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Katzen im engeren Sinne ( Felis) heißen die kleineren Arten der Familie, die im allgemeinen unserer Hauskatze ähneln. An die Leoparden schließen sich die Pardelkatzen an, deren bekanntestes Mitglied der Ozelot oder die Pardelkatze ( Felis pardalis) ist. Seine Länge beträgt 1,30 bis 1,40 Meter, wovon der Schwanz 40 bis 45 Zentimeter wegnimmt, die Höhe am Widerrist etwa S0 Zentimeter; das Tier kommt also unserm Luchs an Leibesumfang annähernd gleich, steht jedoch an Höhe weit hinter diesem zurück. Seine Grundfärbung ist auf der Oberseite ein bräunliches Grau oder Rötlichgelbgrau, auf der Unterseite ein gelbliches Weiß. Von den Augen zieht sich jederseits ein schwarzer Längsstreifen zu den Ohren. Der Ozelot ist weit verbreitet. Er findet sich durch ganz Mittelamerika bis in das nördliche Brasilien und anderseits bis Mexiko und Texas und den südlichen Teil der Vereinigten Staaten. Hier lebt er mehr in den tieferen und menschenleeren Wäldern als in der Nähe von Ortschaften, obgleich er auch da vorkommt. Im Freien besteht die Nahrung unserer Pardelkatze aus Vögeln, die sie entweder auf dem Baume oder auf der Erde in ihren Nestern beschleicht, sowie aus allen kleineren Säugetieren, jungen Rehen, Schweinen, Assen, Agutis, Pakas, Ratten, Mäusen usw.
Bestimmt unterschiedene Verwandte sind zwei andere Katzen Amerikas. Die Tigerkatze ( Felis tigrina) erreicht höchstens die Größe unserer Hauskatze. Ihre Körperlänge beträgt 50, die des Schwanzes 30 Zentimeter. Der weiche und schöne Katzenpelz hat oben und an den Seiten eine fahlgelbe Grundfarbe und ist unten, wie bei den meisten übrigen Katzen, weiß. In der Mitte des Rückens verläuft ein ununterbrochener Streifen und jederseits daneben mehrere Reihen Vollflecken, von denen viele einen helleren Hof umschließen. In ihrer Lebensweise ähnelt diese Katze dem Ozelot fast in allen Stücken. Jung eingefangen und ordentlich gehalten, wird sie zu einem höchst gelehrigen und anhänglichen Tiere; alt eingefangen, beträgt sie sich allerdings sehr Wild und ungestüm, nimmt jedoch nach einiger Zeit auch einen gewissen Grad von Zähmung an. Waterson hatte in Guiana eine junge Tigerkatze mit großer Sorgfalt aufgezogen, die in kurzer Zeit mit ihm auf das innigste befreundet wurde und ihm später wie ein Hund folgte. Gegen die Ratten und Mäuse, die das Haus in Masse bevölkerten, lag sie in einem ewigen Streite und wußte das von den verderblichen Nagern wahrhaft gepeinigte Haus in kurzer Zeit nach Möglichkeit zu reinigen. Sie ging von Anfang an mit der angeerbten Kenntnis der Ratten und ihrer Sitten zu Werke. Während der letzten Stunden des Tages, ihrer besten Jagdzeit, schlich sie im ganzen Hause umher, vor jeder Öffnung lauschend und jeden Winkel untersuchend. Ihre Hilfe wurde außerordentlich wertvoll; denn die Ratten hatten vor ihrer Zeit nicht weniger als zweiunddreißig Türen zerfressen, und lustwandelten im ganzen Hause nach Belieben umher. Diesem Vergnügen tat die Tigerkatze den gründlichsten Eintrag und gewann sich auch aus diesem Grunde immer mehr die Liebe ihres Erziehers.
Gefangene Tigerkatzen gelangen zuweilen auch nach Europa, gehören jedoch in den Käfigen unserer Tiergärten immer zu den Seltenheiten. Diejenigen, die ich sah und beziehentlich pflegte, waren stille, anscheinend friedliche Geschöpfe, als entschiedene Nachttiere über tags aber auch langweilig, weil sie die meiste Zeit in sich zusammengerollt auf ihrem Lager liegen, ohne sich um die Außenwelt viel zu kümmern. Ihr sanftes Wesen, die Anmut ihrer Bewegungen und die Schönheit ihres Felles machen sie übrigens doch dem Pfleger lieb und wert.
Der Chati ( Felis mitis) ähnelt in seinem Lebensbau mehr dem Jaguar als dem Ozelot, unterscheidet sich aber nicht nur durch seine Zeichnung, sondern ebenso durch seine weit geringere Größe von dem gefürchteten Räuber. Seine Körperlänge beträgt 80, die des Schwanzes 30 und die Schulterhöhe 40 Zentimeter. Der Grundton der Färbung ist mehr gelblich als rötlich, der Grundfarbe des Leopardenfelles ziemlich ähnlich, die Unterseite rein weiß. Der Chati ist ein höchst eifriger Jäger und wagt sich schon an ziemlich große Tiere, beispielsweise kleine Hirsche. Den Hühnerzüchtern, die in der Nähe der Waldungen wohnen, ist er ein sehr unangenehmer und ungemütlicher Nachbar.
Häufiger als die beiden letztgeschilderten Arten der Familie scheint in den brasilianischen Wäldern die Langschwanzkatze ( Felis macroura) zu sein. Ihre Größe kommt der einer starken Hauskatze gleich; ihre Pfoten sind jedoch viel stärker als bei letzterer. Die Gesamtlänge beträgt 90 bis 100 Zentimeter, die Schulterhöhe 2S bis 30 Zentimeter. Ihre Grundfärbung ist rötlich braungrau, an den Seiten heller, unten weiß. Der ganze Leib ist unregelmäßig graubraun oder schwarzbraun gefleckt; einzelne Flecke umschließen einen lichteren Hof.
An unsere Wildkatze erinnert die Pampaskatze ( Felis pajeros) sie ist jedoch höher gestellt, ihr Kopf kleiner, ihr Schwanz länger, das Haar endlich, zumal auf der Rückenmitte, länger, härter, und straffer. Von dem vorherrschend schön silbergrau gefärbten Pelze heben sich blasser oder dunkler rostbraunrote Streifen, die über den Rumpf schief von vorn und oben nach hinten und unten verlaufen, lebhaft ab, um so mehr, als sie auch auf Kehle und Brust als Gürtelbänder, auf den Beinen als Ringbänder sich wiederholen. Die einzelnen Haare des Pelzes sind an der Wurzel grau, hierauf lichtgelb und an der Spitze silbergrau, die der Streifen aber hier blaßrostgelb. Die Pampaskatze findet sich in den Steppen Südamerikas, von Patagonien an bis zur Magelhaensstraße herab, und ist namentlich an den Ufern des Rio negro zu finden. Sie lebt in unbewohnten Waldgegenden und Steppen, hier wie da hauptsächlich von kleinen Nagern, die namentlich die Pampas in außerordentlicher Menge bevölkern, sich ernährend.
Unter den altweltlichen Katzen geht uns die Wild- oder Waldkatze, der Waldkater, Kuder, Baumreiter ( Felis catus) am nächsten an, weil sie die einzige Art ihrer Familie ist, die selbst in unserm Vaterlande noch nicht ausgerottet wurde. Lange Zeit hat sie für die Stammart unserer Hauskatze gegolten, und auch gegenwärtig wird sie von einzelnen Naturforschern noch dafür gehalten, obwohl die genaueren Beobachtungen und Untersuchungen diese Ansicht nicht zu stützen vermögen. Die Wildkatze ist bedeutend größer und kräftiger als die Hauskatze, ihr Kopf dicker, ihr Leib gedrungener und ihr Schwanz merklich stärker, aber auch viel kürzer als bei der Hauskatze; zudem unterscheiden sich beider Schwänze noch dadurch, daß der eine von seiner Wurzel bis zum Ende gleichmäßig dick erscheint, der andere aber von der Wurzel bis zur Spitze allmählich sich verdünnt. Eine erwachsene Wildkatze erreicht ungefähr die Größe des Fuchses und ist also um ein Drittel größer als die Hauskatze. Von dieser unterscheidet sie sich auf den ersten Blick durch die stärkere Behaarung, den reichlicheren Schnurrbart, den wilderen Blick und das stärkere und schärfere Gebiß. Als besonderes Kennzeichen gilt die schwarzgeringelte Rute und der gelblichweiße Fleck an der Kehle.
Die Körperlänge beträgt in der Regel 80, die Länge ihres Schwanzes 30, die Höhe am Widerriste 35 bis 42 Zentimeter und ihr Gewicht 8 bis 9 Kilogramm. Einzelne Kater werden unter besonders günstigen Umständen noch größer. Der Pelz ist dicht und lang, beim Männchen fahlgrau, bisweilen schwarzgrau gefärbt, beim Weibchen gelblichgrau, das Gesicht rotgelb, das Ohr auf der Rückseite rostgrau, inwendig gelblichweiß. Von der Stirn ziehen sich vier gleichlaufende schwarze Streifen zwischen den Ohren hindurch, von denen die beiden mittleren auf dem Rücken sich fortsetzen und, nachdem sie sich vereinigt haben, einen Mittelstreifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberseite des Schwanzes läuft. Von ihm gehen auf beiden Seiten viele verwaschene Querstreifen aus, die etwas dunkler als die andern sind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer ist gelblich, mit einigen schwarzen Flecken betüpfelt; die Beine sind mit wenigen schwarzen Querstreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber, an der Innenseite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz trägt Ringe, die von der Wurzel nach der Spitze hin dunkler werden.
In der Weidmannssprache heißen die Augen der Wildkatze Seher, die Ohren Lauscher, die Eckzähne Fänge, die Krallen Waffen, die Beine Läufe, die Füße Branten (Pranken), der Schwanz Rute, Standarte oder Lunte, das Fell Balg. Sie schnürt oder schränkt, wenn sie geht, raubt oder reißt ihr Wild, bäumt, wenn sie klettert, tut Sprünge, frißt im Gegensatze zum Wilde, das äset, ranzt oder begehrt, wenn sie sich paart, bringt Junge, hat ein Lager usw.
Noch heutzutage herbergt die Wildkatze in ganz Europa, mit Ausnahme des höheren Nordens, namentlich Skandinaviens und Rußlands, woselbst der Luchs sie vertritt. In Deutschland bewohnt sie ständig, wennschon immer nur einzeln, alle waldreichen Mittelgebirge, insbesondere den Harz, Thüringer-, Franken-, Böhmer-, Hoch-, Oden- und Schwarzwald, das Erzgebirge, die Rhön, die rheinischen und oberhessischen Gebirge, streift von hier aus, von Wald zu Wald schweifend und unterwegs oft monatelang verweilend, weit in das Flachland hinaus und kann demgemäß in ausgedehnten Waldungen so ziemlich überall vorkommen, dürfte auch viel öfter in ihnen sich einstellen, als man anzunehmen pflegt. Weit häufiger als bei uns zu Lande trifft man sie im Süden, zumal im Südosten Europas. In den bewaldeten Vorbergen der Alpen lebt sie überall, und zwar in größerer Anzahl als in den Alpen selbst; in Südungarn, Slawonien, Kroatien, Bosnien, Serbien, den Donaufürstentümern und wahrscheinlich auch der europäischen Türkei zählt sie zu den allbekannten Raubtieren. In Spanien ist sie noch häufig, in Frankreich stellenweise wenigstens nicht seltener als bei uns zu Lande; nicht einmal in Großbritannien hat man sie ausrotten können. Soweit bis jetzt mit Sicherheit festgestellt ist, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenzen Europas hinaus. Südlich vom Kaukasus ist sie noch in Grusien vorgekommen; aus andern asiatischen Ländern erhielt man sie nicht. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; je einsamer ihr Gebiet ist, um so ständiger haust sie in ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht sie allen übrigen vor, weil die Felsen ihr die sichersten Schlupfwinkel gewähren. Außerdem bezieht sie Dachs- und Fuchsbauten oder große Höhlungen in starken Bäumen, und in Ermangelung von derartigen Schlupfwinkeln schlägt sie ihr Lager in Dickichten und auf trockenen Kaupen in Sümpfen und Brüchen auf. Zu Bau geht sie besonders in der kühleren Jahreszeit, während sie im Hochsommer, vorausgesetzt, daß sie nicht durch ihre Jungen an eine Höhlung gebunden wird, um den sie peinigenden Flöhen zu entrinnen, lieber ein freies Lager aufsucht oder auch nach hohlen Bäumen sich zurückzieht.
