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»Die Weichflosser sind Fische, die im inneren Bau mit den Stachelflossern übereinstimmen, deren Schwimmblase, wenn vorhanden, auch ohne Luftgang ist, die aber nur weiche Strahlen haben. Ihre Bauchflossen, wenn vorhanden, stehen an der Brust oder Kehle.« Mit diesen Worten kennzeichnet Johannes Müller die von ihm aufgestellte Ordnung, und wenn man dem ergänzend noch hinzufügt, daß die unteren Schlundknochen stets getrennt sind, hat man gesagt, was im allgemeinen über die hierher gehörigen Fische zu sagen ist. Anders verhält es sich, wenn man die Bedeutung, die die Weichflosser für uns haben, ins Auge faßt. So wenige Familien nämlich diese Ordnung begreift, und so gering die Anzahl der Arten jeder einzelnen Familie, so außerordentlich ist die Wichtigkeit derselben für die Fischerei. Die Weichflosser sind es, die jahraus, jahrein die Fischmärkte mit den gesuchtesten und beliebtesten Seefischen versorgen, sie, denen zu Gefallen Tausende von Schiffen ausgerüstet werden, die Hunderttausenden von Menschen Beschäftigung und Verdienst gewähren. Ihretwegen versammeln sich alljährlich die größten aller Flotten an bestimmten Stellen, trotzen die Fischer dem grauenvollsten Wetter und allen damit verbundenen Gefahren. Der Handel mit ihnen verbindet seit Jahrhunderten die entferntesten Völker und ist seit dieser Zeit für einzelne Gegenden und Länder die hauptsächlichste Quelle des Wohlstandes gewesen.
Das Gewirr der Inselchen und Schären, die in dichtgeschlungenem Kranze Norwegens Küste umlagern, zeigt dem nach Norden steuernden Reisenden ein anderes Gepräge, wenn jene hohen Breiten erreicht wurden, in denen während der Sommermonate Mitternachtssonne auf den Bergen liegt und während der Wintermonate nur ein Dämmerlicht im Süden von dem Tage spricht, der niederen Breiten aufgegangen. An Stelle der selten mehr als hundert Meter über dem Spiegel des Meeres emporsteigenden größeren Inseln erheben sich solche von bedeutend geringerem Umfange bis zu tausend und mehr Metern über die See, schon von fern ihre von dem dunklen Felsengrunde grell abstechenden, schneeigen Häupter und die von diesen wie breite silberne Bänder zur Tiefe sich senkenden Gletscher zeigend. Ein meilenbreiter Meeresarm trennt diese Inseln, die Lofoten, vom Festlande und erscheint auch trotz der starken Strömung, die in ihm herrscht, als ein ruhiger Binnensee, verglichen mit dem fast jederzeit hochwogenden Eismeere. Schon vom Dampfschiffe aus, das bald dem Festlande sich nähert, bald wieder nach dem hohen Meere sich wendet, um dem in dem dünnbevölkerten Norwegen so trefflichen Postdienste zu genügen, lernt der Reisende erkennen, daß er sich in einem Inselmeere befindet, in dem jedes Eiland gleichsam als Mutter erscheint, umlagert von unzähligen Töchtern, kleinen Inseln und Schären, wie man sie früher gewahrte.
Dem Meere wie den zahllosen Eilanden fehlt der Reichtum des Südens; sie sind jedoch keineswegs aller Schönheit bar und üben namentlich in den Stunden um Mitternacht, wenn die Sonne groß und blutrot niedrig über dem Gesichtskreise steht und ihr gleichsam verschleierter Glanz auf den eisbedachten Bergen und dem Meere sich widerspiegelt, einen wunderbaren Zauber aus. Wesentlich dazu tragen bei die überall zerstreuten »Gehöfte«, wie der Normann sagt, Wohnungen, aus Holz gezimmert, mit Brettern verschlagen und mit Rasen gedacht, prangend in seltsam blutroter Farbe, die sich lebhaft abhebt von dem als Schwarz erscheinenden Dunkel der Bergwand und dem Eisblau der Gletscher dahinter. Nicht ohne Verwunderung nimmt der im Lande noch fremde Südländer wahr, daß diese Gehöfte größer, stattlicher, geräumiger sind als jene der gesegnetsten Täler des südlichen Skandinavien, obgleich sie nur selten von Äckern umgeben werden, auf denen die viermonatliche Sommersonne nicht immer die Gerste zur Reife bringt. Ja, die stattlichsten und geräumigsten Gehöfte liegen oft auf verhältnismäßig kleinen Inseln, auf denen nur Torf die Felsen deckt, und auf denen dem undankbaren Boden kaum so viel Raum abgewonnen werden konnte, als ihn ein kleines Gärtchen beansprucht.
Das scheinbare Rätsel löst sich, wenn man erfährt, daß hier nicht das Land, sondern das Meer der Acker ist, der gepflügt wird, daß man nicht im Sommer säet und erntet, sondern inmitten des Winters, gerade in denjenigen Monaten, in welchen die lange Nacht unbestritten ihre Herrschaft ausübt und anstatt der Sonne nur der Mond leuchtet, anstatt des Morgen- oder Abendrotes nur das Nordlicht erglüht. Zwischen jenen Inseln liegen die gesegnetsten Fischgründe Skandinaviens; jene Gehöfte bilden die Scheuern, in denen die eingeheimste Ernte des Meeres geborgen wird. Während des Hochsommers ist das Land hier menschenleer; während des Winters wimmeln die Inseln und das Meer von Schiffen und Booten und geschäftigen Männern. Im Sommer schauen Millionen Vogelaugen von den Gehängen herab auf das Wasser; im Winter regen sich arbeitsame Menschenhände, wenigstens am unteren Ende derselben Gehänge, Tag und Nacht. Von der ganzen Küste her strömt um die Weihnachtszeit die Fischerbevölkerung hier zusammen, und so geräumig auch die Gehöfte, sie vermögen die Anzahl der Gäste nicht zu fassen. Ein guter Teil derselben muß herbergen auf den Schiffen oder in kleinen, roh zusammengeschichteten Hütten auf dem Lande, obgleich immer nur eine gewisse Abteilung der Männer sich in der Herberge überhaupt aufhält, die Hauptmasse hingegen auf dem Meere sich befindet, um zu ernten.
Monatelang währt das rege Getriebe, monatelang ein ununterbrochener Markt. Mit den Fischern sind Aufkäufer und Händler erschienen; denn die Schiffe, dazu bestimmt, die Meeresernte wegzuführen, haben die Erzeugnisse des Südens gebracht. Der Bewohner der Lofoten tauscht sich jetzt gegen die Schätze des Meeres die des südlichen Landes ein; der hier angesiedelte Kaufmann versorgt sich für das übrige Jahr. Erst wenn die Sonne am südlichen Himmel wiederum sich zeigt und damit den Frühling bringt auch über dieses Land, wird es stiller. Beladen vom Kiel bis zum Deck, hebt eines der Schiffe nach dem andern den Anker, hißt die Segel und steuert südwärts; und wenn die Meervögel einziehen auf den Bergen, haben die Menschen den Fuß derselben geräumt.
