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An Sophie
[Berlin, den] 24. Novemb. 1804.
– – – wieder zu – – – mich den ganzen Tag zurück mitten – – – oft ein drückendes Heimweh, und gestern Abend hat mich bei – – – Bangigkeit überfallen, daß ich weggehen mußte. Alles das hangt aber mit einer gewalttätigen Sehnsucht nach Liebe, nach Deiner Liebe zusammen, die mich vom Morgen bis zur Nacht zerreißt. Aufrichtig und ohne alles Vorurteil geredet, konntest Du nicht koketter sein, als mich von Dir wegzujagen, denn so fühle ich erst recht, wie lieb ich Dich habe und wie alle meine Sinne nach Dir streben, obschon ich auch hier schon manche unangenehme Berührung deinethalben gehabt habe. Gestern erst redete der Literator Koch, ein Prediger hier, der Dich und Mereau kennt, auf eine ziemlich gemeine, mir in Hinsicht Deiner sehr drückende Art von Dir. Ich hatte ihn seiner großen Kenntnisse und Büchersammlung wegen besucht, es waren außer Arnim noch andre junge Leute zugegen, und nachdem er lange und breit auseinandergesetzt, wie roh Mereau gewesen, wie Du Dich aber schadlos gehalten (dies ist sein Ausdruck), sagte er mir, daß er Dir nicht verzeihen könnte, daß Du ihn nicht besucht hättest, als Du vor sechs Jahren einem Liebhaber wegen Dich hier aufgehalten. Du kannst denken, wie drückend mir das alles war, ich kam vor Unmut fast zu Tränen, Du kannst Dir denken, wie ich mich vor den Leuten beschämt fand. Verzeihe mir, liebes Weib, daß ich Dir diese Schlechtigkeit wiederholt, aber warum sollst Du nicht wissen, daß Dir meine tiefe herzliche Liebe auch als Gegensatz vieler Feinde, die Du hast, etwas sein darf, wenn ich so etwas höre, ach, dann zerreißt es mich immer, daß ich nicht hinfliehen kann zu Dir und Dich herzlich an mein treues, liebes Herz drücken. – Berlin langweilt mich von oben bis unten, dreckigt, unendlich schlecht beleuchtet, mit einer verfluchten vornehmen – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Doch laß mich davon abbrechen und Dir nochmals sagen, daß ich schwerlich noch vier Wochen hier bleibe, ich habe mich bereits für eine Zeit von hundert Jahren zerstreut, ich fühle nur eins, vom Morgen bis in die Nacht, das ist eine unsägliche Begierde nach Dir, es ist dieses mit allen Qualen einer schmerzlichen Ahndung verbunden, es ist mir, als würde ich unglücklich ohne Dich, es ist mir, als könne ich nicht leben, vom Morgen zur Nacht versehrt mich eine unendliche Begierde und Angst um Dich, ich kann nichts denken, nichts tun, aus den poetischen Plänen mit Arnim wird wohl nichts werden, er scheut jede größere Arbeit, und so bleibt für Tristant keine Hoffnung als durch mich oder Dich. Arnim selbst empfindet seltsam über meine große Sehnsucht nach Dir, er hat eine Achtung vor dieser innern Angst, o Sophie, warum so ferne, warum je ein anderes Wesen als Dich sehen? Ach, daß mich Gott segne, daß uns Liebe, Ruhe und Friede werde ineinander, daß die große Liebe in mir zu Dir von Dir deutlicher verstanden, empfangen und wieder geboren werde, o Sophie! in welcher unsäglichen Angst lebe ich jetzt so weit, so weit von Dir, wie langsam gehn die Briefe und Posten, o wär ich dieser Brief, so wäre dieser Brief besser, so wäre ich glücklicher, ich wäre bei Dir. Zu dieser Sehnsucht zurück vermute nicht etwa eine Veranlassung in einer Täuschung von meiner Seite in Arnim, nein, er ist vortrefflich, liebenswürdig, durchaus voll Talent und Ideen, aber Du fehlst mir, Deine Liebe fehlt mir, Dein Kuß, ja, etwas Unnennbares, was mir Deine Nähe gewährt, mehr als irgend die Nähe eines Menschen, eines Gedankens, einer Begebenheit, es ist wahr, es ist Unruhe und Sorge in mir, aber ich vergesse sie doch auch oft, aber fern von Dir plagt mich wirklich ewige Angst, ich laufe manchmal durch alle Gassen der Stadt, um mir die verdammte peinigende Sehnsucht zu vertreiben, und umsonst, im Theater kann ich gar nicht aushalten, weil ich stille stehen muß, halbe Stunden blicke ich ebenso auf der Karte nach Heidelberg zu, als wir damals hierher sahen, o Sophie! Fühlst Du nichts von allem dem, ist mir vielleicht Dein Teil der Angst und Liebe auch übertragen worden? Fühlst Du wohl, lieber Engel, daß mein wunderlicher Widerwill gegen diese Reise gegründet war? Ich fühlte, daß es eine zu teure Zerstreuung war, daß statt mich zerstreuen zu wollen, Du Dich hattest sammeln müssen, und ich wäre noch bei Dir, läge dann und wann an Deinem Herzen, indes so das Leben hingeht und die schönsten Liebesstunden einsam sterben. Ich glaube, daß ich auch wieder dichten kann, denn ich will und will nicht eitel mit dem Meinigen zufrieden sein. Irgend etwas zu lernen, habe ich hier gar keine Gelegenheit, sondern in allem das Gegenteil, nur eines nicht, geliebtes Weib, Dich zu lieben, kann ich nicht verlernen, mit neuen Flammen steigt die Begierde in mir empor, ja, oft wünsche ich Dein Anbeter, Dein fußfälliger Anbeter zu sein, warum das alles, wage ich nicht zu untersuchen, mit einer großen Scheu denke ich an diese wundersame Gewalt, die Dir über mich verliehen ist, ich ehre sie, weil sie so unbegreiflich ist, weil ich die Macht Gottes, des Schicksals Hand unmittelbar in dieser Liebe finde, o geliebtes Weib, vergiß mein nicht, nur wenig, wenig Neigung für die viele schmerzende heiße Liebe um Dich. Ich schließe nur, weil die Post geht, nicht weil ich aufhöre zu schreiben, denn wenn dieser Brief geschlossen ist, beginne ich einen andern an Dich, und wenn Du diesen erhältst, bin ich Dir schon näher, wenigstens meiner Rückkehr näher, o Wiedersehen, süßes Wiedersehen, küssen, umarmen, Tränen, alles, alles nur Du, nur bei Dir.
