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Dalmars großes Fest nahte, das Fest zu Ehren des Jesuskindes. Es war Dezember. Über die Albufera pfiff ein eisiger Wind, der die klammen Hände der Fischer an die Ruderstangen anpichte. Die Männer trugen bis über die Ohren heruntergezogene wollene Mützen und trennten sich nicht mehr von ihrem gelben Ölzeug, das beim Gehen wie steifgestärkte Unterröcke knitterte. Die Frauen verließen überhaupt kaum die Hütte; das ganze Familienleben spielte sich am Herdfeuer ab, von dem man sich in einer Luft, dick und muffig wie die der Eskimohütten, ergeben räuchern ließ.

Das Niveau der Albufera stieg und stieg. Die winterlichen Regenfälle brachten so erhebliche Zuflüsse, daß von den überschwemmten Feldern und Dämmen nur hier und da die Spitzen versunkener Pflanzen herausguckten. Isoliert liegende Hütten, die früher auf festem Boden gestanden hatten, trieben jetzt scheinbar auf dem Wasser, und die Boote legten an der Haustür selbst an.

Von dem Sumpfboden Palmars stieg eine grausame, unerträgliche Kälte empor, und die Gevatterinnen im Dorf beteuerten, noch niemals einen derartig harten Winter erlebt zu haben. Die diebischen Sperlinge fielen erstarrt von den Strohdächern, mit einem kleinen Piepen, traurig wie das Wimmern eines Säuglings. Voller Erbarmen mit der Not der Armut stellten sich die Flurhüter, als ob sie das Heer von Kindern, das täglich in den Wald einfiel, um dürres Holz zu sammeln, nicht bemerkten.

Cañamels Stammgäste saßen auf niedrigen Schemeln um den Ofen herum, aus dessen Nähe sie sich nur entfernten, wenn die Gläser am Schanktisch neu gefüllt werden mußten.

Palmar schien erstarrt, in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein. Keine Menschen auf der Straße, keine Barken auf dem See! Höchstens sah man am Vormittag vereinzelte Männer, deren vielfach mit Lappen umwickelte Füße zu unförmigen Kolossen geworden waren, die nächtlicherweile ins Netz gegangenen Fische sammeln. Den Boden der Boote bedeckte als Schutz gegen die Kälte noch eine dicke Lage Reisstroh.

Oft schwammen bei Tagesgrauen – ähnlich erblindeten Spiegeln – breite Eisplatten im Kanal.

Alle fühlten sich von der grimmigen Kälte bezwungen. Sie waren Kinder der Wärme und gewöhnt, den See unter der glühenden Zärtlichkeit der Sonne sieden und die Felder ihren verderblichen Hauch verdampfen zu sehen. Nicht einmal die Aale wollten, wie Paloma erklärte, in solchem Hundewetter die Mäuler aus dem Schlamm herausstrecken. Und um die Lage noch zu verschlimmern, fielen häufig wahre Sturzregen, als deren Folge die Kanäle übertraten. Ein grauer Himmel hüllte die Albufera in eine Wolke von Traurigkeit, und die durch die Nebelschwaden ziehenden Barken mit ihren regungslosen, im Stroh vergrabenen Männern hätte man für Särge halten können. Doch als das Fest des Jesuskindes bevorstand, lebte Palmar wieder auf. Wie alle Jahre mußte man sich belustigen – mochte der See auch gefrieren, bis man auf ihm gehen konnte, wie solches in anderen Ländern vorkommen sollte! Mehr noch als die Vergnügungssucht trieb sie der Wunsch, durch laute Freude ihre alten Rivalen, die Fischer von Catarroja, zu ärgern, die sich über die Winzigkeit des Jesuskindes von Palmar lustig machten. Verstiegen sich diese Feinde ohne Glauben und Gewissen doch sogar zu der Behauptung, daß die von Palmar ihren himmlischen Schutzpatron in den Kanal tunkten, wenn der Fischfang schlecht ausfiel! ...

