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Die Blutarbeit des mannheimer Pöbels hatte jedes menschlich fühlende Herz empört. Ein Schrei der Entrüstung hallte durch ganz Deutschland, und dieser Schrei weckte manchen schlafenden Ultramontanen aus stumpfer Gleichgültigkeit. Ohne Absicht hatten Blendung und Genossen katholisches Bewußtsein gekräftigt und gefördert.
Vorzüglich schritt der Engel des Zornes durch Waldhofen. Dort saßen jeden Abend Neugierige um den erzählenden Schmiedhannes und Christoph Mühsam, und oft geschah es, daß hervorbrechende Entrüstung der Hörer die Kunde von den Thaten zu Mannheim entzwei schnitt.
»Ich kann's euch gar nicht sagen, wie's eigentlich war, – man muß das selber gehört und gesehen haben,« versicherte der Schmied. »Die Mannheimer hatten Gesichter so frech, – so wüst, – so häßlich, abscheulich, wie die Teufel. Spottreden führten sie, wie kein rechtschaffener Mann sie erdenken kann, – ich glaub' fast die Kerle sind beim Teufel in die Schul' gegangen. Und was für ein Geschrei, – was für ein Gebrüll und ein Geheul sie ausstießen! Denkt euch: da geht auf einmal vor euren Füßen der Boden weit auf, – es gibt einen Abgrund, und aus dem Abgrund hervor stürzt die ganze Hölle, brüllend, pfeifend, rasend, tobend, – so war's akkurat vor der Jesuitenkirch'. Denkt euch, jeder Teufel hat einen Knüppel, oder Prügel, oder Hammer, oder Steine, – und dieser ganze Teufelstroß mit Prügeln und Knitteln stürzt auf euch los, werfend, schlagend, stoßend, tretend, – so war's wieder vor der Jesuitenkirch', bis an die Rheinbrück'. Durch die Stadt und den Schloßgarten hatten die Mannheimer geschrieen: »Schlagt die Pfaffen alle todt, – hin mit ihnen!« Jetzt, an der Rheinbrück' riefen sie: »Werft sie in den Rhein, – ersäuft sie!« – Und ihr solltet nur gesehen haben, wie die armen Katholiken sich schlagen, werfen, treten und mißhandeln ließen! O, – es war zum Erbarmen! Beinah' hätt' ich mein Wort gebrochen, das ich dem Schröterfritz gegeben hab'; denn ich konnt's nimmer aushalten. Uebrigens kann ich unserem Schröter nicht genug danken, daß er mir das Wort abgenommen hat; denn jetzt säß' ich im Zuchthaus, weil ich ein Dutzend Mannheimer todt geschlagen hätt'. Man konnt's gar nimmer ansehen! Da fielen auf einmal vier Kerle über einen Geistlichen her, schlugen ihm in's Gesicht, und riefen: »In den Rhein mit dem Pfaff!« – Richtig, die Hunde packten den armen Herrn, stießen ihn gegen das Geländer und schier gar hätten sie ihn hinabgeworfen. Flugs sprang ich hin, und ich weiß nicht, wie's war, – die vier Kerl lagen auf einmal am Boden, weil ich sie zusammengehauen hatte; denn ich war schrecklich wild.«
Der Kreis lachte vergnügt.
»Ja,« – bestätigte Mühsam, »das that er mit seinen Fäusten! Und als er den Wiesenbaum erwischte, da wurde mir's Angst; denn er hätte die Mannheimer schockweis zusammengehauen. Allein der Neckarschleim roch den Lunten und ging dem Schmiedhannes ehrerbietig aus dem Weg'. – Ein's hab' ich gesehen, das vergess' ich mein Lebtag nicht,« fuhr Mühsam fort. »Da geht ein Casinomann. Die Mannheimer werfen ihn mit Steinen, sie schlagen ihm auf den Kopf, in's Gesicht. Ein krummnasiger Jud' reißt ihm den Hut weg, zerdrückt den Hut, stampft mit den Füßen darauf herum. Andere schlagen mit kurzen Stöcken dem Mann auf den Kopf, – er will mit den Händen seinen zerschlagenen Kopf schützen. Die Kerle aber schlagen ihm auf die Hände, das Blut spritzt ihm aus den Fingern, läuft ihm aus dem Kopf' über das Gesicht. Es war schrecklich! Der arme Mann war weiß, wie die Wand, er bat und flehte, daß sich ein Stein hätt' erbarmen mögen, – die Kerle aber fluchten, schimpften und schlugen in einem fort. So lang' ich leb', vergess' ich den blutigen Mann nicht!«
»Wißt ihr, was ich versprochen hab', ihr Männer?« rief der Schmied. »So lang' ich leb', wird kein Kreuzer in Mannheim verzehrt, – für keinen Kreuzer in Mannheim gekauft, – und sollt' ich noch tausendmal dorthin kommen. Würden's alle Katholiken so machen, jener miserabeln Stadt keinen Kreuzer zu lösen geben, dann würde sie gestraft, wie's Recht ist.«
Die ganze Versammlung trat dem Gelöbnisse des Schmiedhannes bei.
