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Eines Tages gab es wiederum einen aufregenden Zwischenfall im Hause Hilmar. Zwar diesmal erfuhr sonst niemand als der alte Herr davon – diesen aber nahm die Sache doppelt mit. Zum ersten Male in seinem Leben hatte er eine Aufforderung erhalten, vor der Kriminalpolizei zu erscheinen. Dergleichen hat fast immer eine beunruhigende Wirkung. In solch' einer Vorladung ist nur selten gesagt, um was es sich handelt. Kurz und bündig heißt es da: »Sie werden hiermit ausgefordert, sich zu Ihrer Vernehmung am 10. d. M. Vorm. 9 Uhr vor dem Kriminalkommissar, Herrn X., da und dort einzufinden.« Vergebens zerbricht man sich den Kopf: Was kann man wollen? Eine schlaflose Nacht, eine Reihe verstörter Stunden sind unausbleiblich. Herr Hilmar steckte die Vorladung zu sich; es brauchte keiner zu wissen, daß er auf der Kriminalpolizei zu tun habe.

»Sie sind bestohlen worden?« fragte der Kommissar.

»Ich? Bestohlen?« Der alte Mann war ganz fassungslos. »Davon weiß ich ja noch gar nichts!« Er dachte, man sei einem bei ihm verübten Diebstahl auf die Spur gekommen, noch bevor er selbst ihn bemerkt.

»Hier liegt eine Anzeige vor, nach welcher ein gewisser Karl Hilmar, wohl ein Verwandter von Ihnen, Ihre Kasse erbrochen und daraus mehrere tausend Mark gestohlen haben soll.«

»Das – das ist nicht wahr!« rief Hilmar aus innerster Ueberzeugung.

Der Beamte blickte verwundert auf.

»Dann kennen Sie also den wirklichen Täter?«

»Gott bewahre – nein!« Der Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. Er dachte an Pauline, an sein Versprechen, sie nicht unglücklich zu machen; ihre zitternde Bitte klang ihm jetzt ins Ohr.

»Hat man überhaupt gestohlen bei Ihnen?« inquirierte der Kommissar, schon ein wenig ungeduldig.

»Gestohlen eigentlich nicht – entschuldigen Sie! Mir fehlte eben etwas! Aber ich fand es noch in derselben Stunde wieder!« Er atmete erleichtert auf. Das war der richtige Ausweg.

»Aber dieser Karl Hilmar ist es nicht gewesen?«

»Aber Herr Kommissar – mein Neffe! Was denken Sie denn? Und dann – der ist ja tot!«

»Wer ist tot?«

»Karl Hilmar, der arme Junge!«

»Nun, das wäre ja sehr schön,« resolvierte jener, »dann würde ich ja die Akten los! – Ist der Todesfall gemeldet?«

»Natürlich – bei der Polizei!«

»Sie sind entlassen, mein Herr!«

Taumelnd, wie wenn er eben einer schweren Gefahr entgangen, verließ Hilmar das rote Haus am Alexanderplatz. –

*

Nun war, aber auch nur für wenige Tage, eine ruhigere, wenn auch trauervolle Stimmung in der Familie Hilmar eingetreten. Freilich die offizielle Todeserklärung war erfolgt, verspätete, vorsichtig abgefaßte Todesanzeigen erschienen in den Zeitungen, man mußte ja doch seine Freunde und Verwandten in förmlicher Weise von dem Trauerfall benachrichtigen. Peinlich und drückend war das, aber man konnte sich dieser Verpflichtung nicht entziehen.

Die Damen des Hauses legten schwarze Kleider an, empfingen Kondolenzbesuche, zogen sich von allen gesellschaftlichen Beziehungen zurück, – das war alles sehr bedrückend, aber immerhin eine Art Erlösung nach der vorhergehenden, noch viel schmerzlicheren Lage.

Aber auch diese relative Ruhe hielt nicht lange an. Bald tauchte wieder die bange Frage auf: Warum hat er sich getötet?

Diese Frage wurde immer von neuem angeregt, wenn Freunde und Bekannte erschienen, um etwas über die näheren Umstände jenes Todesfalles zu erfahren. Da wurde nun die schmerzliche Erinnerung immer wieder von neuem aufgewühlt, alle Einzelheiten wurden neuerdings lebendig. Allen war jener Unglücksabend so deutlich im Gedächtnis, als wäre es gestern gewesen. Immer wieder und immer wieder erzählte man dieselbe Geschichte und zerbrach sich den Kopf und konnte nicht in das ruhige Geleise des Alltagslebens gelangen.