Clemens.
An Sophie
Berlin den 26ten 9bre 1804.
Liebe Seele!
Weniger, um meinem Versprechen am Schlusse meines vorigen Briefes, Dir gleich wieder zu schreiben, das heißt, in derselben Stunde, getreu zu sein, als durch eine unsichtbare Macht gezwungen, sitze ich schon wieder Dir gegenüber, ohne Dich zu sehen, rede ich mit Dir, ohne Dich zu hören, ich sollte heute Abend mit aller Gewalt auf einen Ball fahren, der ganz gute Mann, der mich abholte, hat mich auf mein flehentliches Bitten zurückgelassen, ich hatte diesen Einlader auf dem Comtoir von Unger getroffen, er hat mich vor 9 Jahren in Frankfurt gekannt, ich erinnerte mich seiner nicht mehr deutlich, er aber war sehr erfreut und embrassierte mich herzlich, nun quälte er mich, mit ihm auf einen Resoursenball zu gehen, was ich ihm auch zusagte, welchen ich ihm heute Abend aber doch wieder abgebettelt habe, gleich setze ich mich nun hin und denke mich zu Dir, von was habe ich Dir heute alles erzählt, von Mademoiselle Levi, nun ja, von dieser soll ich wohl fortfahren, aber ich glaube, ich habe die Sache bereits erschöpft, wenn ich sage, daß es dort langweilig ist, da wirst Du mir aber wie gewöhnlich vorwerfen, ich suche etwas, was nicht existiere, dies ist aber falsch, denn es muß eine Gesellschaft existieren, wo mit freier Würde so gesprochen wird, daß ich eine Wollust empfinde, zu schweigen und zu hören, wenn alte würdige Männer reden oder brave Bürger über Kunst oder Gewerb, wenn fromme Menschen reden ohne Bizarrerie, dann langweile ich mich nicht, wenn Du neben mir sitzest, mich küssest oder mich Deinen lieben Jungen nennst, wenn Du ein solcher freundlicher liebevoller Engel bist, wie Du es in den letzten Wochen gegen mich warst, dann langweile ich mich nicht, wenn ich den Leu lese oder den Tristant. Und das sind doch nur lauter mögliche Dinge und sehr einfache Dinge, kannst Du, geliebtes Weib, wohl einen neuen Mut fassen, kannst Du alles vergessen, kannst Du mich erwarten wie einen Bräutigam, neu, alles neu, kein Unwill, keine Erinnerung, neuer Lebens- und Liebesmut, nur Ariel, unser geliebtes süßes Schmerzenskind, wie ein Engel über uns schwebend, o Sophie, ich kann es, nahe, nahe lege ich mich an Dein Herz und sehe Dir in die Augen und bitte und weine, vergiß, vergib, sei hold, sei mein, keine Vergangenheit, keine schnöde Erfahrung, neue Liebe, neues Vertrauen, soll Gott nicht seine Menschen segnen, wenn sie wie Kinder sind, so segnet er sie nie, und er wird uns segnen, wenn Du gut bist, ich will es sein, von Herzen, was Du an mir nicht liebst, vieles, was Du mit Recht tadelst, will ich unterlassen, ich will es dahin bringen, daß Du mich recht ehrst und liebst, daß Du nicht ohne mich sein magst, daß Dir es schrecklich zumute ist ohne mich, wie mir jetzt, da mir das Herz schlägt, als wolle es springen ohne Dich, o Sophie, lasse mir die süße, die einzige Hoffnung, daß ich in Deiner Nähe allein froh und glücklich werden werde, rede nichts ein, erwarte mich, bitte mich zu kommen, lasse mich kein Wort hören von längerm Außenbleiben, von verlorner Zeit, verlornem Geld, keine Zeit ist verloren als die Minute, die ich nicht mit Dir teile, kein Pfennig, als der, den Du nicht mit genießest. Es ist Gottes Wille, daß ich bei Dir sei, ich fühle es in allen meinen Gliedern, daß sie die Deinigen berühren müssen, um zu leben, auch fürchte ich mich sehr, hier krank zu werden und dann ohne Dich zu sein. Mein Fuß ist zwar recht artig und tut nur bei Veränderung des Wetters sehr weh, aber ich leide an einer ewigen unsäglichen Herzensangst nach Dir, und ich glaube, es ist eine Ahndung, daß ich zu Dir soll, Du hast so oft gewünscht, daß ich tun möge, wornach mir gelüstet, willst Du mir nicht erlauben, zu tun, was mein ganzes Wesen, wie ein verpflanzter Baum welkend, zu ersehnen scheint. O Sophie, nur eine Minute Dir dieses Liebesgift durch die Adern, und Du würdest mich verstehen, Du würdest ein Mitleid mit mir haben, das mich heilen sollte von dem Schmerz, und nur die Lust sollte zurückbleiben. Was wirst Du nicht alles denken, wenn Du liest, wie ich so heftig nach Haus verlange, wirst Du mir nicht Vorwürfe machen, wirst Du nicht kalt und weise sein, wirst Du nicht eine Menge guter Lehren haben, o Sophie, versäume in Deinem Briefe nicht liebevolle freundliche Worte, um mich zu belehren, was ich alles unter fremden Leuten empfinden soll, wie Du es etwas in Deinem letzten getan hast, für dessen Dir nicht ganz gewöhnlichen Umfang ich Dir übrigens herzlich danke. In einigen Tagen denke ich nach Ziebingen mit Arnim zu reisen, und von da gehe ich vermutlich gerade nach Gotha und sodann nach Heidelberg zu Dir, denn ich kann nicht ohne Dich leben, mein ganzes Blut kocht bei dem Gedanken an Dich und steht stille und gerinnt, wenn ich ferne von Dir bin. Arnim wird uns das Frühjahr besuchen, hier kann ich nichts mit ihm beginnen, denn ich bin von Sinnen ohne Dich und bringe meine Tage in tiefer Trauer zu. Daß ich zu Haus werde arbeiten können, daran zweifle ich nicht, aber daß ich hier nach allen Umständen keine Zeile hervorbringen werde, weiß ich gewiß. Und ist es denn auch so unumgänglich notwendig, daß ich dichte, ich habe