Eduard v. Bauernfeld
Fortunat
Eduard v. Bauernfeld

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Dritter Act.

Erste Scene.

(Lager. Trommeln.)

Krieger (hinter der Scene).
Heil Fortunat!

Fortunat, Agrippina (beide gerüstet), Rosamunde und Soldaten (treten auf).

Fortunat.             Der Sieg ist unser, Fräulein.

Agrippina. Durch Euch erkämpft.

Fortunat.                                   Durch Euch, durch Eure Nähe!
Leicht ist der Sieg, belohnt ihn Euer Lächeln.

Agrippina. Ihr spottet mein. Ich hielt mich sonst für stark,
Allein ich fühl's, ich bin ein Weib, bin schwach.
In's Kriegsgetümmel wagt' ich mich zu kühn,
Die Schaar erfaßte mich, als sich're Beute,
Da ward das Schwert zum Blitz in Eurer Hand,
Und fraß die Feinde rings die mich bedräuten;
Euch dank' ich Sieg und Freiheit, Euch allein.

Fortunat. Von dieser Stunde zähl' ich erst mein Leben!

Agrippina. Ihr trugt mich auf dem Arm, Herr Fortunat –
Wie? Oder ist's nicht so?

Fortunat.                             Ich trug mein Glück.

Agrippina. Noch lag ich nie in eines Mannes Arm –

Fortunat. Vergebt! Allein Ihr wanktet –

Agrippina.                                           Mußt' ich wanken!
Ich lag in Euerm Arm, und muß es Euch noch danken. –
Wo ist mein Bruder? Sah den Herzog Jemand?

Fortunat. So eben naht er.

Zweite Scene.

Vorige. Der Herzog mit Gefolge (tritt auf).

Herzog.                             Schwester!

Agrippina.                                         Theurer Bruder!

Herzog. Du bist gerettet, frei, bist unversehrt,
Der Sieg ist unser! O welch reiches Glück,
Und welch ein glücklich abgewendet Unglück!
Nur Eine Wolke trübt den heitern Tag:
Der tapf're Colbert fiel.

Agrippina.                         Fiel?

Herzog.                                     Schwer verwundet;
Doch im Verluste ward uns der Ersatz.
(Auf Fortunat deutend.)
Der tapf're Jüngling ist nun unser Colbert.
Er hat der Leitung sich der Schlacht bemeistert,
Er hat, mir ward's gekündet, Dich befreit;
Zumeist gebühret ihm des Tages Ehre. –
Knie' nieder, Fortunat. Du hast bewiesen
So Muth als Klugheit und getreuen Sinn;
D'rum heiße, was Du bist: ein edler Ritter. –
Steh' auf, umarme mich.

Fortunat.                             Mein Herr und Fürst!

Herzog. Sei unser Unterthan, wenn Dir's gefällt.
Die Güter, die Du angekauft, sind Dir
Verbrieft durch meinen Kanzler, und Du magst sie
Gleich andern Edelleuten frei besitzen.

Fortunat. Vergebt, mich läßt mein Glück nicht Worte finden.
Der Reichthum Eurer Gunst macht meinen Dank
Zum stummen Bettler, der mit Thränen dankt.

Herzog. Sprich nicht von Dank! Wir sind in Deiner Schuld. –
Schwester, Du schweigst? Du sagst dem neuen Ritter
Kein freundlich Wort?

Agrippina.                       Ich bitt' Euch ab den Spott,
Womit ich jüngst Euch schwer verletzt, vergebt mir.
(Reicht ihm die Hand zum Kusse.)

Fortunat. O überschwenglich sel'ger Augenblick!

Herzog. Herr Fortunat, erhaltet Euer Lager;
Wachsame Vorsicht sich're uns den Sieg.
Wir kehren an den Herzogshof zurück,
Der künftig wie dem Freund, Euch offen steht.
Ihr Alle auf!

Fortunat.           Vergönnt, Euch zu geleiten.

(Herzog, Agrippina und Fortunat mit Gefolge ab).

Dritte Scene.

Rosamunde (allein). Dann Fortunat.

