt und hatte viel Kinder und Leute und wollte sich ein Land gründen und das auf seinem Pferd umreiten; da sah er, wie die Henne fraß, und da sie gar lustig gefressen, war es ihm ein gutes Zeichen, und er setzte sich mit seiner Frau und seinen Söhnen und Töchtern zu Pferd, und sie ritten in den wilden Wald nach dem Ort, wo er den Salmo gefunden hatte. Da ließ er das Hühnlein laufen, und wo es hinlief, ritten sie nach wohl vier Tage lang und kamen sehr durstig an ein Brünnlein, daran saß Lucius, ein König von England, der war ein Christ worden und reiste nach Augsburg, das Christenthum zu verkünden und hielt hier Ruhe an dem Brünnlein. Das Hühnlein Gallina aber lief auf ihn zu und fraß ihm das Brod aus den Händen. Deß wundert sich Belgius sehr, da Gallina sonst nicht also kühn war und ein gar blöd züchtiges Hühnlein. Da gedachte Belgius, das muß ein frommer, heiliger Mann seyn, weil das Hühnlein ihn so lieb hat. Als sie aber miteinander sprachen, sagte Belgius dem Lucius Alles von dem Hühnlein und dem Salmo, und Lucius sprach so eindringlich mit Belgius, daß er sich mit Weib und Kind von ihm in der Quelle taufen ließ. Darnach reiste Lucius weiter gen Räthien, und Belgius ritt dem Hühnlein Gallina nach, bis sie dahin kamen, wo sie ausgezogen, und nahm Belgius alles das Land in Besitz und nannte es das Hennegau, weil die Henne es umlaufen hatte. – Von dieser Henne Gallina nun ist von damals immer das erstgebohrne Hühnlein bei den Grafen von Hennegau aufbewahret und im Schlosse gefüttert worden, und nennt man es im Lande allgemein Gallina, das fromme Hühnlein und hält es gar hoch. Es ist ihm eine eigne Pflegerin bestellt, wozu immer die älteste tugendlichste Magd aus dem Frauenzimmer der Gräfinnen genommen wird, und nennt man diese Pflegerin selbst das fromme Hühnlein. Dieses Ehrenamt versieht heut zu Tage Jungfer Verena, eine gar gottselige Jungfrau. Sie war oben von dem Rheine her und schon als Wärterin meiner Großmutter in Vadutz gewesen. Es besteht aber das Hühnerhaus des Belgius mit seinem Hof und Gärtchen noch, worin die erste Gallina gelebt und gestorben und ist ein feines Stübchen darüber erbaut, worin Verena wohnet, und heißt diese Wohnung das Gallinarium. Es ist auch ein alt Herkommen, daß das fromme Hühnlein nicht mit erkauftem, sondern nur mit erbetteltem Weizen zur Ehre Gottes ernährt werden darf, und so wandelt Jungfer Verena mit ihrem langen Korbe am Arm von Haus zu Haus und bittet um Nahrung für das fromme Hühnlein. Es ist dieß aber eine mühselige Arbeit, denn sie nimmt nirgend mehr, als drei und dreißig Weizenkörner zu Ehren der Lebensjahre des wahren Weizenkörnleins. Alle diese Körnlein zählet sie nach unter Gebet, und da es für die Nahrung des Hühnleins und seiner vielen Nachkommen, denn es sind sehr viele in dem Gallinarium, doch immer zu vieler Weizen ist, so theilet sie die Körnlein in drei gleiche Theile; den geringsten zum Futter, den bessern, um ein Feld für die Armen damit zu besäen, die allerreinsten Körnlein aber läßt sie mahlen und siebt das Mehl selber, und backt selbsten die reinsten, weißesten Hostien daraus für die Pfarrkirche. Gott segnet ihr Thun, und so bringt ihr Feld immer gar reichlich, und hat sie viel Arme ersättiget in Hungerjahren. Es ist ein Glaube in Hennegau, wer ein Hühnlein von dieser Zucht, ja nur ein Federlein davon in seinem Stall habe, dem gedeihen die Hühner über die Maßen. – Heute gieng ich aber zu Verena, weil sie Ostereier bunt färbte, um ihr zu helfen. Sie wußte sie gar schön mit