noch viel zu lernen, aber ich werde gewiß fleißig sein. Bei Hufeland bin ich noch nicht gewesen und werde auch nicht hingehen, es ist mir innerlich ängstigend, sie zu sehen, die ich öfters neben Dir sah, ich fürchte mich davor, denn weiß Gott, wenig braucht es, daß ich erkranke aus bitterm Heimweh, selbst Dir zu schreiben jagt mein Blut durch alle Adern, und ich muß oft absetzen, vor wunderlicher innerlicher Pein. In diesem Augenblick erhalte ich Deinen Brief vom zwölften, dessen Weisheit meine Unruhe unendlich vermehrt. Ich muß zu Dir, ich fühle es mit einer Gewalt, die ich nie empfunden habe, keine Ermahnung, keine Überredung, keine Kälte kann mich zurückhalten, alles, alles verschwindet vor dieser unbeschreiblichen Angst, die mich besitzt. Willst Du, daß ich erkranke in der Fremde, ich habe bereits allen Appetit verloren, nachts kann ich nicht schlafen vor Sehnsucht nach Dir, und alle Menschen finden, daß ich krank und elend aussehe. O Sophie, in diesen Schmerzen liegt mir ein freudiger Gedanke, Wiedersehen, Wiedersehen, und dann das feste innige Gefühl, daß ich ohne Dich nicht leben kann. Sieh, ich bin hier, durchaus ohne Ursache zu klagen, man liebt mich in allen Gesellschaften, Arnim liebt mich, ich ihn, wir werden uns unter Tränen trennen, alles habe ich in ihm gefunden, wie es mich erfreuen konnte, aber ohne Dich, ich fühle es, kann ich nicht leben, und ich schwöre es Dir, bei allem, was uns heilig ist, bei unserm seligen Kind und bei jenem, das uns beseligen wird, auch Du wirst mich lieben, auch Du wirst in meiner Nähe frei und glücklich werden, ich fühle es in dem unendlichen Maß von Liebe, das ich zu Dir trage, es ist wie ein Meer, aus dem eine schönere Welt hervorsteigen wird. Bei Gott, Sophie, dieses Geschenk, Dich verlassen zu haben, ich wollte es mit Schmerzen, mit aller Trauer Dir machen, aber es ist unmöglich, ich fühle, daß ich mich verzehre, daß ich sterbe, daß ich Dich nie, nie wiedersehe, wenn ich noch lange von Dir bleibe, die ganze Lebensart selbst ist mir hier zerstörend, ich kann nicht lesen, nicht denken, nicht essen, nicht schlafen, und Sophie, in der ersten Stunde des Wiedersehens, nicht wahr, in dieser ersten Stunde, um die ich jetzt gern sterben wollte, wenn sie nicht auf Erden noch gefeiert werden müßte, wirst Du doch auch freudig sein, wirst Du mir doch keine Vorwürfe machen. Für die Zukunft wird Gott sorgen durch meine Liebe und meine Freundlichkeit. Dein letzter Brief, der viel Liebe und Weisheit hat, beginnt von Träumen von mir, die Du das tiefste Denken nennst, und von dem Geständnis, daß Du selten an mich denkst, was Du von mir denkst, liebe Frau, ist nicht ganz richtig gedacht, was Du von mir träumst, trifft auch nicht ein; ich sehe wohl vielerlei Weiber, aber Du trittst allen ins Licht, ich erkenne keine Seele vor der Deinigen, die Begierde, Dich zu küssen, an mein Herz zu drücken, ist so unendlich groß, daß ich nichts sehe, doch will ich alles tun, meine Abreise zu verzögern, ich will nach Ziebingen gehn und dort ein paar Tage verweilen, will auch bei Geißler wieder einige Tage bleiben, wenn mir es möglich ist, denn meine Liebe reibt mich auf, was Du von einem Manne begehrst, ist zuviel, solche Pretensionen gehören in die verkehrte Welt, lieben soll ich wichtig wie Gold, dabei einen Sinn haben wie Wind, und dafür willst Du mir des Reims halber nur hold sein, ich werde tun, was ich muß, ich habe um Dich gerungen, Dich geliebt und liebe Dich wie keiner, ich will Dich haben, Dich sehen, Dich ans Herz drücken, Dir nahe sein, von Dir gequält und erfreut werden, o Du peinigst oft süßer, als Du küssest, Sophie, ich will zu Dir, ehe alle Sonnen untergehen, bedenke, daß Europa von allen Seiten mit Pest und gelben Fiebern bedroht ist, ich will nicht sterben in der Fremde, in Halle sind schon ein paar Leute dran gestorben, es sind wunderliche Zeiten, ich will bei Dir sein, ich muß bei Dir sein, Du hast es mir heilig versprochen, Du wollst mich lieben und mein Gehülfe sein, und wäre dies auch nicht, so muß ich, mein ganzes Blut schreit nach Dir, Du hast mich ja nicht von Dir gelassen, wie in eine kalte rauhe Winternacht, daß ich verderben müsse, Du hast mich weggewiesen, Atem zu holen und einen Freund zu grüßen, ich habe es getan, aber ich muß wieder hin zu Dir, Dich sehen, Dir freundlich sein, denn ich verderbe hier, ich werde krank, ich fühle es in allen meinen Gliedern, und innig traurig bin ich schon. Nicht in Betracht zu ziehen, daß mein längerer Aufenthalt mit großen Kosten verbunden sein würde, da ich nur die Wohnung frei habe, würde ich mir hier auch eine Menge teurer Kleider anschaffen müssen, da ich in Heidelberg lange zureiche und auch etwas verdienen kann, was hier gänzlich wegfällt, denn mit Arnim etwas zu versuchen, ist nichts mehr als eine schöne Versuchung auf dem Sofa gewesen, die sich nach und nach in Scherz bei ihm auflöst, noch eins, geliebtes Kind, selbst den Tristant, den er nicht zu unternehmen wagt, will ich Dir überlassen, willst Du mich einlassen, wenn ich Dich mit dem Tristant besteche, willst Du mir einen Kuß, eine Umarmung erlauben, wenn ich sie mit meiner strengen Gewissenhaftigkeit erkaufe.