Ja, heiter, in sorgloser Stimmung war Karl damals fortgegangen, um sechs Uhr ungefähr war er bei dem Geschäftsfreunde erschienen, und von da ab datierte die dunkle Lücke. In dem Kaffeehause, wo er die Rückkehr jenes Geschäftsfreundes erwarten wollte – so hatte er selbst hinterlassen – war er nach übereinstimmenden Aussagen nicht erschienen. Kaum drei Stunden später wurde er im Tiergarten aufgefunden mit einer Kugel in der Schläfe. Ein undurchdringliches Dunkel verhüllte noch immer diese drei Stunden. Was hatte er getan? – Was war geschehen, um eine solche Verzweiflung über den lebenslustigen jungen Mann hereinbrechen zu lassen. Zwar besaß er einen Revolver, aber merkwürdigerweise, dieser fand sich zu Hause unter seinen Effekten vor; er mußte also, um den Selbstmord auszuführen, erst noch einen Revolver unterwegs gekauft haben. Zweifellos – und das stand fest – war er ohne jede düstere Absicht von Hause weggegangen; was aber konnte ihm in dieser kurzen Spanne Zeit widerfahren? – Eine plötzliche Geistesstörung? – Nie hatte er eine Spur davon gezeigt, noch hatte seine Familie irgend ein Symptom davon verraten. Verhehlte er denn sonst ein Unglück? Er liebte Josepha und hatte freiwillig um diese geworben; er stand anscheinend am Ziele seiner Wünsche, was konnte ihm da fehlen? Hatte er eine Gewissensschuld auf sich geladen? Hatte er vielleicht infolge eines unglücklichen Zufalles jemanden schwer beleidigt, verletzt, gar getötet? – Man hätte es erfahren müssen, denn die allwissende Polizei hätte Kunde davon gehabt, und die trauernde Familie hatte sich ja mit den Behörden in Verbindung gesetzt.

Und so sprach man unaufhörlich von Karl; immer wieder von neuem fragte man, forschte man. Aber auch in den weitesten Kreisen, mit denen Karl und seine Angehörigen verkehrt hatten, hatte niemand eine blasse Ahnung, was ihm zugestoßen sein konnte; niemand wußte eine aufklärende Einzelheit, alles kannte ihn als heiter, lebenslustig, ein wenig nervös zwar, aber im übrigen ganz normal. Ein einziger dunkler Punkt war in seinem Leben, seine künstlerischen Neigungen, die in ihm gärten. Er war mit einem Kunstakademiker befreundet gewesen, modellierte oft in dessen Atelier, malte und zeichnete mit Vorliebe. Seine zukünftigen Schwiegereltern sahen diese dilettantischen Beschäftigungen nicht ungern, weil sie den heißblütigen jungen Mann von möglichen Abwegen abhielten. Auch jenen Kunstakademiker, Karls Freund, hatte man längst aufgesucht und inquiriert; aber auch dieser wußte nichts anderes zu sagen, als daß Karl sich mit dem kaufmännischen Beruf versöhnt hätte, seit Josepha seine Braut geworden war.

Eines Tages schien ein Lichtstrahl in dieses traurige Dunkel fallen zu wollen. Ein gänzlich fremder Herr erschien in dem Laden und verlangte dringend Herrn Hilmar in einer Privatangelegenheit zu sprechen. Es war ein ältlicher Herr von beinahe absonderlichem Aeußeren, klein, breitschultrig, mit sonnverbranntem, etwas finsterem Gesicht, langem, stark graumeliertem Haar, sogenannter Künstlermähne. Er trug sich ganz nach Künstlerart, einen breiten Kalabreser auf dem Kopf. Seine kurz angebundene, barsche Redeweise schien auf großes Selbstbewußtsein zu deuten. Er sprach in einer Art von Telegraphenstil.

Herr Hilmar war im Augenblick nicht gleich zu sprechen, da er mit einem Reisenden wegen der Lieferung von kleinen Bronzegegenständen verhandelte. Der Fremde – nach der Visitenkarte, die er vorwies, hieß er Hugo Brennus – mußte sich eine Weile gedulden.

»Wenn es eine Geschäftssache ist, so ist Herr Bode, der Buchhalter hier, um beliebige Auskünfte zu erteilen,« sagte der Kommis Waldenburg.

»Der Buchhalter kann mir nichts nützen,« versetzte der Fremde, »eine reine Privatangelegenheit, in der ich Herrn Hilmar sprechen möchte. Ich sagte es übrigens schon!« setzte er verweisend hinzu.

Waldenburg ließ sich nicht gleich aus seiner gewohnten Kommishöflichkeit bringen.

»Es ist gut; bitte einen Augenblick zu warten, gefälligst hier Platz zu nehmen.« Er wies auf einen der für die Kunden bereitstehenden Stühle.

Der Fremde setzte sich nicht, sondern ging im Laden auf und ab und besichtigte die Kunstgegenstände. Waldenburg machte auf die hervorragendsten Stücke aus der Hilmarschen Sammlung aufmerksam. Der Fremde schien leidlich ein Kunstkenner zu sein, auch mochte er es gewohnt sein, daß man seinem Urteile lausche. Der Kommis hingegen spielte sich in dem Geschäft selbst als Kunstkenner auf, und die meisten Kunden hörten auch gläubig seine Ratschläge an.