Nur während der Ranzzeit oder so lange die Jungen noch nicht selbständig sind, lebt die Wildkatze in Gesellschaft, außerdem stets einzeln. Auch die Jungen trennen sich bald von der Mutter, um auf eigene Hand dem Wilde nachzustreben. »Ich erinnere mich nicht«, schreibt mir Oberjägermeister von Meyerinck, »gehört zu haben, daß man zwei Wildkatzen zusammen gesehen hätte. Die Katze wandert, besonders wenn sie trächtig geht, jedenfalls sehr weit umher. Mir sind zwei Fälle bekannt, daß eine Wildkatze in der Gegend von Neuhaldensleben gespürt wurde, und zwar erst im Frühjahr. Jedesmal in dem darauf folgenden Winter wurden in verschiedenen benachbarten Revieren vier Wildkatzen erlegt, ohne daß man von ihnen Kenntnis gehabt hatte.« Bei diesen Wanderungen nimmt die Wildkatze so gut als ausschließlich von Fuchs- und Dachsbauten Besitz, verschläft und verträumt in ihnen den Tag und macht sich so weit weniger bemerklich als der Fuchs, auf dessen Rechnung ihre Untaten nicht selten gebracht werden. »In der Letzlinger Heide«, fährt von Meyerinck fort, »wollte ein Förster einen Fuchs ausgraben, den er im Bau ausgespürt zu haben glaubte, obgleich ihm die Fährte eigentümlich vorgekommen war. Der eingelassene Dachshund lag fest im Bau vor; man schlug endlich durch und kam nach längerem Graben in der Tiefe von zwei Meter auf den Hund und das Ende der Röhre. Als man aber mittels des Fuchshakens Freund Reinecke herausholen wollte, kam eine weibliche Wildkatze zum Vorschein, die stärker als ein Fuchs war.« Im Winter verläßt sie nicht allzuselten den Wald und nimmt in einzelnstehenden Gehöften Herberge; erst vor wenigen Jahren erlegte der Lehrer Schach in Rußdorf bei Krimmitzschau einen vollständig ausgewachsenen, sehr starken Wildkater, der sich mehrere Tage lang in einer Scheuer dieses Dorfes aufgehalten, aber noch wenig Schaden getan hatte. In Ungarn soll sie, wie Lenz angibt, im Winter vorzugsweise in Scheuern hausen.
Mit Eintritt der Dämmerung tritt die Wildkatze ihre Jagdzüge an. Ausgerüstet mit trefflichen Sinnen, vorsichtig und listig, unhörbar sich anschleichend und geduldig lauernd, wird sie kleinerem und mittelgroßem Getier sehr gefährlich. »Im scharfen Augen selbst bei Nacht, zu welcher Zeit ihre Seher wie brennende Kohlen funkeln«, sagt Dietrich aus dem Winckell, »in ebenso scharfem Wittern (?) und im höchst leisen Vernehmen wird sie von keinem Tier übertroffen«, im unbemerklichen Anschleichen, beharrlichen Auflauern und sicheren Springen, füge ich hinzu, gewiß auch nicht. »Wer kennt nicht«, so drückt sich entrüstet Winckell aus, »das spitzbübische Schleichen der zahmen Katze, wenn es ihr darauf ankommt, ein armes Vögelchen zu erhaschen? Genau ebenso benimmt sich auch die Wildkatze, wenn sie auf Beute ausgeht.« Mit der allen Katzen eigenen List beschleicht sie den Vogel in seinem Nest, den Hasen in seinem Lager und das Kaninchen vor seinem Bau, vielleicht auch das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Tieren springt sie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halses. Nach einem Fehlsprunge verfolgt sie das Tier nicht weiter, sondern sucht sich lieber eine neue Beute auf: sie ist auch in dieser Hinsicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd besteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäusen aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht sie sich an größere Tiere; aber sie soll tatsächlich Reh- und Hirschkälber überfallen, ist auch für solche Beute noch immer stark genug. An den Seen und Wildbächen lauert sie auch Fischen und Wasservögeln auf und weiß solche mit großer Geschicklichkeit zu erbeuten. Sehr schädlich wird sie in Gehegen, am schädlichsten wohl in Fasanerien. Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, die meisten Inwohner zu vernichten. In Hühnerställen und Taubenschlägen günstig für sie gelegener Walddörfer macht sie ebenfalls unliebsame Besuche. Im Verhältnis zu ihrer Größe ist die Wildkatze überhaupt ein gefährliches Raubtier. Aus diesem Grunde wird sie von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt; denn kein Weidmann rechnet den Nutzen, den sie durch Vertilgung von Mäusen bringt, ihr zugute. Wie viele von diesen schädlichen Tieren sie vernichten mag, geht aus einer Angabe Tschudis hervor, der berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Überreste von 26 Mäusen gefunden hat. Die Losung, die Zelebor vor den von Wildkatzen bewohnten Bauen sammelte und untersuchte, enthielt größtenteils Knochenübereste und Haare von Marder, Iltis, Hermelin und Wiesel, Hamster, Ratte, Wasser-, Feld- und Waldmäusen, Spitzmäusen und einige unbedeutende Reste von Eichhörnchen und Waldvögeln. Kleine Säugetiere also bilden den Hauptteil der Beute unseres Raubtiers, und da unter diesen die Mäuse häufiger sind als alle übrigen, erscheint es sehr fraglich, ob der Schaden, den die Wildkatze verursacht, wirklich größer ist als der Nutzen, den sie bringt. Der Weidmann, dessen Gehege sie plündert, wird schwerlich jemals zu ihrem Beschützer werden; der Forstmann aber oder der Landwirt hat wahrscheinlich alle Ursache, ihr dankbar zu sein. Zelebor tritt mit Entschiedenheit sogar in einer Jagdzeitung für sie in die Schranken, und ich meinesteils schließe mich wenigstens bedingungsweise ihm an. Die Wildkatze schadet, so glaube ich zusammenfassen zu dürfen, zuweilen und nützt regelmäßig; sie vertilgt mehr schädliche Tiere als nützliche und macht sich dadurch, zwar nicht um unsere Jagd, wohl aber um unsere Wälder verdient.
Die Zeit der Paarung der Wildkatze fällt in den Februar, der Wurf in den April; die Tragzeit währt neun Wochen. In Gegenden, die das Raubtier noch verhältnismäßig zahlreich bewohnt, soll, laut Winckell, der Lärm, den die sich paarenden Katzen verursachen und der durch den ewigen Zank der Kater noch vermehrt wird, ebenso unausstehlich sein wie bei den zahmen Katzen in Dörfern und Städten. Es scheint erwiesen, daß auch Wild- und Hauskatzen sich paaren, obgleich beide nicht eben freundschaftlich gegeneinander sich zu benehmen Pflegen. Freilich ändert heftige Brunst auch in diesem Falle früher gehegte Gesinnungen. In der Nähe von Hildesheim wurde, wie Niemeyer berichtet, Mitte der sechziger Jahre ein Wildkater in einem Förstereigarten geschossen, zur Zeit, als die Hauskatzen des Gehöfts ihre bekannte Paarungsmusik aufführten. Der Förster versicherte, daß der Kater dem Geschrei der Hauskatzen nachgegangen und sehr sorglos gegen die Umgebung gewesen sei. Auch sind schon wiederholt Katzen erlegt worden, die wohl mit vollem Recht als Blendlinge von beiden Arten angesprochen wurden. Die tragende Wildkatze wählt sich einen verlassenen Dachs- oder Fuchsbau, eine Felsenkluft oder auch einen hohlen Baum zum Wochenbette und bringt hier fünf bis sechs Junge, die blind geboren werden und jungen Hauskatzen ähneln, zur Welt. Wenn sie nicht mehr säugen, werden sie von der Mutter sorgfältig mit Mäusen und anderweitigen Nagern, Maulwürfen und Vögeln versehen. Nach kurzer Zeit schon erklettern sie mit Vorliebe niedere oder höhere Bäume, deren Aste später ihren Spiel- und Tummelplatz sowie ihre Zuflucht bei herannahender Gefahr bilden. Einer solchen suchen sie in den meisten Fällen einfach dadurch zu entgehen, daß sie sich auf dicken Ästen niederdrücken und auf die Gleichfarbigkeit ihres Felles mit diesen vertrauen. Es gehört ein sehr geübter Blick dazu, sie hier zu entdecken; denn auch erwachsene Wildkatzen wissen, zumal im Sommer, wenn das Laub die Baumkronen verdichtet, dem Späherauge des Jägers sich in derselben Weise zu entziehen und bleiben, wie Winckell sich ausdrückt, »sicher unter zehn Malen neunmal unentdeckt. Selbst wenn man sie am Baum hinauffahren sieht, oder wenn der Hund sie unten verbellt, muß man jeden Ast von allen Seiten recht genau und einzeln ins Auge fassen, will man sie wahrnehmen«. Die Alte scheint ihre Jungen nicht zu verteidigen, verläßt sie wenigstens beim Herannahen des Menschen, vor dem sie in der Regel große Furcht zeigt. Dies dürfte aus folgendem Bericht von Lenz hervorgehen: »Im Jahre 1856 ging mein Zimmermann fünfhundert Schritte von meinem Hause an der Südseite des Hermannsteins, wo wilde Kaninchen oft in Menge wohnen, durch ein Dickicht und hörte in einem erweiterten Kaninchenbau Stimmen, wie von kleinen Katzen. Er hatte wenige Tage zuvor solche von mir zu haben gewünscht, und da ich keine besaß, so war er nun froh, hier selbst ein Nestchen zu finden. Er grub nach und fand drei Stück echter Wildkatzen von Rattengröße. Wie er sie in seinen Ranzen gesteckt hatte und wegging, sah er die Alte in seiner Nähe mit gespitzten Lauschern umherschleichen; sie ging aber ganz leise und machte keine Miene, ihn anzugreifen; sie hatte die Größe eines tüchtigen Hasen, die echte wilde Farbe, den kurzen, dicken Schwanz. Ebenso waren die kleinen Kätzchen an ihrer Farbe und namentlich an dem auffallend von dem der zahmen abweichenden Schwanze leicht als echt zu erkennen. Merkwürdig genug war das angeborene wilde Naturell dieser kleinen Bestien: sie kratzten, bissen und fauchten mit entsetzlicher Bosheit. Vergeblich wurde alle mögliche Mühe angewendet, sie zahm zu machen und gut zu verpflegen. Sie wollten weder fressen noch saufen und ärgerten und tobten sich zu Tode.« Dieselbe Beobachtung haben alle gemacht, die junge Wildkatzen aufzuziehen versuchten. Es erfordert große Aufmerksamkeit und Sorgfalt, bereits eingewöhnte Wildkatzen bei guter Gesundheit oder am Leben zu erhalten, ungemein schwierig aber ist es, junge zum Fressen zu bringen; denn man hat kein Mittel, sie zu zwingen. Nehmen sie erst ein Mäuschen oder Vögelchen, so ist schon viel erreicht. Beim Anblick eines Menschen gebärden sie sich zwar immer noch wie unsinnig; wissen sie sich jedoch unbelauscht, so spielen sie lustig nach Art ihrer Verwandten. Beim geringsten Geräusch endet das Vergnügen, die Harmlosigkeit weicht dem Mißtrauen, und dieses geht allgemach in den früheren Ingrimm über. »Die dreieckigen Ohren seit- und rückwärts gelegt«, so schildert Weinland sehr richtig, »mit einem Gesichtsausdruck, den man am gelindesten mit .Niemandes Freund' übersetzen kann, harren sie, knurrend und murrend, mitunter auch schreiend auf ihrem Platze aus; die grüngelben Augen scheinen Blitze versenden zu wollen, das Haar ist gesträubt und die Pranke zum Schlage bereit.« Nach und nach gewöhnen sie sich an den Pfleger, bleiben wenigstens sitzen, wenn er sich ihnen nähert, fauchen nicht mehr so greulich und lassen es schließlich, wenn auch in seltenen Fällen, geschehen, daß man sie berührt und streichelt. Es kommt eben alles darauf an, wie sie behandelt werden. Zelebor versichert, daß sogar alt gefangene Wildkatzen sich zähmen lassen. Eine alte, mit ihren Jungen gefangene Wildkatze nahm ein ihr von Zelebor untergeschobenes Kätzchen freundlich auf, liebkoste es und ließ es mit ihren zwei größeren Jungen säugen. Diese Waisenmutter wurde nach Verlauf einiger Wochen so zahm, daß sie unter gemütlichem Schnurren zum Spielen mit Zelebors Hund sich herbeiließ. Hinsichtlich ihrer Nahrung zeigen sich alte wie junge Wildkatzen äußerst wählerisch. Mäuse und kleine Vögel bevorzugen sie allem übrigen, Milch lecken sie ebenso gern wie Hauskatzen, Pferdefleisch verschmähen sie hartnäckig; selbst bei ausschließlicher Fütterung mit gutem Rindfleisch gehen sie bald zugrunde. Die Schwierigkeit ihrer Pflege erklärt es, daß man ihr nur sehr selten in einem Tiergarten begegnet und eher zehn Leoparden oder Löwen als eine Wildkatze erwerben kann.