Rosamunde. Ich weiß nicht, ob ich träume, ob ich wache?
Der Fortunat ist reich als wie ein König,
Er siegt in einer Schlacht und er verliebt sich
Zum Ueberfluß in eines Fürsten Schwester. –
Das muß ich Alles seh'n und darf nicht sprechen! –
Darf nicht? – Nein, kann nicht, will nicht! – Doch ich bin
Wohl ungerecht. Er kennt nicht meine Liebe,
Ich wies ihn ja zurück – soll er mir treu sein?
Was hält mich denn nur ab, mich zu entdecken?
Er spielt hier, scheint es, ein gefährlich Spiel;
Ich will ihm sagen, wer ich bin, ihn warnen –
Liebt er mich noch, dann läßt er Hof und Glanz,
Kehrt mit mir nach der Heimath, und erfleht
Vergebung meines Vaters. – Still! Er kommt!

Fortunat (auftretend.)
O Brust, zerspringe nicht vor süßer Wonne,
Ihr Pulse meines Lebens, haltet aus,
Erstarkt Euch für den Wachsthum meines Glücks,
Und lernt der Wonne Ueberfluß ertragen.
Als ich die Hand demüthig ihr geküßt,
Da drückte sie mit sanftem Druck die meine;
Und ihre Augen lächelten dabei,
Die stolzen Augen blickten fromm wie Lämmchen,
Und schämten sich, daß sie nicht stolz mehr schau'n,
Und nicht mehr herrschen konnten so wie sonst;
Und Thränen stahlen leise sich hervor,
Herolde der erwachten Weiblichkeit,
Und bargen, kaum entdeckt, als wär's zur Unzeit,
Zurückgezwängt sich hinter'm Schloß der Wimpern.
O wie so herrlich ist ein feuchtes Auge,
Wenn es der Lieb' Erwachen uns verkündet,
Und all' die tausend Freuden reicher Zukunft
In Einem Augenblick die Brust durchschauern! –
Ha, Proteus, Du mein Knabe, bist du hier?
Sei munter und nimm Theil an meinem Glück;
Du sollst Dich mit mir freuen, sollst genießen
Das junge, reiche, freuden-blüh'nde Leben.
Du bist so still und sinnend – sprich, was fehlt Dir?
Verlangt Dein Herz nach Gold? Nimm es in Fülle!
Sei rasch im Nehmen, so wie ich im Geben.

Rosamunde. Ich dank' Euch, Herr, Ihr wißt, mich lockt kein Gold.

Fortunat. Dein Sinn ist zart und edel, aber düster;
Ich lieb' es nicht, wenn frische Jugend trauert.
Sprich, was dir fehlt. Hat Jemand dich verletzt?
Du sollst, von jenen rohen Knechten fern,
In Zukunft nur in meiner Nähe sein.
Wie? Oder quält Dich wohl ein and'rer Schmerz?
Ein Liebesleiden? Hab ich es errathen?

Rosamunde. Ach ja!

Fortunat.                 Dafür magst Du dem Himmel danken!
Der Liebe Leiden selbst sind süße Freuden.

Rosamunde. Nicht immer, Herr! Oft gibt sie herbsten Schmerz.
Denkt Euch: mein Lieb' ward treulos.

Fortunat.                                               Armer Knabe!

Rosamunde. Solch Ungemach habt Ihr wohl nie erfahren?
Vielleicht verursacht?

Fortunat.                         Ich? Wie meinst Du das?

Rosamunde. Ich mein', Ihr kommt aus fernen Landen her,
Wer weiß, wo sich um Euch ein Mädchen grämt.

Fortunat. Um mich? O nein.

Rosamunde.                         So hattet Ihr kein Liebchen?
Nicht in der Heimath? Oder anderswo?

Fortunat. In meiner Heimath? Ja, mein holder Knabe,
Dort hatt' ich wohl ein Lieb.

Rosamunde.                             Seht Ihr? Erzählt mir doch –

Fortunat. Mit einem lieben Mädchen wuchs ich auf,
Wir waren uns einander Spielgenossen,
Und in die Spiele mischte sich die Liebe,
Doch war sie kindisch, so wie unser Spiel.
Seitdem ward meine Seele reif und männlich,
Doch denk' ich gern und oft an jene Zeit,
An jene unschuldvollen Kinderscherze.

Rosamunde. Euch war's ein Scherz? Dem Mädchen war's wohl mehr!

Fortunat. Nicht doch! Sie machte sich nicht viel aus mir,
Sie hielt mich kurz. Als ich die Stadt verließ,
War sie 'nes Andern Braut, ist jetzt wohl seine Frau,
Und denkt nicht weiter an den Spielgenossen.

