Ulrich Bräker
Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg
Ulrich Bräker

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XLIV.
Reise nach Berlin.

Den 15. Merz 1756. reisten wir in Gottes Namen, Wachtmeister Hevel, Krüger, Labrot, ich und Kaminski, mit Sack und Pack, und, den letztern ausgenommen, alle mit Unter- und Uebergewehr, von Rothweil ab. Marianchen nähete mir den Strauß auf'n Hut, und schluchzte; ich drückte ihr einen Neunbätzner in die Hand, und konnt's auch kaum vor Wehmuth. Denn so entschlossen ich zu dieser Reis' war, und so wenig Arges ich vermuthete, fiel's mir doch ungewohnt schwer auf die Brust, ohne daß ich eigentlich wußte warum? War's Rothweil, oder Marianchen, oder daß ich ohne meinen Herrn reisen sollte, oder die immer weitere Entfernung vom Vaterland und Aennchen – ich hatte allen zu Hause mein letztes Lebewohl geschrieben – oder ich denke wohl, ein Bißchen von allem? Markoni gab mir 20 fl. auf den Weg; was ich mehr brauche, sagte er, werde mir Hevel schiessen. Dann klopfte er mir auf die Schulter: «Gott bewahre dich mein Sohn, mein lieber, lieber Ollrich! auf allen deinen Wegen. In Berlin sehn wir uns bald wieder». Dieß sprach er auch sehr wehmüthig; denn er hatte gewiß ein weiches Herz. Unsre erste Tagreise gieng 7. Stunden weit, bis ins Städgen Ebingen, meist über schlechte Wege durch Koth und Schnee. Die zweyte bis auf Obermarkt 9. St. Auf der erstgenannten Station logirten wir beym Rehe; auf der zweyten weiß ich selbst nicht mehr, was es vor ein Thier war. An beyden Orten gabs nur kalte Küche, und ein Gesöff ohne Namen. Den dritten Abend bis Ulm wieder 9. St. Diesen Tag fieng ich an, die Beschwerlichkeiten der Reise zu fühlen; schon hatt' ich Schwielen an den Füssen, und war mir's sonst sterbensübel. Im Städtgen Egna setzten wir uns ein Stück Wegs auf einen Bauernwagen, da denn das gewaltige Schütteln dieses Fuhrwerks, zumal bey mir, seine gewohnte herzbrechende Wirkung that. Als wir unweit Ulm abstiegen, ward's mir schwarz und blau vor den Augen. Ich sank zu Boden: «Um Gottes Barmherzigkeit willen», sagt' ich: «Weiter kann ich nicht; lieber laßt mich auf der Gasse liegen». Ein barmherziger Samariter lud mich endlich auf seine nackte Mähre, auf der ich mich vollends bis ins Städtgen so lahm ritt, daß ich weder mehr stehen noch gehen konnte. Zu Ulm logirten wir beym Adler, und hatten dort unsern ersten Rasttag. Meine Cameraden besorgten da ihre alten Herzensangelegenheiten; Ich legte mich lieber auf die faule Haut. Nur sah ich an diesem Ort einen Leichenzug, der mir sehr wohl gefiel. Das Weibsvolk gieng ganz weiß bis auf die Füsse. Den fünften Tag marschierten wir bis auf Gengen 7. St. Den sechsten auf Nördlingen, wieder 7. St. und hielten da den zweyten Rasttag. Hevel hatte dort beym Wilden Mann ein liebs Lisel. Sie spielte artig die Cithar; Er sang Lieder dazu. Sonst weiß ich von diesem und so vielen andern Orten wo wir durchkamen eben nichts zu erzählen. Meist erst Nachts langten wir müd und schläfrig an, und Morgens früh mußten wie wieder fort. Wer wollte da etwas recht sehen und beobachten können? Ach Gott! dacht' ich oft, wenn ich nur einmal an Ort und Stell' wäre; mein Lebtag