Blumen, Kreuzlein, Gotteslämmlein u. dgl. zu verzieren und hatte deren eine große Menge zu bereiten für die besonderen Wohlthäter des frommen Hühnleins. Jenes Osterei, das sie mir besonders bereitete, werde ich erst morgen zu sehen bekommen. Alle meine Gespielen waren gestern und heute schon bei ihr zur Hülfe gewesen und zwar nacheinander, denn ihr Stübchen neben der kleinen Küche ist gar enge und nichts darin, als links von der Thüre ein Kasten mit Schiebladen, ein Stuhl und das Bett, rechts ein Tisch, ein Stuhl und ein Spinnrad und bei dem Bette noch eine Truhe und der Ofen. Man schreitet auf einer schmalen offnen Treppe, wie auf einer Hühnerleiter zu ihr hinauf und trifft dann auf die kleine arme Küche, neben welcher ihre Stubenthüre. Das Gallinarium ist unter ihrer Wohnung; da lebet das Hühnlein Gallina und seine große Familie und hat dasselbe sein Nest, seine Stange, sein Freß- und Sauftröglein, alles abgesondert und von Verena besonders gepflegt. Hier unten ist ein kleiner Garten und Hühnerhof, und dem Gallinarium gegenüber ein Behälter für das Holz und in weiteren alten Gewölben sind die Räume, wo die Wäsche des Schlosses besorgt wird. Dieser ganze Theil des Schlosses von Hennegau ist sehr alt und etwas wüste; man hat ihn nie erneuert aus Achtung für das Gallinarium, weil Gallina, das erste fromme Hühnlein, welches das Werkzeug zur Bekehrung des Belgius und zur Benennung des ganzen Landes gewesen, hier gewohnt hatte. Ich gieng aber immer von Kind auf mit einem heiligen Grauen in das Gallinarium; es war da einsam und gar ernsthaft; an der einen Seite liegt St. Petri Münster, die erste Kirche des Landes, die auch durch das fromme Hühnlein veranlasset worden, und um das Gallinarium her läuft der Kreuzgang von dem ehemaligen Kirchhof St. Peters, worin alte Todtentragen und schwarze Sargdecken und Flitterkränze und Kreuze stehen. An dem Treppchen zu Verenas Stübchen eilte ich immer schnell und scheu hinauf, denn die Wäscherinnen sagten mancherlei Unheimliches von dem Gewölbe bei dem Gallinarium, und wußte Verena Vieles davon zu erzählen, aber wollte nie recht damit heraus. Immer wußte ich nicht recht, was das heißen sollte, daß meine Mutter oft zu ihr zu sagen pflegte: »Verena, was macht das Büblein?« worauf sie jedesmal ernst und bedenklich erwiederte: »es macht sein Sach!« – und doch war es von Kindheit auf meine Gewohnheit, wenn ich sie sah, diese Frage an sie zu wiederholen und dieselbe Antwort von ihr zu erhalten, ohne daß sie je meine heimliche Neugierde, was und wo dieß Büblein sey, und was es eigentlich thue, befriedigt hätte. Verena war mir auch durch eine eigne Gewohnheit, die sie wie eine strenge Pflicht in meiner Jugend übte, eine sehr geheimnisvolle Person. Mir wurde immer empfohlen, auf der rechten Seite liegend zu schlafen, und oft wurde ich Nachts aufgeweckt und sah dann Verena an meinem Bettchen, die mich von der linken auf die rechte Seite legte, und dann mit dem Finger drohend sagte: »das fromme Hühnlein schickt mich, es weiß Alles.« – Dann fragte ich gewöhnlich: »Vrenchen, was macht das Büblein?« und sie antwortete ihre ewige Antwort: »es macht sein Sach« und kehrte ins Gallinarium zurück. Besonders aber war mir auch der Gang zu Verena feierlich, weil sie mich zu meiner ersten Buße vorbereitet hatte, und ich mich immer bei solcher Gelegenheit von ihr ermahnen ließ. Da nun das fromme Hühnlein vom Hahne Petri abstammte, der bei dessen Schuld gekräht hatte, so glaubten wir Kinder, das Hühnchen wisse Alles, und wenn wir es im Vorübergehen gacksen hörten, meinten wir, es mahne, oder beschuldige uns, und so erforschten wir unser Gewissen mit größerem Ernste. Einigemahl in meiner Jugend kam Verena sogar plötzlich zu mir, während ich in Versuchung zu irgend einem Vergehen war, und immer sagte sie: »das fromme Hühnlein hat mich gesendet.