»Hier,« sagte er, auf einen Tafelaufsatz deutend, »ein ganz hervorragendes Werk, rein Renaissancestil, von Professor Stockhausen gezeichnet. Dann hier diese Kamingruppe, bitte sie zu beachten, ganz köstliche Rokokoformen, nicht wahr? – Und hier dieses kleine Spind, zwar Imitation, aber nach altem Muster des Cinque cento und die Verzierungen, sie sind nach Motiven Benvenuto Cellinis.«

Waldenburg pflegte besonders den Damen, die in das Geschäft kamen, durch derartige Bemerkungen ganz ungeheuer zu imponieren. Diesmal aber kam er schlecht an, der Fremde schnauzte ihn an.

»Was, Renaissance? – Sie verstehen nichts davon. Hier diese Bogen, das ist doch nicht Renaissance! – Rokoko? – Unsinn! – Alles Verworrene, Stillose ist bei Ihnen Rokoko, nicht wahr? – Und das hier soll ein Motiv des Cellini sein? – Sie sind ein Esel!« –

Waldenburg prallte zurück. Das war doch wirklich zu stark. Wie durfte er sich das als Kavalier gefallen lassen! – Er warf sich in die Brust, so viel er konnte und sagte:

»Wir werden uns noch sprechen, mein Herr! Ich bin im Besitz Ihrer Karte.«

»Gewiß sind Sie im Besitz meiner Karte,« versetzte der Fremde hochmütig, »Sie sollen mich doch Herrn Hilmar melden.«

»Nein, ich bitte, ich will Genugtuung für mich.«

»Nun, gehen Sie zum Schiedsmann, wenn Sie wollen,« sagte der andere achselzuckend; »ich werde dort beweisen, daß Sie ein Esel sind.«

Waldenburg blickte sich scheu im Geschäfte um, um zu sehen, ob die anderen, denen er als Kunstkenner stets imponierte, das Zwiegespräch beachtet hatten. Aber es waren andere Kunden im Laden, die anderen Kommis sämtlich beschäftigt, und niemand schien die kleine Scene beachtet zu haben. Für den Augenblick wußte Waldenburg sich nicht anders zu rächen, als indem er sagte:

»Sie kommen hier herein, mein Herr, kritteln und schimpfen und machen nicht einmal Miene zu kaufen; das ist wenig gentlemanlike von Ihnen!«

Waldenburg sprach das englische Wort übrigens ganz korrekt aus.

Der Fremde lachte laut auf.

»Da haben Sie recht, kleiner Herr! – Man muß wenigstens etwas kaufen. Nun denn, die Büste Schopenhauers, die können Sie mir nach meiner Villa schicken. Der Preis ist gleichgiltig.«

»Schopenhauer?« stotterte Waldenburg. Er konnte sich nicht gleich besinnen, welcher von den blinkenden Bronzeköpfen dem berühmten Philosophen angehörte. Doch da rettete ihn die Inschrift, die an dem Sockel stand; dort an der Ecke, das war Schopenhauer. – »Gut, mein Herr, ich werde Ihnen den Schopenhauer schicken. Im übrigen aber sprechen wir uns noch.« Und mit würdevoller Gebärde überreichte er ihm den roten Kassenzettel.

Herr Brennus sah das Zettelchen gar nicht an. Es mußte ein sehr reicher Mann sein, der nach dem Preise eines immerhin wertvollen Kunstgegenstandes gar nicht fragte.

Inzwischen war Herr Hilmar frei geworden, und der Fremde konnte in das Comptoir eintreten.

Der Chef des Hauses saß in gedrückter Stimmung an seinem Pult. Mit ziemlicher Gleichgiltigkeit erwiderte er den Gruß des Eintretenden. Ein Kunde ohne Zweifel! – Aber ach, das Herz des alten Mannes war zu schwer bedrückt, um davon irgend welchen Eindruck zu empfangen.

»Entschuldigen Sie,« sagte Brennus in seiner barschen Weise, »ich wollte Sie um eine Auskunft bitten. Aber, wie ich bereits draußen sagte, es handelt sich um eine rein private Angelegenheit, und wenn Sie wollen, können Sie mich zur Tür hinauswerfen.«

Diese sonderbare Einleitung machte Hilmar aufmerksam.

»Aber mein Herr, ich denke nicht daran. Im Gegenteil, es wird mich freuen, wenn ich Ihnen dienen kann. Bitte, nehmen Sie Platz!« –

»Bitte, teilen Sie mir mit, was Sie wünschen,« sagte Hilmar nicht ohne Spannung.

Der andere schien nicht ganz leicht sprechen zu können. Offenbar suchte er nach einer Einleitung und fand sie nicht. Nun platzte er auf einmal heraus:

»Ich wollte mit Ihnen sprechen wegen Ihres Neffen Karl Hilmar.«

Der alte Herr schnellte empor.