wollt' ich nicht mehr eine so lange Reis' antreten. Kaminski war, wie ich schon einmal verdeutet, ein lustiger Polacke, ein Mann wie ein Baum, ein Paar Beine wie zwo Säulen, und lief wie ein Elephant. Labrot hatte auch seinen tüchtigen Schritt. Krüger, Hevel und ich hingegen schonten ihrer Füsse; und bald alle sechs Tage mußte man uns flicken oder versolen. Am achten Tag gieng's nach Gonzenhausen 8. St. Gegen Mittag sahen wir Hevels Lisgen über ein Feld dahertrippeln: Das arme Ding rannte ihm durch andre Wege bis hieher nach, und wollte sich nicht abweisen lassen, ihn wenigstens bis auf unsre Station zu begleiten. Den neunten auf Schwabach 8. St. Den zehnten über Nürnberg bis Bayersdorf 9. St. Den eilften bis Tropach 10. St. Den zwölften über Bareuth bis Bernig 7. St. Den dreyzehnten bis Hof 8. St. Den vierzehnten bis Schletz 7. St. Hier hielten wir wieder einmal Rasttag, und es war hohe Zeit. Von Gonzenhausen an hatten wir in keinen Bethen gelegen, sondern, wenn's gut gieng, auf elendem Stroh. Und überhaupt, obschon wir viel Denari verzehrten, war's ein miserabel Leben; meist schlecht Wetter, und oft abscheuliche Wege. Krüger und Labrot fluchten und pestirten den ganzen Tag; Hevel hingegen war ein feiner sittlicher Mann, der uns immer Geduld und Muth einsprach. Den sechszehnten gieng's bis Cistritz 12. St. Darauf wieder ein Rasttag. Den achtzehnten bis Weissenfeld 7. St. Den neunzehnten über die Elbe bis auf Halle. Als wir den breiten Strohm paßirt hatten, bezeugten die Sergeanten grosse Freude; denn nun betraten wir Brandenburger-Boden. Zu Halle logirten wir bey Hevels Bruder, einem Geistlichen, der aber nichts desto minder den ganzen Abend mit uns spielte und haselirte, so daß ich glaube, sein Bruder Sergeant war frommer als er. Inzwischen war mein Geld alle; Hevel mußte mir noch 10. fl. herschiessen. Den zwanzigsten bis vier und zwanzigsten gieng's über Zerbst, Dessau, Görz, Ustermark, Spandau, Charlottenburg u. s. f. auf Berlin 44. St. An den drey letztern Orten zumal wimmelte es von Militair aller Gattungen und Farben, daß ich mich nicht satt gucken konnte, die Thürme von Berlin zeigte man uns schon eh' wir nach Spandau kamen. Ich dachte, wir hätten's in einer Stunde erreicht; wie erstaunt' ich darum, als es hieß, wir gelangten erst Morgens hin. Und nun, wie war ich so herzlich froh, als wir endlich die grosse herrliche Stadt erreicht. Wir giengen zum Spandauer-Thor ein, dann durch die melancholisch angenehme Lindenstrasse, und noch ein Paar Gassen durch. Da, dacht' ich Einfaltspinsel, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg. Da wirst du dir dein Glück bauen. Dann schickst du einen Kerl mit Briefen ins Tockenburg; der muß dir dann deine Eltern und Aennchen zurückbringen; da werden sie die Augen aufsperren u. s. f. Nun bat ich meinen Führer, sie sollten mich zu meinem Herrn führen. «Ey»! erwiederte mir Krüger, «wir wissen ja nur nicht, ob er schon angelangt ist, und noch viel minder, wo er Quartier nimmt»! «Der Henker»! sagt' ich, «hat er denn kein eigen Haus hier»? Ueber diese Frage lachten sie sich die Haut voll. Mögen sie immer lachen, dacht' ich: Markoni wird doch, will's Gott! ein eigen Haus haben.