« Durch Alles das ist sie mir selbst bis jetzt in mein erwachsenes Alter eine sehr achtbare, geheimnisvolle Person geblieben, und da ich heute mit meinen Gespielen zur Kirche gehen wollte, um morgen das hohe Fest zu halten, so schlüpfte ich mit meiner gewöhnlichen Scheu der Wohnung des frommen Hühnleins vorüber die kleine Treppe zu Verena hinauf. – Die fromme Seele war gar lieb und freundlich, sie war ganz wie neubelebt und rüstig in ihrem Bereiten der Ostereier, und ich half ihr nach Kräften. Dann erzählte ich ihr von den Ermahnungen des Jakob von Guise, und wie ich entschlossen sey, am Ostermontag mit meinen Gespielen einen Orden zum Besten der Kinder zu stiften. Da küßte Verena mir mit Freudenthränen die Hände und sagte: »Schön Dank, tausend Dank für's fromme Hühnlein!« ich aber fragte mit lächelnder Neugierde: »und fürs Büblein?« – Da sammelte sich Verena, ward ernsthaft und sagte wie ehedem: »das thut sein Sach!« – Dann sprach ich noch mit ihr von meinem ersten Kirchengang und auch von meinem jetzigen Gewissenszustand. Sie wiederholte mir wie gewöhnlich alle meine Hauptfehler von Kind auf und dankte Gott mit mir, wie er mich gehütet, und mir Gnade gegeben, Manches zu bessern, und betete mit mir für die Zukunft. Ich kann nicht sagen, wie ihr Wesen mich immer rührte; als ich von ihr gierig, sagte sie: »Gnädigste Gräfin, o meine goldene Amey, ich danke viel tausendmahl, daß du noch immer so redlich zu mir kömmst, dein armes Herz zu erweichen, ehe du es mit Reuethränen vor Gott reinigest. – Ja es ist hier bei mir nicht vergebens das Waschhaus! – Morgen in aller Frühe werden in St. Peter die Ostereier gesegnet, und dann werde ich der gnädigen Amey das goldene Osterei unterthänigst überreichen.« – Hierauf verneigte sie sich tief und wollte den Saum meines Rockes küssen; aber ich schloß sie in die Arme und lud sie auf den Ostermontag in den Garten zu der Ordensstiftung ein. Sie lehnte es ab und sprach: »es ist besser, daß ich zurückgezogen für euch bete.« Sie gab mir darin noch mancherlei Rath in dieser Sache und wir trennten uns mit dem gegenseitigen Wunsche eines gesegneten Osterfestes. Sie geleitete mich bis zur Wohnung des frommen Hühnchens. Mir war Angst und bang, es möge sich rühren, auch vor dem Büblein war mir bang; aber alles war still, und Verena flüsterte: »Gottes Segen mit dir, goldene Amey! Gallina mahnet nicht, du wirst nichts auf deinem Herzen behalten;« da gieng ich zur Kirche, wo meine Gespielen mich erwarteten, und behielt nichts auf meinem Herzen; o es war mir so leicht, so leicht, daß ich auf dem Rückweg ohne Scheu nochmals in das Gallinarium schlich, und vor das Hühnchen trat, es saß auf seiner Stange, den Kopf unter dem Flügel und rührte sich nicht. – Droben lischt Verena das Lämpchen, gute Nacht Verena! – Hierauf kehrte ich in meine Stube und schrieb dieses nieder; da schlägt es Mitternacht – ich höre meine Gespielen nahen, die feierliche Auferstehungsglocke ruft. Es erleuchten sich alle Fenster; Jakob von Guise trägt das Kreuz aus der Kirche um den Kirchhof, alles Volk zieht mit ihm und singt mit lautem Jubel: »Christ ist erstanden aus seinen Todesbanden!« – Wir ziehen mit.


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