»Wie, mein Herr? – Sie wissen etwas von Karl Hilmar?«

Brennus wehrte mit der Hand beschwichtigend ab.

»Ja, ich weiß, daß ein Unglück in Ihrer Familie geschehen ist, das sogenannte »Skelett« im Hause, wie man in England sagt.«

Hilmar hob flehend die Hände.

»Mein Herr, ich und meine Familie haben unsäglich qualvolle Wochen durchgemacht. Wenn Sie irgend etwas wüßten, was uns Aufschluß gäbe über das Ende meines armen Neffen –«

Brennus schnitt ihr das Wort ab.

»Machen Sie sich keine vergeblichen Hoffnungen, ich müßte Sie dann gleich enttäuschen. Ich bin es, der gerne etwas erfahren wollte über sein Vorleben.«

»Ich verstehe absolut nicht,« stotterte der alte Hilmar. »Das Vorleben meines Neffen ist aller Welt bekannt, so klar, so einfach! – Offenbar aber haben Sie irgend etwas von ihm erfahren, und vielleicht ist es gerade das, was uns Aufklärung bringen könnte.«

»Ich weiß weiter gar nichts,« versetzte der andere, »als daß Ihr Herr Neffe einen Selbstmordversuch gemacht hat.«

»Einen Selbstmordversuch?« entgegnete der Chef. »Da sind Sie leider falsch berichtet; der Versuch ist geglückt, mein Neffe ist tot.«

Brennus verbesserte sich:

»Ja, er ist tot; ich wußte davon, – habe mich nur nicht richtig ausgedrückt.«

Hilmar sah den Fremden forschend an. Das war doch alles gar zu sonderbar. Die barsche, selbstbewußte Weise des Herrn Brennus widersprach andererseits der tastenden Art, mit welcher er an das Geheimnis der Familie rührte. Etwas ungeduldig versetzte Hilmar:

»Bitte, erklären Sie sich doch näher, ich muß Sie dringend darum ersuchen.«

»Das will ich gern tun,« entgegnete Brennus. »Nochmals aber muß ich Ihnen sagen: Sie haben das Recht, mich hinauszuwerfen.«

»Ich denke wirklich nicht daran,« rief Hilmar. »Aber zur Sache, wenn ich bitten darf!«

»Nun denn,« sprach der Fremde bedächtig, »Ihr Herr Neffe war befreundet mit meinem Sohne, Karl Brennus.«

»Das muß ein Irrtum sein,« bemerkte Hilmar, »mein Neffe Karl kannte meines Wissens niemals einen Brennus; ich hörte heute Ihren Namen zum erstenmale, mein Herr.«

»An dieser Tatsache ist nichts zu ändern,« fuhr der Fremde fort. »Mein Sohn war mit Ihrem Neffen befreundet, ich glaube sogar, ja ich muß es annehmen, daß Ihr Neffe großen Einfluß auf meinen Sohn hatte. Ihr Neffe hatte übrigens auch Beziehungen, von denen Sie vielleicht nichts wußten.«

Hilmar verstummte. Das war ja ganz zweifellos, daß irgend ein Moment in Karls Leben war, den er nicht kannte, Umstände, die sich seiner Beurteilung entzogen. Also Pflicht und Klugheit geboten ihm, dem Fremden Rede zu stehen. Vielleicht rührte man eben jetzt an dem Schlüssel des Geheimnisses, welches ihm und seiner Familie schon so viele schlaflose Nächte verursacht hatte.

»Bitte, sprechen Sie, Herr Brennus, oder fragen Sie, was Sie wollen,« sagte Hilmar tonlos.

Der andere schien nicht leicht Worte zu finden. Nun begann er:

»Ich kann nicht verhehlen, daß mein Sohn nicht ganz nach meinen Wünschen gelebt hat.«

»Ach so,« dachte Hilmar, »der junge Brennus ist nicht wohlgeraten; er war vielleicht in einem uns unbekannten Grade der Verführer Karls.«

»Im Leben meines Sohnes,« fuhr Brennus fort, »ist jetzt eine Wendung eingetreten, welche, wie ich glaube, entscheidend für seine Zukunft sein wird. Der Tod des jungen Hilmar hat großen Eindruck auf ihn gemacht. Was ich gern wissen möchte, ist, in welcher Weise sich Karl Hilmar bis zu seinem Tode betragen hat. – Ich kann Ihnen nur wiederholen, die Auskunft, um die ich Sie bitte, berührt ausschließlich meine Interessen, aber Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mir ehrlich und wahrheitsgetreu mitteilen wollten, was Sie selbst über das gesamte Vorleben Ihres Neffen wissen.«