Und während die Entrüstung zu Waldhofen in hellen Flammen loderte gegen Mannheim, beging Knapper die Unklugheit, die Arbeit des Pöbels öffentlich im Ochsen zu rühmen.
»Die Mannheimer haben ganz Recht gehabt!« versicherte er. »Die Pfaffenknechte hätten sollen wegbleiben, – jawohl! Ich bin nit geprügelt worden, werd' auch nit geprügelt. Lest nur die Zeitung, – da könnt ihr finden, daß die Schwarzen eigentlich angefangen haben. Kein Mensch hätt' ihnen was zu Leid gethan, wären die Schwarzen nit so frech gewest, die Mannheimer zu verspotten. Aber das Spotten isch ihnen vertrieben worden, – ich mein'! Die Schwarzen sind einmal tüchtig gepufft worden, – ganz gut so!«
Diese Rede fuhr in das Lager der Schwarzen, wie eine zündende Bombe. Der ganze Ort kam in Aufruhr.
»Ist das ein Ortsvorstand?« rief der Schmiedhannes. »Er hält zu den mannheimer Prügelbuben, – was? Weg muß er, – wir können so einen Bürgermeister nicht brauchen!«
Der Gemeinderath erschien klagend vor dem Amtmann und verlangte Knappers Entlassung.
»Daraus wird nichts!« entschied der Bureaukrat. »Bürgermeister Knapper thut seine Schuldigkeit, – bin ganz mit ihm zufrieden.«
»So, – mit ihm sind Sie zufrieden?« brach der Schmiedhannes im Zorne los. »Merkwürdig ist's doch, wie Sie mit einem Bürgermeister zufrieden sein können, der sich freut, weil rechtschaffene Männer mißhandelt wurden, der Spitzbuben das Wort redet! Wir aber sind nicht zufrieden mit dem Bürgermeister, – wir mögen ihn nimmer, jetzt ist's gerad' genug! Wir können ihn nicht brauchen, den Religionsspötter, den Wirthshaushocker, den Mohrgesellen!«
»Nehme Er sich in Acht!« drohte der Amtmann.
»Kann Alles beweisen, was ich sage,« versetzte kühn der Schmied.
»Schweigt! Knapper bleibt im Amte, – ihr Alle habt ihn zu respektiren,« wiederholte der Beamte.
»Zu respektiren? Du lieber Gott!« rief verächtlich der Schmied. »Wir respektiren nur Leute, die Respekt verdienen. Knapper verdient aber keinen Respekt. Die Gemeind' mag ihn nimmer, – aus ist's und vorbei, ich sag's Ihnen, Herr Amtmann, – aus und vorbei!«
»Die Gemeinde muß sich fügen!«
»Nein, Herr Amtmann, die Gemeind' besteht auf ihrem Recht,« sagte Mühsam entschlossen. »Die Gemeind' ist nicht da für den Bürgermeister, sondern der Bürgermeister für die Gemeind'. Und wenn die ganze Gemeind' so einen Menschen aus tausend Gründen nimmer will zum Ortsvorstand, dann muß ein rechtschaffener Mann Bürgermeister werden.«
»Ihr seid anmaßend, unbotmäßig! Es ist genug, – geht heim und laßt die Hetzereien, sonst komme ich so über euch, wie es Keinem lieb ist.«
»Gut, Herr Amtmann!« rief der Schmied. »Behalten Sie den Bürgermeister, weil er Ihnen gefällt. Von uns Gemeinderäthen geht aber keiner mehr in eine Sitzung, so lang' dieser Mensch Ortsvorstand ist.«
Und so geschah es. Bei Angelegenheiten, in denen die Mitwirkung des Gemeinderathes gesetzlich gefordert wird, versagten die Unentbehrlichen jeden Dienst. Das Amt versuchte die Bildung eines gefügigen Gemeinderathes. Der Versuch mißlang; denn kein Bürger zeigte Lust, die Ehrenstelle zu übernehmen. Die Verachtung gegen Knapper war gründlich und allgemein.