Rosamunde. Wer weiß, ob sie ihr Lieben nicht verbarg,
Wer weiß, ob nicht ihr Herz, zu spät erwacht,
Erst durch der Trennung Schmerz sich selber klar,
Jetzt nach dem fernen Freund vergebens schmachtet.

Fortunat. Was sprichst Du da? Sie denkt nicht mehr an mich.
Mir selber hat ein and'res hohes Bild
Der Freundin holde Züge fast verwischt,
Daß sie, ein bleicher Mond, hinab in's Meer
Der fluthenden Vergangenheit entschwindet;
Dort aber glänzt die Morgensonne her,
Die eines neuen Lebens Glanz verkündet.

Rosamunde (für sich).
Hast Du's gehört? Da hast Du Deinen Abschied.

Vierte Scene.

Vorige. Vasko.

Vasko. Da bin ich, Herr. Heil Euch! Das war ein Sieg!
Krieg' ich die Taschen voll, das ist der wahre Krieg.
Zum Ruhm des Ganzen halfen meine Leute:
Ihr schlugt den Feind, wir machten Beute.

Fortunat. Im Stehlen sind sie brav, das muß man sagen! –
Doch höre, Vasko, eh' die Schlacht begann,
Gab ich dir einen Auftrag.

Vasko.                                   Herr, 's ist nichts.

Fortunat. Wie, nichts?

Vasko.                         Erlaubt! Ich wies Euch einen Schmuck,
Den jüngst ein Kaufmann uns'rer Fürstin bot;
Ihr fandet das Geschmeide schön und reich,
So hat es auch die Herzogin gefunden.

Fortunat. Sie kauft' es wohl?

Vasko.                                 Sie kauft' es? Ja, womit?
Das Gold ist etwas rar an unserm Hof,
Auch heischt der Händler eine jüd'sche Summe.

Fortunat. Was heischt er denn?

Vasko.                                     Erschreckt nicht, Herr. – Zehn tausend
Ducaten.

Fortunat.       Weiter nichts? Ein wahrer Bettel!

Vasko. Ein Bettel?

Fortunat.               Bring' den Kaufmann in mein Zelt.
Zahl' ich ihn baar, so gibt er gleich den Schmuck?

Vasko. Und gratis gibt der Mann sich in den Kauf.

Fortunat. So bring' ihn nur. Noch Eins! Ein Siegesfest
Soll sich im Haus, das ich gekauft, bereiten;
Besorge Du die Speisen und die Weine,
Zierrath und Teppiche, was sonst vonnöthen,
Auch Possenreißer müssen uns ergötzen,
Und Spielleut' und Musik, was nur zu haben.
Doch spare nicht dabei, nach Deiner Art!
Die Freude sei des Festes erster Gast,
Und die Verschwendung seine letzte Zierde. –
Du aber komm', mein Proteus, jetzt mit mir,
Ich will Dich dann mit einer Botschaft senden
Dahin, wo all' mein Trachten steht und Sinnen;
Was helfen mir des Glückes reichste Spenden?
Das Herz will sich das Köstlichste gewinnen!
(Ab mit Rosamunden.)

Vasko (allein). Hab' ich noch Ohren? Ja. Und einen Mund dazu, der gleichfalls offen steht, um den Ohren zu helfen, all' den Unsinn einzufangen, den dieser junge Thor ausheckt. Was, er kauft einen Schmuck, der der Herzogin von Burgund zu theuer ist? Er gibt ein Fest, das der Herzog von Burgund, wenn er es gäbe, für jeden Fall schuldig bliebe? Das geht nicht mit natürlichen Dingen zu. Der Narr hat ohne Zweifel den Stein der Weisen gefunden, oder er ist ein Sonntagskind, vielleicht der natürliche Sohn einer Fee, der seine himmlische Appanage hier auf Erden verzehrt. Er hat sich in Dame Agrippina vergafft. Das merkt ein Kind. Die soll ihm das Geheimniß entlocken. Und beichtet er nicht freiwillig, so wollen wir ihn ein bischen einsperren, als Zauberer traktiren und ihm ein kleines Scheiterhäufchen in der Perspective zeigen. – Warte nur, mein gebieterisches Jüngelchen! Du sollst uns noch recht artig zu Kreuze kriechen! (Ab.)

Fünfte Scene.

(Gallerie im herzoglichen Pallast.)

Agrippina. Dann der Herzog. Rosamunde.