»Was ich darüber weiß,« versetzte Hilmar schmerzlich lächelnd, »ist genau so viel, als Sie von Ihrem Sohne wissen; denn Karl war mir ein Sohn. Ich habe keinen Grund, Ihnen das mindeste zu verschweigen; aber es ist im Grunde wenig über ihn zu sagen, denn sein Vorleben, wie Sie es nennen, verlief sehr einfach und ohne jeden merkwürdigen Zwischenfall. Er war der verwaiste Sohn eines entfernten Verwandten von mir, ich bin sein Vormund gewesen und habe ihn von klein auf sozusagen für mein Geschäft erzogen. Ich hatte große Mühe mit ihm, denn sein Temperament und eine gewisse Vorliebe für künstlerische Beschäftigungen sträubten sich gegen den kaufmännischen Beruf. Es gab also Reibungen und häusliche Scenen, im ganzen und großen aber hatte Karl niemals irgend einen ernsten Anlaß zur Klage gegeben, auch nicht einmal einen ernsthaften, sogenannten dummen Streich gemacht. Genug, mir ist absolut nichts bekannt, was seinen Selbstmord erklären könnte. Ein wenig excentrisch war er bisweilen, aber im ganzen immer vernünftig, dabei gutmütig, leicht zu beeinflussen, immer wieder leicht auf den richtigen Weg zu bringen; ja, lange Perioden hindurch betrug er sich geradezu musterhaft, dann brach auf einmal sein Leichtsinn los wie eine elementare Katastrophe. Aber das ging bald vorüber, er bereute, wenn er zu weit gegangen, er wurde immer wieder ganz vernünftig und brauchbar. Die letzte derartige Krise, welche sein Temperament herbeiführte, mag sich zu der Katastrophe in seinem Leben gesteigert haben; aber auch das ist nur Vermutung. – Er hatte keine irgendwie verwerflichen Leidenschaften, er war gewissenhaft in Geldangelegenheiten, genug, ich hatte allen Grund, mit ihm zufrieden zu sein, was sich schon dadurch ausdrückt, daß ich geneigt war, ihm meine Tochter zur Frau zu geben. Das ist so ziemlich alles, was ich Ihnen zu sagen habe; mein Wort darauf, daß es der vollen, ungeschminkten Wahrheit entspricht.«

Diese Auskunft mußte doch Herrn Brennus' Wünschen entsprechen. Dennoch blieb er mit unbefriedigter Miene sitzen.

»Ihr Wort in Ehren, Herr Hilmar,« sagte er, »was Sie mir sagen, ist gewiß die Wahrheit! Ist es aber auch die ganze Wahrheit?«

Hilmar wollte heftig werden. Aber er besann sich. Wahrscheinlich zirkulierten häßliche Gerüchte über den Verschwundenen. Vielleicht war auch irgend etwas von einem in seinem Hause begangenen Diebstahl durchgesickert. Er mußte seinen armen Karl in Schutz nehmen. Energischer wiederholte er:

»Mir ist von einer Schuld, die mein Neffe auf sich genommen hat, absolut nichts bekannt!«

Herr Brennus machte ein ungläubiges Gesicht, aber er sagte nichts weiter; er schien sich seinen Teil zu denken.

Der alte Hilmar bezwang seinen Aerger. Der Fall war ja schließlich doch derart, daß üble Nachreden kaum zu vermeiden. Armer Karl! Was mochte man ihm alles nachsagen!

Brennus erhob sich jetzt zum Gehen.

»Verzeihen Sie, daß ich auf diese Weise eine schmerzliche Erinnerung in Ihnen wachrief. Ich hatte allen Grund dazu. Nun habe ich mich überzeugt, daß mein Sohn mir über Karl Hilmar die volle Wahrheit gesagt hat, und nichts anderes wollte ich feststellen. Nochmals besten Dank!«

Herr Brennus wandte sich zum Gehen. Hilmar folgte ihm noch einmal bis an die Tür.

»Sollte es nicht möglich sein, mein Herr,« sagte er, »daß Sie oder Ihr Sohn uns irgend etwas mitzuteilen hätten, was uns die gewünschten Aufschlüsse gibt?«

»Ich bedaure sehr,« versetzte Brennus abweisend; »ich weiß absolut nichts von der Endkatastrophe im Leben Ihres Neffen. Ebensowenig kann mein Sohn etwas darüber sagen.«

Und er empfahl sich rasch, kurz, offenbar von dem Wunsche gedrängt, die Unterredung baldmöglichst zu beenden.

Hilmar blieb sehr aufgeregt zurück.

»Das war doch recht sonderbar, fast unerklärlich,« sagte er zu Armin Bode, welcher während des Gespräches das Comptoir verlassen hatte. »Man könnte doch wetten, daß dieser junge Brennus in irgend welchem Zusammenhange steht mit dem Unglück, welches über Karl hereingebrochen. Aber der junge Brennus scheint sich selbst kompromittiert zu haben, und man wollte uns nur auf den Zahn fühlen, unsere Stimmung sondieren; im übrigen aber wollte der junge Herr Brennus aus der Schußlinie bleiben. – Nun, lassen wir die Sache auf sich beruhen, es kann dem armen Karl nichts mehr nützen, immer und immer wieder in den alten Wunden zu wühlen.«

Dem ein wenig philiströsen Sinne Hilmars widerstrebte der geheimnisvolle Besuch; am liebsten wollte er nichts mehr davon wissen.

