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Mercur.

Mercur und Amor sind zwei lose Brüder,
Und wer der schlimm're Schelm und Dieb von Beiden,
Ein Allerschlimmster nur könnt' es entscheiden,
Doch nicht zwei halb so schlimme trifft man wieder!
Zwar melden wenig uns die alten Lieder
Von Hermes' Liebeslust und Liebesleiden:
Als Diener nur vom höchsten Gott der Heiden
Mit Liebesbotschaft fliegt er auf und nieder.
Zwei kleine Schelmenstücklein nur, mit Herse'n
Und Ceyx' schönem Bruderskind, Chione'n, Die etwas verfänglichen Geschichten Beider möge man in demselben Gedicht, L. VII., 708 und XI., 307 nachlesen.
Erzählt Ovid in seinen bunten Versen.
Wißt Ihr warum? Es weiß den Ruf zu schonen
Der schlaue Gott mit Flügeln an den Fersen,
– Und wer discret ist, dem wird's Amor lohnen!

IV.

Du bist in Sorgen, schöne Leserin,
Wie es der guten Psyche bald ergehe,
Und, rath' ich recht, meinst Du in Deinem Sinn,
Verderben send' ihr Venus aus der Höhe!
Ach, damit hätt' es noch ein Weilchen hin –
Die schlimmern Feinde drohn aus nächster Nähe,
Und sichrer, als Geschoß von weitem, trifft
Der kurze Dolch, am sichersten – das Gift!

Und Gift, der Gifte allerärgstes braute
Für Psychens Glück das böse Schwesternpaar:
Der reine Sinn, der Jedem froh vertraute.
Soll ihr entrissen sein auf immerdar!
O daß sie je die Falschen wieder schaute,
Daß Amor ihr nicht unerbittlich war!
Zu spät! Nichts bleibt zu sagen mehr, als: Rolle,
Roll' hin, Geschick, und falle, was da wolle!

Zum zweiten Mal erschien auf Zephyrs Schwingen
Das arge Paar bei Psychen zum Besuch:
O wie sie zärtlich küssend sie umschlingen,
Und Schmeicheleien, die dies leichte Buch
Auch nicht zum Zehntheil fassen könnte, bringen!
– Als ob, versteckt in Färb' und Wohlgeruch
Ein garst'ger Kanker unter Blumen krieche! –
»Mein Seelchen!« klingt es, »Süße kleine Psyche!«

»Wie lebtest Du? Bliebst Du in Wohlergehen?
Und Dein Gemahl, der glückliche – wo weilt er?
Wird uns die Freude nicht, ihn heut zu sehen?
Wie, oder gar vor uns'rem Nah'n enteilt' er?
Du wolltest jüngst vertraulich uns gestehen,
Nicht selten sei er fern: – o sage, theilt er
Noch immer seine Zeit so karg Dir ein?
Und Was verwehrt ihm, sie Dir ganz zu weihn?«

Das junge Weibchen blickt verlegen nieder:
Das Lügen fiel ihr jüngst hinlänglich schwer,
Nun fragt man schon sie unvermuthet wieder,
Und was sie sagte, weiß sie heut nicht mehr.
»Ein Kaufherr sei der Gatte, schlicht und bieder,«
Spricht sie erröthend, »häufig hin und her
Zu reisen des Gewinnes halb gezwungen;
– Ob alt? – O nein, doch auch nicht von den Jungen!«

Die Schwestern lassen tückisch mehr und mehr
Die Aermste sich im eignen Netz verstricken,
Indessen unbemerkt sie hin und her
Sich Wink' und einverstand'ne Blicke schicken;
Dann wechseln jäh sie Fechtart und Gewehr,
Und fallen der Erschrock'nen in den Rücken.
»Unsel'ge!« schreien sie mit falscher Klage,
»Dein Unglück, Schande, Täuschung liegt zu Tage!«

»Ein Kaufherr heut, verständig und bei Jahren?
Zum Reisen und zur Handelschaft geschickt?
– Und neulich war's ein Waidmann, blond von Haaren,
Dem nur erst Flaum die zarte Wange schmückt?
Was würden wir das nächste Mal erfahren?
– Gesteh' es nur: Du hast ihn nie erblickt
Im Dunkeln, wie er kam ist er gegangen,
Und ach, Du ahnest nicht, Wen Du umfangen!