Agrippina (tritt auf).
Kann ich es läugnen? Dieser schöne Jüngling
Hat durch sein männlich Wesen mich bezwungen.
Ich lieb' ihn! – Lieb' ihn? Wie man Blumen liebt;
Ich mag ihn gern in meiner Nähe dulden.
Doch er ist kühn – er trug mich auf dem Arm.
Der Frevler! Zwar er rettete mein Leben –
Doch hätt' er mich bescheid'ner tragen sollen.
Als ich ihm heut' die Hand zum Kusse reichte,
Da sah er mich so glüh'nden Blickes an,
Daß meine Augen sich mit Thränen füllten.
Ich weint' – aus Schaam, aus Zorn, doch nicht aus Liebe.
Was will der junge, neugebackne Ritter?
Wär' er ein Fürstensohn, an Stand mir gleich,
Wär's ihm vergönnt, um meine Hand zu werben,
Er könnte sich nicht Größeres erlauben.

Der Herzog und Rosamunde (Letztere mit dem Schmuck, treten auf).

Herzog (zu Agrippina).
Ein Bot' an Dich von Ritter Fortunat.

Rosamunde. Die Hälfte meiner Botschaft, gnäd'ger Herzog,
Betrifft auch Euch. Es bittet Euch mein Herr,
Ihr mögt Euch in sein nied'res Haus bemüh'n,
Dort mit den Edelleuten Eures Hofes
Das Siegesfest zu feiern.

Herzog.                               Wohl, wir kommen.

Rosamunde. Euch, Herrin, hieß er dies mich überreichen,
Als eines Knechts Tribut. (Gibt ihr den Schmuck.)

Agrippina (öffnet das Kästchen).   Was seh ich? – Bruder!
Es ist das Diadem, um das wir feilschten.

Herzog. Fürwahr!

Agrippina (zu Rosamunden).   Beut uns Dein Herr dies zum Verkauf?

Rosamunde. Verzeiht mir, edle Frau, so viel ich weiß,
Herr Fortunat treibt nicht Verkauf und Handel;
Er bittet Euch, die Gabe anzunehmen,
Der Eure Hand, so spricht er, Werth erst gibt.

Herzog. Ei, dies Geschenk mag eine Fürstin nehmen,
Wenn es ein Fürst ihr gibt. Allein Dein Herr –
Wie käme der dazu, so reich zu schenken,
Und welche Gegengabe mag ihn lohnen?

Rosamunde. Wenn Eure Gegenwart sein Fest beehrt,
Fühlt er sich reich belohnt.

Herzog.                                 Was sagst Du, Schwester?

Agrippina (zu Rosamunden).
Wir werden kommen, künd' ihm, zu dem Fest.

Herzog. Und geh' voraus, mit unserm Dank beschwert.

Agrippina. Was starrst Du so mich an? – Nimm diesen Ring.

Rosamunde. Für meinen Herrn?

Agrippina.                                 Nicht doch! Ein Botenlohn.

Rosamunde. Ich dank' Euch, gnäd'ge Frau und gnäd'ger Herzog.
(Ab.)

Sechste Scene.

Der Herzog. Agrippina. Dann Vasko.

Herzog. Die Gab' ist unbegreiflich, wie der Geber!

Agrippina. Und wie sie beid', unheimlich ist der Bote.

Herzog. Fast muß ich denken, dieser Fortunat
Ist mehr, als er sich gibt.

Agrippina.                           Was kann er sein?

Herzog. Vielleicht ein Fürstensohn, dem es gefällt,
Das Land nach Abenteuern zu durchzieh'n;
Wer weiß, beim Fest wirft er die Larve weg,
Nennt uns das Reich, dem er gebeut, und wirbt
Um meiner männerscheuen Schwester Hand.

Agrippina (lacht).
Ein Fürstensohn der Fortunat? Der Knabe!
Fürwahr, wenn er mit Scepter kommt und Krone,
Dann reich' ich ihm die Hand als sein Gemahl.

Vasko (tritt ein).
Mein gnäd'ger Herzog –

Herzog.                               Vasko! Eben recht!
Du siehst uns staunen über jenen Fremdling,
Den Du zuerst in uns're Nähe brachtest.
Wer ist er, und woher kommt ihm sein Reichthum?

Vasko. Ihr fragt mich mehr, als ich Euch sagen kann,
Und eben das, was ich Euch fragen wollte.
Habt Ihr ihn selber niemals denn erforscht?