Gestern Abend war ich bei einem ehemaligen Universitätsfreund Pistor von Halle, bei dem ich öfters bin, er hat eine Henzler, eine Stieftochter Reichards, der hier ist, einige Opern anzuordnen, die junge Frau hat eine unendliche Ähnlichkeit mit der Ahlefeld, und er mit dem Ahlefeld, sie hat ein Kind von 8 Wochen, das mich immer sehr rührt, und man befindet sich wohl da, es war Reichards Geburtstag, und die Menschen waren recht fröhlich, ich wartete bei Tisch auf, denn ich war zu trüb und zu sehr mit dem Gedanken an Dich erfüllt und Ariel, um mitzuessen, nach Tisch spielten Reichards Bediente aus eignen Gedanken einige Waldhornlieder vor der Türe, bald darauf kam die Rede vom Singen, und Arnim redete mit Reichard zugleich von dem Lied – Semelisberg – Arnim wußte, daß ich es kannte, und ich mußte es singen, da vergaß ich die Menschen und dachte an Dich und sang mit wahrer Stimme, wie ich lange nicht gesungen habe.
Es ist kein Mensch uf Erde,
Heiligeberg,
Als Seppeli uf die Freudeberg,
Als Kindeli unter die Träneberg,
Kein Bleibens ist all hie.
Und will mir nit bald werde,
Heiligeberg,
Mein Seppeli uf die Freudeberg,
Dann Kindeli unter die Träneberg,
Dann muß ich bi der si.
Ich würde Dir dieses nicht geschrieben haben, wenn es Dir nicht auch sagte, wie mir es ist ohne Dich. Und wie ich allen ein Trauerbild bin, wenn ich Dich nicht sehe, süßes Freudenbild, ich kann nicht bestehen mehr, ohne dann und wann Deinen Atem einzusaugen, o Sophie, Du bist nie einem Manne gewesen, was Du mir bist, ich fühle es ruhig und mit Überzeugung, daß ich auch Dir alles sein werde. Um Dir eine kleine Freude aus der Ferne nach meinen Umständen zu machen, schicke ich Dir in diesem Brief sechs Körner türkisches Rauchwerk, ein Jude von hier, der mein Universitätsfreund war, hat sie aus der Türkei mitgebracht, sie sind sehr köstlich und nur im Serail gebräuchlich, er erhielt sie von einem Arzt, man benetzt sie im Munde und legt sie auf Kohlen, wenn man sie verbrennen will, sonst gewähren sie auch ohne das einen sehr angenehmen Geruch, ich hoffe Dir eine Freude mit zu machen. Der Tristant ist also für Dich, Deine Liebe berechtigt Dich zu ihm, und meinen Rat wirst Du dabei nicht verschmähen. Morgen reise ich nach Ziebingen mit Arnim, es ist 2 Meilen hinter Frankfurt an der Oder, auf Postkarten kannst Du es als Station sehen und wissen, wo ich bin oder war, ich mute Dir es nicht zu, aber ich sage es nur, weil mir es so ist, ich lese oft halbe Tage in Reiserouten und Postbüchern und sehe immer nach Heidelberg auf der Karte. Daß Du so mutig arbeitest und Dir die Erzählung so wohl gelungen, freut mich innig. Deine Muse wird gewiß wieder neue, schönere Zweige treiben als je, denn wer solchen Sinn für das Vortreffliche in der Kunst hat, den wird auch das Vortreffliche wieder lieben. Teures Weib, meine Liebe ist so ernst, so treu, o fasse Mut, liebe wieder, Heimweh ist eine schwere, tödliche Krankheit, ich habe sie nie gehabt, jetzt habe ich sie, ich sehe krank aus und trüb, nur der Gedanke an Wiedersehen erhält mich, lege eine unerbittlichere Schranke als Deinen Willen zwischen uns, und Du siehst mich nie, nie mehr, und mich trinkt der trockne Boden dieses Landes, dann kannst Du in andrem Sinne singen
Unsre Samen, unsre Toten
ruhen in dem leichten Sand.