Armin Bode ging wieder anscheinend ruhig an seine Bücher. In ihm aber gärte es fort, was er über das Erscheinen des alten Brennus vernommen.

Da lebte jemand, der möglicherweise etwas von Karl Hilmars Schicksal wußte. Und er selbst, Armin Bode, konnte ja der Vorstellung nicht entrinnen, daß Karl Hilmar am Ende noch lebe, eines Tages erscheinen und ihn zur Rechenschaft ziehen würde, weil er seinen Platz im Hause eingenommen hatte.

Wie Hilmar gewünscht, sprach er nicht mehr von Brennus, aber sein Entschluß stand fest: Er wollte jenen Brennus selbst noch einmal aufsuchen. Die Visitenkarte des Fremden gab auch seine Adresse an: Am Kurfürstendamm – und die Angabe des Adreßbuches stimmte mit der Karte überein. Brennus schien Rentier und Hausbesitzer zu sein.

An einem der folgenden Abende machte sich Armin ein wenig früher frei und fuhr hinaus nach dem Kurfürstendamm. Er hatte weit hinauszufahren, es war in der Nähe des Grunewaldes, wo die kleine, elegante, zierliche Villa stand, welche Brennus bewohnte.

Das Haus war von der Straße durch eine für das Auge undurchdringliche grüne Hecke abgesperrt. Armin klingelte, worauf ein sehr wohlgekleideter, weißhaariger Diener erschien, welcher ihm mitteilte, Herr Brennus sei zwar zu Hause, aber schwerlich zu sprechen.

Da Armin näher in den Alten drang, erklärte er, sein Herr lebe streng zurückgezogen und sei überhaupt schwer zugänglich. Armin Bode faßte sich ein Herz und bat den Diener, ihm doch, wenn irgend möglich, eine Unterredung mit seinem Herrn zu verschaffen; es handle sich um eine sehr wichtige Sache.

Der Alte nickte verständnisinnig.

»Sagen Sie doch lieber offen heraus, brauchen Sie Geld oder eine Empfehlung?«

Bode wehrte energisch ab.

»Nun, genieren Sie sich doch nicht,« fuhr der Alte freundlich fort. »Freilich, Sie sehen vornehm und reputierlich aus, aber es ist trotzdem schon vorgekommen, daß solche junge Herren –«

Armin Bode wehrte abermals ab. Aber der Alte schien ihm nicht recht glauben zu wollen.

»Unser Herr gibt viel und gerne,« sagte er, »und auch nicht den Armen, die ja auf der Straße herumlaufen und heulen, ja, denen gibt er am wenigsten; er unterstützt am liebsten Künstler, geistige Arbeiter, geknickte Existenzen, wie er sagt. Sie können also frei heraussagen, wenn Sie –«

Armin unterbrach nochmals den Redestrom des Dieners. Wirklich und wahrhaftig, er wollte weder Geld borgen, noch betteln.

»Also Protektion,« meinte der Diener wichtig; »Sie brauchen Empfehlungen, ein Reisestipendium, einen Beitrag aus einer Stiftung, oder aus der Privatkasse des Herrn Brennus? – Entschuldigen Sie, daß ich so in Sie dringe, aber es ist mein Auftrag so; wenn jemand, der im Hause nicht eingeführt ist, kommt, muß ich mich genau darüber informieren, was er wünscht, sonst darf ich meinem Herrn gar nicht mit einer Meldung kommen. Bitte also, sagen Sie mir lieber offen, was Sie wollen.«

Armin Bode geriet ein wenig in Verlegenheit. Wie sollte er dem Alten erklären, was er hier wollte?

»Es ist eigentlich nicht Herr Brennus selbst, den ich dringend zu sprechen wünsche, sondern sein Sohn.«

Der alte Diener machte ein verdutztes Gesicht.

»Ach so, – Sie wissen? –«

Die Reihe, verdutzt zu sein, war nun an Armin.

»Was soll ich weiter wissen? – Ich möchte gerne den Sohn des Herrn Brennus sprechen.«

»Den Sohn – ja – den Sohn?« wiederholte der Diener; »der ist nicht hier.«

»O bitte, sagen Sie mir, wo er sich aufhält,« drängte Armin.

»Er dürfte gegenwärtig in Rom sein,« lautete die Antwort, »ich kann es aber auch nicht genau sagen.«

Armin überlegte eine Weile. Sein Eindringen in dieses fremde Haus war eigentlich nutzlos, wenn der junge Brennus nicht anwesend war. Und doch, – und doch, – es handelte sich um seine eigene Seelenruhe. Unendlich viel lag ihm daran, wenn er nur wenigstens die Adresse des jungen Brennus erhalten konnte, das wollte er versuchen.