Herzog. Wenn ich's versucht, wich er verlegen aus.

Vasko. So wißt: das ganze Land theilt Euer Staunen.
Er kam, als wie vom Himmel her geschneit,
Ein simpler Mann, nun hat er Haus und Hof,
Hält Diener und Trabanten und Vasallen,
Ja, rüstet sich beinah' ein kleines Heer.
Die Söldner Eures Heer's geh'n zu ihm über,
Weil die Canaillen nicht vom legitimen
Commißbrod leben wollen und sich seinen
Revolutionären Braten schmecken lassen.
Und seht nur, wie das Volk er haranguirt!
Wenn er spazieren geht, und ihm begegnet
Ein lump'ger Kerl und wünscht ihm guten Morgen,
Dem schenkt er gleich 'ne Hand voll von Ducaten.
Geht das so fort, was wird die Folge sein?
Die Bettler werden Euch im Lande fehlen,
Und Niemand läßt sich mehr zur Arbeit brauchen.
D'rum ist mein Rath: Ihr forscht ihn ernsthaft aus
Um seines Reichthums Quell', und setzt seiner Verschwendung
Durch eine tücht'ge Vormundschaft ein Ziel.

Herzog. Was wird es sein? Das Volk macht viel aus Nichts;
Vielleicht gesparte Mutterpfennige.

Vasko. Glaubt mir, sein Reichthum ist ein ander Ding,
Und nicht umsonst zerbricht man sich die Köpfe.
Die sagen: er ist ein Korsar, ein Räuber,
Der Reisende und Schiffe ausgeplündert;
Dann heißt's: er fand den Nibelungenhort
Im tiefen Grund des Rhein, den Zauberschatz;
Und And're nennen selbst ihn Zauberer,
Und diese Meinung scheint mir fast die klügste.

Herzog. Er feiert heut' ein Fest –

Vasko.                                     Mit Fürstenpracht!
Und uns're ganze Stadt nimmt Theil daran;
Verschwendung wär's, gäbt Ihr ein solches Fest.
Und sagt, wer ist's, der Fürsten es zuvorthut,
Und der zu Fürstinnen sein Aug' erhebt?
Denn wißt nur, Dame Agrippin', Ihr habt
Vor dieses Leckers Augen Gnade funden;
Er schwärmt für Euch, und nennt Euch seine Göttin.

Herzog. Wie kann er wagen –?

Agrippina.                               Er ist jung und thöricht –

Vasko. Bezähmet Euer Herz und zeigt ihm Milde,
Laßt Euer Ohr von seinen Seufzern kitzeln;
Vielleicht, daß Ihr in einer schwachen Stunde
Ihm das Geheimniß seines Reichthums ablauscht!

Agrippina. Ich sollt' ihn glauben machen –? Nimmermehr!

Herzog. Ja, Vasko räth Dir gut; auch ist's am Ende
Selbst uns're Pflicht, den Fremdling zu erforschen;
Das Fest gibt Dir dazu Gelegenheit.

Agrippina. Wohlan! Da Du es wünschest, will ich's thun.

Herzog. So komm', uns zu dem Feste zu bereiten.

Vasko. Zur Strafe eines Narr'n verbünden wir uns Alle;
Komm' nur hervor, Du Maus: der Speck hängt in der Falle.

(Alle ab.)

Siebente Scene.

(Vorzimmer in Fortunat's Pallast.)

Der Haushofmeister und mehrere Bediente (treten auf).

Haushofmeister. Macht hurtig! Vertheilt Euch in alle Gemächer. Es sind schon Gäste da. Bedient sie mit kühlenden Getränken, aber schüttet sie nicht an. Vorwärts! Marsch!

(Die Bedienten ab.)

Die Noth zwang uns, diese Banernlümmel in kostbare Kleider zu stecken, aber ich fürchte, wir werden mit ihnen nur Schande aufheben. Es hat nicht Jedermann das Genie, einen Bedienten vorzustellen. – Holla! Da kommt der gnädige Herr. Ich will ihm nur aus den Augen, sonst fallen ihm noch hundert Dinge ein, die ich verrichten soll. (Ab.)

Achte Scene.

Fortunat undRosamunde (treten ein).

Fortunat. Sprich! Nahm sie mein Geschenk in Gnaden auf?

