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Steige Du wieder empor in meiner Erinnerung, Mirza-Schaffy, Weiser von Gjändsha! Deine Worte sind zur Wahrheit geworden, und erfüllt hat sich was Du uns verheißen. Deine Lieder haben eine gute Stätte gefunden in den Herzen unserer Frauen und Jungfrauen, und Dein Name hat einen Klang der Ehre gewonnen im Abendlande.
Noch einmal wollen wir niedersitzen und mit Dir trinken und singen, und Deinen Sprüchen lauschen im Divan der Weisheit.
Siehe, die Blumen die Du mir geschenkt, hab' ich zu Kränzen gewunden, und die Perlen die Du vor mir ausgestreut, hab' ich auf Schnüre gereihet, Dir zum Ruhme und den Menschen zur Freude.
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Der aufmerksame Leser des ersten Theils von »Tausend und Ein Tag« wird sich erinnern, daß mir Mirza-Schaffy nach meiner Rückkehr aus Armenien eine Sammlung seiner 169 Lieder schenkte, als Andenken an die bei Gesang und kachetischem Wein in Tiflis verlebten Stunden.
Er betitelte diese Lieder: »Das Buch der Weisheit und die Quelle der Erkenntniß,« und schrieb dazu eine Vorrede, gleichsam um sich vor sich selbst zu rechtfertigen, daß er seine größtentheils spielend gemachten Verse zu Papier gebracht, denn im Grunde legte er, trotz des überall durchklingenden Selbstlobes, wenig Gewicht darauf. Wenn es je einen Menschen gegeben, der Thaten höher schätzte als Worte, so war es Mirza-Schaffy.
Viele der Lieder des Weisen von Gjändsha, welche er auf Sängerfesten oder sonst bei feierlichen Anlässen gesungen, leben im Munde der Georgier und Tataren, ohne daß es ihm selbst jemals eingefallen wäre, sie durch das geschriebene Wort festzuhalten. Man würde häufig gar nicht wissen, daß sie von ihm herrühren, wenn es nicht orientalischer Brauch wäre, den Dichternamen jedem Gasel einzuverleiben. Bekanntlich geschieht dieses meist auf höchst naive Weise, indem der Dichter mit einer Fülle von Selbstlob beginnt oder endet. Wie z. B. bei Hafis:
»Wer in Gesang und Melodie Hafisens Kunst erreichen will, Der gleicht der armen Schwalbe, die Dem Adler sich vergleichen will!« |
Oder bei Mirza-Schaffy:
»Mirza-Schaffy! wie lieblich Ist Deiner Weisheitsprüche Klang! Du machst das Lied zur Rede, Du machst die Rede zu Gesang!« |
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170 Diejenigen der Gedichte Mirza-Schaffy's, welche sich übersetzen ließen, ohne Gehalt und Gestalt des Originals wesentlich zu beeinträchtigen, führe ich dem Leser hier in deutschem Gewande vor.
Und da die meisten gleichsam unter meinen Augen entstanden und die Geschichte ihres Entstehens zuweilen eben so interessant ist wie die Lieder selbst, so flechte ich von den begleitenden Umständen Alles ein, was mir Interessantes davon im Gedächtniß geblieben.
Die Vorrede zum Buche der Weisheit lautet in der Uebersetzung wie folgt:
»Im Namen Allah's des Barmherzigen,
des Erbarmungsreichen!
Nachdem wir dem Schöpfer des Himmels und der Erde Lob und Preis dargebracht, beginnen wir, dieses Buches eigentliche Natur und Beschaffenheit zu offenbaren.
Auf wiederholtes Verlangen und Begehren seines Freundes und Jüngers Bunsten-Effendi (möge Gott seine Tage vermehren!) hat Mirza-Schaffy (dessen Zustände Allah verbessern möge!) eine Sammlung seiner Kaßiden, Gasels, Mokataat, Mesnewiat und Rubajat in dieses Buch geschrieben, als eine Quelle der Erkenntniß, daraus die Thoren schöpfen und daran die Weisen sich erquicken mögen.
