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Ich sitze Sie eenes Dages in meinem Zimmer un mache mir Umschläge mit Kamillendee, denn ich hatte ä großes Gerschtenkorn an linken Ooge – da kloppt's mit eemal an de Diere, un e feingekleideter fremder Herre tritt herein. »Ich schteere doch nich, Herr Dietchen?« sagt er un macht mir ä Kombelment. »Dorchaus nich,« sag' ich heeflich, awer ä bißchen verwundert, denn ich kannt'n wie gesagt nich, »mit wem hawe ich das Vergniegen?« – »Mei Name is Weizmiller, Weinreisender,« sagt er mit ä neien Kombelment, »ich hawe de Ehre, im Namen der Firma Blauschmeyer & Co. in Wirzburg mich nach Ihren Bedarfe zu erkundigen.« –»Sehre freindlich von die Leite,« sag' ich, »awer 's dhut mer leid, Herr Weizmiller, ich drinke Sie gar keenen Wein, weil mir von Weine immer so dott'ch in Koppe werd.« – »Das därfte wohl schwerlich von Weine kommen,« sagt er un lacht, »ich gloobe, Herr Dietchen, Sie hamm da ä Vorurteil. Wenn Sie geschtatten, sende ich Sie ä Brobekistchen mit zwelf Flaschen – Sie sollen nischt derfir bezahlen, denn ich weeß, daß Sie dernach beschtellen werden.«
Na, ich denke: der muß seiner Sache doch sehre sicher sein, un weil eene Gefälligkeit der andern wert is, sag' ich: »Sehre gitig von Sie, Herr Weizmiller! Woll'n Se nich ä Weilchen Blatz nehmen? vielleicht ä Däßchen Kaffee gefällig?« Un damit hol' ich de Kanne aus der Ofenrehre. »Wenn Sie erlauwen, bin ich so frei,« sagt er un setzt sich, legt seinen Hut beiseite un macht sich iwer'n Kaffee her. »Sie wohnen hier werklich ganz reizend, Herr Dietchen,« sagt er, »diese idyllische Lage mitten in Gärten un doch ganz nahe bei der Schtadt, un diese scheene Ruhe in Hause – Ihre Mitbewohner missen sehr schtille Leite sein!« – Na, ich lache un sage: »Das is keene Kunst,« sag' ich, »denn ich wohne Sie ganz alleene in den Hause, 's is mei eignes Haus, un hierher kommt den ganzen Dag keene Menschenseele nich, heechstens frih auf ä baar Schtindchen de Aufwartung.« – »So,« sagt er, »ja, Sie sein zu beneiden, Herr Dietchen! Wär'sch ooch so hawen kennte!« – Na, mir schbrechen in där Art noch so ä Weilchen miteenander, un weil er sieht, wie ich ab un zu änn Umschlag auf mei Auge lege, sagt er endlich: »Sein Sie augenleidend, Herr Dietchen?« – »Nur ä Gerschtenkorn,« sag' ich, »ich leide heifig dran.« – »Ä Gerschtenkorn?« sagt er un guckt mich bletzlich sehre aufmerksam an, »heernse, das vernachlässigen Se ja nich. Un da giebt's ja ooch ä ganz sicheres Mittel dergegen; 's is freilich ä simbadetisches. Glauwen Sie an Simbadie, Herr Dietchen?« – »Ei ja freilich,« sag ich. »Awer was wäre denn das fir ä Mittel?« denn ich war Sie neigierig geworden. »Sie missen dorch ä Astloch sehen,« sagt er. »Dorch ä Astloch,« sag' ich, »nu sehn Se mal an! Awer sagen Se, Herr Weizmiller, wie macht mer denn das?« – »Das is sehre eefach,« sagt er un lacht, »mer guckt ähm dorch!« – »Ja,« sag' ich »awer woher gleich ä Astloch kriegen?« – »Das wär'sch Wenigste,« meent er, »Sie wern doch gewiß ä Bret oder so was hamm; oder warten Sie, Herr Dietchen, besitzen Sie vielleicht änn Schtiefelknecht?« – »Zwee fir eenen!« sag' ich un loofe geschwind in de Kammer un bring se reingeschleppt. »Na, sehnse, Herr Dietchen,« sagt er, »der Eene hat ja änn ganz hibschen Ast; wenn Se wollen, schlag ich 'n 'raus, un Sie machen dann gleich das Exberimend – in zehn Minuten is die Sache abgemacht, un Sie sein Ihr Gerschtenkorn los. 's fragt sich nur, ob Sie den Schtiefelknecht dranwenden wollen?« – »Nu, das versteht sich, mit den greeßten Vergniegen,« sag' ich, »was liegt mer da dran, wenn nur der Schmerz in Ooge vergeht. Nee, 's is werklich zu freindlich von Sie, daß Se sich ooch noch die Miehe nehmen wollen, Herr Weizmiller. Soll ich änn Hammer holen, oder lieber änn Meeßel oder brauchen Se alles Beedes?« – »Beides nich,« sagt er, un eens, zwee, drei – hat er ooch schon mit seinen Taschenmesser den Ast rausgekloppt. »So,« sagt er, »nu treten Se an's Fenster, Herr Dietchen, halten Se den Stiefelknecht gegen's Licht und blicken Se unverwandt zehn Minuten lang dorch. Schbrechen kenn Se, soviel Se sollen, nur nadierlich nich wo andersch hinseh'n.«