Aber so soll es nicht werden, ich will Dir zuliebe ausharren, solange ich vermag, und dann zurückkehren, Dich zu sehen, weil ich muß, ich rate Dir deswegen, in jedem Falle auf ein hinreichend geräumiges Quartier zu denken, im Falle Du es nicht für besser hältst, wohnen zu bleiben, da Arnim uns in jedem Falle im Frühjahr besucht und wir leicht Raum zuwenig haben könnten, also behalte die Wohnung, wenn Du sie noch nicht vergeben. Was Jetten angeht, bleibt alles Deinen Wünschen überlassen, und wenn Du willst, will ich sie gleich mit zu Dir hinbringen, ich will deswegen über Jena reisen und sehen, ob Du ihr schon geschrieben, wenn mich Deine Antwort auf diesen Brief hier nicht treffen sollte, was doch auch wohl möglich ist. Hulda grüße herzlich, ich hoffe, sie besser noch wiederzufinden, als ich sie verließ, ich will sie noch recht liebgewinnen wie mein Kind, sollte es nicht schon sein, was ich nicht weiß, halte sie so fern als möglich von Eitelkeit, sie kostet späte Tränen, und unterrichte sie fleißig, Arnim grüßt Dich herzlich, die Fastnachtspiele und Sternbald habe ich nicht, sie sind gewiß zu Haus, ach wäre ich bei ihnen, bei Dir, lebe wohl, mein Engel.
Dein treuer, treuer Clemens.
An Clemens
[Heidelberg, Ende November 1804]
Deine zwei Briefe aus Berlin, die ich zu gleicher Zeit erhielt, haben mich sehr erfüllt, ich habe weinen müssen, ob aus Freude oder Schmerz, weiß ich selbst nicht recht. Wahrscheinlich aus Freude, denn ich finde es weit süßer und würdiger, wenn Du Dich nach mir sehnst als von mir. Übrigens bitte ich Dich herzlich, laß diese Sehnsucht nur einen grauen, wehmütigen Hintergrund sein, auf welchem die lebendigen Regenbogenfarben der Gegenwart nur desto heller glänzen. Alle Deine Wünsche sind erfüllt. Du bist bei dem einzigen, schönsten und geistreichsten Freund, den es in der Welt gibt, alle Deine Umgebungen sind wünschenswert, die Erde hat kein vollkommneres Glück. Wegen meiner Gesundheit sei unbesorgt, ich bin ganz gesund und weiß auch gewiß, daß ich nicht krank werden werde; selbst mein Zustand ist, etwas Müdigkeit abgerechnet, ganz ohne Beschwerden und mehr sichtbar als fühlbar. Was begehrst Du, einsiedlerisches Gemüt, denn noch mehr vom Leben? In lustigen Augenblicken vergleiche ich Dich mit dem scharfsinnigen edlen Don Quichote von la Mancha. Gleich diesem kämpfst Du oft mit rührendem Ernst gegen Windmühlen, fühlst Dich durch einen wunderlichen Beruf oft aus der Wirklichkeit hinweggezogen und sehnst Dich nach einer schönen, hohen und strengen Prinzessin, der Herrin aller Deiner Wünsche und Gedanken, die eigentlich nur eine etwas veredelte Dulcinea von Tolosa ist.
Ich habe nun mehrere Wohnungen in Vorschlag und werde also zu Ostern auf jeden Fall ausziehen. Die eine ist auf dem Paradeplatz, neben dem Kloster. Sie ist reinlich und zierlich, aber etwas eng, hat aber dafür die heiterste, geselligste Aussicht von der Welt, einen sehr zierlichen Hof und allerliebsten Garten und stille, ehrbare Bürgersleute zu Wirten. Der Preis ist 150 fl. Die zweite ist vor dem Mitteltor in einem ganz neu gebauten Haus, das erst zu Ostern ganz eingerichtet wird. Die Zimmer sind alle angenehm, aber der Hof schlecht und meist voller Lohkuchen und Tierhäute, und sonst kein Spielraum als auf der Straße. Die dritte ist nicht weit von unsrer jetzigen, nach dem Tor zu. Drei Zimmer parterre, 2 oben nebst Küche und Gebrauch des Gartens. Aber die untren Zimmer scheinen feucht, und der Wirt ist ein allzu gefälliger und geschwätziger Mann, Dru, jetzt getrennter Ehemann der berüchtigten bösen Frau. Eines von diesen dreien werde ich nun mieten, doch bin ich für keines entschieden.
Von Arnims Lieder und Erzählungen laß Dir für mich so viel geben, als sein guter Wille es gestattet. Ich freue mich kindisch darauf, sie zu lesen, was aber das Einrücken in mein Buch betrifft, so muß ich erst sehen, ob sie nicht zu gut dazu sind, was wahrscheinlich ist. Wenn das ist, behalte ich sie für mich selbst. – Wilmanns, der mir einen förmlichen Kontrakt geschickt hat, bittet sehr dringend um einen Titel; mein gegebener war ihm zu einfach. Nun ist mir auf der Welt nichts verhaßter wie Titel und Büttel. – Creuzer hat mich gebeten, ich sollte es Isis nennen, ich selbst möchte es beinah Namenloses nennen. Was meinst Du? wollt Ihr beide vielleicht Taufpaten sein?
Die Calm war gestern bei mir, und wir haben ein seltsames Gespräch geführt. Diese Frau hat wirklich sehr viel Verstand, aber das unglücklichste Gemüt von der Welt; auch hat sie, wie sie selbst sagt, in ihrem ganzen Leben keine glückliche Zeit gehabt. Wir sprachen vom gelben Fieber, Tod, jüngsten Tag und Leben nach dem Tod, und ihre Idee war folgende. Wir Menschen sind verhältnismäßig gegen Gott, was die Kinder gegen uns. So wie wir weit mehr Sorgen haben wie diese, so hat Gott mehr wie wir; wahrscheinlich sind wir verbunden, nach dem Tod teil an seinen großen Regierungsgeschäften zu nehmen, und unsre Sorgen wachsen folglich unendlich, um so mehr, da der Krieg mit dem bösen Prinzip, welches doch einmal nicht geleugnet werden kann, immer fortdauert und sein Ausgang zweifelhaft ist. Diese finstre, unpoetische Idee hat sie mit großem Ernst und Konsequenz durchgeführt und versichert, daß ihr diese Gedanken manche schlaflose Nacht machten.