Um dieselbe Zeit beginnt fast genau dasselbe Leben auf der entgegengesetzten Seite des Meeres, an der Bank von Neufundland, nur mit dem Unterschiede, daß sich hier alle fischereitreibenden Völker des Nordens ein Stelldichein geben, während zwischen den Lofoten hauptsächlich Norweger sich versammeln. Alles das geschieht eines einzigen Fisches halber.
Dieser Fisch ist der Kabeljau, einer der wichtigsten Seefische der Erde, derjenige, dem man seit mehr als drei Jahrhunderten unablässig nachgestellt, wegen dessen blutige Kriege geführt worden sind, von dem in jedem Jahre einige hundert Millionen Stück gefangen werden, und der dennoch diesem Vernichtungskriege Trotz bot, weil seine unglaubliche Fruchtbarkeit die von dem habgierigen Menschen seinen unschätzbaren Heeren beigebrachten Lücken, bisher wenigstens, immer ausfüllte.
Die Familie der Schellfische ( Gadidae), als deren wichtigstes, wenn auch nicht edelstes Mitglied der Kabeljau gelten muß, hat einen mehr oder weniger verlängerten, mit kleinen, weichen, zahnrandigen Schuppen bekleideten Leib, eine, zwei oder drei Rückenflossen, kehlständige, kleine Bauchflossen, eine oder zwei Afterflossen und breite, mehr oder weniger ausgerandete, selten abgerundete Schwanzflossen.
Drei Rücken- und zwei Afterflossen, die bestimmt von der letzten Rücken- und zweiten Afterflosse geschiedene Schwanzflosse und ein Bartfaden an der Spitze der Unterkinnlade kennzeichnen die Sippe der Schellfische ( Gadus) und somit auch den Kabeljau oder Dorsch ( Gadus morrhua), einen Fisch von einem bis anderthalb Meter Länge und bis zu einem Zentner Schwere. Auf grauem Grunde ist er mit kleinen gelblichen Flecken getüpfelt, längs der Seitenlinie weiß gestreift, auf dem lichten Bauche ungefleckt. Der Kabeljau bewohnt das Atlantische Meer vom vierzigsten Grade nördlicher Breite an und ebenso das Eismeer bis zum siebzigsten Grade hinauf. In der Ostsee wird er durch eine Spielart ersetzt. Im Mittelländischen Meere fehlt er gänzlich.
Als die eigentlichen Aufenthaltsorte des Kabeljaues müssen die tiefsten Gründe der genannten Meere gelten; denn seine Einwanderungen in den seichteren Buchten oder sein Ansammeln über verhältnismäßig flachliegenden Bänken, wie die von Neufundland und Rockall es sind, geschieht einzig und allein der Fortpflanzung halber. Aber auch dann noch meidet er seichte Stellen des Meeres, wählt sich vielmehr am liebsten eine Tiefe von fünfundzwanzig bis vierzig oder fünfzig Faden zum Ablegen seiner Eier aus. An Fruchtbarkeit wird er schwerlich von irgendeinem anderen Fische übertroffen: Leeuwenhoeck behauptet, in einem Rogener gegen neun Millionen Eier gefunden zu haben. Die Laichzeit fällt auf der östlichen Seite des Atlantischen und des Eismeeres in die früheste Jahreszeit, in den Februar nämlich, und schon vom Anfang des Januar an nähern sich die Kabeljaus hier den Küsten; auf der Westseite derselben Meere hingegen tritt sie erst später, im Mai und Juni, ein, unzweifelhaft deshalb, weil hier der Golfstrom seine belebende und zeitigende Wärme nicht äußert. Ein halbes Jahr später haben die Jungen etwa zwanzig Zentimeter an Länge erreicht; im dritten Jahr sind sie fortpflanzungsfähig geworden. Die laichenden Fische erscheinen in unschätzbarer Menge, wie die Norweger bezeichnend sagen, in Bergen, d. h. in dichtgedrängten Heeren, die mehrere Meter hoch übereinander schwimmen und einen Raum von einer Seemeile und mehr einnehmen, ziehen der Küste oder der Sandbank zu, treiben sich auf derselben mehrere Tage umher, werden beständig durch neue ersetzt und verlieren sich dann allmählich wieder. An der nordamerikanischen Küste beeinflussen zwei Tiere, der Kapelan Kapelan ( Mallotus villosus), ein kleiner, das Eismeer in unermeßlicher Menge bewohnender Lachsfisch. Herausgeber. und eine Tintenschnecke, die Heerzüge. Ersterer besucht dieselben Örtlichkeiten, um zu laichen, und dient dann den überaus gefräßigen Kabeljaus fast zur ausschließlichen Nahrung; letztere drängt sich heran, wenn jener sich entfernt, als ob sie bestimmt wäre, seine Stelle zu vertreten und sich nun von den Kabeljaus fressen zu lassen.
Während der Laichzeit findet der Fang statt: die Gefräßigkeit des Kabeljau macht ihn in so hohem Grade ergiebig. Der Fisch, dessen Nahrung in Fischen, Krebsen und Muscheln besteht, frißt alles, was er bewältigen zu können meint, schnappt wenigstens danach, ja selbst nach vollkommen ungenießbaren Dingen, falls sie nur glitzern oder sonstwie seine Aufmerksamkeit erregen. In der Ostsee erscheint der Dorsch stets da, wo der Hering auftritt, füllt seinen ewig verlängernden Magen nötigenfalls aber auch bis zum Bersten mit Stichlingen an, sammelt Schal-, Weich- und Krebstiere, verschlingt selbst Tang und Seegras und verschont selbstverständlich auch seine eigenen Jungen nicht.
Zu seinem Fange wendet man an der norwegischen Küste Netze an; an allen übrigen Stellen dagegen gebraucht man nur die Grundschnur und die Handangel, die beide auch auf den Lofoten eine sehr bedeutende Rolle spielen. Die Grundschnur ist eine starke Leine von etwa zweitausend Meter Länge, an der sich gegen zwölfhundert Angelschnuren und an ihnen Angeln befinden. Sie wird ausgeworfen und von je sechs zu sechs Stunden emporgeholt, der Fang ausgelöst, die bezügliche Anzahl Angeln wiederum geködert und die Schnur von neuem gelegt. Währenddem beschäftigen sich die Fischer mit Handangeln, von denen sie je eine in die Hand nehmen, rasch emporziehen, wenn sie merken, daß etwas sich gefangen, und sofort wieder in die Tiefe versenken. Bei der unschätzbaren Anzahl der Fische ist es nichts Seltenes, daß jeder einzelne Mann der Besatzung eines Bootes täglich zwischen drei- bis vierhundert Stück erbeutet. Nebenbei wird der Fang der Kapelans und Tintenschnecken oder an anderen Orten der Heringe eifrig betrieben, weil man deren Fleisch als Köder benutzt. In Ermangelung solcher kleinen Fische dienen auch die Eingeweide der gefangenen Kabeljaus zu gleichem Zwecke.