Ganz Palmar traf seine Vorbereitungen. Die Frauen fuhren, die Kälte mißachtend, über den See zum Weihnachtsmarkt nach Valencia, bei ihrer Rückkehr schon am Kanal von einer Herde ungeduldiger Kinder in Empfang genommen, die nicht den Moment erwarten konnten, daß sie ihre Pferdchen aus Pappe, Blechsäbel, Trommeln und Trompeten in die Hand bekamen. Die Festlichkeiten dauerten stets drei Tage, und Neleta gedachte, sich in diesem Jahre mehr als je zu amüsieren. Ihr Glück war vollkommen – hinter dem Schanktisch der Taverne vermeinte sie, in einem ewigen Frühling zu leben.

Wenn sie bei den Mahlzeiten auf der einen Seite Cañamel, auf der anderen den Kubaner neben sich sah, beide gleich ihr, ruhig und sorglos, so pries sie Gottes Güte, die den guten Menschen gewährt, glücklich zu sein. Was hätte sie sich noch wünschen können? ... Sie war die reichste und schmuckste Frau im Dorf, ihr Ehemann zufrieden und Tonet von Tag zu Tag verliebter. Und sie zweifelte, ob die großen Señoras, die sie in Valencia von weitem erblickt hatte, so glücklich waren wie sie selbst in diesem vom Wasser umgebenen Schlammwinkel.

Ihre Feindinnen gaben allerdings keine Ruhe; die Samaruca spionierte so gut, daß Neleta und Tonet Besorgungen in den Seedörfern vorschützen mußten, um sich ungestört sehen zu können. Neleta war es, die hierfür die raffiniertesten Vorwände erfand, so daß der Kubaner sich argwöhnisch fragte, ob sie nicht wirklich diese Listen bei früheren Liebschaften, von denen man im Dorf munkelte, gelernt haben möchte.

Neleta dagegen machte sich nichts aus allen Nachreden. »Tonet, dasselbe, was meine Feindinnen jetzt sagen, brachten sie auch vor, als wir beide nur gleichgültige Worte miteinander wechselten ...«

Absolut sicher, daß niemand sie eines Fehltritts überführen konnte, scherzte sie in der Taverne vor aller Welt mit Tonet in einer Weise, die sogar beim Großvater Ärgernis erregte.

»Aber was denn? ... Sind wir nicht zusammen aufgewachsen?« fragte ihn die schöne Wirtin beleidigt. »Muß ich Tonet nicht gut sein wie einem Bruder, wenn ich an alles denke, was seine Mutter für mich getan hat?« Cañamel gab ihr recht und lobte die Denkungsart seiner Frau. Worin der Wirt aber weniger mit ihr übereinstimmte, war die Meinung über Tonets Verhalten als Sozius. Der Junge tat, als hätte er einen großen Lotteriegewinn gemacht ... amüsierte sich ... und ließ Fischerei Fischerei sein! Gewiß, die Sequiota gab gute Erträge – wenngleich nicht mehr die fabelhaften Fänge früherer Zeiten. Immerhin kamen Nächte vor, in denen man hundert Arrobas Aale faßte. In dieser Hinsicht ging es nicht schlecht mit den Geschäften der Gesellschaft; aber Cañamel war für Gerechtigkeit: jeder sollte seine Pflicht erfüllen, ohne die anderen zu mißbrauchen.

»Ich versprach mein Geld und habe es gegeben. Netze, Reusen, Tauwerk sind angeschafft worden – ein Haufen, so hoch wie die Taverne. Und Tonet? Er versprach, bei der Arbeit zu helfen; doch kann man ohne Übertreibung behaupten, daß er bis heute noch nicht einen einzigen Aal mit eigenen Händen gefangen hat!«

Die ersten Nächte war Tonet zwar mitgefahren, hatte sich aber damit begnügt, die Zigarre im Mund, zuzusehen, wie der Großvater und die angeheuerten Fischer Aale und Schleie aus den Reusen holten. Dann wurde ihm selbst das zuviel. Um ihn durch sein Beispiel anzufeuern, entschloß sich Cañamel unter Ächzen und Seufzen, die Mannschaft einige Male zu begleiten. Jedoch aus diesem Opfer leitete der Schlingel sofort einen triftigen Grund ab, in der Taverne zu bleiben, indem er ganz frech erklärte, daß Neleta sich allein ängstigen würde.