Eben ward ich durch Heise und seine Frau unterbrochen, die mir einen kurzen Besuch machten, weil sie bis jetzt krank gewesen. Sie ist munter, anspruchslos und behaglich wie eine Hamburgerin, und beide scheinen sich sehr zu lieben.
Hulda ist jetzt ziemlich wiederhergestellt. Sie hat mir viel Sorge gemacht, denn ihr Husten war gefährlich. Übrigens ist sie brav. Sie hat der Mutter ein Paar Strumpfbänder von violett und weißem Band genäht, die diese trägt, und hat sich vor einigen Tagen all ihre Wäsche selbst gebügelt.
Ich bin heute den ganzen Tag in sehr lieber Gesellschaft gewesen, rate, in welcher? – ich habe Arnims Bild nicht weit von Deiner Büste aufgestellt und so durch beide mich erheitert, denn ich war heute sehr auf dem Weg, üble Laune zu haben. Es ist gelungen, der Abend ist da, und die freundliche Nacht wird alles wieder gut machen. O möchte sie alle Wunden heilen, alle Augen eröffnen, alle Herzen vereinigen! Gute Nacht, Clemens, ich bin ernst und will für Dich beten und für mich, denn was uns fehlt, weiß nur Gott allein!
An Clemens
[Heidelberg, Anfang Dezember 1804.]
Ich kann Dir nichts anders schreiben, als daß sich mein ganzes Herz nach Briefen von Dir sehnt – es ist Liebe und Neugier im schönsten Verein. Billig werde ich aber bestraft, denn fast waren mir anfänglich Deine Briefe zu viel, freilich aus den edelsten Gründen, weil ich nämlich weiß, daß es Dir fast immer weh zumute ist, wenn Du Briefe schreibst, jetzt aber ist es mir zu wenig, o! bitte, bitte, laß es Dir doch ein wenig weh zumute sein! Und so ist dies wieder ein neuer Beweis von meiner Mittelmäßigkeit, die ich aber nicht mit gemein oder armselig zu vermengen bitte, denn nichts ist heutzutage seltner als klarer Sinn für das richtige Maß im Leben, und nichts ist schöner und reicher als dieses Maß.
Ich schicke Dir hier einen fatalen Brief, den mir ein fataler Mann überbrachte, und bitte Dich, mir bald wissen zu lassen, was ich tun soll, denn ich habe ihn jetzt noch nicht bezahlt, weil ich des Ganzen unkundig war.
Vor einigen Tagen kam die Schwester der Pr. Gatterer zu mir, um mir zu sagen, wie die arme Caroline Engelhardt in äußerster Verlegenheit über mein Schweigen sei und sehr fürchte, ihr Brief sei verlorengegangen. Unnötige Furcht! denn da ein Unding nichts ist und nichts nicht gefunden werden, also auch nicht verlorengehen kann, so konnte auch ihr Brief nicht verloren sein. Die Frau sah, wenigstens an diesem Tag, sehr reizend, obgleich ein wenig zu militärisch aus. Ich werde sie nächstens besuchen.
Auch war ich bei der Calm, die mich bitten lassen. Es war alles sehr reinlich und anständig bei ihr. Ihr Kind gefällt mir; es hängt unzertrennlich an ihr, wie eine gesunde, süße Frucht, die noch nicht reif ist. Doch wünsche ich ihr, daß es ihr Ernst sei mit dem, was sie tut, denn sie wird vielleicht viel davon zu leiden haben. – Heute kommen Heisens, Pätz, Creuzers und Loos zu mir, ob wir vergnügt sein werden, werde ich am Abend wissen. Übrigens geht mein Leben seinen einfachen, stillen Gang. Hulda ist noch immer krank, obgleich besser. Leb wohl! ich weiß nichts mehr, ich bin so liebenswürdig dumm, daß es schade wär, wenn ich gescheit werden wollte. Viele Grüße von allen Seiten! Von mir nur einen Kuß auf eine Seite.
Deine Sophie.
An Sophie
[Berlin den 17. Dezember 1804]
1 Tag vor meiner Abreise
Geliebtes Weib!
Gestern Abend bin ich von Arnims Ländchen Baerwalde zurückgekommen, wohin wir uns von Ziebingen begaben, wo wir vierzehn Tage mit der Finkensteinischen recht angenehm zugebracht haben, ich könnte Dir eine Menge intressanter Dinge davon schreiben, aber da ich morgen zu Dir zurückreise, so bleibt es mir aufbehalten, Dir alles das, mit Küssen unterbrochen, zu erzählen. Zwei Briefe von Dir fand ich vor, ohne Datum, der eine begehrt einen Titel zu Deinem Buch, uns scheint keiner besser als Bunte Reihe, der andre klagt über mein Schweigen, und ich habe doch viel geschrieben, nur seit vierzehn Tagen nicht, wo ich immer hin und her fuhr. Doch bitte ich Dich herzlich darüber um Verzeihung, Du wirst wohl ohnlängst mehrere Briefe von mir haben. Wie mir es geht? gut, besser kann es niemand gehn, alle Leute lieben mich, sind mir gefällig, ich genieße die beste Gesellschaft, Arnim liebt mich treulich, aber ich muß fort, denn ohne Dich ist mir keine Freude, Dich sehen, Dich ans Herz drücken, das ist mein einziger Gedanke, Arnim kömmt zu uns nach Heidelberg, das Frühjahr, hier ist Weihnachtsmarkt, ich bin den ganzen Tag herumgelaufen, Dir was zu kaufen, auch habe ich etwas, aber wenn es nur nicht zerbricht. Heute ist Montag, bis Mittewoch früh steige ich auf den Postwagen, wenn Du diesen Brief hast, bin ich schon auf dem Wege nach Würzburg, schwerlich noch in Gotha, die Gewalt, die mich zu Dir zieht, ist allmächtig, ich muß, ich bin ganz krank vor Heimweih. O Sophie, so ein Herz voll Liebe ist in mir, ich möchte zerspringen, ich verspreche mich nicht, wenn ich sage, daß selbst Kummer an Deiner Seite mir Wollust ist, aber es wird keinen mehr geben, ich weiß es, lebe wohl, bald sehe ich Dich, küsse Dich, decke mir ein Bett neben dem Deinigen, in dem Deinigen, in Deinem Herzen, in dem Himmel, in Gott!