Sofort nach dem Fange beginnt die Zubereitung der Beute. Man schneidet zunächst die Köpfe ab und wirft sie beiseite in besondere Tonnen oder Bottiche, weidet hierauf die Fische aus und teilt sie mit einem einzigen rasch und geschickt geführten Schnitte bis zur Schwanzflosse in zwei Hälften, sehr große auch wohl in vier Teile. Die Leber kommt in ein besonderes Faß, der Rogen in ein anderes; die übrigen Eingeweide werden sofort zerschnitten und entweder sogleich oder doch bald als Köder verwendet. Während des Winterfanges bereitet man, auf den Lofoten wenigstens, zuerst nur Stockfische zu. Jedes größere Schiff führt eine beträchtliche Anzahl von Gabeln und Stangen mit sich und vermehrt mit deren Hilfe die am Lande feststehenden Gerüste. An ihnen nun hängt man die im Meerwasser ausgewaschenen, bis auf die Schwanzflosse geteilten Kabeljaus zum Trocknen aus, auf den meisten Inseln unter freiem Himmel, hier und da auch wohl in überdachten Schuppen, die dem Luftzuge kein Hindernis bieten. An diesen Gerüsten trocknet der Fisch ganz allmählich ein; bei einigermaßen ungünstiger Witterung sieht man sie noch im Juli beladen. Das ist in der Gegend des Nordkaps sogar die Regel. Herausgeber.. Erst nachdem der Stockfisch klapperdürr geworden, bringt man ihn in die Speicher, bündelweise wie Reisig, und schichtet ihn hier bis zur Abnahme haushoch übereinander. In besonders glücklichen Jahren, wenn alle Gerüste rasch sich bedecken, bereitet man aus den zuletzt gefangenen Kabeljaus Klippfische. Zu diesem Ende werden jene längs des Rückgrates geteilt und entweder erst einige Tage in großen Bottichen gesülzt und sodann auf den Klippen zum Trocknen ausgebreitet, oder hierselbst mit Salz bestreut. Hat man Fässer genug, so richtet man einen guten Teil der Beute zu Laberdan zu, d. h. schichtet die zerteilten Fische reihenweise in Fässern auf, bringt zwischen jede Lage eine Schicht Salz und schließt die Tonnen, sobald sie gefüllt sind. Im nördlichen Norwegen oder in Finnland erscheinen während des Fanges regelmäßig russische Schiffer aus Archangelsk, die nach guter russischer Art alle Tonnen verschmähen und die von ihnen erkauften Kabeljaus nebst anderen Fischen ohne weiteres im Raume ihres Fahrzeuges aufschichten, einsalzen und mit den Juchtenstiefeln feststampfen.
Die Köpfe werden in Norwegen fast ausschließlich als Viehfutter benutzt; die Lebern schüttet man nach Beendigung des Fanges in große Bottiche, die zum Leidwesen der feinsinnigen Südländer oft inmitten der Städte aufgestellt werden und beim Faulen ihres Inhaltes unerträglichen Gestank verbreiten. Das aus ihnen sich sondernde ölige Fett, der Lebertran, wird von Zeit zu Zeit abgeschöpft, durch Seihen gereinigt und, seiner Güte entsprechend, in verschiedene Fässer gefüllt. Am besten ist, wie leicht erklärlich, derjenige, der wenige Tage nach Beginn der Fäulnis gewonnen wird, am schlechtesten der Rest, den man durch Kochen erlangt. Heute geschieht die Gewinnung des Lebertrans durch hydraulische Auspressung der Lebern. Auch hier unterscheidet man nach ihrer Güte verschiedene Pressungen. Die erste ergibt den bei Kindern so »beliebten« Lebertran. Herausgeber. Nach der eigentlichen Fangzeit erbeutet man auf den Lofoten noch fortwährend Kabeljaus oder, wie man dort sagt, Dorsche und bereitet sie, je nach der Witterung, auf diese oder jene Weise. Über den Fang auf der Neufundlandsbank braucht nach dem Vorstehenden nichts weiter gesagt zu werden, da er oder die Bereitung des Kabeljaus im wesentlichen auf denselben Grundsätzen beruht.
Im Jahre 1861 wurden auf den Lofoten von mehr als zwanzigtausend Menschen, die gegen fünftausend Fahrzeuge bemannten, über neun Millionen Kabeljaus getrocknet, ebenso viele zu Klippfischen und Laberdan bereitet und gegen eine Million frisch gegessen; im Jahre 1877 betrug die Ausbeute über fünfundzwanzig Millionen. Der Fang auf der Neufundlandsbank lieferte, nach Cornak, schon im Anfange dieses Jahrhunderts über dreihundert Millionen Stück, ungerechnet die hundert Millionen, die man im Lorenzgolfe erbeutete. Gegenüber diesen Erträgen erscheinen die des Fanges in den deutschen Meeren höchst unerheblich.
Yarrell erzählt, daß man in verschiedenen Teilen Schottlands gefangene Kabeljaus längere Zeit in Salzwasserteichen gehalten und gute Erfolge erzielt habe. Während der Fischerei brachte man nach und nach diejenigen Gefangenen, die nicht zu sehr verletzt waren, in die betreffenden Becken, fütterte sie hier mit allerlei Muscheln und Schaltieren und gewöhnte sie bald so an den engen Raum, daß sie anscheinend sehr wohl sich befanden, Zeit und Stunde der Fütterung kennenlernten und ihre hungerigen Mäuler aus dem Wasser streckten, wenn der Wärter sich nahte. Ein Kabeljau soll zwölf Jahre in gedachtem Teiche ausgehalten haben. Nach Erfahrungen an Dorschen, die ich selbst pflegte, halte ich vorstehende Angaben durchaus für glaubwürdig. Kein Seefisch gewöhnt sich leichter an die Gefangenschaft im engeren Raume, keiner geht mit weniger Umständen an das Futter, keiner frißt mehr, keiner wächst rascher als der Kabeljau. Hält man das Wasser seines Beckens kühl genug, reicht man ihm hinlängliche Nahrung, so gedeiht er nicht nur vortrefflich, sondern dauert auch mehrere Jahre selbst in einem für ihn offenbar zu engen Gewahrsame aus.