Für die gute Durchführung des Unternehmens hätte zweifellos der alte Paloma genügt, der noch niemals mit solcher Lust gearbeitet hatte wie jetzt als Herr der Sequiota. Aber – zum Teufel! – Vertrag ist Vertrag! Und Cañamel fand, daß der junge Mann ihm etwas stahl, wenn er sein Leben derart genoß und sich nicht im geringsten um das Geschäft kümmerte. Das Glück von diesem Faulpelz! ... Nur die Furcht, der Kubaner könnte das Abkommen kündigen, zügelte Onkel Pacos Entrüstung! Derweile wurde Tonet fett, da er in der Taverne nur die Hand auszustrecken brauchte, um jeden Wunsch befriedigt zu sehen. Er aß das Beste, was im Hause war, füllte sein Glas aus allen Fässern, großen und kleinen, und manchmal – einem tollen Impuls gehorchend, der ihn trieb, sein Besitzrecht zu bekräftigen – wagte er sogar, Neleta unter dem Schanktisch zu streicheln. Und das in Gegenwart von Cañamel, vier Schritte entfernt von den Gästen, von denen einige das Paar nicht aus den Augen ließen!

Bisweilen erfaßte ihn auch das Verlangen, mal wieder einen Tag außerhalb der Albufera, in Valencia oder den Dörfern der Küste zu verbringen. »Gib mir einen Duro!« stellte er sich dann befehlshaberisch vor Neleta auf. »Einen Duro? ... Für was?« Die grünen Augen der Wirtin musterten ihn herrisch; sie reckte sich mit dem ganzen Zorn der ehebrecherischen Frau, die selbst nicht betrogen sein will. Wenn sie indes im Blick des großen Burschen einzig und allein den Wunsch zu bummeln entdeckte, gab sie ihm so viel Geld, wie er verlangte.

»Komm bald zurück!«

Doch während sie ihm lächelnd nachsah, machte Cañamel seinem Ärger Luft: »Ich wollte schon alles hingehen lassen, würde er auch nur den kleinen Finger für unser Unternehmen rühren. Aber nein! ... Und nicht genug damit, daß er die halbe Taverne auffuttert, läßt er sich auch noch Geld von dir geben! Ruinieren wird uns deine Güte und deine Dankbarkeit gegen diese Palomas ...«

Mit kleinlichem Geiz berechnete er, was Tonet bei ihm verzehrte, und lamentierte über die Verschwendungssucht, mit der dieser seine Freunde einlud ... immer auf Kosten des Wirts. Sogar der verlauste Sangonera hockte wieder auf den Schemeln der Taverne, beschützt von dem Kubaner, der ihm die teuersten Schnäpse vorsetzte, um sich über die Ungereimtheiten des betrunkenen Ex-Sakristans zu amüsieren.

»Eines guten Tages wird er sich noch in meinem Bette einquartieren«, beklagte sich der Dicke bei seiner Neleta. Und der Ärmste sah nicht das kleine diabolische Lächeln, nicht den maliziösen Blick, mit dem sie seine Äußerung aufnahm.

Wurde es Tonet mal müde, den ganzen Tag an Neletas Seite zu sitzen, so griff er zu Cañamels Flinte und rief dessen Hündin. Die Flinte Onkel Pacos war die beste in Palmar – eine Jagdflinte, wie sie nur reiche Leute besitzen – und die Centella wegen ihrer Nase am ganzen See berühmt. Kein Wild konnte ihr entkommen! Wie eine Otter tauchte sie und apportierte die verwundeten Vögel aus sicheren Schlupfwinkeln, wenn auch das Röhricht noch so eng stehen mochte!