Wegen der Anweisung, die Dir gebracht wurde, hat es seine Richtigkeit, zahle sie oder schreibe nach Frankfurt, man solle für mich an den Kunsthändler Reinheimer in der Sandgasse 29 fl. zahlen.
* * *
An Clemens
[Heidelberg, etwa 13. April 1805.]
Guten Morgen, Lieber! ich schicke Dir hier einige Bücher und Briefe, die ich erhielt – ich denke, es macht Dir doch vielleicht Freude, sie zu haben. Daß einer der letzten erbrochen ist, macht die Aufschrift, die mich verwundert hat, obgleich es mir recht schmeichelhaft ist, daß man uns so sehr für eins hält, um die Adresse gleichgültig zu finden. Die Strümpfe hatte ich vergessen, und wenn Dir es deshalb so kalt gewesen ist, wie mir heiß, so hast Du, Armer, sehr gefroren. – Der kleine Spanier war bei mir, um wie ein echter Grande mit zierlicher Grandezza nach meinem Befinden zu fragen. Er geht aufs Land zum Pfarrer Wundt, doch gedenkt er nur kurze Zeit dazubleiben. Er läßt Dich grüßen; auch Baetz. Die Fries ließ mich bitten, auch Creuzers, die wieder eine Gesellschaft gaben; aber ich ging nicht, denn, so lieb ich sie habe, finde ich doch, daß sie wie die Rosenkreuzer für die Einsamkeit gehören und das Ordenskreuz nur tragen, wenn sie allein sind, das Hauskreuz aber bei Besuch. Gestern kam ein kleiner, wohlgekleideter, freundlicher Franzos zu mir, der mich sehr angenehm um einiges Reisegeld für seinen Papa bat. Er überreichte mir einen schönen weißen Bogen Papier, worauf 2 Briefe, einer deutsch, der andre französisch standen. Ich schrieb den ersten geschwind auf das genaueste ab, um Dir ihn hier als Beitrag zum Deutsch-Franzosen zu schicken. Der französische war nicht besser. – – Als Neuigkeit kann ich Dir schreiben, daß Savigny einen Ruf nach Jena erhalten hat. – Nun leb wohl! ich wünsche Dir alle die Freude, die ich entbehre, und das ist viel, denn Du bist es ja selbst. Ich weiß nicht, ist es der Frühling oder die Liebe selbst, oder die Entfernung, daß ich recht oft mit süßer Lust und Wärme an Dich denke. Wenn Du da bist, kann ich oft vor Dir selbst nicht dazu kommen, Dich recht zu lieben. Leb wohl! Die Hulda ruft: Ach! Mutter, schreib ihm! ein Gruß von mir!
An Sophie
[Frankfurt, etwa 15. April 1805.]
Liebe Frau!
Wenn ich so hier im Haus gar keine Zuflucht habe, wie es denn in jedem Augenblick der Fall ist, denke ich an Dich und meine Heimat. Der Lärm, das Geräusch, das Geschwätz sind womöglich größer als vorher, und die armen Kinder sind samt und sonders elend und krank, wie auch die arme Klodine in ewigen Krämpfen liegt. Es ist keine Lektüre, kein Gespräch mehr zusammenzubringen; alles das ist abscheulich, und ich könnte wie jeder Verdammter dieser Hölle mich an mir selbst freuen und die andern ruhig krepieren sehen, aber ich will nicht, alle diese Menschen werden mich wenig zum Mitleid bewegen. – Gestern kam ein Brief von Savigny an Betine, eine Stunde nach der Gundels Niederkunft mit einer Tochter, Betine soll sie zur Taufe heben, zum Knaben war Christian gebeten. Als ich durch Darmstadt kam, brachte ich den Abend bei Lichtenberg zu, er war soeben von Savigny nach Paris eingeladen worden, ich habe mich recht an diesem lieben Jungen und seinem ähnlichen Vater erfreut. Auch bin ich darhintergekommen, woher Eichstädt die Frage hat, ob Du nach Jena zurückkehrtest. Ein miserabler Professor Schaumann von Gießen schreibt an Lichtenberg, ob er nichts Näheres wisse, daß die geliebte Sophie sich von ihrem Manne trenne und nach Jena zurückkehre, Eichstädt sehne sich sehr nach ihr und dergleichen. Ich bin heute in der ganzen Messe herumgelaufen, Dir einen Hut zu kaufen, aber meinst Du nicht, daß acht Gulden zu viel ist für einen gelben Strohhut, die Toni will mir einen modernen Tafthut vor 4 fl. besorgen, ich habe bereits ein Dutzend sehr schöner Gläser gekauft für 4 fl. 30. Für das Gesandte danke herzlich, doch sende mir nur Briefe, auch bitte ich Dich, mir recht bestimmt zu sagen, was ich wegen der Engelhard zu tun habe, ich weiß gar nicht, woran ich bin. Die Günterrode, die Vertraute Betinens, welche einige mir unbekannte Liebesverhältnisse hier hat, hat dieser den Winter Geschichte gelehrt, ihr Mahomet wird jetzt bei Wilmans gedruckt, und sie ist nichts weniger als unglücklich oder traurig, sie ist recht ernsthaft und hat an Bestimmtheit gewonnen, ich sah sie einmal, sie geht ungern in unser Haus. Christian, der mit mir in einer schlechten Kammer wohnt, ist so liebenswürdig, daß er schwört, er könne sich nicht räuspern (nasenreinigend), ohne Achim zu sagen, und weil mich diese Beschimpfung kränkt, fängt er schon in aller Frühe damit an. –
Was Du noch wünschest gekauft zu haben, schreibe mir, denn freiwillig darf ich nicht, ich kaufte sonst alles für Dich, drum schreibe, damit ich etwas kaufe. Dein
An Clemens
Heidelberg, d. 17ten April [1805].