Der Schellfisch ( Gadus aeglefinus) unterscheidet sich vom Kabeljau durch geringere Größe, gestrecktere Gestalt und spitzigere erste Rückenflosse sowie durch die Färbung. Seine Länge beträgt fünfzig bis sechzig Zentimeter; sein Gewicht kann bis acht Kilogramm erreichen. Die Färbung des Rückens ist bräunlich, die der Seiten silbergrau; die Seitenlinie und ein Fleck zwischen Brustflosse und erster Rückenflosse sehen schwarz aus. In der Nordsee ist der Schellfisch nirgends selten, in den meisten Gegenden sogar sehr häufig; in der Ostsee dagegen wird er nur selten und bloß im Süden, etwa bis Kiel hinab, also nur in verhältnismäßig stark salzigem Wasser angetroffen. Auch er vereinigt sich zu unschätzbaren Haufen und scheint beständig auf der Wanderung zu sein. An den friesischen Küsten findet er sich in den Monaten März bis Mai ein, verweilt hier vielleicht auch bis zum Anfang des Juli, verschwindet sodann, zweifellos, um die heiße Jahreszeit in dem kühleren Wasser einer Tiefe von mehr als zwanzig Faden zu verbringen, und zeigt sich dann vom Anfange des Oktober an wiederum auf den Plätzen, die man als seine Aufenthaltsorte kennengelernt hat, um hier bis zum Januar zu leben. Gewöhnlich nähert er sich der Küste höchstens bis auf vier bis fünf Seemeilen Entfernung; im Februar und März, seiner Laichzeit, aber besucht er auch die Gewässer hart am Strande und wird dann in großer Anzahl gefangen. Auf den Fischmärkten Norddeutschlands, Hollands, Norwegens, Großbritanniens und Nordwestfrankreichs fehlt er nie; für unsere Meere hat keine Art seiner Familie größere Bedeutung als er. Sein Fleisch ist weiß, derb, schmackhaft und leicht verdaulich, wird daher auch dem des Kabeljau überall vorgezogen.
In den schon vorher erwähnten schottischen Seewasserteichen bemerkte man, daß sich die Schellfische vor den übrigen durch Zahmheit auszeichneten, bald mit ihrem Wärter befreundeten und schließlich ihnen vorgehaltene Nahrung aus der Hand nahmen.
Vertreter der Merlane oder bärtellosen Schellfische ist der Wittling oder Weißling ( Gadus merlangus), ein Fisch von dreißig bis vierzig Zentimeter Länge, dessen Gewicht nur in seltenen Fällen bis zu drei Kilogramm ansteigt, und blaß rötlichbrauner, ins Aschgraue spielender Färbung, die auf den Seiten und dem Bauche in Silberweiß übergeht, ausgezeichnet noch durch dunkle Flecke an der Wurzel der Brustflossen.
In den westeuropäischen Meeren ist der Wittling nirgends selten; in der Nord- und Ostsee tritt er minder häufig auf, wie er überhaupt an Geselligkeit weit hinter seinen bisher beschriebenen Familienverwandten zurücksteht. Nach Norden hin scheinen die Orkneyinseln sein Verbreitungsgebiet zu begrenzen; nach Süden hin kommt er bis an die Küste Portugals vor. In den großbritannischen Gewässern trifft man ihn zuweilen in beträchtlicher Anzahl, obschon verhältnismäßig einzeln. Während der Fortpflanzungszeit, die in die Monate Januar und Februar fällt, vereinigt auch er sich zu zahlreicheren Scharen und nähert sich dann bis auf eine halbe Seemeile der Küste. Seine Nahrung besteht aus Krustern, Würmern und kleinen Fischen bis zur Größe des Pilchard; letzterem zu Gefallen verläßt er selbst seine Lieblingsplätze, sandige Gründe. Der Fang geschieht ebenfalls hauptsächlich mit der Leine, seltener mit Netzen, und gilt für sehr einträglich, weil das ausgezeichnete, an Güte das jedes anderen Schellfisches übertreffende, höchst schmackhafte und leicht verdauliche Fleisch mit Recht hoch geschätzt wird.
Eine andere Art der Sippe, ihrer dunklen Farbe wegen der Köhler ( Gadus virens) genannt, gehört mehr den nördlichen Meeren an, obwohl er auch noch in dem Atlantischen Weltmeere, der Nordsee und selbst in der Ostsee gefunden wird. Um Island, Grönland und Finnland ist er nicht selten, bei Spitzbergen, wenn auch nicht der einzige, so doch einer der hervorragendsten und häufigsten Fische. In westlicher Richtung verbreitet er sich bis an die Küsten der Vereinigten Staaten. Zu seinem Aufenthaltsorte wählt er sich, laut Couch, am liebsten felsigen Grund in nicht allzu großer Tiefe, Klippen, die von den Wogen umtobt werden; denn er pflegt sich, wie manche Raubfische, an einer geschützten Stelle aufzustellen, den Strom genau zu beobachten und auf jeden versprechenden Gegenstand, gleichviel ob derselbe lebend oder tot, hervorzuschießen. Thomson fand in dem Magen des Köhlers hauptsächlich Kruster, gelegentlich auch Muscheltiere, während der Laichzeit kleinere Fische, insbesondere der Heringe, fast ausschließlich diese. Seine Laichzeit fällt in die Monate Dezember bis Februar; ausgeschlüpfte Junge sieht man im Mai und Juni.
Das Fleisch des Köhlers steht an Güte hinter dem anderer Schellfische weit zurück; namentlich das der alten Fische wird sehr wenig geschätzt, deshalb auch regelmäßig gedörrt oder eingesalzen.
In den Seewasserteichen gewöhnen die Köhler bald ein, schwimmen langsam und majestätisch hin und her, bis ihre Futterstunde schlägt, schlingen das ihnen Vorgeworfene gefräßig hinab und lernen, daß ihnen zutunliches Betteln zu einem Überflusse an Nahrung verhilft, kommen deshalb regelmäßig an die Ufer und nehmen dem Pfleger das ihnen zugereichte Futter aus der Hand.
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Der einzige Schellfisch, der im Süßwasser vorkommt, ist die weitverbreitete Quappe oder Trüsche, auch Aalquappe und Aalraupe genannt ( Lota lota), Vertreterin der Quappen ( Lota), deren Merkmale in dem langgestreckten, mit sehr kleinen Schuppen besetzten, kleinköpfigen Leib, zwei Rückenflossen, von denen die zweite sehr lang, einer mäßig langen Afterflosse, abgerundeter oder zugespitzter Schwanzflosse, Barteln am Kinne und den in einfacher Reihe in beiden Kieferrändern stehenden Zähnen liegen. Die Quappe ist auf Rücken, Seiten und Flossen lichter oder dunkler ölgrün gefärbt und mit schwarzbraunen, wolkigen Marmelflecken gezeichnet, auf Kehle und Bauchflossen weißlich. Die Länge kann bis sechzig Zentimeter, das Gewicht bis acht Kilogramm erreichen; so große Stücke kommen jedoch nur in den tieferen Seen vor.