Das Amt kam in Verlegenheit. Der Bürgermeister erhielt einen Wink, die Stelle freiwillig niederzulegen. Allein der Mann wäre lieber vom Leben geschieden, als vom Bürgermeisteramte.
»Danke freiwillig ab,« rieth klug Frau Margareth, »sonst geht es Dir, wie dem Stephan: – Du wirst fortgejagt und hast die Schande.«
»Warum nit gar! Ich bin Borjemeeschter, – jawohl! Mich kann man nit fortjagen, wie so einen armseligen Schulmeister.«
Dennoch erfüllte sich Margarethens Prophezeiung. Knapper empfing aus Amt und Würde die Entlassung.
Betäubt stand der Entthronte vor dem schrecklichen Demissionsdekret. Dann saß er Stunden lang düster, immer vor sich hinstarrend. Endlich brach eine Fluth schwerer Flüche gegen die Regierung los. In wilder Heftigkeit stürmte er nach dem Ochsen und versuchte, den Ingrimm zu ersäufen. Der Versuch hatte schlimme Folgen. Knapper sank auf das Krankenlager, wurde am ganzen Leibe gelb, wie eine Citrone, und als dem Arzte nach vieler Mühe gelang, das Uebel zu bändigen, fuhr es nach den Augen, setzte sich dort fest und zerstörte die Sehkraft.
»Blind, – mein Gott, – blind!« rief händeringend der Unglückliche. »Lieber sterben, als blind.«
Er starb nicht, wohl aber Trotz und Uebermuth starben in ihm. Das Herrchen, täglicher Besuch seit der Krankheit, redete viel und verständig von Gottes Hand, die strenge und gütig den Irrenden ewiger Bestimmung entgegen führe. Auch wußte er schlagend und zart zu beweisen, es sei hoher Gewinn, gegen das irdische Licht das ewige einzutauschen, und Jeder beneidenswerth, dem solches begegne.
»Greth,« – rühmte Knapper, »das Herrchen isch ein Engel! Ich hab' ihm so viel Unrecht gethan, – jetzt seh' ich's ein. Weiß Gott, ich bin ein recht erbärmlicher Mensch gewest!«
Und als Frohmann wieder kam, begann reuevoll der Blinde:
»Herr Hochwürden, seit Wochen besuchen Sie mich jeden Tag! Sie trösten einen kranken, blinden Mann, wie sonst kein Mensch trösten und aufrichten kann. Das hab' ich an Ihnen nit verdient! Schwer drückt's mich, was ich gegen Sie gethan hab'. Können Sie mir verzeihen?«
»Von ganzem Herzen, lieber Freund! Ich bitte, denken Sie nicht mehr an das Vergangene. Alles sei vergeben und vergessen.«
Das ergriff den Blinden. Tief bewegt hielt er die kleine, zarte Hand des Herrchens fest, drückte sie an seine Lippen und benetzte sie mit Thränen.
Durch Waldhofens Gassen wandelt an leitendem Stabe ein kleiner, blinder Mann, mit bleichen Zügen, in denen von Reue und stiller Ergebung deutlich zu lesen. Der Blinde fehlt bei keinem Gottesdienste, besucht täglich die Messe, erbaut sich am Worte Gottes und ist ein beredter Anwalt religiöser Zucht und Sitte. Niemals führt sein Weg zum Ochsen, aber täglich steigt er zum alten Hause empor, wo ihn die schöne Helena liebevoll empfängt und der greise Gangolph aus der Legende Erbauendes vorliest. Alle Wendungen der Gassen kennt der Blinde genau, verläßt er aber den Ort, dann führt ihn Hänschen an der Hand durch Felder und Weinberge, verkündet jede Stufe, jede Rinne des Weges, nennt jeden Begegnenden, verschweigt überhaupt nichts Bemerkenswerthes dem Gesichtslosen. Einmal mußte Hänschen sogar den Blinden nach der fernen Wallfahrtskapelle im Walde führen. Dort kniete der kleine Mann sehr lange, betete innig und als er ging, sprach er zu Hänschen die ernsten Worte
»Mein liebes Kind, – so lange Du lebst, vergiß die heilige Mutter Gottes nit! Verehre sie durch Gebet und Nachahmung ihrer Tugenden. Halte Sie für Deine Mutter, dann wird Gott Dein Vater sein; denn Maria vermag sehr viel durch ihre Fürbitt'.«
Mit Knappers Entlassung war vom Amte eine Neuwahl des Bürgermeisters angeordnet und Fritz Schröter von Allen zum Ortsvorstande gefordert worden. Der Amtmann, des Haders mit den Schwarzen müde, befürwortete das gestellte Ansinnen und der Landwirth brachte dem allgemeinen Wunsche ein Opfer.