171 Es sind in dieser Sammlung enthalten Lieder der Freude, der Liebe und des Weines; Lieder des Trostes und der Ermunterung; Lieder zum Preise alles Schönen und Guten, und Lieder zum Tadel und zur Geißel alles Schlechten und Gemeinen; Saatkörner der Weisheit, gemacht um ausgestreut zu werden auf den Acker der Wißbegier und in die Furchen der Empfänglichkeit; Lieder, gemacht zur Richtschnur in Gesang und Wohlredenheit, auf daß Die, welche sich darnach richten, die rechte Mitte halten und das Roß der Rede nicht auf die Bahn der Weitschweifigkeit rennen lassen, wie schon Nechschebi geredet:
»Stets, Nechschebi! im Maß der Mitte bleibe, Sag' nicht zu wenig und sag' nicht zu viel – Und was Du schreibst, nach dieser Weisung schreibe, Der Mittelweg führt sicher Dich ans' Ziel! |
Es sollen diese Lieder ferner eine Richtschnur sein zur Unterscheidung der Werke schlechter Dichter und Heuchler (Schmutz auf ihr Haupt!) von den Werken solcher Dichter, welche aus der eigenen Brust schöpfen und stets die Bahn der Aufrichtigkeit wandeln, wofür es untrügliche Zeichen giebt. Ein schlechter Dichter ist zu vergleichen einem Sumpfe, dem Keiner auf den Grund sehen kann, nicht weil er tief, sondern weil er unklar ist, und daraus Niemand schöpfen kann, um sich zu laben, noch um sich rein zu waschen von seiner Thorheit.
Von dem guten Dichter aber gilt wie geschrieben steht:
»Er rühmt sich hohen Besitzes, Und läßt seine Stimme ertönen Als Fürst auf dem Throne des Witzes Und Herrscher im Reiche des Schönen.« 172 |
Wodurch ist Schiras wohl, die Stadt Berühmt mit Ros' und Wein geworden? Wodurch berühmt der Rocknabad, Berühmt Mosella's Hain geworden? Nicht ihre Schönheit war der Grund, Das Bonzenthum hast Du gestürzt, Verherrlicht hast Du Stadt und Hain, Auch Tiflis ist an Schönheit reich, Drum soll, was Schiras durch Hafis, Die stromdurchrauschte Gartenstadt, Ihr schönen Mädchen (merkt Euch das!) Zum Paradiese wird mein Lied Doch eine Hölle wird es sein So soll durch alle Lande nun |
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Du sandtest Deine Jünger aus, Und es geschah, wie Du verheißen: Berühmt ist Tiflis durch Dein Lied Vom Kyros bis zum Rhein geworden! 174 |
Komm, Jünger, her! ich will Dich Weisheit lehren, Du sollst des Daseins Werth erkennen lernen – Du sollst zum ächten Glauben Dich bekehren, Das Wahre von dem Falschen trennen lernen: Die Lehre, wie des Wahns, der Thorheit Klippen Fort aus der alten Satzung dumpfen Räumen Und wenn Du übst was meine Lieder pred'gen, Kein Schwert hab' ich, die Thoren zu bekehren, Unendlich ist der Schönheit Zauberkreis, |
Mag bei dem Reden der Wahrheit auch große Gefahr sein, Immer doch, Mirza-Schaffy, mußt Du ehrlich und wahr sein – Darfst nicht zum Irrlichte werden im Sumpfe der Lüge, Denn alles Schöne ist wahr, und des Schönen kannst Du nie baar sein! Doch zu jeglicher Strafe und Unbill kluger Vermeidung |
Es sucht der ächte Weise Daß er das Rechte finde: Jung wird er nicht zum Greise, Alt wird er nicht zum Kinde! Der Winter treibt keine Blüthe, Jung sich enthaltsam preisen, |
O selig, wem von Urbeginn Im Schicksalsbuch geschrieben ist, Daß er bestimmt zu leichtem Sinn, Zum Trinken und zum Lieben ist! Der Zorn des Bonzen stört ihn nicht, Solch Loos ist Dein, Mirza-Schaffy! Am ersten Tag beginnt der Lauf, Ein leichter Sinn, ein frohes Lied |
Es hat die Rose sich beklagt, Daß gar zu schnell der Duft vergehe, Den ihr der Lenz gegeben habe – Da hab' ich ihr zum Trost gesagt, |
Verbittre Dir das junge Leben nicht, Verschmähe was Dir Gott gegeben nicht! Verschließ Dein Herz der Liebe Offenbarung Sieh, schönern Doppellohn als Wein und Liebe, Drum ehre sie als Deine Erdengötter, Die Thoren die bis zu dem Jenseits schmachten, Der Mufti mag mit Höll und Teufel drohen, Der Mufti glaubt, er wisse Alles besser, |
Ich liebe die mich lieben, Und hasse die mich hassen – So hab' ich's stets getrieben Und will davon nicht lassen. Dem Mann von Kraft und Muthe Man liebt was gut und wacker, Unbill an Ehr' und Leibe |
Im Garten klagt die Nachtigall, Und hängt das feine Köpfchen nieder: Was hilft's, daß ich so schöne Lieder, Und wundersüße Töne habe – So lange ich dies grau Gefieder, Und nicht der Rose Schöne habe! Im Blumenbeet die Rose klagt: Mirza-Schaffy entschied den Streit. |
Im Winter trink' ich und singe Lieder Aus Freude, daß der Frühling nah ist – Und kommt der Frühling, trink ich wieder Aus Freude, daß er endlich da ist. |
Hochauf fliegt mein Herz, seit es sein Glück aus Deines Glücks Offenbarung zieht – Und immer kehrt's wieder, wohin es der Liebe Süße Erfahrung zieht – Dem Springquell ähnlich, der himmelauf in Toller Gebahrung zieht, Und doch immer zurückkehrt von wo er gekommen ist Und seine Nahrung zieht. 182 |
Sprüche der Weisheit.