»Das is ja grade wie bei'n Fotografieren,« sag' ich un lache noch. »Beinahe so,« schbricht er un lacht ooch. »Un nu kennen Se anfangen, Herr Dietchen, ich werde jetzt nach der Uhr seh'n.« – »Deifel,« sagt er auf eemal, »nu is die gerade schtehen geblieben. Das is doch fatal, Herr Dietchen. Was machen mer nu? – zehn Minuten missen's genau sein, sonst hilft das Mittel nischt.« – »Nu da nehmen Se meine,« sag' ich, »das is doch sehre eefach. Die Uhr, die geht Sie auf de Sekunde, warten Se,« sag' ich, un damit will ich de goldne Kette abhäkeln. »Wenden Se den Blick nich ab,« schreit er, »Sie missen egal dorch's Astloch sehen, sonst wirkt's nich. Bleiben Se ruhig schtehen, ich werde Sie die Uhr abnehmen.« Un damit langt er mit der Hand in meine Westentasche un nimmt mir de Uhr ab, un ich bedanke mich noch bei'n. »Jetzt nur recht ruhig dorchseh'n, Herr Dietchen,« sagt er, un ich heere, wie er wieder an den Disch geht un sich hinsetzt. Ich gucke Sie egal auf eenen Fleck dorch's Astloch, un wie ich nach 'ner Weile heere, daß er mit'n Leffel an der Dasse klappert, sag' ich: »Schenken Se sich nur noch ä Däßchen ein, Herr Weizmiller.« – »Na, ich bin so frei!« schbricht er un lacht. – »Herr Dietchen, Sie fihren änne feine Bohne, ei Greiz, Ihr Kaffee is gut,« sagt er nach änner Weile. »Schon vier Minuten!« Auf eemal is mir'sch, als wenn an der Dierklinke gedrickt wirde. »Heerten Sie nischt?« sag 'ch, »'s war mir doch, als wenn was an der Diere wäre.« – »Ich hawe nischt geheert,« sagte Herr Weizmiller, »awer ich werde gleich 'mal nachseh'n.« Damit macht er de Diere auf un sagt: Es is niemand, Herr Dietchen!« un schlägt de Diere wieder zu. Gleich drauf awer heer ich ganz deitlich, wie der Schlissel im Schloß rumgedreht wird. »Was is das?« denk ich. »Herr Weizmiller, es scheint doch jemand draußen zu sein.« Keene Antwort. »Herr Weizmiller,« sag' ich nochmals, »mechten Se nich ämal nachsehn?« Wieder keene Antwort. Nu konnte ich 's awer nich mehr aushalten, un ich drehe mich um. Gott Schtrambach – da is Sie kee Mensch nich im Zimmer! – – »Herrjeses, meine goldne Uhr!« is mei erschter Gedanke, un damit loofe ich nach der Diere – ja Kuchen, die is Sie fest verschlossen. Ich schbringe an's Fenster, reiß es auf un brille: »Hilfe! Diebe! Märder!« Ich schbringe wieder an de Diere, rittle dran un schreie wie ä Ochse: »Gewalt! Zu Hilfe, Zu Hilfe!« – Da sagt auf eemal draußen änne Schtimme, in der ich den niederträchtigen Kerl, den Weizmiller erkannte: – »Was schreien Se so, Herr Dietchen? Sehn Se lieber noch ä Weilchen dorch's Astloch – die zehn Minuten sein noch nich um!« – »Gemeiner Schbitzbube,« brill ich – – Sehnse, da lacht der Schwitjeh noch so heimdickisch un schbricht: »Wenn Se wieder ä mal ä Gerschtenkorn hamm sollten, da schreiwen Se nur nach Wirzburg – die Firma kennen Se ja jetzt. Ich empfehle mich Ihnen, Herr Dietchen!«
Na, meine Wut will ich Sie nich beschreiwen! Ä Glick war noch, daß nach drei Schtunden der Briefträger kam, sonst hätt'ch vielleicht bis zum andern Morgen brillen kennen. Awer meine goldne Uhr mit der goldnen Kette, un mei Bortmanneh, das mir der Kerl aus der Dasche gemaust hatte, un die zwee silbernen Kaffeeleffel, un meinen Hut un meinen Iwerzieher, die in der Stube gehangen hatten, hawe ich im Läwen nich wiedergesehen, denn mit der Firma da warsch ä Schwindel gewesen – ä Blauschmeyer existierte in Wirzburg gar nich!