Hast Du den Götterspruch vergessen schon?
Ein Ungeheuer, grausam, tückevoll,
Wie Keines je dem Höllenschlund entflohn,
Rannt' er den Gatten, der Dich freien soll!
– O nur zu reich erfüllte Dir sein Droh'n
Bis an den Rand der hohen Götter Groll!
Ein Molch, ein Drache kommt, in Deinen Armen
Die eklen Schuppenglieder zu erwärmen!«

Nun hatte zwar von kalter Schlangenhaut
Und Ringeln Psyche niemals Was empfunden,
Doch weil sie ganz den falschen Schwestern traut,
Wähnt magisch sie den eignen Sinn gebunden.
So wird's begreiflich fein, daß ihr gegraut,
Daß sie den Rath befolgenswerth gefunden:
»Vorsichtig werde Lamp' und Dolch versteckt,
Und, schläft es, kühn das Unthier hingestreckt!«
Die Schwestern scheiden, ihres Siegs gewiß,
Und können kaum das Jauchzen an sich halten:
»Vergiß« – sie rufen's noch zurück – »Vergiß
Nicht unsern Rath zu Thaten zu entfalten!«
Allein bleibt Psyche. Bis zur Finsterniß
Muß einsam sie der gold'nen Räume walten.
Die Grazien – Ja, wo waren sie geblieben?
Des Paars Geplapper hat sie wohl vertrieben!

Ihr ist so schwül – auch scheint im düsterblauen
Südwest ein nahend Wetter längst zu lauschen:
Durch Myrth' und Lorbeer, durch die silbergrauen
Olivenblätter manchmal geht ein Rauschen,
Wie durch das Schweifrad eines brünst'gen Pfauen:
Dann wieder still – die hohen Wipfel tauschen
Mit fahlem Schatten schon das Abendlicht.
Früh naht das Dunkel – Psychens Gatte nicht.

Sie sitzt erwartend auf des Lagers Rand,
Ach, nicht wie sonst in bräutlich süßem Bangen:
Ein eisig Grauen hat um Fuß und Hand
Sich ihr gelegt, wie ein Geflecht von Schlangen: –
– Nun ist Er da, löst spielend Haar und Band,
Und hält mit Küssen zärtlich sie umfangen.
Sie duldet Kuß um Küsse, küßt – und bebt:
Verrathen ist sie, wenn sie widerstrebt!

Doch horch er schläft. Leis athmend wie ein Kind,
Das froh den langen Tag sich müde spielte!
Sie lauscht, sie zaudert – doch die Nacht verrinnt,
Schon ist's, als ob es morgendlich sich kühlte!
Sie hebt sich leise, leis' – und auf geschwind,
Sobald sie frei von seinem Arm sich fühlte!
Schon steht sie, bleich, vom Lämpchen angeglüht,
Den Dolch gezückt, und neigt sich vor – und sieht!

Und sieht – in sanftem Schlummer hingestreckt
Sieht sie den Herrlichsten der Göttersöhne:
Im Strahl der Lampe leuchtet unbedeckt
Der schlanken Glieder jugendliche Schöne!
Sie sieht und zittert, wonnevoll erschreckt,
Daß solch ein Glück sie unerkannt bekröne,
– Da schwankt die Lamp' in ihrer Hand, und – weh
Abtropft es heiß auf seiner Achsel Schnee!

Und zürnend fährt der Gott vom Pfühl empor:
Die goldnen Locken wehen aus wie Flammen,
Und schreiend sinkt – ihr ahnt, was sie verlor –
Das unglück'sel'ge Weib vor ihm zusammen.
Kein strafend Wort schlägt an ihr schuldig Ohr,
Doch durch sein Auge sieht sie sich verdammen,
– Und schon die lichten Schwingen schlägt er aus,
Und flieht, ein Blitzstrahl, aus Gemach und Haus.

Am Boden bleibt sie, starr und ohne Klagen,
Und fühlt nur, – daß die Sinnen ihr vergehn.
O könnte Venus, die im Taubenwagen
Just nah vorüberfliegt, sie liegen sehn:
Wie würd' ihr Herz vor wilder Freude schlagen,
Wie würde sie bejauchzen, was geschehn!
Doch ahnt sie Nichts – am Thron des Zeus zu bitten,
Ist ungesäumt sie himmelan geglitten.

*

 


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