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Sie ist gestorben, so sterb ich auch, die Welt ist öde ... In tiefer, heiterer Ruhe will ich den Augenblick erwarten, der mich ruft. Ich will fröhlich sterben wie ein junger Dichter.« Nicht an Selbstmord denkt Novalis: er will an Sehnsucht sterben. Unter dem ersten Eindruck des Todes dachte er wohl auch an ihn: von Pflanzengiften spricht er öfters in dunklen Worten. Doch allmählich verliert sein Schmerz das Erdrückende; Novalis wird ruhig, heiter fast, denn es erfüllt ihn die Gewißheit seines balden Sterbens aus Sterbenssehnsucht. Von dem Tagebuch, das er am 18. April 1797 beginnt und bis zum Oktober des Jahres führt – er bezeichnet die Tage immer auch ›den 31., den 32. Tag nach Sophiens Tod‹ – von diesem Tagebuch sagt Maeterlinck: »II est l'orloge qui a marqué quelques-unes des heures les plus subtils de l'âme humaine.« Er notiert darin in kurzen Sätzen, oft nur in ein paar Worten, ob er heiter oder traurig, ob er mit sich zufrieden oder nicht zufrieden ist, er notiert, was er getan, woran er gedacht hat. Drei Motive kehren immer wieder: das leise, erst nur angedeutete der Todessehnsucht, ›der Entschluß‹ wie er es nennt, das Denken an Sophie, und der ›Wilhelm Meister‹, die Teilnahme am Leben bei allen Todesgedanken. »An Sophie hab' ich oft, aber nicht mit Innigkeit gedacht, an Erasmus kalt ... Viel an Sophie gedacht, mutig und frei ... Ich habe zwar mit Rührung nicht an sie gedacht, ich bin fast lustig gewesen; aber doch gewissermaßen ihrer nicht unwert ... Früh wie gewöhnlich an sie gedacht, dann Meister ... Ich trug Blumen an ihr Grab. Ich war zwar kalt, aber doch weinte ich.« Dann wieder kühn die Sterbenssehnsucht: »In drei Monaten ist es vollendet. Christus und Sophie.« Und aus einem gleichzeitigen Brief an Schlegel: »es erwacht täglich beständiger, kräftiger in mir; es gedeiht jetzt in der süßen Ruhe, die mich umgibt ... Zufrieden bin ich ganz – die Kraft, die über den Tod erhebt, habe ich ganz neu gewonnen. Einheit und Gewalt hat mein Wesen angenommen – es keimt schon ein künftiges Dasein in mir. Diesen Sommer will ich recht genießen, recht tätig sein, mich recht in Liebe und Begeisterung stärken. Krank will ich nicht zu ihr kommen – im vollen Gefühl der Freiheit – glücklich wie ein Zugvogel sein. Der Morgen naht, das verkünden mir die ängstlichen Träume. Wie entzückt werde ich ihr erzählen, wenn ich nun aufwache und mich in der alten, längstbekannten Urwelt finde und sie vor mir steht: Ich träumte von dir, ich hatte dich auf der Erde geliebt – du glichest dir, auch in der irdischen Gestalt – du starbst – und da währte es noch ein ängstliches Weilchen, da folgte ich dir nach.« Novalis fühlt das stärkere Leben in sich aufwachen und freut sich, in Stärke sterben zu können. Bald werden die ängstlichen Morgenträume schwinden und wird der Tag des Gedichtes anbrechen. Aus dem Tagebuch: »Abends ging ich zu Sophien. Dort war ich unbeschreiblich freudig. Aufblitzende Enthusiasmusmomente. Das Grab blies ich wie Staub von mir, Jahrhunderte waren wie Momente; ihre Nähe war fühlbar, ich glaubte, sie solle immer vortreten.« Diese Worte schrieb der Dichter. In der dritten der ›Hymnen an die Nacht‹ kehren sie wieder. Hardenberg hatte den Menschenschmerz überwunden, da ihn Novalis gestaltete. Der Kelch der Blauen Blume hat sich erschlossen. Tod und Leben sind Eines, denn »Tod ist nichts als Unterbrechung des Wechsels zwischen innerem und äusserem Reiz, zwischen Seele und Welt.« Jung sah Novalis seinen Bruder sterben, ein Kind noch starb seine Braut, er selbst fühlt »Ich soll hier nicht vollendet werden« – wie konnte er da glauben, daß der Tod ein Ende, daß der Tod das Lebensfremde sei? Man mag die Wurzeln von Novalis' Mystik in den Einflüssen seines Elternhauses suchen, man mag Seiten aus den Schriften des Gallitzin'schen Hausphilosophen Hemsterhuys zitieren, den er manchmal las wie auch den Böhme – zum inneren Erlebnis ward sie ihm, da er jung sterben sah, was er liebte: Bruder und Braut.