Die Jagd der Wildkatze wird überall mit einer gewissen Leidenschaft betrieben: handelt es sich doch darum, ein dem Weidmann ungemein verhaßtes und dem Wilde schädliches Raubtier zu erbeuten. Bei uns zu Lande erlegt man sie gewöhnlich auf Treibjagden. »Sie läßt sich«, bemerkt von Meyerinck noch, »sehr gut treiben und ist schneller bei den Schützen als der Fuchs. Ich selber schoß eine sehr starke Wildkatze im Harz bei Treiben auf Wildbret, und da es scharf gefroren hatte, hörte ich sie, gleich nachdem die Treiber vorwärts gegangen waren, im gefallenen Laube schon von fernher kommen, genau in derselben Weise wie ein Fuchs, der ruhig trabt und hin und wieder stehen bleibt, um nach dem Treiben zu horchen, sich nähert.« Im Winter, nach einer Neue, wird sie abgespürt, bis zum Bau oder einem Baum verfolgt, mit Hilfe des Hundes ausgetrieben oder festgemacht und dann erlegt; außerdem kann man ihrer habhaft werden, indem man sie durch Nachahmen des Geschreis einer Maus oder des Piepens eines Vogels reizt. Winckell rät dem Jäger an, vorsichtig mit ihr zu Werke zu gehen, einen zweiten Schuß nicht zu sparen, falls der erste nicht sofort tötlich war, und ihr sich nur dann zu nähern, wenn sie nicht mehr fort kann, ihr aber auch jetzt noch mit einigen tüchtigen Hieben über die Nase den Garaus zu machen, bevor man sich weiter mit ihr befaßt. Verwundete Wildkatzen können, wenn man sie in die Enge treibt, sehr gefährlich werden. »Nimm dich wohl in acht, Schütze«, so schildert Tschudi, »und faß die Bestie genau aufs Korn! Ist sie bloß angeschossen, so fährt sie schnaubend und schäumend auf, mit hochgekrümmtem Rücken und gehobenem Schwänze naht sie zischend dem Jäger, setzt sich wütend zur Wehr und springt auf den Menschen los; ihre spitzen Krallen haut sie fest in das Fleisch, besonders in die Brust, daß man sie fast nicht losreißen kann, und solche Wunden heilen sehr schwer. Die Hunde fürchtet sie so wenig, daß sie, ehe sie den Jäger gewahrt, oft freiwillig vom Baume herunterkommt; es setzt dann fürchterliche Kämpfe ab. Die wütende Katze haut mit ihrer Kralle oft Risse, zielt gern nach den Augen des Hundes und verteidigt sich mit der hartnäckigsten Wut, solange noch ein Funke ihres höchst zähen Lebens in ihr ist. So kämpfte im Jura ein wilder Kater, auf dem Rücken liegend, siegreich gegen drei Hunde, von denen er zweien die Tatzen tief in die Schnauzen gehauen hatte, während er den dritten mit den Zähnen festgepackt hielt eine Verteidigung, zu der er den äußersten Mut und die größte Gewandtheit bedurfte, und die gleichzeitig eine hohe Klugheit verrät, da er nur so der Hundebisse sich erwehren konnte. Ein starker Schuß des herbeieilenden Jägers, der die Bestie durch und durch bohrte, errettete die schwer verwundeten Tiere, die sonst sämtlich erlegen wären.«
Man kennt andere Jagdgeschichten dieses Tieres, die zum Teil ein sehr trauriges Ende haben; ich will bloß ihrer zwei mitteilen. »Als ich«, so sagt Hohberg, »anno 1640 zu Parduwitz auf die Entenpirsch gegangen, hat der Hund ungefähr im dicken Rohr eine wilde Kaz gewittert und auf einen Baum hinaufgetrieben. Der Hund ist dann um den Baum herumgegangen und hat die eine wilde Kaz gewittert und auf einen Baum hinaufgetrieben, ein starker, bissiger Hund gewesen. Als ich das mit großen Entenschroten geladene Rohr ergriff, den Anschlag auf die Kaz genommen und sie herabschießen wollen, hat die Kaz einen Sprung in das nächste Röhricht getan, der Hund aber ist der Kazen nachgeeilt und hat sie ergriffen. Ich mochte im dicken Gezausicht nicht schießen, nahm alsobald meinen Degen und stieg ins Geröhricht, da ich den Hund mit der Kazen verwickelt funden und sie auf der Erden durch und durchgespießet. Die Kaz, als sie sich verwundet empfunden, ließ sie stracks von dem Hunde ab und schwung sich, also durchstochen, mit so großer Furie an der Klingen gegen meine Hand, daß ich selbige notwendig habe müssen fallen lassen. Entzwischen aber ersah der von der Kazen befreyte Hund seinen Vorteil, ergriff sie bei dem Genick und hielt sie so feste, daß ich Zeit hatte, mit dem Fuß den Degen wieder aus der Kazen zu ziehen und ihr folgends den Rest zu geben.«
Nahe meiner Heimat heißt noch heutigen Tages eine Forstabteilung die » wilde Katze«. Dieser Name verdankt einer unglücklichen Jagdgeschichte seine Entstehung. Ein Kreiser oder Waldläufer spürte eines Wintermorgens im frischgefallenen Schnee eine Wildkatzenfährte und folgte ihr, erfreut über das ihm zuteil gewordene Jagdglück und die in Aussicht stehende, damals noch ziemlich bedeutende Auslösung. Die Fährte verlief bis zu einer gewaltigen hohlen Buche, auf der das Tier aufgebäumt haben mußte. Auf den Ästen war es nicht zu sehen, es mußte also irgendwo im Innern des Baumes verborgen sein. Unser Kreiser machte sich schußfertig und nimmt seinen Revierhammer hervor, um durch Anklopfen mit demselben die Katze aus dem Baume zu vertreiben. Er tut einige Schläge und ergreift flugs sein Gewehr, um die etwa sich zeigende Katze sogleich beim Erscheinen mit einem wohlgezielten Schusse zu empfangen. Vergeblich; sie erscheint nicht. Er muß noch einmal anklopfen. Noch immer will sie sich nicht zeigen. Er klopft also zum dritten Male; aber noch hat er nicht das Gewehr zum Anschlag erhoben, da sitzt ihm die Katze im Nacken, reißt ihm mit ihren Tatzen im Nu die dicke Pelzmütze vom Kopfe und haut sich fest in seinen Kopf ein, mit den Zähnen das Halstuch zerreißend. Dem Überraschten entfällt das Gewehr; er vergißt fast, sich zu verteidigen und sucht bloß Hals und Gesicht vor den wütenden Bissen zu schützen. Dabei schreit er, laut um Hilfe rufend, seinem im Walde befindlichen Sohne zu. Die Katze zerfleischt ihm die Hände, zerbeißt ihm das Gesicht, zerreißt das Tuch; ängstlicher wird sein Hilferufen, größer seine Angst. Da empfängt er einen grimmigen Biß in den Hals und stürzt nieder. So findet ihn sein Sohn, die Katze noch auf ihm, die Nackenmuskeln ihm zerreißend. Er versucht das wütende Tier wegzureißen, nimmt seinen Hammer und schlägt auf die Katze ein; sie faucht, beißt aber immer wieder auf ihr Schlachtopfer los. Endlich trifft sie ein Hammerschlag auf den Kopf, und sie erliegt. Der Lärm hat Vorübergehende herbeigezogen; man bringt den Bewußtlosen nach Hause, verbindet ihn, so gut es geht, und schickt nach einem Arzte. Inzwischen kommt der Zerschundene wieder zu sich und erzählt in kurzen, gebrochenen Sätzen seinen fürchterlichen Kampf. Der Arzt erscheint, und man wendet alle Mittel an; noch an demselben Tage aber verscheidet der Mann unter entsetzlichen Schmerzen.
Von der eigentlichen Wildkatze sind die bloß verwilderten Hauskatzen wohl zu unterscheiden. Solche trifft man nicht selten in unseren Waldungen an; sie erreichen aber niemals die Größe der eigentlichen wilden, obwohl sie unsere Hauskatzen um vieles übertreffen. In der Zeichnung und an Bosheit und Wildheit ähneln sie durchaus der Wildkatze.
In felsigen Gegenden Ostsibiriens, der Tartarei und Mongolei vertritt der Manul, die Steppenkatze der Grenzkosaken Transbaikaliens ( Felis Manul), unsere in ganz Sibirien fehlende Wildkatze. Das Tier kommt dieser an Größe annähernd gleich, ist jedoch niedriger gestellt als sie. Südlich und östlich von den Wohngebieten des Manul tritt eine andere Art der Gruppe auf, die Zwergkatze oder der Kueruck ( Felis unata). Sie ähnelt unserer Hauskatze in der Gestalt, ist aber merklich kleiner, nämlich nur 65 bis 70 Zentimeter lang, wovon 20 bis 23 Zentimeter auf den Schwanz zu rechnen sind. Ihre Grundfärbung ist oberseits bräunlichfahlgrau, mehr oder weniger ins Graue spielend, unterseits weiß, die Fleckung oben dunkelrostbraun, unten braunschwarz. Ein bezeichnendes Merkmal bilden vier Längsstreifen, von denen zwei über den Augen, zwei zwischen ihnen zu beiden Seiten der Nase beginnen, und die sich gleichlaufend über Stirn, Scheitel und Nacken ziehen.
Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß wir als die Stammutter unserer Hauskatze die Falbkatze ( Felis maniculata) zu bezeichnen haben. Rüppell entdeckte sie in Nubien auf der Westseite des Nils bei Ambukol, in einer mir sehr wohlbekannten Wüstensteppe, in der felsige Gegenden mit buschreichen abwechseln; spätere Sammler haben sie im ganzen Sudan, in Habesch, im tiefsten Innern Afrikas und ebenso in Palästina aufgefunden. Ihre Länge beträgt 50 Zentimeter, die des Schwanzes etwas über 25 Zentimeter. Dies sind zwar nicht genau die Verhältnisse der Hauskatze, aber doch solche, die denen unseres Hinz ziemlich nahekommen. Auch in ihrer Zeichnung ähnelt die Falbkatze manchen Spielarten der Hauskatze. Ihr Pelz ist oben mehr oder weniger fahlgelblich oder fahlgrau, auf dem Hinterkopfe und der Rückenfirste rötlicher, an den Seiten heller, am Bauche weißlich. Auf dem Rumpfe zeigen sich dunkle, schmale, verwaschene Querbinden, die an den Beinen deutlich hervortreten, am Oberkopfe und in dem Nacken acht schmälere Längsbinden. Gewisse Teile des Pelzes sind auch noch mit einer feinschwarzen Sprenkelung gezeichnet. Der Schwanz ist oben fahlgelb, unten weiß, endet in eine schwarze Spitze und hat vor ihr drei breite schwarze Ringe.
Die Mumien und Abbildungen auf den Denkmälern in Theben und in anderen ägyptischen Ruinen stimmen mit dieser Katzenart am meisten überein und scheinen zu beweisen, daß sie es war, die bei den alten Ägyptern als Haustier gehalten wurde. Vielleicht brachten die Priester das heilige Tier von Meroe in Südnubien nach Ägypten; von hier aus könnte sie nach Arabien und Syrien und später über Griechenland oder Italien nach dem westlichen und nördlichen Europa verbreitet worden sein, und in neuerer Zeit durch die wandernden Europäer eine noch größere Verbreitung erlangt haben. Für mich erhalten diese Mutmaßungen besonderes Gewicht durch Beobachtungen, die ich auf meinem letzten Jagdausfluge nach Habesch machte. Die Hauskatzen der Jemenesen und der Araber der Westküste des Roten Meeres zeigen nicht nur eine ganz ähnliche Färbung wie die Falbkatze, sondern auch dieselbe Schlankheit und Schmächtigkeit, die diese vor ihren Verwandten auszeichnet. Allerdings hat dort die Hauskatze nicht dasselbe Los wie bei uns: ihre Herrschaft kümmert sich kaum um sie und überläßt es auch ihr selbst, sich zu ernähren. Dies dürfte aber schwerlich als Grund ihres schlechten Aussehens anzunehmen sein; denn an Nahrung fehlt es einem Raubtiere in dortiger Gegend nicht. Ich glaube, daß die Katze Nordostafrikas am treuesten sich ihre ursprüngliche Gestalt erhalten hat.
Besonderes Gewicht erhalten vorstehende Beobachtungen durch Vergleichungen, die Dönitz an Schädeln der Hauskatze und an den durch Schweinfurth aus dem Innern Afrikas mitgebrachten Falbkatzenschädeln angestellt hat. Diese Vergleichungen haben ergeben, daß letztere sich einzig und allein durch die dünneren Knochen von denen der Hauskatze unterscheiden lassen. Die Dünne der Knochen aber ist ein so bezeichnendes Merkmal wilder Tiere, daß man den Schädel einer Wildkatze durch bloße Wägung von dem einer Hauskatze bestimmt unterscheiden kann.
Ich war eine Zeitlang im Besitze einer Falbkatze, habe mich aber vergeblich bemüht, ihr nur einigermaßen die Wildheit abzugewöhnen, die sie zeigte. Das Tier war in den Steppen Ostsudans alt gefangen worden und wurde mir in einem Käfige gebracht, der schon durch seine außerordentliche Festigkeit zeigte, daß man ein bedenkliches Raubtier in ihm verwahre. Ich habe die Katze niemals aus diesem Käfige nehmen dürfen, weil sie es überhaupt nicht gestattete, daß man ihr irgendwie sich näherte. Außerordentlich wichtig zur Begründung der Ansicht, daß die Falbkatze die Stammutter unserer Hauskatze ist, sind Beobachtungen, die Schweinfurth im Lande der Njamnjam machte. Nach mündlichen Mitteilungen des berühmten Reisenden kommt die Falbkatze hier häufiger vor als in irgendeinem bis jetzt bekannten Teile Afrikas, so daß man also das tiefe Innere des Erdteiles als das eigentliche Vaterland oder den Kernpunkt des Verbreitungskreises unseres Tieres ansehen muß. Die Njamnjam nun besitzen die Hauskatze im eigentlichen Sinne des Wortes nicht: wohl aber dienen ihnen zu gleichem Zwecke wie letztere halb- oder ganzgezähmte Falbkatzen, die die Knaben einfangen, in der Nähe der Hütten anbinden und binnen kurzer Zeit soweit zähmen, daß sie an die Wohnung sich gewöhnen und in der Nähe derselben dem Fange der überaus zahlreichen Mäuse mit Eifer obliegen.