Am Tage der Uebernahme des Bürgermeisteramtes versammelte Fritz Schröter den Gemeinderath um seinen gastlich gedeckten Tisch. Das Herrchen war auch dabei, die Stimmung vorzüglich, die Heiterkeit in stetem Wachsthum. Gegen Schluß toastirte Frohmann auf das Glück des Tages.
»So viel mir die Herzen in Waldhofen bekannt sind,« sprach er, »begrüßen alle Dankbaren die Erhebung eines Mannes zum Ortsvorstande, dessen Rechtlichkeit, musterhafter Wandel und Eifer für das Wohlergehen der Gemeinde dieses Ehrenamt verdienen. Nach vielen Tagen bitterer Entzweiung und segenslosen Streites, werden Friede und Eintracht, Gesittung und christliches Leben gedeihen und alle Gemüther erfreuen. Das allgemeine Vertrauen, Herr Bürgermeister, welches Ihnen die Gemeinde entgegenbringt, und das Sie im vollsten Maße verdienen, ist die erste wirksame Bedingung für das Gedeihen Ihrer nicht mühelosen und wichtigen Amtsführung. Möge Gott Sie stärken und erleuchten, auf viele – viele Jahre der Gemeinde Waldhofen ein fürsorglicher, gerechter und christlicher Vater zu sein! Unser Herr Bürgermeister lebe hoch!«
Die Gläser klangen und begeisterte Hochrufe erfüllten das alte Haus.
»Hochwürdiger Herr Cooperator, meinen Dank für Ihre gütigen Wünsche!« sprach ernst der Gutsbesitzer. »Ungern habe ich dieses Amt zu meinen vielen Sorgen und Arbeiten übernommen. Allein der lange Streit hat mich belehrt, es seien Früchte des Segens und öffentlichen Wohles nicht zu erlangen ohne – Opfer. Die erste Pflichterfüllung meines Amtes sei innigster Dank für all' die vielen Mühen und Arbeiten, für Geduld und verzeihende Liebe, welche Sie, Herr Cooperator, der hiesigen Gemeinde erwiesen haben. Selbst auf die Gefahr hin, Ihre Bescheidenheit zu verletzen,« fuhr der Bürgermeister kräftig fort, als das Herrchen verlegen niedersah, »sei vor dem gesammten Ortsvorstande bekannt: – Waldhofen wurde gerettet und zum religiösen Leben erweckt durch seinen Seelsorger. Dies zu bekennen, ist für Waldhofen eine Ehrenschuld an Sie! Eure Hochwürden haben thatsächlich die Wahrheit des Ausspruches Jesu an die Geistlichen bewiesen: »Ihr seid das Salz der Erde!« Wie elend und tief darnieder lagen die religiös-sittlichen Verhältnisse, bevor Sie kamen! Ja, das Salz Ihrer priesterlichen Thätigkeit und Ihres voranleuchtenden Wandels hat die zusammenfaulende Masse durchdrungen und neu belebt. Hieran knüpfe ich den Ausdruck einer Ueberzeugung, die Wadlhofens neueste Geschichte schlagend bestätigt: – Alle socialen Fragen der Gegenwart können zum Heile des Volkes nicht gelöst werden, ohne die Anwendung des von Gott bestellten Salzes der Erde, ohne die mitwirkende, freie Thätigkeit des Clerus im Geiste unserer heiligen Religion. Erinnert euch, meine Freunde,« – rief er mit steigender Wärme, »was für die Schule von unserer Seite Alles geschah! Wir haben Adressen an den Großherzog gerichtet, – Hunderttausende katholischer Männer verlangten durch ihre Unterschriften christliche Schulen, Beseitigung der nichtsnutzigen Schulreform. Die Adressen waren vergebens geschrieben. Darauf kamen die wandernden Casino. Das ganze Land stand auf gegen das neue Schulgesetz. Die Volksstimme protestirte laut und energisch. Alles vergebens! Die Regierung ergriff mit Vergnügen einen gemachten Anlaß, die Volksstimme gewaltsam zu unterdrücken. Was folgt hieraus? Offenbar die Feindseligkeit der Herrschenden gegen Christenthum und religiöse Freiheit. Was folgt weiter? Die Nothwendigkeit, den Geist des Antichristenthums zu stürzen, seine Herrschaft zu vernichten. Wer vermag dieses? Nur jene Kraft, welche die Sklaverei des alten Heidenthums zerbrochen, die Götzenaltäre umgestürzt, die Gottesebenbildlichkeit des Menschen und die Nächstenliebe gepredigt, das Laster in die