»Nun also,« wandte er sich zu dem Diener, »bitten Sie Herrn Brennus, mich doch zu empfangen. Sagen Sie ihm, er erweise mir eine große Wohltat damit, und ich verlange nichts, gar nichts für mich, nichts als eine Auskunft, eine Aufklärung.«

»Nun gut, ich will es versuchen.«

Und der Diener ging mit Armins Karte davon.

Der junge Mann blieb in dem Vorgarten zurück, wo er promenierte. Niemals hatte er soviel künstlerische Ausstattung, so viel Geschmack, so viel feinsinnigen Luxus auf einem kleinen Fleckchen beisammen gesehen. Die ganze Villa war ein kleines Juwel, in den reinsten Formen erbaut und verschwenderisch ausgestattet, das Gärtchen unvergleichlich gepflegt, die Statuen und anderen Schmuckgegenstände von auserlesenem Geschmack.

Das Innere schien dem Aeußeren zu entsprechen. Er konnte nur in eines der Parterrezimmer blicken, dessen Tür nach dem Vorgarten geöffnet war. In diesem kleinen Raume waren ganze Schätze aufgespeichert, prächtige orientalische Teppiche und andere Kunstgegenstände, alle orientalischer Provenienz. Es war offenbar ein Herrenzimmer, ein Rauchzimmer.

Höchstens in irgend einer Ausstellung hatte Armin Aehnliches gesehen, niemals in einem Privathause.

Was ihm zunächst auffiel, war ein Porträt, das den Ehrenplatz an der der Tür gegenüberliegenden Wand einnahm. Es stellte einen wunderschönen, leicht brünetten Knaben vor, dessen offenes, lachendes Gesicht von anmutig gelocktem Haar umgeben war; seine Augen blitzten und machten den Eindruck wirklichen Lebens. Die ganze Erscheinung atmete Jugendluft, sprühendes Leben. Der porträtierte Knabe mochte zehn bis zwölf Jahre alt sein, er war wohl der junge Brennus, – oder war er's nicht? – Eine dunkle Draperie umgab das Bild, welches für gewöhnlich von einem schwarzen Vorhange bedeckt schien; dieser Vorhang war augenblicklich seitwärts geschoben und vielleicht nur aus Versehen nicht wieder über das Bild gezogen worden, und so blickte das fröhliche Gesicht des Knaben gleichsam verwundert in die einsame, düstere Stube seines Vaterhauses.

Noch war Armin in die Betrachtung des Porträts versunken, als der weißhaarige Diener zurückkehrte. Schon von weitem sah Armin an seiner Haltung und Miene, daß er eine abschlägige Antwort brachte, und in der Tat, es war so.

Herr Brennus bedauerte, Herrn Bode nicht empfangen zu können; er habe aus dessen Karte entnommen, daß er von der Firma Hilmar komme, und die jüngst verhandelte Angelegenheit sei völlig abgeschlossen; er könne darüber nichts mehr sagen. Sollte der junge Herr jedoch etwas anderes wünschen, so möge er es dem Kammerdiener anvertrauen.

Sehr verstimmt platzte Armin heraus:

»Ich möchte ja weiter gar nichts als die Adresse des jungen Herrn Brennus, und auch von diesem selbst habe ich nichts weiter zu erbitten, als eine Auskunft über einen Verstorbenen. Mir diese Auskunft aber zu geben, ist ein Werk der Barmherzigkeit.«

Armin gab seinen ganzen Stolz auf und bat den Diener, ihm die Adresse zu verschaffen.

Der Alte machte ein so geheimnisvolles Gesicht, als habe man von ihm einen Abdruck des Kassenschlüssels seines Herrn verlangt.

»Ich kann mir ja alles denken,« sagte er, »was Sie von dem jungen Herrn wollen.«

»Nein, nein, Sie können sich gar nichts denken,« sagte Armin. »Oder wissen Sie etwas von den Beziehungen zwischen dem jungen Brennus und Karl Hilmar?«

Mit auffallender Lebhaftigkeit wehrte der Alte ab.

»Nein, ich weiß gar nichts – nicht einmal die Adresse, die Sie wünschen. Auf Ehre und Seligkeit, niemand weiß sie als Herr Brennus selbst! – Der Aufenthalt des jungen Herrn wird verschwiegen aus Gründen, von denen wir im Hause alle nichts wissen; aber Tatsache ist es, daß er verschwiegen wird.«

Die Worte des Alten ergaben eine Flut von Vermutungen. Der junge Brennus hielt sich gewissermaßen verborgen, und das hing offenbar mit Karls Tode zusammen. Vielleicht hatte Frau Hilmar richtig vermutet mit ihrem amerikanischen Duell; vielleicht auch hatte der junge Brennus Karl durch einen Unglücksfall getötet. – Das alles war möglich. In jedem dieser Fälle wünschte Brennus sen. die Richtigkeit der Angaben seines Sohnes zu prüfen und war deshalb bei Hilmar erschienen.