»Die Katze« ( Felis maniculata domestica), sagt Ebers in seiner ›Ägyptischen Königstochter‹, einem Romane, der nach dem Urteil der maßgebenden Altertumsforscher das Leben und Treiben der Bewohner Altägyptens in unübertrefflicher Weise schildert, »war wohl das heiligste von den vielen heiligen Tieren, die die Ägypter verehrten. Während andere Tiere nur beziehungsweise vergöttert wurden, war die Katze allen Untertanen der Pharaonen heilig. Herodot erzählt, daß die Ägypter, wenn ein Haus brenne, nicht eher ans Löschen dächten, bis ihre Katze gerettet sei, und daß sie die Haare als Zeichen der Trauer sich abschören, wenn ihnen eine Katze stürbe. Wer eines der Tiere tötete, verfiel, mochte er mit Wollen oder aus Versehen der Mörder desselben geworden sein, unerbittlich dem Tode. Diodor war Augenzeuge, als die Ägypter einen unglücklichen römischen Bürger, der eine Katze getötet hatte, des Lebens beraubten, obgleich, um der gefürchteten Römer willen, von seiten der Behörden alles mögliche geschah, um das Volk zu beruhigen. Die Leichen der Katzen wurden kunstvoll mumifiziert und beigesetzt; von den vielen einbalsamierten Tieren wurden keine häufiger gefunden als die sorgfältig mit Leinenbinden umwickelten mumifizierten Katzen.«
Während die Katze bei den alten Ägyptern als heiliges Geschöpf angesehen wurde, erschien sie (oder richtiger die Wildkatze, beziehentlich der Luchs) den alten Deutschen als das Tier der Freia, deren Wagen sie durch die Wolken zieht, und ging in der späteren Zeit, nachdem die nüchternen Verkündiger des Christentums die dichterischen Göttersagen unserer Vorfahren verwischt oder zu wüstem Spuk umgestaltet hatten, allgemach in ein mehr oder weniger gespenstiges Wesen über, das heutzutage noch im Aberglauben fortlebt. Die Katze ist, laut Wuttke, wahrsagend und hat Zauberkraft. Eine dreifarbige Katze schützt das Haus vor Feuer und anderem Unglück, die Menschen vor dem Fieber, löscht auch das Feuer, wenn man sie in dasselbe wirft und heißt deshalb »Feuerkatze«. Wer sie ertränkt, hat kein Glück mehr oder ist sieben Jahre lang unglücklich; wer sie totschlägt, hat ebenfalls fernerhin kein Glück; wer sie schlägt, muß es von hinten tun. Die Katze zieht Krankheiten an sich; ihre Leiche dagegen, unter jemandes Türschwelle vergraben, bringt dem Hause Unglück. Katzenfleisch ist gut gegen die Schwindsucht; wer aber ein Katzenhaar verschluckt, bekommt diese, und wenn es ein kleines Kind tut, wächst es nicht mehr. Schwarze Katzen dienen zum Geldzauber und zum Unsichtbarmachen, zum Schutze des Feldes und des Gartens, zur Heilung der Fallsucht und der Bräune, schwarze Kater insbesondere zu unheimlichem Zauber. Erreichen sie das Alter von sieben oder neun Jahren, so werden sie selbst zu Hexenwesen und gehen am Walpurgistage zur Hexenversammlung oder bewachen unterirdische Schätze. Wenn die Katze sich putzt oder einen krummen Buckel macht, bedeutet es Gäste:
»Wie die Katz auf dem Tritts des Tisches
Schnurrt und das Pfötchen sich leckt, auch Bart und Nacken sich putzet,
Das bedeutet ja Fremde nach aller Vernünftigen Urteil«
singt Voß. Fährt sie sich mit den Pfoten über die Ohren, so kommt vornehmer Besuch; macht sie die Hinterbeine lang, so kommt jemand mit einem Stecken; wen sie aber ansieht, während sie sich wäscht, hat an demselben Tage noch eine Tracht Prügel zu gewärtigen. Wenn eine Katze vor dem Hause schreit, gibt es in demselben bald Zank oder Unheil, selbst Tod; wenn die Katzen in einer Freitagsnacht sich zanken, geht es bald darauf auch im Hause unfriedlich zu; wenn vor der Trauung eine Katze auf dem Altar sitzt, wird die Ehe unglücklich. Die weiße Gespenstkatze, die außen am Fenster schnurrt, zeigt einen binnen zwei Stunden eintretenden Todesfall an. Nur hier und da urteilt man milder über das zierliche Geschöpf, so in Süddeutschland und in den Rheinlanden, wo man den Aberglauben hegt, daß ein Mädchen, das eine glückliche Ehe haben will, die Katze, das Tier der Freia oder Holda, gut füttern müsse, eine Vorschrift, die auch ich allen Mädchen und Hausfrauen bestens empfohlen haben will.
Auch im Sprichworte spielt die Katze eine bedeutende Rolle: »Falsch wie die Katze; einen Katzenbuckel machen; eine Katzenwäsche halten; zusammen leben wie Hund und Katze; Katzen und Hexen fallen immer auf die Füße; wie die Katze gehen um den heißen Brei; die Katze in dem Sacke kaufen« usw., sind Belege dafür.
Gegenwärtig findet sich die Katze mit Ausnahme des höchsten Nordens und, laut Tschudi, des höchsten Gürtels der Andes fast in allen Ländern, in denen der Mensch feste Wohnsitze hat. In Europa trifft man sie überall; in Amerika wurde sie schon bald nach Entdeckung dieses Erdteils verbreitet. Auch in Asien und in Australien ist sie ziemlich häufig, weniger jedoch in Afrika, zumal im Innern des Erdteils, wo sie in einzelnen Ländern gänzlich fehlen soll. Je höher ein Volk steht, je bestimmter es sich seßhaft gemacht hat, um so verbreiteter ist die Katze. In Europa wird sie von Deutschen, Engländern und Franzosen am meisten geschätzt und am besten gepflegt; in ganz Indien, China und Japan, auch auf Java gehört sie zu den gewöhnlichen Haustieren; in China dient sie, laut Huc, hier und da als Uhr, indem man nach der Enge ihres Augensterns die Nähe des Mittags beurteilt; in Ägypten genießt sie als Lieblingstier des Propheten große Achtung, nimmt teil an Aufzügen, wird in Kairo auch öffentlich verpflegt, da Vermächtnisse bestehen, deren Zinsen man zu ihrer Fütterung verwendet; in Südamerika fehlt sie in dem höchsten Gürtel der Andes, weil sie Kälte und dünne Lust nicht verträgt, verkümmert auch, laut Hensel, hier und da »wie jedes Haustier unter der Pflege des Brasilianers, der, ebenso wie der Südamerikaner spanischer Abkunft, von Hause aus kein Tierfreund ist und außerdem noch durch eine unüberwindliche Trägheit von jeder Bemühung im Gebiet der Tierzucht abgehalten wird«, gedeiht aber in Städten, wo es, wie in Frankreich, Sitte ist, sie in den Läden als Feind der Ratten oder zum Staat zu halten, vortrefflich; auf Neuseeland ist sie verwildert und wird gegenwärtig von den Ansiedlern mit demselben Ingrimm gejagt wie ihre wildlebenden Verwandten. Wo man sie in ihrem wahren Wert erkannt hat, verbreitet man sie mehr und mehr. Manche Völkerschaften Asiens, z. B. die Mandschu, treiben noch einen ziemlich bedeutenden Handel mit ihr. Sie geben den Giljaken junge Kater, niemals aber Miezen, erhalten sich somit immer ihre alten Absatzquellen offen. Die Käufer tauschen solche Katzen mit Zobelfellen ein, und beide Teile machen ein sehr gutes Geschäft. Heutzutage hat, laut Radde, die Bevölkerung des Amurlandes den Mandschu neue Absatzquellen eröffnet, da die Menge der Ratten und Feldmäuse in Häusern und Speichern den neuen Ansiedlern die Gegenwart der Katze wünschenswert macht. Bei den wandernden und jagdtreibenden Hirtenvölkern des südlichen Teils von Ostsibirien hat diese sich noch nicht eingebürgert, fehlt auch im Lande der Urjänchen am Kossogol und in dem der Darchaten an den Quellen des Jenissei. Erst dort, wo die getauften Burjäten und Tungusen der cis- und transbaikalischen Gauen nach und nach an einen beständigen Wohnplatz sich gewöhnen und Ackerwirtschaft betreiben, wird sie ein gewöhnliches Haustier. Den Priestern der Buddhalehre, die abwärts am mittleren Onon ihre Ansiedelungen haben, ist sie ein lieber, wohlgepflegter Hausgenosse. Ebenso begegnet man ihr in der Aginskischen Steppe, wo das feste Haus meist an die Stelle der leichtbeweglichen Jurte getreten ist, in den russisch-transbaikalischen Besitzungen, soweit dieselben von einer festsitzenden Bevölkerung bewohnt werden. Von den Dörfern im Quellenlande des Amur gelangte sie in den Jahren 1857 und 1858 in die Ansiedlungen im oberen und mittleren Lauf dieses Stromes, während sie an der Mündung desselben, von der See aus eingeführt, schon seit 1853 vorhanden war. Im Winter des Jahres 1858 fehlte sie im Burejagebirge noch gänzlich, hielt jedoch am oberen Ende bereits ihren Einzug. Auf Grönland kam sie mit den dänischen Frauen an und verbreitete sich mit ihnen nach Süden und Norden hin, so daß sie schon zu Zeiten des Naturforschers Fabricius, Ende des vorigen Jahrhunderts, in allen Ansiedlungen gefunden wurde. So hat sie nach und nach Heimrecht fast auf der ganzen Erde sich erworben, und erscheint überall als ein lebendes Zeugnis des menschlichen Fortschritts, der Seßhaftigkeit, der beginnenden Gesittung. Der Hund ist wahllos Allerwelts- und Allermenschentier, die Katze Haustier im besten Sinne des Wortes; jener hat sich von dem Zelte aus das feststehende Haus erobert, sie erst in diesem sich eingebürgert und dem gesitteten Menschen angeschlossen.
Gleichwohl bewahrt sie sich unter allen Umständen bis zu einem gewissen Grade ihre Selbständigkeit und unterwirft sich dem Menschen nur insoweit, als sie es für gut befindet. Je mehr dieser sich mit ihr beschäftigt, um so treuere Anhänglichkeit gewinnt sie an die Familie, je mehr man aber eine Katze sich selbst überläßt, um so größer wird ihre Anhänglichkeit an das Haus, in dem sie geboren wurde. Der Mensch bestimmt immer den Grad der Zähmung und der Häuslichkeit einer Katze. Wo sie sich selbst überlassen wird, kommt es nicht selten vor, daß sie zur Zeit des Sommers ganz dem Hause entläuft und in die Wälder sich begibt, in denen sie unter Umständen vollständig verwildern kann. Bei Eintritt des Winters kehrt sie gewöhnlich in ihre frühere Wohnung zurück und bringt dahin auch ihre Jungen, die sie während ihres Sommeraufenthalts zur Welt gebracht hat; doch kommt es, zumal in warmen Ländern, häufig genug vor, daß sie, auch wenn sie zurückgekehrt ist, fast gar nicht mehr um den Menschen sich kümmert.
Unsere Hauskatze eignet sich vortrefflich, ihre ganze Familie kennenzulernen, eben weil jedermann sie beobachten kann. Sie ist ein außerordentlich schmuckes, reinliches, zierliches und anmutiges Geschöpf, jede ihrer Bewegungen nett und angenehm, und ihre Gewandtheit wahrhaft bewunderungswürdig. Sie geht gemessen und tritt mit ihren Sammetpfötchen, deren Krallen sorgfältig eingezogen sind, so leise auf, daß ihr Gang für den Menschen vollkommen unhörbar wird. Bei jedem Schritt zeigt sich die Beweglichkeit, die ihr eigentümlich ist, verbunden mit größter Anmut und Zierlichkeit. Nur wenn sie von einem andern Tier verfolgt oder plötzlich erschreckt wird, beschleunigt sie ihren Gang zu einem Lauf in schnell hintereinander folgenden Sätzen oder Sprüngen, die sie ziemlich rasch fördern und fast regelmäßig vor dem Verfolger retten, weil sie klug jeden Schlupfwinkel zu benutzen oder jede Höhe zu gewinnen weiß. Sie klettert durch Einhäkeln ihrer Krallen leicht und geschickt an Bäumen und rauhen oder weichen Mauern empor und ist imstande, mit einem einzigen Satz eine Höhe von zwei bis drei Meter zu gewinnen. Im freien Feld läuft sie nicht eben rasch, wenigstens wird sie dort von jedem Hunde eingeholt. Ihre große Gewandtheit zeigt sich namentlich bei Sprüngen, die sie freiwillig oder gezwungen ausführen muß. Sie mag fallen wie sie will, immer wird sie mit den Beinen den Boden erreichen und verhältnismäßig sanft auf die weichen Ballen der Füße fallen. Das Schwimmen versteht sie auch, macht aber von dieser Fertigkeit bloß dann Gebrauch, wenn sie in die unangenehme Lage kommt, aus dem Wasser sich retten zu müssen. Freiwillig geht sie niemals in das Wasser, meidet sogar den Regen mit förmlicher Ängstlichkeit. Sie sitzt, wie der Hund, auf dem Hinterteil und stützt sich vorn mit beiden Füßen; im Schlaf rollt sie sich zusammen und legt sich auf eine Seite. Dabei sucht sie gern eine weiche und warme Unterlage auf, kann es aber nur selten vertragen, wenn sie auch bedeckt wird. Vor allem andern benutzt sie das Heu zum Pfühl, wahrscheinlich, weil sie den Duft desselben gut leiden mag.