Nacht zurückgetrieben und die Lüge getödtet, die Menschenwürde durch die Tugend geadelt und die Freiheit proclamirt hat: – Das Salz der Erde! Die Kirche allein, der lehrende, thätige, das hinsinkende Volk stützende und leitende Clerus allein vermag Rettung zu bringen. Das ist ja nichts Neues, – es ist eine sehr alte Wahrheit, die man aber vergessen hat; denn ohne die Kirche kein Heil, und zum Heile der Menschheit hat bekanntlich Jesus Christus seine Kirche gestiftet, – nicht aber zur Sklavin eines neuheidnischen Staatswesens. Ist es erlaubt, einen Wunsch auszusprechen, so wäre es dieser: – Der Clerus möchte die Ketten zerreißen, mit denen Absolutismus ihn gebunden und geknebelt. Frei und ohne Menschenfurcht möge sich der Clerus an das Volk wenden, zu dem er von Gott gesandt ist. Der Clerus möge sich nicht einsperren lassen in die Sakristei, – muthig und kraftvoll, bereit zu sterben für geistige Freiheit und für die Freiheit seines Amtes, greise er belehrend und leitend in alle Fragen, welche das sittliche Leben berühren. Die Warnung: – »Der Clerus mische sich nicht in politische Dinge,« – ist eine niederträchtige Heuchelei. Hat Politik die Kirche feindlich angefallen, religiöse Fragen zu lösen unternommen, sogar das zuständigste Gebiet der Geistlichkeit, die Schule, verwüstet, so klingt es sinnlos: »Der Clerus mische sich nicht in Politik!« Nein, im Gegentheil! Der Clerus soll sich vom Leben des Volkes nicht trennen und zu einer Drahtpuppe machen lassen, die sich nur strengstens vorgeschriebene Bewegungen erlauben darf. Die Kirche ist Schöpferin der Civilisation, – die Kirche führe dieselbe weiter in ihrem Geiste und liefere das Volk nicht aus an die Infernalen, – und zu den Infernalen gehört ja auch das moderne heidnische Staatsregiment. Darum werde auch die Kanzel in politischen Dingen ein Lehrstuhl, insoweit Politik das Religiöse antastet. Die Wirksamkeit der Kanzel muß hineinreichen bis in die Kammern der Abgeordneten, weil diese Kammern über Religiöses entscheiden und Gesetze machen. Kurz, – der Clerus muß das Volk aufklären, er muß Licht und Leiter sein der unwissenden Menge in den höchsten Interessen des Lebens, – das ist heute die Mission des Clerus. Und weil Sie, Herr Cooperator, in Waldhofen diese Mission getreu erfüllten, darum ist hier das Schulgesetz unterlegen. Hätten Sie die Geister nicht aufgeklärt, die Umtriebe des Unglaubens nicht enthüllt vor den Leuten, die Pflichten des Christen nicht vorgehalten, – unsere Mühe wäre vergeblich gewesen. Die Gemeinde Waldhofen ist Ihnen zu ewigem Danke verpflichtet. Ich trinke auf das Wohl unseres hochwürdigen Herrn Cooperators, auf das Wohl der Gemeinde, auf das Wohl aller Männer im Priesterkleide, welche dem Volke Hirten ohne Menschenfurcht, Lehrer und muthige Vorkämpfer sind.«
Sämmtliche Gemeinderäthe hatten mit Staunen die Rede vernommen, die aus dem Toaste hervorgebrochen, wie ein bisher verschlossener, kräftiger Quell, der eine Oeffnung gefunden. Die Wärme des Redners wurde ansteckend für die Hörer, sie unterschrieben in Gedanken jedes Wort, hielten den Häuptling für den gescheidtesten Bürgermeister im Lande Baden und riefen jetzt ein Hoch, wie es in Waldhofen niemals vernommen, wurde. Viele behaupteten, man habe die Donnerstimme des Schmiedhannes sogar bei Siebelfingen gehört, – und dieser Ort liegt vom alten Hause eine Stunde entfernt.
Für Waldhofen begann eine schöne Zeit des Friedens und sittlichen Gedeihens. Die Schöpfung des Herrn Knies wurde für Waldhofen ein todtgeborenes Kind. Stephans Nachfolger regierte im Geiste christlichen Schulwesens, und der alte Jester betete wieder mit den Kindern, erzählte aus der biblischen Geschichte und bildete Katholiken, wie er seit vierzig Jahren gethan.