Wenige Fischarten dehnen ihren Verbreitungskreis so weit wie die Quappe aus. Sie bewohnt zwar ebenfalls das Meer, beispielsweise nicht selten die Nordsee, vorzugsweise aber doch Flüsse und Seen ganz Mitteleuropas, ebenso die süßen Gewässer Mittelasiens, soll selbst in Indien noch vorkommen. Zu ihrem Aufenthaltsorte wählt sie tiefere Gewässer, kleinere Flüsse nur, wenn sie diese Bedingung erfüllen, in den Seen vorzugsweise Stellen von dreißig bis vierzig Faden und mehr. Eine zweite Bedingung, die sie an ihren Wohnsitz stellt, ist, daß das Wasser klar sei; deshalb tritt sie in Gebirgsgegenden in größerer Anzahl auf als im Flachlande. Bei Tage hält sie sich unter Steinen und anderen im Wasser liegenden Gegenständen verborgen. »Hebt man«, schildert Schinz, »einen solchen Stein sachte empor, so bleibt sie noch eine Zeitlang ruhig, schießt dann aber mit der Schnelligkeit eines Blitzes weg und verbirgt sich unter einem anderen Stein oder im Schlamm. Die Alten halten sich in den Tiefen auf, die Jungen in ganz flachem Wasser nahe am Ufer. Des Nachts verläßt die Quappe ihren Aufenthaltsplatz und schweift umher.« Sie ist einer der ärgsten Räuber der Gewässer und der Schrecken aller kleineren Fische, Junge der eigenen Art nicht ausgenommen. In Behältern fressen die Gefangenen, wenn man ihnen nicht genug Nahrung gibt, einander selbst auf. Die Jungen nähren sich hauptsächlich von Fischlaich und Würmern.
Als Laichzeit werden die Monate November bis März angegeben; wahrscheinlich also findet die Fortpflanzung, je nach der Örtlichkeit und Witterung, zu verschiedenen Jahreszeiten statt. So ungesellig diese Fische sonst sind, zur Laichzeit versammeln sie sich scharenweise, öfters bis gegen hundert Stück, und bilden dann, indem sie sich aalähnlich untereinander winden, einen Knäuel nach Art der sich paarenden Schlangen. Die Vermehrung der Quappe ist nicht sehr bedeutend, weil von den ausgeschlüpften Jungen der größte Teil von den Alten und anderen Raubfischen aufgefressen wird. Das Wachstum scheint ein sehr langsames zu sein.
Der Fang wird mit dem meisten Gewinne zur Laichzeit betrieben, und zwar mit dem Garne und der Grundschnur oder mit Reusen. Zum Ködern benutzt man kleine Fische und Krebse. Über die Güte des Fleisches ist man sehr verschiedener Ansicht. In unserem Vaterlande rühmt man es hier und verschmäht es dort; in England wird es durchschnittlich nicht sonderlich geschätzt, in der Schweiz noch heutigentags dem der meisten übrigen Süßwasserfische vorgezogen. Das Fett der Leber ergibt einen vortrefflichen Lebertran. Eine höchst eigentümliche Verwendung einzelner Teile der Quappe lernte Erman in Sibirien kennen. Bei den Burjäten ersetzt die Haut der Quappe unser Fensterglas, und bei den kawaschischen Jurten sind Männer und Weiber in Röcke, Hosen und Stiefeln aus solcher Haut gekleidet.
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In den nördlichen Meeren vertritt unsere Quappe der Leng ( Molva vulgaris), ein jener sehr ähnlicher, nur durch die Anordnung der Zähne und die Flossenstrahlen unterschiedener, zum Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Molva) erhobener Fisch von einem bis zwei Meter Länge und bis fünfundzwanzig Kilogramm Gewicht, der auf dem Rücken und den Seiten grau, ölgelb schimmernd, auf dem Bauche weiß gefärbt und durch die licht gerandeten dunklen Flossen sehr ausgezeichnet ist.
Der Leng, ein Bewohner des Eismeeres, der Nord- und Ostsee, der längste seines Geschlechtes, gehört zu den wertvollsten Fischen der nördlichen Meere und ist namentlich für die Bewohner der Shetlands- und Orkneyinseln, Islands und Norwegens von größter Bedeutung. Er hält sich gewöhnlich in beträchtlicher Tiefe auf und stellt hier Krebsen und Fischen nach, insbesondere solchen, die auf dem Grunde liegen, wie Schollen, Knurrhähnen und dergleichen, nähert sich aber in den Frühlingsmonaten der Küste, um zu laichen, und gibt dann Gelegenheit zu einem höchst einträglichen Fange. Der Fang selbst ist höchst einfach, weil der Leng, einer der gefräßigsten Fische, nach allem schnappt, was Leben hat oder solches zu haben scheint. Ein guter Teil der Beute wird frisch verbraucht, der übrige ganz in derselben Weise wie der Kabeljau zu Stockfisch, Klippfisch und Laberdan zubereitet, aus der Leber Tran gewonnen.
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Zur Familie der Schlangenfische ( Ophididae) zählt Günther die Sandaale ( Ammodytes), langgestreckte, aalähnliche Fische ohne Bauchflossen und ohne Schwimmblase, mit sehr langer Rücken-, mittellanger After-, wohlentwickelter Schwanz- und kleiner Brustflosse. Als Vertreter dieser Sippe führt man gewöhnlich den Tobiasfisch oder Sandaal ( Ammodytes tobianus) an. Häufiger als dieser zu Ehren des frommen Tobias genannte Fisch ist die ihm sehr verwandte Sandlanze ( Ammodytes lanceolatus). Beide unterscheiden sich dadurch, daß beim Tobiasfisch die Rückenflosse hinter, bei der Sandlanze über der Brustflosse eingelenkt und erstere größer ist als letztere. Die Färbung der Oberseite ist bräunlich, die der unteren silberglänzend. Die Länge jenes beträgt bis vierzig, die der Sandlanze sechsundzwanzig bis einunddreißig Zentimeter.
Beide Sandaale bewohnen die nördlicheren Meere, und zwar flache, sandige Küsten, schwimmen während der Flut oft in zahlreicher Menge sehr rasch umher, auf allerlei Würmer und junge Fischbrut jagend und namentlich an warmen Abenden durch wiederholte Sprünge über die Oberfläche des Wassers sich vergnügend, während sie bei rückkehrender Ebbe sich in den Sand zu graben und hier bis zur Wiederkunft der Flut zu verweilen pflegen. Die Monate Mai, August und Dezember werden als die Laichzeit angegeben; Junge von etwa zehn Zentimeter Länge bemerkt man im April und hält sie für die Brut des vorhergehenden Jahres.
Unsere Fischer gebrauchen die gefangenen Sandaale einzig und allein als Köder für andere Fische. Obschon mit Unrecht erachtet man ihr Fleisch als wertlos.