Bemerkenswert ist die Biegsamkeit der an und für sich rauhen Stimme unserer Hauskatze. »Mauwend auff mancherley weyß, anderst so sy etwas häuschend, anders so sy liebkosend, anderst so sy sich zu streyt oder kampff stellend«, sagt schon Geßner sehr richtig. Der Hund ist nicht entfernt so ausdrucksfähig wie die Katze. Ihr »Miau« ändert in der verschiedensten Weise ab, wird bald kurz, bald lang, bald gedehnt, bald abgebrochen hervorgestoßen und damit bittend, klagend, verlangend, drohend; zu dem »Miau« treten aber auch noch andere Laute unnennbarer Art hinzu, die unter Umständen sich vereinigen können zu einem Lied,
»...das Stein erweichen,
Menschen rasend machen kann«,
weil nicht bloß miauende, sondern auch knurrende, kreischende und dumpf brüllende Laute und das absonderliche, allen Katzen eigentümliche Fauchen in ihm abwechseln.
Unter den Sinnen der Katze sind Gefühl, Gesicht und Gehör die ausgezeichnetsten. Am schlechtesten ist wohl der Geruch, wie man sich leicht selbst überzeugen kann, wenn man einer Katze irgendwelche Lieblingsnahrung so vorlegt, daß sie dieselbe nur durch die Nase ermitteln kann. Sie naht sich dem Gegenstand und wendet, wenn sie in seine nächste Nähe gekommen ist, den Kopf so vielfach hin und her, daß man gleich an diesen Bewegungen sieht, wie wenig der Geruchsinn sie leitet. Ist sie endlich nahe gekommen, so benutzt sie ihre Schnurrhaare, die vortreffliche Tastwerkzeuge sind, noch immer weit mehr als die Nase. Man muß ihr eine Maus, die man in der Handhöhlung versteckt, schon nahe vorhalten, ehe sie dieselbe riecht. Weit feiner ist ihr Gefühl. Die Schnurrhaare zeigen dies am besten; denn man darf bloß ein einziges ganz leise berühren, so wird man sehen, wie die Katze augenblicklich zurückzuckt. Auch in den weichen Pfoten besitzt sie Tastgefühl, obschon in untergeordneterem Grade. Ausgezeichnet ist das Gesicht. Sie sieht ebensogut bei Tage wie bei Nacht, ist fähig, bei verschiedenem Licht ihren Augenstern passend einzurichten, d. h. ihn bei großer Helligkeit so zu verkleinern und bei Dunkelheit so zu vergrößern, daß ihr das Sinneswerkzeug jederzeit vortreffliche Dienste leistet. Und doch steht unter allen Sinnen das Gehör obenan.
Das geistige Wesen der Katze wird gewöhnlich gänzlich verkannt. Man betrachtet sie als ein treuloses, falsches, hinterlistiges Tier, und glaubt, ihr niemals trauen zu dürfen. Viele Leute haben einen unüberwindlichen Abscheu gegen sie und gebärden sich bei ihrem Anblick wie nervenschwache Weiber oder ungezogene Kinder. In der Regel vergleicht man sie mit dem Hund, mit dem sie gar nicht verglichen werden darf, und gibt sich, weil man in ihr nicht gleich dessen Eigenschaften findet, nicht weiter mit ihr ab, sondern betrachtet sie schon von vornherein als ein Wesen, mit dem überhaupt nichts zu machen ist. Ich habe die Katze von Jugend auf mit Liebe beobachtet, und mich viel mit ihr beschäftigt, deshalb neige ich mich der nachstehend wiedergegebenen Schilderung Scheitlins zu: »Die Katze ist ein Tier hoher Natur. Schon ihr Körperbau deutet auf Vortrefflichkeit. Sie ist ein kleiner, netter Löwe, ein Tiger im verjüngten Maßstabe. Alles an ihr ist einhellig gebaut, kein Teil zu groß oder zu klein; darum fällt auch schon die kleinste Regelwidrigkeit an ihr auf. Alles ist rund, am schönsten die Kopfform, was man auch am entblößten Schädel wahrnehmen kann: kein Tierkopf ist schöner geformt. Die Stirn hat den dichterischen Bogen, das ganze Gerippe ist schön und deutet auf eine außerordentliche Beweglichkeit und Gewandtheit zu wellenförmigen oder anmutigen Bewegungen. Ihre Biegungen geschehen nicht im Zickzack oder Spitzwinkel, und ihre Wendungen sind kaum sichtbar. Sie scheint keine Knochen zu haben und nur aus leichtem Teig gebaut zu sein. Auch ihre Sinnesfähigkeiten sind groß und passen ganz zum Körper. Wir schätzen die Katzen gewöhnlich viel zu niedrig, weil wir ihre Diebereien hassen, ihre Klauen fürchten, ihren Feind, den Hund, hochschätzen und keine Gegensätze, wenn wir sie nicht in einer Einheit auflösen, lieben können.«
Richten wir nun unsere Aufmerksamkeit auf ihre Haupteigenheiten. Zuvörderst fällt uns ihre Gewandtheit auf. Körper und Seele sind gewandt, beide aus einem Guß. Wie gewandt dreht sie sich in der Luft, wenn sie auch nur mit dem Rücken abwärts Wenige Fuß tief fällt. Schon der geringe Widerstand der Luft vermittelt ihr, wie bei den Vögeln, die Möglichkeit der Drehung. Wie gewandt erhält sie sich aus schmalen Kanten und Baumzweigen, selbst wenn diese kräftig geschüttelt werden! Halb körperlich und halb geistig ist ihre Liebe zur Reinlichkeit; sie leckt und Putzt sich immerdar. Alle ihre Härchen vom Kopf bis zur Schwanzspitze sollen in vollkommener Ordnung liegen; die Haare des Kopfes zu glätten und zu kämmen, beleckt sie die Pfoten und streicht dann diese über den Kopf; selbst die Schwanzspitze versäumt sie nicht. Den Unrat verbirgt sie, verscharrt ihn in selbstgegrabene Erdlöcher. Hat eine Katze, durch einen Hund erschreckt, ihre Haare gesträubt, so fängt sie an, sobald sie sich in Sicherheit weiß, dieselben am ganzen Leibe wieder in Ordnung zu bringen. Sie will auch das Fell rein haben. Sie leckt sich allen Schmutz ab; sie ist des Schweines Gegenteil.
Sie hat körperlichen Höhesinn, der aber, weil er Schwindelfreiheit und tüchtige Nerven erfordert, mit dem geistigen verwandt ist. Sie kennt den Raum und die Entfernungen sowie die geraden, schiefen und senkrechten Flächen genau; sie schaut, wenn sie einen ungewohnten Sprung tun will, berechnend nach, vergleicht dann ihre Kraft und Geschicklichkeit und prüft sich selbst. Sie wagt ihn vielleicht lange nicht. Hat sie ihn einmal gemacht und ist er gelungen, so ist er auf immer gemacht; gelang er nicht, so versucht sie ihn später mit vorwärts geschrittener Kraft und Geschicklichkeit wieder. Minder gut beurteilt sie die Zeit. Daß sie die Mittagszeit kenne, weiß man wohl; denn sie kommt zur Stunde heim. Allein wegen ihres freieren Lebens auf den Höhen und ihren Nachtaugen bedarf sie mehr Raum- und Ort- als Zeit- und Stundensinn. Es mangelt ihr nicht an Farbensinn, ihrem Gehör nicht an Tonsinn. Sie kennt den Menschen an seiner Kleidung und an seiner Stimme. Sie will zur Tür hinaus, wenn sie gerufen wird; sie hat ein vorzügliches Ortsgedächtnis und übt es. In der ganzen Nachbarschaft, in allen Häusern, Kammern, Kellern, unter allen Dächern, aus allen Holz- und Heuböden zieht sie herum. Sie ist ein völliges Ortstier, daher ihre bekannte Anhänglichkeit mehr ans Haus als an die Bewohner. Sie zieht entweder nicht mit aus oder läuft wieder ins alte Haus. Unbegreiflich ist es, daß sie, stundenweit in einem Sack getragen, ihr Haus, ihre Heimat wiederfinden kann.
Außerordentlich ist ihr Mut, selbst gegen die allergrößten Hunde und Bullenbeißer, wie ungünstig ihr Verhältnis in bezug auf Größe und Stärke sei. Sobald sie einen Hund wahrnimmt, krümmt sie den Rücken in einem ganz bezeichnenden Bogen, dem Katzenbuckel. Ihre Augen glühen Zorn oder plötzlich aufwallenden Mut nebst einer Art Abscheu. Sie speit schon von fern gegen ihn; sie will vielleicht entweichen, fliehen; sie springt im Zimmer aufs Gesimse, auf den Ofen oder will zur Tür hinaus. Hat sie aber Junge, so stürzt sie, wenn er dem Neste nahe kommt, gräßlich auf ihn los, ist mit einem Satz auf seinem Kopf und zerkratzt ihm die Augen, das Gesicht gar jämmerlich. Geht unter dieser Zeit ein Hund sie an, so hebt sie die Tatzen mit hervorgestreckten Klauen und weicht nicht. Hat sie noch den Rücken frei, so ist sie getrost; denn die Seiten kann sie mit ihren Hieben sichern; sie kann die Tatzen wie Hände gebrauchen. Es können fünf und noch mehr Hunde kommen, sie ordentlich belagern und gegen sie prallen, sie weicht nicht. Sie könnte mit einem Satz weit über sie hinausspringen, aber sie weiß, daß sie alsdann verloren sei; denn der Hund holte sie ein. Zieht dieser, ohne sie angegriffen zu haben, sich endlich zurück, so bleibt sie oft ganz ruhig sitzen, erwartet, wenn die Hunde wollen, noch zehn Angriffe und hält alle aus. Andere ersehen den Vorteil und erklettern schnell eine nahe Höhe. Dann sitzen sie droben und sehen in sich gekauert und mit halbverschlossenem Auge auf die Feinde, als wenn sie dächten, wer seinen sichern Schatz im Herzen trage, der könne ins Spiel der niederen Welt ganz ruhig schauen. Sie weiß, daß der Hund nicht klettern und nicht so hoch springen kann. Will aber der Mensch sie erfassen, so klettert sie höher und entspringt; ihn fürchtet sie mehr.
In freiem Felde verfolgte Katzen kehren, wenn sie sich stark fühlen, augenblicklich um und packen den Hund an. Erschrocken nimmt nun dieser die Flucht. Manche Katzen springen aus unbedingtem Hasse gegen alle Hunde, hängen sich am Kopfe fest und fahren ihnen mit den Klauen immer in die Augen. Es gibt Katzen, die nur in der Küche leben, nie in die Stube kommen. Diese lassen gewiß keinen Hund einen Augenblick lang in der Küche; in dieser wollen sie Herren sein!
Zu ihrem Mute gehört ihre Rauflust, ihre große Neigung zu Balgereien unter sich. Es geht dies schon aus ihrem Hange zum Spielen und ihrem Mutwillen hervor: sie sind Nachtbuben. Zwar schlagen sie sich auch bei Tage auf dem Dache herum, zerzupfen einander gräßlich und rollen auch, mit einander sich windend und kugelnd, über das Dach und durch die Luft auf die Straße herunter, sich sogar in der Luft raufend; dennoch führen sie am meisten Krieg in der Nacht, die Kater unter sich um der Weiber willen. Mancher Kater kommt in gewissen Zeiten des Jahres beinahe alle Morgen mit blutigem Kopfe und zerzaustem Kleide heim; dann scheint er gewitzigt und daheim bleiben zu wollen, nicht lange aber; denn er vergißt seine Wunden, so schnell als sie heilen, und fällt dann in die alte Sünde zurück. Der Kater lebt oft wochenlang außer dem Hause in seiner grenzenlosen Freiheitssphäre: man hält ihn für verloren, unerwartet kommt er wieder zum Vorschein. Die Miez hat viel mehr Haussinn, Nestsinn, wie alle Tierarten. Nicht immer sind die Raufer die stärksten, und nicht allemal sind die Kater die ärgsten Raufbolde; es gibt auch weibliche Haudegen, wilde Weiber. Solche rennen ohne Unterschied nach, fürchten die stärksten Kater nicht, fordern alle mit Worten und Tadel heraus und machen sich allen der ganzen, langen Straße furchtbar, soweit man von Dach zu Dach, ohne die Straße überschreiten zu müssen, kommen kann.