XLV.
's giebt ander Wetter!

Es war den 8. Aprill da wir zu Berlin einmarschierten, und ich vergebens nach meinem Herrn fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, schon acht Tage vor uns dort angelangt war – als Labrot (denn die andern verloren sich nach und nach von mir, ohne daß ich wußte wo sie hinkamen) mich in die Krausenstrasse in Friedrichsstadt transportirte, mir ein Quartier anwies, und mich dann kurz mit den Worten verließ: «Da, Mußier! bleib' Er, bis auf fernere Ordre»! Der Henker! dacht' ich, was soll das? Ist ja nicht einmal ein Wirthshaus. Wie ich so staunte, kam ein Soldat, Christian Zittemann, und nahm mich mit sich auf seine Stube, wo sich schon zwey andre Martissöhne befanden. Nun gieng's an ein Wundern und Ausfragen: Wer ich sey, woher ich komme, u. d. gl. Noch konnt' ich ihre Sprache nicht recht verstehen. Ich antwortete kurz: Ich komme aus der Schweitz, und sey Sr. Excellenz, des Herrn Lieutenant Markonis, Laquai: Die Sergeanten hätten mich hieher gewiesen; ich möchte aber lieber wissen, ob mein Herr schon in Berlin angekommen sey, und wo er wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelächter an, daß ich hätte wainen mögen; und keiner wollte das geringste von einer solchen Excellenz wissen. Mittlerweile trug man eine stockdicke Erbsekost auf. Ich aß mit wenigem Appetit davon. Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins Zimmer trat, dem ich doch bald ansah, daß er mehr als Gemeiner seyn müsse. Es war ein Feldweibel. Er hatte eine Soldatenmontur auf dem Arm, die er über den Tisch ausspreitete, ein Sechsgroschenstück dazu legte, und sagte: «Das ist vor dich, mein Sohn! Gleich werd' ich dir noch ein Commißbrodt bringen». «Was? vor mich», versetzt ich: «Von wem, wozu»? «Ey! Deine Montirung und Traktament, Bursche! Was gilt's da Fragens? Bist ja ein Recrute». «Wie, was? Rekrute»? erwiedert' ich: «Behüte Gott! da ist mir nie kein Sinn daran kommen. Nein! in meinem Leben nicht. Markonis Bedienter bin ich. So hab' ich gedungen, und anderst nicht. Da wird mir kein Mensch anders sagen können»! «Und ich sag' dir, du bist Soldat, Kerl! Ich steh' dir dafür. Da hilft itzt alles nichts». Ich. Ach! wenn nur mein Herr Markoni da wäre. Er. Den wirst du sobald nicht zu sehen kriegen. Wirst doch lieber wollen unsers Königs Diener seyn, als seines Lieutenants. – Damit gieng er weg. «Um Gottes willen, Herr Zittemann»! fuhr ich fort: «Was soll das werden»? «Nichts, Herr»! antwortete dieser, «als daß Er, wie ich und die andern Herren da, Soldat, und wir folglich alle Brüder sind; und daß ihm alles Widersetzen nichts hilft, als daß man Ihn auf Wasser und Brodt nach der Hauptwache fährt, kreutzweis schließt, und Ihn fuchtelt daß ihm die Rippen krachen, bis Er content ist»! Ich. Das wär' beym Sacker! unverschämt, gottlos! Er. Glaub' Er mir's auf mein Wort, anderst ist's nicht, und geht's nicht. Ich. So will ich's dem Herr König klagen. – Hier lachten alle hoch auf – Er. Da kömmt Er sein Tage nicht hin. Ich. Oder, wo muß ich mich sonst denn melden? Er. Bey unserm Major, wenn Er will. Aber das ist alles alles umsonst. Ich. Nun so will ich's doch probieren, ob's – ob's so gelte? Die Bursche lachten wieder; ich aber entschloß mich wirklich, Morgens zum Major zu gehn, und meinem treulosen Herrn nachzufragen.