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Ebenmäßige Anordnung der Glieder gilt mit Recht als eines der wesentlichen Kennzeichen aller Wirbeltiere. Möge die Gestalt uns so verzerrt erscheinen, wie sie wolle: die eine Seite des Leibes gleicht mehr oder weniger genau der anderen. Es gibt jedoch eine Fischfamilie, die sich dadurch auszeichnet, daß sie eine Ausnahme von jener Regel bildet. Wer eines ihrer Glieder oberflächlich beschaut, ist geneigt zu glauben, daß bei ihr der Leib von oben nach unten abgeflacht und nach den Seiten hin verbreitert sei, überzeugt sich aber bald durch Betrachtung des, wie Geßner sagt, »gantz widerwertig gesetzten«, das heißt merkwürdig verdrehten Kopfes, daß dem nicht so sein kann, und durch Untersuchung des Knochengerüstes, daß er es mit einem höchst absonderlich gebauten Geschöpfe zu tun hat.
Die Flachfische, wie sie schon zu Geßners Zeiten genannt wurden, oder Seitenschwimmer ( Pleuronectidae) kennzeichnen sich durch stark zusammengedrückten Leib und einen derartig verdrehten Kopf, daß beide Augen auf eine, bald auf die rechte, bald auf die linke, Seite zu stehen kommen, und zwar je nach Art und Einzelwesen auf diejenige Seite, die durch Bekleidung und Färbung von der entgegengesetzten durchaus verschieden zu sein pflegt, außerdem auch durch größere Entwicklung oder überhaupt Vorhandensein der Flossen, ja selbst bessere Ausbildung der Knochen des Gerippes vor jener sich auszeichnet. Die Rückenflosse nimmt die zugeschärfte Firste des Rückens, die Bauchflosse die in derselben Weise abgeplattete Kante des Bauches ein; die Schwanzflosse sieht, den verschiedenen Seiten entsprechend, ebenfalls auf der einen Seite anders als auf der anderen aus, obgleich ihre Bildung eine regelrechte genannt werden muß. In dem Maule finden sich verschiedene, jedoch in der Regel entweder starke oder bürstenförmige Zähne.
Es läßt sich von vornherein annehmen, daß diese absonderliche Gestaltung eine unseren Fischen mehr oder weniger eigentümliche Lebensweise bedingt, oder, wie sich einzelne auszudrücken pflegen, daß sie durch die Lebensweise erklärt wird. Unsere Tiere, die die Küstenstrecken aller Meere bevölkern und auch in Strömen und Flüssen aufsteigen, leben hier wie dort auf dem Boden, die eine Seite auf den Grund gedrückt, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen so während des größten Teiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen sich fast nur, wenn es gilt, Beute zu gewinnen oder vor größeren Räubern sich zu bergen. So zahlreich die Familie ist, und so erheblich die Unterschiede in Leibesbau, Beschuppung und Färbung sind: in ihrem Wesen und Treiben kommen alle Flachfische miteinander überein; mag es genügen, wenn ich mich im nachstehenden auf die an unseren deutschen Küsten vorkommenden Arten beschränke und, unter Berücksichtigung der Eigentümlichkeit einzelner, ein allgemeines Lebensbild zu zeichnen versuche. In ihrer Jugend schwimmen sie übrigens normal wie andere Fische auch; ebenso stehen ihre Augen dann noch auf beiden Seiten. Erst im weiteren Verlauf der Entwicklung verschiebt sich das eine Auge auf die Seite des anderen, die man gewöhnlich fälschlich Rückseite nennt. Herausgeber.
Zur Sippe der Heilbutten ( Hippoglossus) gehört der Heilbutt, auch Heilig- oder Heiligenbutt, Riesenscholle und Pferdezunge genannt ( Hippoglossus vulgaris), ein Riese innerhalb seiner Familie; denn seine Länge schwankt zwischen anderthalb und zwei Meter und sein Gewicht zwischen ein- und zweihundert Kilogramm. Pontoppidan spricht von einem Fisch dieser Art, der ein ganzes Boot bedeckte, und andere Beobachter strafen ihn nicht Lügen. Die Färbung der Augenseite spielt von Licht- zu Düsterbraun; die Blindseite sieht rein weiß aus.
Als die wahre Heimat des Heiligenbuttes hat man das Eismeer anzusehen, obgleich der Fisch auch an den britischen und dänischen Küsten, hier und da sogar regelmäßig, gefunden wird; häufig tritt er jedoch nur im höheren Norden, längs der Küste Norwegens und um Island auf. An den deutschen Küsten kommt er selten vor, zählt aber doch in der Nordsee zu den allen Fischern bekannten Arten und ist selbst in der Ostsee gefangen worden.
Die Butten ( Rhombus) sind die breitesten aller Flachfische. Beim Steinbutt oder Turbot ( Rhombus maximus), der geschätztesten Art der Sippe, ist die Augenseite höckerig, die Färbung ein verschiedenes Braun, das auf den Flossen sich lichtet; die Zeichnung besteht aus verwaschenen Marmel- und deutlicher vortretenden, größeren und kleineren lichten Flecken; die Windseite sieht gleichfarbig weiß aus. Die Länge kann mehr als einen Meter, das Gewicht bis fünfunddreißig Kilogramm betragen.
Außer in der Nord- und Ostsee wird der Steinbutt auch im Mittelmeere gefangen. Am häufigsten erbeutet man ihn in der Nordsee und dem Kanal sowie an der Nordwestküste Frankreichs, an unseren Küsten aber bei Ostfriesland, um Norderney und Helgoland, in der Unterweser und Geeste, wogegen er an der schleswigschen Westküste nur vereinzelt und in der Ostsee eigentlich nur in der Kieler Bucht regelmäßig auftritt.
Unter dem Namen Schollen ( Pleuronectes), den man oft zur Bezeichnung der gesamten Gruppe anwendet, versteht man die Arten mit verschobenem, viereckigem oder eirundem Leibe. Unsere Fischer stellen unter den an den deutschen Küsten vorkommenden Arten dieser Sippe mit Recht den Goldbutt, auch Glattbutt und Maischolle genannt ( Pleuronectes platessa), obenan. Seine Länge übersteigt nur in seltenen Fällen sechzig Zentimeter, sein Gewicht nur ausnahmsweise sieben Kilogramm. Je nach der Örtlichkeit verschieden gefärbt und gefleckt, ist er in der Regel auf der Augenseite auf braunem Grunde grau gemarmelt und mit rundlichen gelben Flecken gezeichnet, die auf Rücken-, After- und Schwanzflosse sich fortsetzen, auf der Blindseite dagegen einfarbig gelblich oder graulichweiß.
Der Verbreitungskreis erstreckt sich über einen großen Teil des Atlantischen Meeres, das Mittelmeer, die Nordsee und die Ostsee. In der Nordsee kommt er überall, wenn auch nicht immer in gleich zahlreicher Menge vor; in der Ostsee wird er bis zur Küste Vorpommerns und bis zu den Schären von Stockholm gefunden.