Des Zornes Ende ist der Reue Anfang. |
Wer Alles auf's Spiel gesetzt, Hat sicher zu viel gesetzt. 183 |
Ein graues Auge Ein schlaues Auge; Auf schelmische Launen Deuten die braunen; Des Auges Bläue Bedeutet Treue; Doch eines schwarzen Augs Gefunkel Ist stets, wie Gottes Wege, dunkel! |
Sänger giebt es, die ewig flennen, In erkünsteltem Gram sich strecken, Wimmern als ob sie stürben vor Schmerzen, Ewig in falschen Gefühlen entbrennen, Weil sie das rechte Gefühl nicht kennen, Und darum auch in Andrer Herzen Keine rechten Gefühle wecken. 184 Hüt' Dich vor solcher schwindelnden Richtung, |
Willst Du den Geist im Gesang erspüren Und Dich erfreuen an seinem Duft: Laß Dich nicht von eitlem Klang verführen, Suche der Erde Gold nicht in der Luft. 185 |
Meide das süßliche Reimgeklingel, Wenn Dir der Sinn nicht zum Herzen dringt – Merke Dir, daß oft der gröbeste Schlingel Die allerzärtlichsten Verse singt. |
Wo sich der Dichter versteigt in's Unendliche, Lege sein Liederbuch schnell aus der Hand – Alles gemeinem Verstand Unverständliche Hat seinen Urquell im Unverstand. |
Wenn die Lieder gar zu moscheenduftig Und schaurig wehn – Muß es im Kopfe des Dichters sehr ideenluftig Und traurig stehn. |
Wer nicht vermag seine Lieder zu schöpfen Aus der eigenen Brust und der wirklichen Welt, Der gehört selbst zu den hirnlosen Köpfen Denen sein hirnloses Lied gefällt. 186 |
Wer in Bildern und Worten in Liebestönen Zu überschwenglich ist, Zeigt, daß er dem Geiste des wahrhaft Schönen Selbst unzugänglich ist. |
Der kluge Mann schweift nicht nach dem Fernen Um Nahes zu finden, Und seine Hand greift nicht nach den Sternen Um Licht anzuzünden. |
Es ist leicht, eine kluge Grimasse zu schneiden Und ein kluges Gesicht, Und gewichtig zu sagen: dies mag ich leiden Und jenes nicht! Und weil ich dies leiden mag, so muß es gut sein, |
Zu des Verstandes und Witzes Umgehung Ist nichts geschickter als Augenverdrehung. |
Wie auf dem Feld nur die Frucht gedeiht, Wenn sie Sonne und Regen hat, Also die Thaten des Menschen nur, Wenn er Glück und Segen hat! |
Wohl mag es im Leben Der Fälle geben, Daß Unglück die Seele läutert, Wie Erfahrung den Blick erweitert. 188 Es giebt auch Fälle, wo der Arzt Zur Heilung Gift verschrieben hat, Und Gift das Uebel vertrieben hat – Doch wär' es nicht Uebereilung, Aus solchem Fall die Erfahrung zu nehmen, Zu jeglichen Uebels Heilung Sei es nöthig Gift zur Nahrung zu nehmen? |
Nicht immer am besten erfahren ist, Wer am ältesten von Jahren ist – Und wer am meisten gelitten hat Nicht immer die besten Sitten hat! |
Mirza-Schaffy! Du müßtest blind sein, Von Herzen ein Greis, von Glauben ein Kind sein, Wolltest Du Dich in Deinem Thun und Dichten Nach Glauben und Satzung der Thoren richten! 189 |
Es hat einmal ein Thor gesagt, Daß der Mensch zum Leiden geboren worden; Seitdem ist dies, – Gott sei's geklagt! – Der Spruch aller gläubigen Thoren worden. Und weil die Menge aus Thoren besteht, |