Sobald also der Tag an Himmel brach, ließ ich mir dessen Quartier zeigen. Potz Most! das dünkte mich ein königlicher Pallast – und der Major der König selbst zu seyn, so majestätisch kam er mir vor; ein gewaltig grosser Mann, mit einem Heldengesicht und ein Paar feurigen Augen wie Sternen. Ich zitterte vor ihm, stotterte: «Herr... Major! Ich bin.... Herrn Lieutenant Markonis Be...Bedienter. Fü...fü...für das bi...bi...bin ich angewo...worben, und sonst wei...weitere für nicht... ni... nichts. Si...Si...Sie können ihn selbst fra...gen. I...Ich weiß nicht wo er i...i...ist. Itzt sagen's da, ich müsse So...o...oldat sey...ey...eyn, ich wolle o...der wolle nicht». – «So»! unterbrach er mich: «So ist er das saubre Bürschgen! Sein feiner Herr, der hat uns gewirthschaftet, daß es eine Lust ist; und Er wird wohl auch Seinen Theil gezogen haben. Und kurz, itzt soll Er dem König dienen; da ist's aus und vorbey». – Ich. Aber, Herr Major' – Er. Kein Wort, Kerl! oder die Schwernoth! Ich. Aber ich hab' ja weder Kapitulation noch Handgeld! Au! Könnt' ich doch mit meinem Herrn reden! – Er. Den wird Er so bald nicht zu sehen kriegen; und Handgeld hat Er mehr gekost't als zehn andre. Sein Lieutenant hat eine saubere Rechnung, und Er steht darin oben an. Eine Kapitulation hingegen, die soll Er haben. – Ich. Aber – – Er. Fort, Er ist ja ein Zwerg, daß – – Ich. Ich bi...bi...bitte. – – Er. Canaille! scheer' Er sich zum Teufel. – Damit zog er die Fuchtel – Ich zum Haus hinaus wie ein Dieb, und nach meinem Quartier hin, das ich vor Angst und Noth kaum finden konnte. Da klagt' ich Zittemann mein Elend in den allerhöchsten Tönen. Der gute Mann sprach mir Muth ein: «Geduld, mein Sohn! Noch wird schon alles besser gehn. Itzt' mußt' dich leiden; viel hundert brave Bursche aus guten Häusern müssen das gleiche thun. Denn, gesetzt auch, Markoni könnte und wollte dich behalten, so müßt' er dich doch unter sein Regiment abgeben, so bald es hieß': ins Feld, Marsch! Aber wirklich einstweilig würd' er kaum einen Bedienten zu nähren im Stand seyn, da er auf der Werbung ungeheure Summen verzehrt, und dafür so wenig Kerls eingschickt haben soll, wie ich unsern Oberst und Major schon oft drüber lamentiren gehört; und wird man ihn gewiß nicht mehr so geschwind zu derley Geschäften brauchen». So tröstete mich Zittemann; und ich mußt's wohl annehmen, da mir kein besserer Trost übrig blieb. Nur dacht' ich dabey: Die Grössern richten solche Suppen an, und die Kleinern müssen sie aufessen.

XLVI.
So bin ich denn wirklich Soldat?

Des Nachmittags brachte mir der Feldweibel mein Commisbrodt, nebst Unter- und Uebergewehr, u.s.f. und fragte: Ob ich mich nun eines Bessern bedacht? «Warum nicht»? antwortete Zittemann für mich: «Er ist der beßte Bursch' von der Welt». Itzt führte man mich in die Montirungskammer, und paßte mir Hosen, Schuh' und Stiefeletten an; gab mir einen Hut, Halsbinde, Strümpfe u. s. f. Dann mußt' ich mit noch etwa zwanzig andern Recrutten zum Herrn Oberst Latorf. Man führte uns in ein Gemach, so groß wie eine Kirche, brachte etliche zerlöcherte Fahnen herbey, und befahl jedem einen Zipfel anzufassen. Ein Adjutant, oder wer er war, las' uns einen ganzen Sack voll Kriegsartikel her, und sprach uns einige Worte vor, welche die mehrern nachmurmelten; Ich regte mein Maul nicht – dachte dafür was ich gern wollte – ich glaube an Aennchen; schwung dann die Fahne über unsre Köpfe, und entließ uns. Hierauf gieng ich in eine Garküche, und ließ mir ein Mittagessen, nebst einem Krug Bier, geben. Dafür mußt' ich 2. Groschen zahlen. Nun blieben mir von jenen sechsen noch viere übrig; mit diesen sollt' ich auf vier Tage wirthschaften – und sie reichten doch blos für zweene hin. Bey dieser Ueberrechnung fieng ich gegen meine Kameraden schrecklich zu lamentiren an. Allein Cran, einer derselben, sagte mir mit Lachen: «Es wird dich schon lehren. Itzt thut es nichts; hast ja noch allerley zu verkaufen! Per Exempel deine ganze Dienermontur. Dann bist du gar itzt doppelt armirt; das läßt sich alles versilbern. Dann kriegen solch junge Bursche oft noch eine Tracktaments-Zulage, und kannst dich deswegen nur beym Obrist melden». «Oh oh! Da geh' ich mein Tage nicht mehr hin», sagt' ich. «Potz Velten»! antwortete Cran: Du mußt 'mal des Donnerns gewohnt werden, sey's itzt ein wenig früher oder späther. Und dann des Menage wegen, nur fein aufmerksam zugesehn, wie's die andern machen. Da heben's drey, vier bis fünf mit einander an; kaufen Dinkel, Erbsen, Erdbirrn u. d. gl. und kochen selbst. Des Morgens um e'n Dreyer Fusel und e'n Stück Commisbrodt: Mittags hohlen sie in der Garküche um e'n andern Dreyer Suppe, und nehmen wieder e'n Stück Commis. Des Abends um zwey Pfenning Kovent oder Dünnbier, und abermals Commis». «Aber, das ist beym Strehl ein verdammtes Leben», versetzt ich; und Er: Ja! So kommt man aus, und anderst nicht. Ein Soldat muß das lernen; denn es braucht noch viel andre Waar: Kreide, Puder, Schuhwar, Oehl, Schmiergel, Seife, und was der hundert Siebensachen mehr sind. – Ich. Und das muß einer alles aus den 6. Groschen bezahlen? Er. Ja! und noch viel mehr; wie z. B. den Lohn für die Wasche, für das Gewehrputzen u. s. f. wenn er solche Dinge nicht selber kann. – Damit giengen wir in unser Quartier; und ich machte alles zurecht, so gut ich konnte und mochte.