Fast noch häufiger tritt an geeigneten Orten der (oder die) in denselben Meeren heimische Flunder, auch Butt und Elbbutt genannt ( Pleuronectes flesus), auf, einer derjenigen Flachfische, die oft auch süße Gewässer besuchen. Seine Länge beträgt selten mehr als einen halben Meter, das Gewicht ausnahmsweise nur etwas über drei Kilogramm. Die Färbung spielt von Tiefbraun bis Lichtbraun; die Zeichnung besteht aus dunkleren Flecken; die Flossen sind regelmäßig lichter gefärbt als der Leib, aber ebenfalls dunkler gefleckt; die Blindseite zeigt feine schwarze Punkte und Tüpfel auf lichtgelbem oder gelblichweißem Grunde. Bei den meisten Flundern stehen die Augen auf der rechten Seite; doch fand Wittmack unter vierundsechzig auf einen Zug erbeuteten Stücken nicht weniger als sieben, bei denen das Umgekehrte der Fall war.
Die Kliesche ( Pleuronectes limanda), ausgezeichnet durch ihre rauhen, zahnrandigen und unregelmäßigen Schuppen, sieht oben gleichmäßig blaßbraun, auf der Unterseite aber weiß aus, erreicht eine Länge von fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter und ein Gewicht von zwei bis drei Kilogramm. Sie bevölkert die dänischen, schwedischen, norwegischen, britischen und isländischen Küsten, findet sich zwischen den schleswigschen Watten, dringt aber nicht häufig in die Ostsee ein, reicht hier auch nicht so weit nach Westen und Norden wie der Flunder.
Zungenschollen oder Sohlen ( Solea) endlich heißen die länglichen Schollen mit abgerundeter, schnabelartiger Schnauze. Die Zunge oder Seezunge ( Solea vulgaris), ein höchstens sechzig Zentimeter langer, bis vier Kilogramm schwerer Flachfisch, ist auf der Außenseite und an den Spitzen der Brustflossen schwarz, auf der Blindseite bräunlich. Vom Mittel- bis zum Eismeere fehlt die Zunge keiner Küste des westlichen Europa. In der Nordsee tritt sie sehr häufig auf, dringt auch in die hier mündenden Flüsse ein; in der Ostsee dagegen kommt sie nur im westlichsten Teil vor, erreicht hier auch nicht entfernt die Größe wie dort.
Mit Ausnahme des Heilbuttes lieben alle vorstehend beschriebenen Flachfische seichte, am liebsten sandige oder doch nicht schlickige, das heißt mit weichem, tiefem Schlamm bedeckte Stellen des Meeres. Mehrere Arten, insbesondere der Flunder und die Zunge, halten sich gern an Flußmündungen auf; ersterer unternimmt sogar zuweilen, den Strömen entgegengehend, Reisen bis weit in das Innere der Länder. In den englischen Flüssen, in der unteren Elbe und Weser, auch im Rheine bis zur holländischen Grenze, kommen Flunder regelmäßig vor; man hat sie aber auch schon zu wiederholten Malen in dem oberen Laufe derselben Flüsse, in der Elbe beispielsweise noch oberhalb Magdeburgs, im Rhein noch in der Nähe von Mainz und ebenso in der Mosel und im Main gefangen. So träge nämlich die Flachfische zu sein scheinen, so gerne wandern sie.
In den Sitten und Gewohnheiten, insbesondere in der Art und Weise, sich zu bewegen, ähneln sich die Flachfische durchaus. Sie liegen auf dem Grunde ihres Aufenthaltsortes, bis auf die Augen mehr oder weniger im Sande versteckt und, mit Ausnahme der Augen, bewegungslos, bis eine Beute sie hervorlockt oder ein Raubfisch sie vertreibt. Das Eingraben geschieht mit einer merkwürdigen Schnelligkeit durch wellenförmige Bewegungen ihrer Rücken- und Afterflossen, wodurch sehr bald ein flaches Loch ausgegraben und gleichzeitig die Rücken- und Bauchseite leicht mit Sand bedeckt wird. Eine einzige kräftige Bewegung genügt dann, die Sanddecke abzuschütteln und den Leib in die Höhe zu heben, worauf der Flachfisch unter fortgesetzten wellenförmigen Bewegungen seiner beiden Hauptflossen und der kräftigen Schwanzflosse weiterschwimmt, so, daß die Blindseite nach unten, die Rückenseite nach oben gerichtet ist. Wenn er eine jähe Bewegung ausführen will, tritt die Schwanzflosse ebenfalls in Wirksamkeit, und er schießt dann, getrieben von den kräftigen Schlägen dieses hauptsächlichsten Bewegungswerkzeuges und geleitet durch After- und Rückenflosse, sehr rasch durch das Wasser. Bei sehr langsamem Schwimmen nimmt der ganze Leib an dem wellenförmigen Spiele der Rücken- und Afterflosse teil; bei großer Eile sieht man nur die Schwanzflosse arbeiten.
Wirklich unterhaltend ist es, eine im Sande halb vergrabene Scholle zu beobachten. Ihre meist verschieden großen, sehr lebhaft gefärbten Augen werden abweichend von denen anderer Fische ohne Unterlaß bewegt. Sie können nämlich nicht bloß willkürlich gedreht, sondern auch wie die der Frösche emporgehoben oder herausgedrückt und wieder in ihre Höhlen zurückgezogen werden, spielen somit in den verschiedensten Richtungen, weil unter den verschiedensten Winkeln zur Oberfläche des Körpers. Ein förmliches Lid, die sehr entwickelte Nickhaut, trägt zu ihrem Schutze wesentlich bei. Diese lebhaft gefärbten Augen sind, streng genommen, das einzige, das man von dem im Sande verborgenen Flachfische wahrnimmt. Die Färbung der Augenseite schmiegt sich dem Grund und Boden des Gewässers genau in demselben Grade an wie das Haarkleid des Hasen dem Acker oder das Gefieder des Schneehuhnes dem Alpengelände, und wie bei dem letzteren wechselt die Färbung nach Zeit und Örtlichkeit, nur mit dem Unterschiede, daß der Wechsel nicht bloß zweimal im Jahre, sondern bei jeder Ortsveränderung eintritt. Alles, was wir dem Chamäleon andichten, finden wir bei den Flachfischen verwirklicht. Legt sich einer beispielsweise auf sandigen Grund, so währt es gar nicht lange, und Färbung und Zeichnung entsprechen diesem Grunde: die gelbliche Farbe tritt hervor, die dunklere verschwindet. Bringt man denselben Fisch, wie es in kleineren Behältern oft genug geschieht, auf anderen Grund, beispielsweise auf grauen Granitkies, so geht die Färbung der Augenseite sehr bald in dieselbe über, die dieser Grund hat: die früher gelblich erscheinende Scholle, Butte oder Zunge wird grau. Das jeder Art eigene Gepräge der Farbenverteilung und Mischung verwischt sich dabei nicht, aber es ändert sich doch bedeutend um, und der Beobachter kommt ganz gewiß zu der Überzeugung, daß bei diesen Fischen auf die Färbung wenig Gewicht gelegt werden darf. Den Fischern ist es wohlbekannt, daß in diesem Teile des Meeres, der Färbung des Bodens stets entsprechend, eine und dieselbe Art der Flachfische dunkel, in jenem licht gefärbt ist. So nennt man in Großbritannien diejenigen Goldbutten, die man auf dem sogenannten Diamantgrunde an der Sussexküste fängt, Diamantschollen, weil sie sich durch die Reinheit ihrer braunen Färbung und den Glanz ihrer Flecke vor allen anderen auszeichnen und im Einklange mit der Bodendecke des betreffenden Grundes eine so gleichmäßige Färbung und Zeichnung bekommen, daß man, wäre die Veränderlichkeit der Farbe nicht bekannt, versucht sein könnte, eine eigene Art oder Spielart in ihnen zu sehen.