Mit ihrem Mute ist ihre Unerschrockenheit und Gegenwart des Geistes vorhanden. Man kann sie nicht, so wie den Hund oder das Pferd, erschrecken, sondern nur verscheuchen. Diese haben mehr Einsicht, die Katze hat mehr Mut; man kann sie nicht stutzig machen, nicht in Verwunderung setzen. Man spricht viel von ihrer Schlauheit und List: mit Recht: listig harrt sie totenstill vor dem Mauseloche, listig macht sie sich klein, harrt lange, schon funkeln das Mäuschen ist erst halb heraus ihre Augen und noch hält sie an. Sie ist Meister über sich, wie alle Listigen, und kennt den richtigen Augenblick.
Gefühl, Stolz, Eitelkeit hat sie nur in schwachem Grade; sie ist ja kein Geselligkeits-, sondern ein Einsamkeitswesen; sie freut sich keines Sieges und schämt sich auch nie. Wenn sie sich einer Sünde bewußt ist, fürchtet sie einzig die Strafe. Ist sie derb ausgeschalten und geprügelt worden, so schüttelt sie den Pelz und kommt nach wenigen Minuten unbehelligt wieder. Doch fühlt sie sich nicht wenig geschmeichelt, wenn man sie nach ihrem ersten Jagdmusterstücke auf eine Maus, die sie in die Stube bringt und vor die Augen der Leute legt, herzlich lobt. Sie kommt dann auch künftighin mit der Beute in die Stube und zeigt ihre große Kunst jedesmal an.
Man spricht von ihrer Schmeichelei und Falschheit, wohl gar von Rachsucht, doch viel zu viel. Gefällt ihr jemand vorzugsweise, denn sie kann sehr lieben und sehr hassen, so drückt sie sich oft mit der Wange und den Flanken an Wange und Seiten desselben, kost auf jede Weise, springt am frühen Morgen auf sein Bett, legt sich ihm so nahe wie möglich und küßt ihn. Manchen Katzen ist freilich nicht immer ganz zu trauen. Sie beißen und kratzen oft, wenn man es sich gar nicht vermutet. Allein in den meisten Fällen beruht ein solches Betragen nur oft auf Notwehr, weil man sie ja doch auch gar oft falsch und hinterrücks plagt. Allerdings tut der Hund solches nicht, der Hund aber ist ein guter Narr. Wir dürfen die Ungutmütigen doch nicht geradezu falsch nennen. Eigentlich falsche Katzen sind seltene Ausnahmen, deren es auch unter den Hunden gibt, wenn schon allerdings noch viel seltener. »Falscher Hund« ist doch für den Mann, wie »falsche Katze« für das Weib eine Art Sprichwort. Was den Menschen falsch macht, das macht auch die vollkommeneren Tiere falsch.
Ihre Liebeszeit ist interessant. Der Kater ist alsdann wild, die Weiber, die ihn aufsuchen, sitzen um ihn herum; er in der Mitte brummt seinen tiefen Baß hinzu, die Weiber singen Tenor, Alt, Diskant und alle möglichen Stimmen. Das Konzert wird immer wilder. Zwischeninnen schlagen sie einander die Fäuste ins Gesicht, und eben die Weiber, die ihn doch aufgesucht haben, wollen keineswegs, daß er sich ihnen nahe. Er muß alles erkämpfen. In mondhellen Nächten lärmen sie ärger als die wildesten Nachtbuben.
Die Paarung der Hauskatze erfolgt gewöhnlich zweimal im Jahre, zuerst Ende Februar oder Anfang März, das zweite Mal zu Anfang Juni. Fünfundfünfzig Tage nach der Paarung wirft sie fünf bis sechs Junge, die blind geboren werden und erst am neunten Tage sehen lernen. Gewöhnlich erfolgt der erste Wurf Ende April oder Anfang Mai, der zweite Anfang August. Die Mutter sucht vorher immer einen verborgenen Ort auf, meist den Heuboden oder nicht gebrauchte Betten, und hält ihre Jungen so lange als möglich verborgen, namentlich aber vor dem Kater, der dieselben auffrißt, wenn er sie entdeckt. Merkt sie Gefahr, so trägt sie die Tierchen im Maule nach einem anderen Orte; raubt man ihr die geliebten Kleinen, so sucht sie lange umher, in der Hoffnung, sie wieder aufzufinden. »Einmal«, so schreibt mir ein Freund der Katze, »hatten wir alle Jungen unserer Mieze zu einem Tagelöhner gegeben, der wohl an tausend Schritte von unserem Hause entfernt wohnte. Am anderen Morgen befanden sich alle Jungen wieder auf dem alten Platze im Haufe. Mieze war mit ihnen durch den oberen Fensterflügel des fremden Hauses auf die Straße gesprungen, hatte mit der Last im Maule den reißenden Bach überschritten und sich durch ein Fenster unseres Hauses Eingang zu verschaffen gewußt. So geschah es noch zweimal, obgleich wir die Jungen jedesmal an einen anderen Ort gebracht hatten.« Die jungen Kätzchen sind außerordentlich hübsche, schmucke Tierchen. »Ihre erste Stimme«, bemerkt Scheitlein noch, »ist auffallend zart; sie deutet auf sehr viel Kindisches. Sehr unruhig, wie sie sind, kriechen sie zuweilen noch blind aus dem Neste. Die Mutter holt sie wieder herein. Wenn nur ein Äuglein geöffnet ist, ist ihres Bleibens nicht mehr, und sie kriechen überall in der Nähe herum, immer miauend. Sogleich fangen sie mit allem Rollenden, Laufenden, Schleichenden, Flatternden zu tändeln an; es ist der erste Anfang des Triebes, Mäuse und Vögel zu fangen. Sie spielen mit dem stets wedelnden Schwanze der Mutter und mit ihrem eigenen, wenn er so lang gewachsen, daß die Vorderpfote sein Ende erreichen kann; sie beißen auch hinein und merken zuerst nicht, daß er auch noch zu ihrem Körper, auch noch zu ihnen gehöre, sowie das Menschenkind in die zum Munde heraufgehobenen Zehen beißt, weil es sie für etwas Fremdes hält. Sie machen die sonderbarsten Sprünge und die artigsten Wendungen. Ihr Tun und Spielen, in dem sie sich wie Kinder und als Kinder selbst unaussprechlich wohlgefallen, kann sie und die ihnen wohlwollenden Menschen stundenlang beschäftigen. Sobald ihre Augen aufgetan sind, können sie auch Gutes und Böses, d. h. Freund und Feind, unterscheiden. Geht ein Hund sie bellend an, so machen sie schon einen Buckel und speien ihn an. Sie werden als kleine Löwen geboren.«
Der Mutter Liebe zu den Jungen ist großartig. Sie bereitet den noch ungeborenen ein Nest und trägt sie augenblicklich von einem Orte zum anderen, sowie sie Gefahr für sie fürchtet; dabei faßt sie zart nur mit den Lippen ihre Haut im Genicke an und trägt sie so sanft dahin, daß die Miezchen davon kaum etwas merken. Während sie säugt, verläßt sie die Kinder bloß, um für sich und sie Nahrung zu holen. Wenn sich einer säugenden Katze ein fremder Hund oder eine andere Katze nähert, geht sie mit der größten Wut auf den Störenfried los, und selbst ihren Herrn läßt sie nicht gern ihre niedlichen Kinderchen berühren. Dagegen zeigt sie zu derselben Zeit gegen andere Tiere ein Mitleiden, das ihr alle Ehre macht. Man kennt vielfache Beispiele, daß säugende Katzen kleine Hündchen, Füchschen, Kaninchen, Häschen, Eichhörnchen, Ratten, ja sogar Mäuse säugten und großzogen, und ich selbst habe als Knabe mit meiner Katze derartige Versuche gemacht und bestätigt gefunden. Einer jung von mir aufgezogenen Katze brachte ich, als sie das erstemal Junge geworfen hatte, ein noch blindes Eichhörnchen, das einzige überlebende von dem ganzen Wurfe, den wir hatten großziehen wollen. Die übrigen Geschwister des kleinen Nagers waren unter unserer Pflege gestorben, und deshalb beschlossen wir, zu versuchen, ob nicht unsere Katze sich der Waise annehmen werde. Und sie erfüllte das in sie gesetzte Vertrauen. Mit Zärtlichkeit nahm sie das fremde Kind unter ihre eigenen auf, nährte und wärmte es aufs beste und behandelte es gleich vom Anfange an mit wahrhaft mütterlicher Hingebung. Das Eichhörnchen gedieh mit seinen Stiefbrüdern vortrefflich und blieb, nachdem diese schon weggegeben waren, noch bei seiner Pflegemutter. Nunmehr schien diese das Geschöpf mit doppelter Liebe anzusehen. Es bildete sich ein Verhältnis aus, so innig, als es nur immer sein konnte. Mutter und Pflegekind verstanden sich vollkommen, die Katze rief nach Katzenart, Eichhörnchen antwortete mit Knurren. Bald lief es seiner Pflegerin durch das ganze Haus und später auch in den Garten nach. Dem natürlichen Triebe folgend, erkletterte das Eichhörnchen leicht und gewandt einen Baum, die Katze blinzelte nach ihm empor, augenscheinlich höchst verwundert über die bereits so frühzeitig ausgebildete Geschicklichkeit des Grünschnabels und kratzte wohl auch schwerfällig hinter ihm drein. Beide Tiere spielten miteinander, und wenn auch Hörnchen sich etwas täppisch benahm, der gegenseitigen Zärtlichkeit tat dies keinen Eintrag, und die geduldige Mutter wurde nicht müde, immer von neuem wieder das Spiel zu beginnen. Leider verlor das Hörnchen durch einen unglücklichen Zufall bald sein Leben. Die Katze aber säugte später junge Kaninchen, Ratten, junge Hunde groß, und Nachkommen von ihr zeigten sich der trefflichen Mutter vollkommen würdig, indem sie ebenfalls zu Pflegerinnen anderer verwaister Geschöpfe sich hergaben. Wenn es, meine ich, ein Tier gibt, bei dem sich das, was wir Mutterliebe nennen, in der unverkennbarsten Weise bekundet, so ist es die Katze. Keine Menschenmutter kann mit größerer Zärtlichkeit und Hingebung der Pflege ihrer Kinderchen sich widmen als die Katze. In jeder Bewegung, in jedem Laute der Stimme, in dem ganzen Gebaren gibt sich Innigkeit, Sorgsamkeit, Liebe und Rücksichtnahme nicht allein auf die Bedürfnisse, sondern auch auf die Wünsche der Kinderchen kund. So lange diese klein und unbehilflich sind, beschäftigt sich die Alte hauptsächlich nur mit ihrer Ernährung und Reinigung. Behutsam nähert sie sich dem Lager, vorsichtig setzt sie ihre Füße zwischen die krabbelnde Gesellschaft, leckend holt sie eines der Kätzchen nach dem anderen herbei, um es an das Gesäuge zu bringen, ununterbrochen bestrebt sie sich, jedes Härchen glatt zu legen, Augen und Ohren, selbst den After rein zu halten. Noch äußert sich ihre Liebe ohne Laute: sie liegt stumm neben den Kleinen, spinnt höchstens dann und wann, gleichsam um sich die Zeit, die sie den Kinderchen widmen muß, zu kürzen. Scheint es ihr nötig zu sein, das Lager zu wechseln, so faßt sie eines der Kätzchen mit zartester Behutsamkeit an dem faltigen Felle der Genickgegend, mehr mit den Lippen als mit den scharfen Zähnen zugreifend, und trägt es, ohne daß ihm auch nur Unbehagen erwächst, einem ihr sicherer dünkenden Orte zu, die Geschwister eilig nachholend. Ist sie sich der Freundlichkeit ihres Herrn bewußt, so läßt sie es gern geschehen, wenn dieser sie bei solcher Umlegung der Jungen unterstützt, fügt sich seinem Ermessen oder geht, bittend miauend, ihm voraus, um das ihr erwünschte Plätzchen zu zeigen. Die Jungen wachsen heran, und die Mutter ändert im vollsten Einklange mit dem fortschreitenden Wachstume allgemach ihr Benehmen gegen sie. Sobald die Äuglein der Kleinen sich geöffnet haben, beginnt der Unterricht. Noch starren diese Äuglein blöde ins Weite; aber bald richten sie sich entschieden auf einen Gegenstand: die ernährende Mutter. Sie beginnt jetzt, mit ihren Sprößlingen zu reden. Ihre sonst nicht eben angenehm ins Ohr fallende Stimme gewinnt einen Wohlklang, den man ihr nie zugetraut hätte; das »Miau« verwandelt sich in ein »Mie«, in der alle Zärtlichkeit, alle Hingebung, alle Liebe einer Mutter liegt; aus dem sonst Zufriedenheit und Wohlbehagen, oder auch Bitte ausdrückenden »Murr« wird ein Laut, so sanft, so sprechend, daß man ihn verstehen muß als den Ausdruck der innigsten Herzensliebe zu der Kinderschar. Bald auch lernt diese begreifen, was der sanfte Anruf sagen will: sie lauscht, sie achtet auf denselben und kommt schwerfällig, mehr humpelnd als gehend, herbeigekrochen, wenn die Mutter ihn vernehmen läßt. Die ungefügen Glieder werden