Lieber Clemens!
Ich schicke Dir hier einige Briefe. Aus dem von Wilmans wirst Du sehen, daß ich erst zu Ende dieses Monats Geld von ihm erhalte; und doch habe ich, in der sichern Erwartung, es gleich jetzt zu bekommen, Hausmiete und allerlei Rechnungen berichtigt und also fast alles Geld ausgegeben. Ich bitte Dich daher, kurz zuvor, ehe Du abreisest, Dir 8 Carolins von Wilmans auszahlen zu lassen, mir aber dies Geld sogleich zu schicken. Ich erwarte es von Dir bis künftigen Sonntag, den 21sten, und es würde mich sehr in Verlegenheit setzen, wenn ich es da nicht erhielt. Daß meine Gedanken schon ausgezogen sind, wirst Du wohl an diesem Brief merken; morgen folge ich selbst nach. – Den Brief von W. zeig niemand, es könnte ihn mit Recht beleidigen, weil es unrecht wäre. Viel Schönes von Daub und Creuzer. Oh! wie vergnügt wirst Du jetzt sein! Leb wohl.
Deine Sophie.
An Sophie
[Frankfurt, den 19. April 1805.]
Liebe!
Es wundert mich, daß Du von meinem letzten Brief nichts sagst, da der Deinige doch auf der Briefpost an mich kam, so daß Du mir von Heidelberg einen Frankfurter Katalog nach Frankfurt schickst, welchen ich schon zweimal in Heidelberg habe und für den ich der Post hier 24 Batzen zahlen mußte. Daß Du kein Geld mehr hast, ist nicht gut, und recht gut, das erste, weil Du wieder brauchst, und das zweite, weil ich nun abgeschreckt bin, viele schöne Sachen zu kaufen, welches letztere recht weislich ist. Ich schicke Dir hier eine Anweisung auf Loos von den acht Carolins, schicke mir eine auf Wilmans umgehend, ich will sie den Brüdern geben. Ich wünsche herzlich, daß Du mir irgend etwas wegen der Engelhardt schreibst, wegen welcher ich nicht hot und nicht her weiß. Ich sehne mich sehr nach Haus, von der Gesinnung Betinens zu mir ist auch kein Fünkchen mehr übrig. Es geht mir hundeüber hier, ich wollte, die Engelhard käme und ich könnte fort, wenn ich sie nur hier hätte, es sind täglich – – – Kutschen da, ich wollte, ich wäre bei Dir, ich gehöre Dir doch an, ganz an.
Clemens.
Wenn Loos das Geld nicht gibt, woran nicht zu zweiflen, so lasse Dir es von Fries zahlen und gib diesem die Anweisung auf Wilmans, alsdann aber zerreiße beiliegende auf Loos. Fries gibt Dir das Geld gewiß gern, und es ist keineswegs eine so große Gefälligkeit, daß Du ihn darum ansprechen solltest. Grüße Hulda.
Dem Daub sage, daß ich das Buch der Hanauer Auktion, welches mir sein Vater hat entgehen und einen Juden von hier hat kaufen lassen, von diesem Juden um 28 fl. habe kaufen müssen.
Schicke mir keine Päckchen mehr, nur Briefe, doch danke ich Dir für Deinen liebevollen Willen. –
Hast Du den Bassermann bezahlt? hoffentlich –
An Clemens
[Heidelberg, den 21. April 1805.]
O weh! Das war ein böser Brief, Dein letzter! ich hoffe, Du selbst wirst desto freundlicher sein! Schade auf die schönen Sachen, die Du nun nicht mitbringst, ich bin ohne sie glücklich genug! nur das einzige bitte ich Dich, versorg Dich selbst so schön als möglich und mir bring einen Hut mit, wenn Du kannst. – Die Engelhardt hat mir geschrieben. Sie kömmt zu Ende künftiger Woche mit der Erxleben nach Frankfurt. Um diese Zeit wird auch Baetz von hier aus hinkommen, und so ist diese ganze Sache auf das einfachste in Richtigkeit gebracht. Es gefällt mir sehr wohl in meiner neuen Heimat, und hoffentlich soll es Dir auch nicht unheimlich darin sein. Der beschwerliche Tag des Ausziehens ist still und glücklich vorübergegangen. Hier die Anweisung an Wilmans; doch bitte ich Dich seinetwegen, sie erst kurz vor Deiner Abreise abzugeben und mir seinen Brief wieder mitzubringen.
Gute Nacht! Vivat Heidelberg! –
Denk, mein Wirt ist so artig, daß er mir jeden Morgen die Mannheimer Zeitung, sich selbst aber gar nicht sehen läßt, eine Aufmerksamkeit, die mich entzückt!
Hulda schreit, ich soll Dich grüßen und Du sollst sie liebhaben.