Durch diese absonderliche Begabung, das Kleid den Verhältnissen anzupassen, erklärt sich wohl am besten die unverhältnismäßige Häufigkeit der Flachfische. Sie sind nicht fruchtbarer als andere Fische, ja, die Anzahl ihrer Eier kann sich mit der vieler Verwandten nicht messen; von den Jungen aber entgehen viel mehr, als es im allgemeinen die Regel sein dürfte, den räuberischen Nachstellungen und erlangen somit diejenige Größe, die sie befähigt, sich selbst zu schützen. Denn auch die Flachfische sind Räuber, die großen Arten unter ihnen, die sich selbst an Fische von der Größe des Kabeljaues wagen, sehr kühne, die kleineren, die sich mit Krebsen verschiedener Art, Muscheln und Würmern genügen lassen, wenigstens äußerst gefräßige Raubfische. In der Mordlust und Raubgier kommen sich die großen wie die kleinen gleich. Sie verfolgen jede Beute, die sie bewältigen zu können glauben, und scheuen sich auch nicht, schwächere der eigenen Art anzufallen: unter den norwegischen Fischern gilt es als ausgemacht, daß die Verletzungen der flachen Seiten und der Schwanzgegend, die man so oft bei ihnen merkt, von den größeren derselben Art herrühren.
Die Fortpflanzung der Flachfische fällt in verschiedene Monate, im allgemeinen aber in die beste Jahreszeit, in den Frühling und Vorsommer nämlich. Für den Heilbutt werden die Monate Mai bis Juli, für Stein- und Glattbutt März bis Mai, für Goldbutt und Flunder Januar bis Juni, für die Seezunge Mai bis Juli angegeben. Um besagte Zeit nehmen die Eierstöcke der Rogener den größten Teil der Leibeshöhle ein, und die Hoden der Milchner strotzen von Samen. Der Laich wird auf demselben Grunde abgelegt, der unseren Fischen zeitweilig zum Aufenthaltsorte dient, vorzugsweise also auf sandigem Boden, außerdem zwischen Seegräsern und anderen Meerespflanzen, auch wohl auf länger stehenden Fischnetzen. Die Jungen bemerkt man ausgangs des Sommers, insbesondere während der Ebbe, weil sie, wie ihre Eltern, oft zu faul sind, mit eintretender Ebbe die seichteren Meeresstellen zu verlassen und tieferes Wasser aufzusuchen, vielmehr in den Sand gewühlt die Rückkehr der Flut abwarten. Etwas Zierlicheres von einem Tierchen als solch jungen Flachfisch kann man sich kaum denken. Abgesehen von der Größe, ist er in jeder Beziehung, in Färbung, Zeichnung und Lebensweise, Sitten und Gewohnheiten der Alte, scheinbar aber viel schöner, beweglicher und deshalb anmutiger. Wie kaum ein anderer Seefisch eignet er sich für die Gefangenschaft; denn er verlangt nicht einmal Seewasser, sondern gewöhnt sich leicht an das Wasser unserer Süßwasserteiche oder Flüsse und hält hier, falls es ihm nur nicht an Nahrung fehlt, vortrefflich aus. Liebhabern empfehle ich gerade diese Fische, also unsere Schollen, Butten und Zungen, auf das angelegentlichste.
Groß ist die Bedeutung der Flachfische für den menschlichen Haushalt. Alle Arten haben ein schmackhaftes, mehrere von ihnen ein vorzügliches Fleisch, das noch besonders dadurch für eine ausgedehnte Benutzung sich eignet, daß es sich tagelang hält, dementsprechend auf weite Strecken versandt werden kann. An den meisten Seeküsten ißt man nur die frischgefangenen Flachfische; im hohen Norden aber, wo die Ernte des Sommers zur Nahrung für den Winter dienen muß, bereitet man wenigstens die größeren Stücke für längere Aufbewahrung zu, indem man sie in Streifen schneidet und entweder einsalzt, oder an der Luft wie Stockfische trocknet, oder endlich räuchert. Besonders geschätzt sind Goldbutt, Kliesche und Steinbutt, aber auch die übrigen werden nirgends geringgeachtet. Am fettesten ist das Fleisch im Spätsommer, am schlechtesten, hier und da sogar ungenießbar, im Spätherbst; gleichwohl werden gerade zu dieser Zeit viele Flachfische gefangen.
Der Fang auf Flachfische wird in sehr verschiedener Weise betrieben, je nach Örtlichkeit, Häufigkeit und auch nach Art der Fische. An die Jagd der Wilden erinnert das hier und da gebräuchliche Verfahren, während der Ebbe mit bloßen Füßen die mit Wasser angefüllten Lachen des Strandes zu durchwaten, die erfühlten Fische mit dem Fuße niederzutreten und dann einzusammeln. An günstigen Stellen der Küste wird auf diesem einfachen Wege oft reiche Beute gewonnen. Ergiebiger ist eine andere Fangart, das Schollenstechen. Sie beruht darin, daß der Fischer vom Boote aus bei stillem Meere den überfluteten Grund absucht und die erspähten Flachfische mit einer Lanze anspießt oder auf sie ein mit Blei beschwertes, vielspitziges Werkzeug schleudert, das er dann mit dem Fische an einer Leine wieder herauszieht. Auf ebenem Grunde wendet man ein besonders gebautes Schleppnetz, in tiefem Wasser die Angel oder die Grundleine an. An den ostfriesischen Schlickküsten fahren die Fischer zur Ebbezeit auf kleinen Holzschlitten die Rinnsale der Watten entlang und finden reiche Beute in den von der Flut zurückgelassenen Wasserstellen. Herausgeber.
In engerem Gewahrsam halten sich die Flachfische so leicht wie irgendein anderer ihrer Klassenverwandten, gewöhnen sich sehr bald an die Enge des Beckens, wählen sich einen bestimmten Stand, lernen, wie ich wenigstens annehme, ihren Pfleger und selbst die Futterzeit kennen und scheuen sich nicht, diesem die ihnen vorgehaltene Nahrung aus der Hand zu nehmen.