Für nichts auf der Welt wäre sie Cañamel feil gewesen; doch traurig mußte er wahrnehmen, daß seine Hündin Tonet, der mit ihr auf Jagd ging, mehr liebte als ihren in Schals und Wolldecken eingepackten Herrn am Feuer. Allmählich verbrauchte der Kubaner den ganzen Patronenvorrat, der eigentlich an die städtischen Jäger verkauft werden sollte. Niemand schoß so viel wie er. In den engen Wasserarmen, die sich durch die Röhrichtdickichte beim Dorf schlängelten, knallte es beständig, und überall plätscherte Centella, begeistert von ihrer Arbeit.

Mit Siegermiene ließ Tonet bei der Rückkehr das in einen Regenbogen von Federn gehüllte Wildbret auf den Boden fallen.

»Onkel Paco, hier hast du was für deine Pfanne!« meinte er großmütig; denn schließlich gehörte die Flinte dem Wirt.

Als es ihm zweimal gelang, einen Flamingo zu schießen, diesen rot und weiß gefiederten Vogel mit den Stelzbeinen, dem langen Hals und einer gewissen Pose, durch die er dem Ibis Ägyptens ähnelt, bestand er darauf, daß Cañamel die Vögel in Valencia als Schmuck für sein Schlafzimmer ausstopfen ließ. ´ »Ein luxuriöser Schmuck, Onkel Paco! Für nichts und wieder nichts sind die Herren in der Stadt nicht so hinter ihm her!«

Der Schankwirt quittierte diese Geschenke mit einem Brummen, das keine ungetrübte Freude verriet.

»Wann läßt du endlich mal meine Flinte in Ruhe? Eiskalt muß es doch im Röhricht sein! ... Wenn du nichts davon spürst, warum hilfst du nachts nicht dem Großvater?«

Tonet lächelte herablassend.

»Neleta, ein Glas! ... Ist das nicht genug Arbeit, euch diesen Haufen Fleisch zu bringen?«

Und in einem Anfall fröhlicher Schamlosigkeit tätschelte er über den Schanktisch hinweg Neletas runde Backen.

Toni wußte weder von dem Treiben seines Sohnes, noch wollte er etwas davon wissen. In aller Frühe fuhr er fort, verzehrte sein Mittagessen – ein paar Sardinen und Maisbrot – mit Borda auf der Lagune, und kehrte er nachts heim, um die schmerzenden Glieder auf seinem elenden Lager auszustrecken, so verfolgte ihn bis in den Schlaf die Rechnung, wie viele Kähne voll Erde noch fehlen mochten, wieviel seine Gläubiger noch bekommen mußten, damit er Herr einiger Reisfelder würde, die er Scholle für Scholle mit seinem Schweiß geschaffen hatte. Seinen Vater, der die meisten Nächte in der Sequiota fischte, bekam er selten zu Gesicht, und Tonet klopfte erst spät, nach Schluß der Taverne, ungeduldig an die Tür, die Borda, erschöpft und schlaftrunken, ihrem Bruder öffnete.

So verfloß die Zeit bis zu Palmars großen Feierlichkeiten.

Am Tag vor dem Feste zu Ehren des Jesuskindes drängte sich nachmittags das ganze Dorf zwischen dem Kanal und der Hintertür von Cañamels Taverne. Man erwartete die Musikkapelle von Catarroja, den größten Reiz der Festtage; und diese Dörfler, die außer der Gitarre des Barbiers und Tonets Ziehharmonika das ganze Jahr hindurch keine Instrumente hörten, bebten vor Vergnügen beim Gedanken an das Schmettern der Trompeten und an das Dröhnen der großen Trommel. Niemand litt mehr unter den Unbilden der Witterung. Um mit ihren neuen Kleidern zu prunken, hatten die Frauen auf die wollenen Mantones verzichtet und zeigten in den kurzen Ärmeln vor Kälte blau angelaufene Arme. Die Männer trugen neue Gürtel nebst roten oder schwarzen Mützen, die noch die Knicke und Falten des Ladens bewahrten. Sich das Schwatzen ihrer Frauen zunutze machend, schlüpften sie gewandt in die Taverne, wo Alkoholdunst und Tabakqualm einen dicken Schwaden bildeten, der nach grober Wolle und schmutzigen Hanfsandalen roch.