Rosamunde. Sie nahm die reichen Perlen und Demanten
Gleichgiltig hin, als wär's ein Blumenstrauß.

Fortunat. An ihr hat Blum' und Demant gleichen Wert.
Und sie wird kommen?

Rosamunde.                       Ja.

Fortunat.                                 Sie kommt! Sie kommt!
Auf der gewohnten Trepp', in diesen Zimmern,
Wird sie, die Herrliche, in Anmuth schreiten,
Und wird dies schlechte Haus zum Tempel weih'n. –
Sprach gnädig sie zu Dir?

Rosamunde.                         Nicht eben sehr –

Fortunat. O jedes Wort von ihr ist eine Gnade. –
Woher hast du den Ring? Ich sah ihn nicht an Dir.

Rosamunde. Es ist der Botenlohn.

Fortunat.                                     Von Agrippina?

Rosamunde. So ist's.

Fortunat.                 O gib! Ich gebe dir zehn Ringe.
Der Ring ist doch für dich nur Ring, nur Gold;
Doch ward der Ring von ihrem Finger warm –
Der kalte, daß er ausließ solche Wärme! –
Und darum gib ihn mir.

Rosamunde.                     Verzeiht! Die Fürstin
Gab mir den Ring als Botenlohn.

Fortunat.                                         So laß
Mich ihn betrachten.

Rosamunde (hält ihm die Hand hin).   Seht Euch satt daran.

Fortunat. Laß mich ihn küssen.

Rosamunde.                             O Ihr küßt den Finger!

Fortunat. Geadelt ist der Finger durch den Ring.

Rosamunde (für sich).
Wär Dir der Ring geadelt durch den Finger!

(Trompeten hinter der Scene.)

Fortunat. Das ist die Herzogin! Auf! Ihr entgegen!
(Ab.)

Rosamunde (allein).
Da stürzt er eilig seinem Götzen nach!
Wie eine Mücke fliegt er nach dem Licht –
Du wirst dir wohl die Flügel noch verbrennen. –
Was lockt ihn nur an dieser Frau? Laß seh'n!
Ihr Wuchs ist schlank – nun ja! Schlank bin ich auch.
Ihr Haar ist dunkel – nun, das meine blond;
Was vorzuzieh'n, ist noch nicht ausgemacht.
Ihr Aug' ist blau, recht hübsch, doch etwas starr;
Einst lobt' er häufig meine braunen Augen.
Doch sie ist stolz – das macht den ganzen Reiz;
Sonst pries er mich um meinen sanften Sinn –
Das ist nun längst vorbei! – Vorbei! So sei's! –
Was soll ich weilend meine Schmerzen nähren?
Vergessen hat er mich, so soll er bald
Mich nicht mehr seh'n, und nimmermehr erfahren,
Daß ich ihm nahe war. Ich kann auch stolz sein –
Doch in's Geheim: das ist der echte Stolz.
(Ab.)

Neunte Scene.

(Prächtig erleuchteter Saal.)

(Musik. Tänzer und Tänzerinnen treten auf. Die Gäste versammeln sich, worunter auch der Herzog und Agrippina, Fortunat an ihrer Seite.)

Herzog (nach geendigtem Tanz zu Fortunat).
Ihr habt ein glänzend Fest uns da bereitet.

Fortunat. Seid Ihr zufrieden, Herr, dann ist's ein Fest.
Beliebt's Euch, in des Gartens kühlen Gängen
Euch zu ergeh'n? – Ihr Diener, reicht die Becher!
Ich trink' Euch zu, mein gnäd'ger Herr!

Herzog.                                                     Nicht also!
Ich zieh' es vor, den Garten zu besuchen.
Doch laßt mich wie die andern Gäste walten,
Und bindet Euch an meine Schritte nicht;
Auch Du, geliebte Schwester, magst des Bruders
Gesellschaft mit der selt'neren vertauschen;
Freiheit ist eines Festes schönster Schmuck.

Fortunat. Gebt Raum dem edlen Herzog, werthe Gäste.
(Zu den Tänzern.)
Und Ihr indeß bereitet neue Künste.

(Der Herzog geht ab mit Begleitern. Ein Vorhang fällt herab, der die Tänzer verbirgt.)

Zehnte Scene.

Fortunat. Agrippina.

Fortunat. Darf ich die Hand Dir reichen, holde Fürstin?