gelenker, Muskeln, Sehnen und Knochen fügen sich allgemach dem erwachenden und rasch erstarkenden Willen: ein dritter Abschnitt des Kinderlebens, die Spielzeit der Katze beginnt. Diese Spielseligkeit der Katze macht sich schon in frühester Jugend bemerklich, und die Alte tut ihrerseits alles, sie zu unterstützen. Sie wird zum Kinde mit Kindern, aus Liebe zu ihnen, genau ebenso, wie die Menschenmutter sich herbeiläßt, mit ihren Sprößlingen zu tändeln. Mit scheinbarem Ernste sitzt sie mitten unter den Kätzchen, bewegt aber bedeutsam den Schwanz. Die Kleinen verstehen zwar diese Sprache ohne Worte noch nicht, werden aber gereizt durch die Bewegung. Ihre Äuglein gewinnen Ausdruck, ihre Ohren strecken sich. Plump täppisch häkelt das eine und andere nach der sich bewegenden Schwanzspitze; dieses kommt von vorn, jenes von hinten herbei, eines versucht über den Rücken wegzuklettern und schlägt einen Purzelbaum, ein anderes hat eine Bewegung der Ohren der Mutter erspäht und macht sich damit zu schaffen, ein fünftes liegt noch unachtsam am Gesäuge. Die gefällige Alte läßt, mit mancher Menschenmutter zu empfehlender Seelenruhe, alles über sich ergehen. Kein Laut des Unwillens, höchstens gemütliches Spinnen macht sich hörbar. Solange noch eines der Jungen saugt, wird es verständnisvoll bevorzugt; sobald aber auch dieses sich genügt hat, sucht sie selbst die kindischen Possen, zu denen bisher nur die sich bewegende Schwanzspitze aufforderte, nach Kräften zu unterstützen. Ihre wundervolle Beweglichkeit und Gewandtheit zugunsten der täppischen Kleinen beschränkend, ordnet und regelt nun sie das bis jetzt ziellos gewesene Spiel. Bald liegt sie auf dem Rücken und spielt mit Vorder- und Hinterfüßen, die Jungen wie Fangbälle umherwerfend; bald sitzt sie mitten unter der sich balgenden Gesellschaft, stürzt mit einem Tatzenschlag das eine Junge um, häkelt das andere zu sich heran, und lehrt durch unfehlbare Griffe der trotz aller Unruhe achtsamen Kinderschar sachgemäßen Gebrauch der krallenbewehrten Pranken; bald wieder erhebt sie sich, rennt eiligen Laufes eine Strecke weit weg und lockt dadurch das Völkchen nach sich, offenbar in der Absicht, ihm Gelenkigkeit und Behendigkeit beizubringen. Nach wenigen Lehrstunden haben die Kätzchen überraschende Fortschritte gemacht. Von ihren gespreizten Stellungen, ihrem wankenden Gange, ihren täppischen Bewegungen ist wenig mehr zu bemerken. Im Häkeln mit den Pfötchen, im Fangen sich bewegender Gegenstände bekunden sie bereits merkliches Geschick. Nur das Klettern verursacht noch Mühe, wird jedoch in fortgesetztem Spiele binnen kurzem ebenfalls erlernt. Nunmehr scheint der Alten die Zeit gekommen zu sein, auch das in den Kinderchen noch schlummernde Raubtier zu wecken. Anstatt des Spielzeuges, zu dem jeder leicht bewegliche Gegenstand dienen muß, anstatt der Steinchen, Kugeln, Wollflecken, Papierfetzen und dergleichen, bringt sie eine von ihr gefangene, noch lebende und möglich wenig verletzte Maus oder ein erbeutetes, mit derselben Vorsicht behandeltes Vögelchen, nötigenfalls eine Heuschrecke, in das Kinderzimmer. Allgemeines Erstaunen der kleinen Gesellschaft, doch nur einen Augenblick. Bald regt sich die Spielsucht mächtig, kurz darauf auch die Raublust. Solcher Gegenstand ist denn doch zu verlockend für das bereits wohlgeübte Raubzeug. Er bewegt sich nicht bloß, sondern leistet auch Widerstand. Hier muß derb zugegriffen und festgehalten werden: soviel ergibt sich schon bei den ersten Versuchen; denn die Maus entschlüpfte Murnerchen, der sie doch sicher gefaßt zu haben vermeinte, überraschend schnell und konnte nur durch die achtsame Mutter an ihrer Flucht gehindert werden. Der nächste Fangversuch fällt schon besser aus, bringt aber einen empfindlichen Biß ein: Miezchen schüttelt bedenklich das verletzte Pfötchen. Doch schon hat Hinzchen die Unbill gerächt und den Nager so fest gepackt, daß kein Entrinnen mehr möglich: das Raubtier ist fertig geworden.
Gewöhnlich nimmt man an, daß die Katze nicht erziehungsfähig sei, tut ihr damit aber großes Unrecht. Sie bekundet, wenn sie gut und verständig behandelt worden ist, innige Zuneigung zu dem Menschen. Es gibt Katzen, und ich kannte selbst solche, die schon mehrere Male mit ihren bezüglichen Herrschaften von einer Wohnung in die andere gezogen sind, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, nach dem alten Hause zurückzukehren. Andere Katzen kommen, sobald sie ihren Herrn von weitem sehen, augenblicklich zu demselben heran, schmeicheln und liebkosen ihm, spinnen vertraulich und suchen ihm auf alle Weise ihre Zuneigung an den Tag zu legen. Sie unterscheiden dabei sehr wohl zwischen ihnen bekannten und fremden Personen und lassen sich von ersteren, zumal von Kindern, unglaublich viel gefallen, freilich nicht so viel wie alle Hunde, aber doch ebensoviel wie manche. Andere Katzen begleiten ihre Herrschaft in sehr artiger Weise bei Spaziergängen durch Hof und Garten, Feld und Wald: ich selbst kannte zwei Kater, die sogar den Gästen ihrer Gebieterin in höchst liebenswürdiger Weise das Geleit gaben, zehn bis fünfzehn Minuten weit mitgingen, dann aber mit Schmeicheln und wohlwollendem Schnurren Abschied nahmen und zurückkehrten. Katzen befreunden sich aber auch mit Tieren. Man kennt viele Beispiele von den innigsten Freundschaften zwischen Hunden und Katzen, die dem lieben Sprichworte gänzlich widersprechen. Von einer Katze wird erzählt, daß sie es sehr gern gehabt habe, wenn sie ihr Freund, der Hund, im Maule in der Stube hin und her trug; von anderen weiß man, daß sie bei Beißereien unter Hunden ihren Freunden nach Kräften beistanden, und ebenso auch, daß sie von den Hunden bei Katzenbalgereien geschützt wurden.
Manche Katzen liefern außerordentliche Beweise ihrer Klugheit. Solche von echten Vogelliebhabern werden nicht selten soweit gebracht, daß sie den gefiederten Freunden ihres Herrn nicht das geringste zu Leide tun. Giebel beobachtete, daß sein schöner Kater, Peter genannt, eine Bachstelze, die genannter Naturforscher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem Maule aus dem Hofe zurückbrachte, wenn der Vogel seine Freiheit gesucht hatte, natürlich ohne ihm irgendwie zu schaden. Ein ganz gleiches Beispiel ist mir aus meinem Heimatdorfe bekannt geworden. Dort brachte die Katze eines Vogelfreundes zur größten Freude ihres Herrn diesem ein seit mehreren Tagen schmerzlich vermißtes Rotkehlchen zurück, das sie also nicht nur erkannt, sondern auch gleich in der Absicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurch eine Freude zu bereiten!
Es gibt noch weitere Belege für den Verstand dieses vortrefflichen Tieres. Unsere Hauskatze hatte in dem schönen Mai des Jahres 1859 vier allerliebste Junge auf dem Heuboden geworfen und dort sorgfältig vor aller Augen verborgen. Trotz der größten Mühe konnte das Wochenbett erst nach zehn bis zwölf Tagen entdeckt werden. Als dies aber einmal geschehen war, gab sich Miez auch weiter gar keine Mühe, ihre Kinder zu verstecken. So mochten ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen sein, da erscheint sie Plötzlich bei meiner Mutter, schmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der Türe, als wolle sie den Weg weisen. Meine Eltern folgen ihr nach, sie springt erfreut über den Hof weg, verschwindet aus dem Heuboden, kommt über der Treppe zum Vorschein, wirft von oben herab ein junges Kätzchen auf ein Heubündel, das unten liegt, springt ihm nach und trägt es bis zu meiner Mutter hin, zu deren Füßen sie es niederlegt. Das Kätzchen wird freundlich auf- und angenommen und geliebkost. Mittlerweile ist die Katze wieder auf dem Heuboden angelangt, wirft ein zweites ihrer Kinder in gleicher Weise herab, trägt es aber bloß einige Schritte weit und ruft und schreit, als verlange sie, daß man es von dort abhole. Diese Bitte wird gewährt, und jetzt wirft die faule Mutter ihre beiden anderen Kinder noch herab, ohne aber nur im geringsten mit deren Fortschaffung sich zu befassen, und erst als ihr ganz entschieden bedeutet wird, daß man die Kleinen liegen lasse, entschließt sie sich, dieselben fortzuschleppen. Wie sich ergab, hatte die Katze fast gar keine Milch mehr, und klug genug, wie sie war, sann sie deshalb daraus, diesem Übelstande so gut als möglich abzuhelfen, brachte also ihr ganzes Kindernest jetzt zu ihrem Brotherrn.
Dieselbe Katze bekundete eine Anhänglichkeit an meinen Vater, das von der des treuesten Hundes nicht hätte übertroffen werden können. Sie wußte, daß sie dieses ausgezeichneten Tierkenners und Tierfreundes Liebling war, und bemühte sich, dankbar zu sein. Jeden Vogel, den sie gefangen hatte, brachte sie, und zwar kaum oder nicht verletzt, ihrem Herrn, es ihm gleichsam anheimgebend, ob derselbe wiederum in Freiheit gesetzt oder für die Sammlung verwendet werden sollte; niemals aber vergriff sie sich, was andere Katzen nicht selten tun, an den ausgestopften Stücken der Sammlung, durfte deshalb auch unbedenklich im Zimmer gelassen werden, wenn alle Tische und Schränke voller Bälge lagen. Auf den ersten Ruf meines Vaters erschien sie sofort, schmeichelnd oder bettelnd, je nachdem sie erkannt hatte, ob sie bloß zur Gesellschaft dienen oder einen ihr aufgesparten Bissen erhalten sollte. Schrieb oder las mein Vater, so saß sie in der Regel, behaglich spinnend, auf seiner Schulter; verließ er das Haus, gab sie ihm das Geleite. Während der letzten Krankheit ihres Gebieters, dessen reger Geist bis zum letzten Augenblicke tätig war, besuchte sie ihn täglich stundenlang. Ich will es als einen Zufall gelten lassen, daß dieses treffliche Tier von der Leiche und von dem Sarge meines Vaters gutwillig nicht weichen wollte und, weggenommen, immer wieder zurückkehrte; erwähnenswert scheint mir die Tatsache aber doch zu sein.
Aus all dem geht hervor, daß die Katzen die Freundschaft des Menschen im vollsten Grade verdienen, sowie, daß es endlich einmal Zeit wäre, die ungerechten Meinungen und mißliebigen Urteile über sie der Wahrheit gemäß zu verbessern und zu mildern. Zudem, däucht mich, sollte man auch dem Nutzen der Katzen mehr Rechnung tragen, als gewöhnlich zu geschehen pflegt. Wer niemals in einem baufälligen Hause gewohnt hat, in dem Ratten und Mäuse nach Herzenslust ihr Wesen treiben, weiß gar nicht, was eine gute Katze besagen will. Hat man aber jahrelang mit diesem Ungeziefer zusammen gelebt, und gesehen, wie der Mensch ihm gegenüber vollkommen ohnmächtig ist, hat man Schaden über Schaden erlitten und sich tagtäglich wiederholt über die abscheulichen Nager geärgert, dann kommt man nach und nach zu der Ansicht, daß die Katze eines unserer allerwichtigsten Haustiere ist und deshalb nicht bloß größte Schonung und Pflege, sondern auch Dankbarkeit und Liebe verdient. Schon das Vorhandensein einer Katze genügt, um die übermütigen Nager zu verstimmen und sogar zum Auszuge zu nötigen. Das ihnen auf Schritt und Tritt nachschleichende Raubtier mit den nachts unheimlich leuchtenden Augen, das furchtbare Geschöpf, das sie am Halse gepackt hat, ehe sie noch etwas von seiner Ankunft gemerkt haben, flößt ihnen Grauen und Entsetzen ein; sie ziehen daher vor, ein derartig geschütztes Haus zu verlassen, und tun sie es nicht, so wird die Katze auch auf andere Weise mit ihnen fertig.