Ein jeder lobte die Kapelle von Catarroja. »Die Fischer dort sind schlechte Kerle, aber ihre Musik muß man anerkennen. Nicht der König hört Besseres! ... Etwas Gutes gibt es doch noch für das arme Volk am See!« Und als draußen laute Rufe ankündeten, daß die Musikanten in Sicht waren, stürzte alles Hals über Kopf fort. Die Taverne blieb leer.

Über dem Röhricht erschien der obere Teil eines großen Segels, etwas später an der Krümmung des Kanals die ganze Barke, was die Menge veranlaßte, angesichts der roten Hosen und weißen Federbüsche in ein stürmisches Geschrei auszubrechen. Getreu der Tradition pflegten die jungen Burschen miteinander um die große Trommel zu ringen. Ohne Zögern sprangen sie in diesen Kanal von flüssigem Eis, das ihnen bis zur Brust reichte – ein Anblick, der die Zähne der Zuschauer klappern ließ.

»Oh, diese Bande!« zeterten die alten Frauen. »Eine Lungenentzündung werdet ihr euch holen!«

Doch die Burschen wateten unentwegt bis zur Barke. Unter dem Lachen der Musikanten klammerten sie sich an den Rand und stießen einer den anderen aus der Nähe der Trommel, bis der Keckste mit solchem Ungestüm an ihr zerrte, daß sie fast im Wasser versank. Von seinen Kameraden beneidet, trug er das riesige Instrument auf der Schulter zum Ufer.

Vor Cañamels Haus formierte sich die Kapelle. Sie stimmte ein Weilchen und setzte sich dann in Bewegung, während ihr die Menge in dichten Scharen folgte, voller Andacht ob dieser Begebenheit, auf die man ein Jahr gewartet hatte.

Bei dem ersten schmetternden Ton zuckten alle zusammen. Ihr an das Schweigen des Sees gewöhntes Ohr empfand schmerzhaft das Brüllen dieser Instrumente, von dem die Lehmwände der Hütten erzitterten. Aber nach der ersten Überraschung lächelten Palmars Bewohner, geliebkost von einer Melodie, die zu ihnen kam wie die Stimme einer fernen Welt, wie das majestätische Echo eines geheimnisvollen, sich jenseits der Albufera abrollenden Schauspiels.

Die Frauen wurden weich und hatten Lust zu weinen. Die Männer marschierten, ihre krummen Schultern reckend, mit kriegerischem Schritt, und junge Mädchen grüßten errötend ihre Verehrer mit einem verstohlenen Lächeln. Gleich einer Böe neuen Lebens brach die Musik über diese aus ihrer Lethargie erwachte Bevölkerung herein. Alle schrien, ohne zu wissen warum, und ließen das Jesuskind hochleben. Selbst die Alten zeigten sich flink und lustig wie die Kleinen, die mit Säbeln und Papp-Pferdchen die Eskorte des Kapellmeisters bildeten, dessen goldene Tressen ihnen den Atem nahmen.

Immer wieder marschierte die Kapelle durch die einzige Straße Palmars, wand sich, um ihr Publikum zufriedenzustellen, zwischen den einzelstehenden Hütten durch, kam am Kanalufer heraus und nahm von neuem den Weg zur Dorfstraße, stets von der Einwohnerschaft gefolgt, die die schönsten Stellen des Marsches laut mitträllerte.

Einmal mußte jedoch auch dieses musikalische Delirium ein Ende nehmen. Als die Musikanten schließlich auf der Plaza anhielten, dünkte es den Alkalden an der Zeit, sich mit ihrer Unterkunft zu befassen. Die Frauen machten sich die einzelnen je nach der Bedeutung ihrer Instrumente streitig, und der Mann mit der Riesentrommel bekam ein Quartier in der komfortabelsten Hütte. Doch genug jetzt mit dem Paradieren in den bunten Uniformen! ... Eiligst wickelten sich die Musikanten, auf die feuchte Kälte Palmars fluchend, in dicke wollene Decken.