Die erste Woche indessen hatt' ich noch Vacanz; gieng in der Stadt herum auf alle Exercierplätze; sah, wie die Offiziere ihre Soldaten musterten und prügelten, daß mir schon zum voraus der Angstschweiß von der Stirne troff. Ich bat daher Zittemann, mir bey Haus die Handgriffe zu zeigen. «Die wirst du wohl lernen»! sagte er: «Aber auf die Geschwindigkeit kömmt's an. «Da geht's dir wie e'n Blitz»! Indessen war er so gut, mir wirklich alles zu weisen; wie ich das Gewehr rein halten, die Montur anpressen, mich auf Soldatenmanier frisieren sollte, u. s. f. Nach Crans Rath verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafür ein hölzernes Kästgen für meine Wäsche. Im Quartier übte ich mich stets im Exercieren, las' im Hallischen Gesangbuch, oder betete. Dann spatziert' ich etwa an die Spree, und sah' da hundert Soldatenhände sich mit Aus- und Einladen der Kaufmannswaaren beschäftigen: Oder auf die Zimmerplätze; da steckte wieder alles voll arbeitender Kriegsmänner. Ein andermal in die Casernen u. s. f. Da fand' ich überall auch dergleichen, die hunderterley Handthierungen trieben – von Kunstwerken an bis zum Spinnrocken. Kam ich auf die Hauptwache, so gab's da deren die spielten, soffen und haselierten; andre welche ruhig ihr Pfeifgen schmauchten und discurirten; etwa auch einer der in einem erbaulichen Buch las', und's den andern erklärte. In den Garküchen und Bierbrauereyen gieng's eben so her. Kurz in Berlin hat's unter dem Militair – wie, denk' ich freylich, in grossen Staaten überall – Leuthe aus allen vier Welttheilen, von allen Nationen und Religionen, von allen Characktern, und von jedem Berufe, womit einer noch nebenzu sein Stücklein Brodt gewinnen kann. Das dachte auch ich zu verdienen – wenn ich nur erst recht exerciren könnte – Etwa an der Spree? – Doch nein! da lermt's gar zu stark – Aber z. E. auf einem Zimmerplatz, da ich mich so ziemlich auf die Art verstuhnd. So war ich wieder fix und fertig, neue Plane zu machen, ungeachtet ich mit meinem erstern so schändlich gescheitert hatte. Giebt's doch hier (damit schläferte ich mich immer ein) selbst unter den gemeinen Soldaten ganze Leuthe, die ihre hübschen Kapitalien haben, Wirthschaft, Kaufmannschaft treiben, u. s. f. Aber dann erwog ich nicht, daß man vor Zeiten ganz andere Handgelder gekriegt als heut zu Tag; daß dergleichen Bursche bisweilen ein Namhaftes mochten erheurathet haben, u. d. gl. Besonders aber, daß sie ganz gewiß mit dem Schilling gut hausgehalten, und nur darum den Gulden gewinnen konnten – Ich hingegen weder mit dem Schilling noch mit dem Gulden umzugehen wisse. – Und endlich, wenn alles fehlen sollte, fand' ich auch da noch einen elenden Trost in dem Gedanken: Geht's einmal zu Felde, so schont das Bley jenen Glückskindern so wenig, als dir armen Hudler! – Also – bist du so gut wie sie.


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