»Nun, ich werde es schon einmal möglich machen, Herrn Brennus zu sprechen,« sagte Bode jetzt; »ich muß und werde die Gelegenheit finden.«

Er wollte gehen.

»Sie irren sich,« sagte der Diener, »Herr Brennus ist nicht so leicht zu sprechen, wie Sie denken. Er ist eine Art von Menschenfeind, hat fast gar keinen Verkehr, und um ihn zu überrumpeln, muß man seine einsamen Spaziergänge im Tiergarten kennen, und so viel ich weiß, kennt diese niemand. Manchmal geht er ans Meer, manchmal ins Hochgebirge, manchmal besucht er auch eine Kunstausstellung, aber das sind immer unberechenbare Zwischenfälle. Auch würde es Ihnen gar nichts nützen, ihn zu überrumpeln, denn er ist ein nervöser, heftiger Mann, und besonders bei dem Worte ›Sohn‹ fährt er auf, wird unwirsch und ganz verschlossen. Das ist so seit dem Tode des jungen Herrn.« »Wieso seit dem Tode des jungen Herrn?« fragte Armin erstaunt. »Ich denke, der junge Herr ist in Rom?«

Der Alte hatte sich verschnappt, aber offenbar redete er noch gerne weiter: wahrscheinlich war er neben seinem Herrn zu lange zur Schweigsamkeit verurteilt gewesen.

»Ich meine unseren Herrn Karl,« sagte er, »den armen Herrn Karl, der sich, zwanzig Jahre alt, erschossen hat. Es war zu schrecklich, kein Wunder, daß Herr Brennus davon etwas verdreht wurde.«

»Ist das dort vielleicht das Porträt des Unglücklichen?« frug Armin.

»Ja, ja, das ist er, der arme Karl. Ich habe ihn auf den Armen getragen, denn ich bin schon seit dem frühen Tode der gnädigen Frau im Hause.«

Armin starrte das Bild an und vergaß fast seinen eigenen, doch mehr eingebildeten Kummer. Dieser schöne Knabe mußte ein schöner Jüngling geworden sein, begabt, mutig, lebenslustig, außerdem in den glücklichsten, vielleicht glänzenden Verhältnissen aufgewachsen. Und mit zwanzig Jahren hatte er sich erschossen.

»Wie konnte das geschehen?« sagte er, ehrlich ergriffen.

Den Alten rührte die Teilnahme des Fremden.

»Wir wissen auch das nicht genau,« sagte er. »Allem Anscheine nach war der Herr ein wenig gar zu streng gewesen, der junge Herr war in irgend eine Klemme geraten, eine Geldverlegenheit, hatte Schulden auf Ehrenwort gemacht oder etwas derartiges. Der Papa, unmäßig erzürnt, versagte ihm jede Hilfe; genug, es geschah, und seither ist Herr Brennus so menschenscheu, so nervös geworden. Aber wie gesagt, wir wissen selbst nichts Genaues darüber.«

Armin besann sich nur mit Mühe auf die Gegenwart, auf die Wirklichkeit. Er hatte einen furchtbaren Blick in das Leben getan. Da diese reizende Villa, welche Genuß und Wohlleben auszuatmen schien, und der glückliche Besitzer hatte zwei Söhne. Der eine davon hatte mit zwanzig Jahren ein tragisches Ende genommen, der andere weilte in der Fremde, hatte doch wohl irgend eine Schuld auf sich geladen, genug, er hatte sich unmöglich gemacht für sein Vaterhaus, vielleicht für die Gesellschaft. – Wahrhaftig, das Herz dieses schwergeprüften Vaters mußte man schonen; gewiß, das einfachste Taktgefühl verbot, auf ein Zusammentreffen mit Brennus zu dringen. Der Sohn würde ja auch einmal wiederkommen und dann zu finden sein.

Armin beschloß, das kleine Haus und die Familie im Auge zu behalten. Was ihn selbst betraf, so war es wohl das beste, sich seine törichten Skrupel vorläufig aus dem Sinn zu schlagen. Karl Hilmar war ja doch tot und nichts anderes würde zu erfahren sein, als möglicherweise einige nähere Umstände über jenen Todesfall.

Der Einblick in diese furchtbare Familientragödie ließ Armin in diesem Augenblicke seinen eigenen Kummer wirklich geringfügig erscheinen, und als er jetzt den Kurfürstendamm entlang schritt, der Stadt zu, sagte er sich:

»Du bist ein Tor! – Sei glücklich, greife zu! – Das Leben ist nicht allzu reich an glücklichen Chancen und guten Aussichten. Es ist ja traurig, daß Karl Hilmar tot ist, und daß Dein eigenes Glück sich an diesen Umstand anknüpft, aber Du selbst bist ja ohne jede Schuld daran.«

*


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