Mit dem Verschwinden der Kapelle lichtete sich jedoch keineswegs die Volksmenge auf der Plaza. In einer Ecke ertönte der Wirbel eines Tamburins, und ein wenig später präludierte eine Hirtenflöte mit einer langen Serie von phantastischen Tonleitern, wahren musikalischen Kapriolen. Alles applaudierte. Es war Dimoni, der berühmte Flötenspieler, der alle Weihnachten Palmar besuchte. Ein gar lustiger Bruder, durch seinen Durst nicht weniger bekannt als durch sein Talent.

Tamburin und Flöte riefen zur Verlosung des dicksten Aals vom ganzen Jahr – eine uralte Gewohnheit, die jeder Fischer respektierte. Wer einen besonders großen Aal gefangen hatte, hob ihn in seinem Fischkasten auf, ohne auch nur einen Moment an Verkauf zu denken. Fing irgend jemand einen noch größeren, so bewahrte er diesen, wodurch der erste Fischer das Verfügungsrecht über den seinigen zurückerhielt. Auf diese Art war die Festkommission sicher, in jedem Jahr den stärksten Aal der Albufera zur Verlosung stellen zu können, deren Einnahmen zur Unkostendeckung mitverwandt wurden.

Dieses Mal gebührte die Ehre, den größten Aal gefangen zu haben, dem alten Paloma. Ja, wenn man in der Sequiota fischte! ...

»Ich war es, der ihn fing!« Und auf seinen dürren Armen hielt der Greis einen Riesenaal mit grünem Rücken und weißem Bauch hoch, dick wie die Wade eines Mannes.

Das appetitliche Tier hatte zum Spiel der Hirtenflöte die Runde durch das Dorf zu machen, während die würdigsten Mitglieder der Fischereigenossenschaft, von Tür zu Tür gehend, die Lose verkauften.

»Nimm! Arbeite ein einziges Mal in deinem Leben!« Damit legte Paloma den Aal auf Sangoneras Arme.

Der Vagabund, stolz auf das ihm erwiesene Vertrauen, eröffnete den Zug, hinter sich Tamburin und Flöte. Und um dieses Trio tummelte sich begeistert die ganze Kinderwelt des Dorfes. Die Frauen drängten sich heran und versuchten, den Aal mit einer Art religiöser Scheu zu berühren, als wäre er eine Gottheit des Sees. Doch Sangonera wehrte ihnen:

»Zurück! Zurück! Mit all dem Betasten muß er ja verfaulen!«

Als er schließlich vor Cañamels Haus anlangte, glaubte er indes, die öffentliche Bewunderung genügend genossen zu haben. Ihn schmerzten die von Müßiggang schwächlichen Arme; auch fiel ihm ein, daß er selbst von diesem Aal nichts haben würde. So bettete er ihn in die Arme des größten Buben, der nur zu gern den Triumphzug fortsetzte, und betrat die Taverne. Nur wenige Gäste waren anwesend. Hinter dem Schanktisch stand Neleta im Gespräch mit ihrem Mann und dem Kubaner, das sich um die Feierlichkeiten des nächsten Tages drehte. Die Inhaber der besten Fischereiplätze bildeten nach altem Herkommen die Festkommission, in der Tonet und sein Sozius natürlich die erste Stelle einnahmen. Beide hatten sich schwarze Anzüge in Valencia machen lassen, um der feierlichen Messe – und zwar auf der vordersten Bank – beizuwohnen, und jetzt besprachen sie noch einmal die letzten Vorbereitungen. Die größte Barke hatte man zum Strand der Dehesa gesandt, von wo sie Myrtenzweige und Grün zum Ausschmücken der Plaza holen sollte, und in einer Ecke der Taverne lagerte eine Reihe großer Binsenkörbe mit Masclets, eisernen Petarden, die mit einem Höllenlärm explodieren.


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