Mäuse verschiedener Art, namentlich Haus- und Feldmäuse bilden das bevorzugte Jagdwild der Katze. An Ratten wagt sich nicht jede, aber doch die große Mehrzahl; Spitzmäuse fängt und tötet sie, wenigstens solange sie jung und unerfahren ist, frißt sie aber nicht, weil ihr der Moschusgeruch zuwider sein mag, läßt sie, älter geworden, auch unbehelligt laufen; Eidechsen, Schlangen und Frösche, Maikäfer, Heuschrecken und andere Kerbtiere verzehrt sie zur Abwechslung. Bei ihrer Jagd bekundet jede Katze ebensoviel Ausdauer als Geschicklichkeit. Als zünftiges Raubtier läßt sie sich freilich auch Übergriffe zu Schulden kommen. Sie nimmt manches Vögelchen weg, solange es noch jung und unbehilflich ist, wagt sich an ziemlich große Hasen und faßt erwachsene oder ermattete Rebhühner, lauert auch wohl den Kücklein der Haushühner auf und legt sich unter Umständen sogar auf den Fischfang. Der Köchin verursacht sie viel Ärger, da sie ihre Zugehörigkeit zum Hause dadurch betätigt, daß sie den Speiseschrank plündert, wann immer sie kann. Die Summe des Nutzens entscheidet, und sie überwiegt in diesem Falle allen erdenklichen Schaden bei weitem.
Es ist erstaunlich, was eine Katze in der Vertilgung der Ratten und Mäuse zu tun vermag. Zahlen beweisen; deshalb will ich das Ergebnis der Lenz'schen Untersuchungen und Beobachtungen hier mitteilen: »Um zu wissen, wieviel denn eigentlich eine Katze in ihrem Mäusevertilgungsgeschäfte leisten kann, habe ich das äußerst mäusereiche Jahr 1857 benutzt. Ich sperrte zwei semmelgelbe, dunkler getigerte Halbangorakätzchen, als sie achtundvierzig Tage alt waren, in einen kleinen, zu solchen Versuchen eingerichteten Stall, gab ihnen täglich Milch und Brot, und daneben jeder vier bis zehn Mäuse, die sie jedesmal rein auffraßen. Als sie sechsundfünfzig Tage alt waren, gab ich jeder nur Milch und dazwischen vierzehn ausgewachsene oder zum Teil doch wenigstens halbwüchsige Mäuse. Die Kätzchen fraßen alle auf, spien nichts wieder aus, befanden sich vortrefflich und hatten am folgenden Tage ihren gewöhnlichen Appetit ... Kurz darauf sperrte ich, als die bewußten Mäusefresser entlassen waren, in denselben Stall abends neun Uhr ein dreifarbiges fünfundeinhalb Monate altes Halbangorakätzchen und gab ihm für die Nacht kein Futter. Das Tierchen war, weil es sich eingesperrt und von den Gespielen seiner Jugend getrennt sah, traurig. Am nächsten Morgen setzte ich ihm eine Mischung von halb Milch, halb Wasser für den ganzen Tag vor. Ich hatte einen Vorrat von vierzig Feldmäusen und gab ihm davon in Zwischenräumen eine Anzahl. Als abends die Glocke neun Uhr schlug, also während der 24 Stunden ihrer Gefangenschaft, hatte sie zweiundzwanzig Mäuse gefressen, wovon elf ganz erwachsen, elf halbwüchsig waren. Dabei spie sie nicht, befand sich sehr wohl ... In jenem Jahre waren meine Katzen Tag und Nacht mit Mäusefang und Mäusefraß beschäftigt, und dennoch fraß am 27. September noch jede in Zeit von einer halben Stunde acht Mäuse, die ich ihr extra vorwarf ... Nach solchen Erfahrungen nehme ich bestimmt an, daß in reichen Mäusejahren jede mehr als halbwüchsige Katze im Durchschnitt täglich 20 Mäuse, also im Jahre 7300 Mäuse verzehrt. Für mittelmäßige Mäusejahre rechne ich 3650 oder statt der Mäuse ein Äquivalent an Ratten ... Übrigens geht aus den soeben angeführten Beobachtungen sowie aus andern, die man leicht bei Eulen und Bussaren, die man füttert, machen kann, hervor, daß Mäuse sehr wenig Nahrung geben; sie könnten sonst nicht in so ungeheurer Menge ohne Schaden verschluckt werden«.
Aber die Katzen nützen auch in anderer Weise. Sie fressen, wie bemerkt, nicht allein schädliche Kerbtiere, sondern töten auch Giftschlangen, nicht bloß Kreuzottern, und selbst die so überaus furchtbare Klapperschlange. »Mehr als einmal habe ich gesehen«, sagt Rengger, »daß die Katzen in Paraguay auf sandigem und graslosem Boden Klapperschlangen verfolgten und töteten. Mit der ihnen eigenen Gewandtheit geben sie denselben Schläge mit der Pfote und weichen hierauf dem Sprunge ihres Feindes aus. Rollt sich die Schlange zusammen, so greifen sie dieselben lange nicht an, sondern gehen um sie herum, bis sie müde wird, den Kopf nach ihnen zu drehen. Dann aber versetzen sie ihr einen neuen Schlag und springen sogleich auf die Seite. Flieht die Schlange, so ergreifen sie dieselbe beim Schwanze, gleichsam, um mit letzterem zu spielen. Unter fortgesetzten Pfotenschlägen erlegen sie gewöhnlich ihren Feind, ehe eine Stunde vergeht, berühren aber niemals dessen Fleisch.«
Hier und da, beispielsweise in Belgien und im Schwarzwalde, züchtet man die Katze hauptsächlich ihres Felles wegen. Die Schwarzwälder Bauern halten besonders einfarbig schwarze und einfarbig graue (»blaue«) Katzen, töten sie im Winter und verkaufen die Felle an herumziehende Händler zu guten Preisen.
Die Katze hat wenig Spielarten. Bei uns sind folgende Färbungen gewöhnlich: Einfarbig schwarz mit einem weißen Stern mitten auf der Brust; ganz weiß; semmelgelb und fuchsrot; dunkler mit derselben Färbung getigert; einfach blaugrau; hellgrau mit dunklen Streifen und dreifarbig mit großen Weißen und gelben oder gelbbraunen und kohlschwarzen oder grauen Flecken. Die blaugrauen sind sehr selten, die hellgrauen oder Cyperkatzen gemein; doch müssen die echten schwarze Fußballen und an den Hinterfüßen schwarze Sohlen haben. Die schönsten oder die Zebrakatzen haben dunkelgraue oder schwarzbraune Tigerzeichnung. Eigentümlich ist, daß die dreifarbigen Katzen, die an einigen Orten für Hexen angesehen und deshalb erschlagen werden, fast ausnahmslos weiblichen Geschlechtes sind.
Als Rasse im eigentlichen Sinne des Wortes faßt man allgemein die Angorakatze auf, eine der schönsten Katzen, die es gibt, ausgezeichnet durch Größe und langes, seidenweiches Haar, von rein weißer, gelblicher, graulicher oder auch gemischter Färbung, mit fleischfarbenen Lippen und Sohlen.
Von der Insel Man stammt eine andere Abart Rasse kann man kaum sagen der Hauskatze, die Stummelschwanz- oder Mankatze, ein keineswegs hübsches, wegen seiner hohen, hinten unverhältnismäßig entwickelten Beine und des Fehlens des Schwanzes bemerkenswertes Tier von verschiedener Färbung. Als einen ursprünglichen Mangel darf man das Fehlen des Schwanzes jedenfalls nicht auffassen; denn die erste Kreuzung mit der gewöhnlichen Hauskatze erzielt Junge mit Schwänzen. Weinland und Schmidt berichten von einer Stummelschwanzkatze des Frankfurter Tiergartens, die, nachdem sie mit einem geschwänzten gelben Kater sich gepaart, Junge warf, von denen einige hoch gestellt und schwanzlos waren wie die Mutter, andere niedrige Beine und lange Schwänze hatten wie der Vater. Ein Wurf bestand aus drei Jungen mit langen, einem mit mittellangem und zwei mit Stummelschwanze, ein anderer aus drei Langschwänzen und einem Kurzschwanze, ein dritter aus drei Langschwänzen usw. Auf den Sundainseln und in Japan sah Martens Katzen mit verschiedenen Schwanzabstufungen, und Kessel erzählte Weinland, daß dort, insbesondere auf Sumatra, allen Katzen, bevor sie erwachsen sind, die ursprünglich vorhandenen Schwänze absterben. Besonderes Gewicht darf also auch auf die Schwanzlosigkeit der Katze nicht gelegt werden. Angora- und Stummelschwanzkatze sind die bekanntesten Rassen unseres Hinz. Außerdem spricht man noch von der Karthäuserkatze, die sich durch langes, weiches, fast wolliges Haar und einfarbig dunkelbläulich graue Färbung auszeichnet, und von der ihr ähnlichen Khorassankatze aus Persien.
Die Tüpfel- oder Wagatikatze ( Felis viverrina) erreicht kaum die Größe unserer Wildkatze; ihre Leibeslänge beträgt ungefähr 1 Meter, wovon 20 bis 22 Zentimeter auf den Schwanz zu rechnen sind. Im Vergleiche zur letztgenannten erscheint sie gestreckter gebaut und merklich niedriger gestellt, auch kleinköpfiger und schmächtiger. Die Grundfärbung ist ein schwer zu bestimmendes Gelblichblau, das bald mehr ins Grauliche, bald mehr ins Bräunliche spielt, je nachdem die Mittelfärbung der an der Wurzel dunkelgrauen, in der Mitte geblichen, an der Spitze bräunlichen oder schwarzen Haare mehr oder minder zur Geltung gelangt. Die Tüpfelkatze bewohnt ein weites Gebiet; ihr Verbreitungskreis dehnt sich über ganz Ostindien mit Ceylon, Nepal, Burma, Malakka aus und reicht bis Formosa. Über ihr Freileben mangelt genauere Kunde; doch scheint es, daß sich dasselbe von dem Tun und Treiben anderer Wildkatzen nicht wesentlich unterscheidet.
Eher als die Tüpfelkatze könnte man den Serval als Vertreter einer besonderen Sippe gelten lassen, hat ihn jedoch immer wieder mit den übrigen Katzen vereinigt. Gestalt und Wesen stempeln ihn zu einem Verbindungsgliede zwischen Katzen und Luchsen. Er ist im ganzen schmächtig gebaut, aber hoch gestellt, sein Kopf länglich, seitlich zusammengedrückt, wegen der auffallend großen, an der Wurzel breiten, an der Spitze eiförmig zugerundeten Ohren absonderlich hoch erscheinend, sein Schwanz mittellang, so daß er höchstens die Ferse erreicht, das Auge klein, merklich schief gerichtet, der Stern länglichrund, die Behaarung ziemlich lang, dicht und rauh.
Der Serwal ( Felis Serval) erreicht bei 50 Zentimeter Höhe am Widerrist eine Gesamtlänge von 1,35 Meter, wovon etwa 30 bis 35 Zentimeter auf den Schwanz kommen, und ist auf gelblichfahlgrauem, bald lichterem, bald dunklerem Grunde tüpfelig gefleckt, die Nasenspitze und der Nasenrücken schwarz, der untere Augenrand und ein schmaler kurzer Streifen zwischen Auge und Nase hellgelb, ein kurzer schmaler Längsfleck vom inneren Augenrande zur Wange weiß, das Ohr an der Wurzel fahlgelb, übrigens, den ebenso gefärbten Mittellängsfleck ausgenommen, schwarz, das Auge hellgelb. Obgleich der Serwal unter dem Namen Boschkatte den holländischen Ansiedlern am Vorgebirge der guten Hoffnung sehr wohlbekannt ist, fehlt uns doch eine genauere Lebensbeschreibung. Wir wissen, daß er nicht bloß in Südafrika ziemlich häufig auftritt, sondern auch im Westen und Osten sich weit verbreitet. Er jagt und würgt Hasen, junge Antilopen, Lämmer usw., namentlich aber Geflügel und geht deshalb nachts gern in die Meiereien, um in schlecht verwahrten Hühnerställen seinen Besuch zu machen. Dann kann er große Verheerungen anrichten. Bei Tage hält er sich verborgen und schläft. Erst mit der Dämmerung beginnt er seine Raubzüge. Dabei soll er sich als echte Katze zeigen und wie diese alle List und Schlauheit anwenden, um seinen Raub zu beschleichen und durch plötzliche Sprünge in seine Gewalt zu bringen. Die Häuptlinge ostafrikanischer Stämme tragen sein Fell als Abzeichen königlicher Würde; der Sultan von Sansibar stellt ihn als Sinnbild seiner Macht und Größe lebend zur Schau, verschenkt ihn aber auch an Würdenträger seines Reiches oder an Europäer, denen er einen Beweis seiner Gnade geben will. Ein wirklich zahmer Serwal zählt zu den liebenswürdigsten Katzen, zeigt sich dankbar gegen seinen Pfleger, folgt ihm nach, schmiegt sich an ihn an, streift an seinen Kleidern hin und schnurrt dabei wie unsere Hauskatze, spielt gern mit Menschen oder mit seinesgleichen, auch mit sich selbst und kann sich stundenlang mit Kugeln beschäftigen, die man ihn zuwirft, oder sich durch Spielen mit seinem eigenen Schwänze vergnügen. Dabei scheint er in seiner großen Beweglichkeit und Geschmeidigkeit sich zu gefallen und macht, ohne irgendwelche Aufforderung, aus eigenem Antriebe die sonderbarsten Sprünge. Das Fell des Serval kommt unter dem Namen »afrikanische Tigerkatze« in den Handel und wird als Pelzwerk benutzt.