Agrippina (bei Seite).
Verstellung, hilf mir nun, ihn zu vernichten. –
Gern bleib' ich, edler Wirth, bei Dir allein,
Und achte, daß Dein Fest Dich nicht zerstöre;
Du trinkst des Weines Gluth zu rasch hinab,
Dein Auge funkelt, Deine Wange sprüht –

Fortunat. Vergaßest Du, daß ich ein Cyprer bin?
Nicht von der Reben Gluth entbrennt mein Auge,
Und diese Wangen färbte nicht der Wein:
Die Freude ist's, die himmlische Geborne,
Und der Gesellschaft heiterster Genuß.

Agrippina. Dein Sinn ist immer munter!

Fortunat.                                             Sollt' er nicht?
Ich bin ja hoch bedacht mit allen Gaben,
Statt denen Tausende nur leere Wünsche haben.
Bin ich nicht jung, gesund, nicht reich an Kraft?
Gährt nicht mein Sinn von edler Leidenschaft?
Ich sage Dir – ich könnte Dinge sagen –
Fortuna selbst hat sich mir angetragen!

Agrippina. Wir haben Deinen hohen Werth erkannt,
Ich und der Bruder, und Du weißt es selbst,
Wie sehr wir Beide Dir verpflichtet sind.

Fortunat. Ich dank' Euch mehr: Ihr lehrtet mich das Leben
Aus seinen Höh'n erkennen; edlen Fürsten
Zu nah'n, ist nied'rer Leute bestes Glück.
In Eurer Nähe läutert sich mein Wesen,
Ja, was ich bin und werden mag, ist Euer:
D'rum ist mein Leben Euerm Dienst geweiht.

Agrippina. O wahrlich, Ihr beschämt mich, Fortunat!
(Bei Seite.)
Er spricht so warm – ich kann ihn nicht betrügen.

Fortunat. Du bist so milde heute! Deinen Stolz,
Der Dich vor tausend andern Frauen kleidet,
Hast Du vertauscht mit solcher holden Demuth,
Daß sie noch schöner als Dein Stolz ist! Ja,
So wie Du jetzt bist, mahnest Du mich ganz
An eine holde Freundin meiner Jugend.

Agrippina. An eine Freundin?

Fortunat.                               Eine Schwester fast!
Wir wuchsen in der Heimath auf zusammen.

Agrippina. Du hast mir wenig noch von Deinem Leben,
Von Heimath und von Vaterland erzählt.

Fortunat. Was gäb' es zu erzählen? Gute Eltern
Hab' ich daheim, die täglich für mich beten,
Und deren Wiedersehen ich ersehne.

Agrippina. Und sind sie vornehm?

Fortunat.                                       Ritterlicher Abkunft.

Agrippina. Nicht mehr?

Fortunat.                       Was sonst?

Agrippina.                                       Je nun, ich meinte nur. –
Und werden sie Dein Leben billigen,
Und Deinen üpp'gen Aufwand, Du Verschwender?

Fortunat. Verschwender ich? Ihr irrt! Ich kann Euch sagen,
Jetzt leb' ich arm, wie eine Kirchenmaus;
Doch wollt Ihr Aufwand? Einst hat Cleopatra'n
Mit Perlen Freund Antonius gefüttert,
Der arme Schelm! Ich kann mit solcher Speise
Ein ganzes Land, ein ganzes Reich ernähren.

Agrippina. Ei, bist Du reicher als Antonius?

Fortunat. Und reicher auch als Cäsar.

Agrippina.                                       Wie Du sprichst!
Wenn ich Dich auf die Probe stellen wollte?

Fortunat. Thu's, und sei unersättlich im Begehren,
Mein Schatz wird doch sich nimmermehr erschöpfen.

Agrippina. Sieh doch! Wie kamst Du zu dem vielen Reichthum?

Fortunat. Frägst Du im Ernst?

Agrippina.                             Ich möcht' es wissen, ja.

Fortunat. Mir selbst gelobt' ich, Niemand es zu sagen.

Agrippina. So sag' mir's auch nicht.

Fortunat.                                       Nein, in Deiner Seele
Ist mein Geheimniß sich'rer als in meiner. –
Sieh diesen Seckel: dies ist meines Reichthums
Verborg'ne Quelle.

Agrippina.                 Dieser leere Seckel?

Fortunat. Er ist nur scheinbar leer, doch spendet er,
Wenn Dich beim Werk kein Menschenaug' erspäht,
Auf jeden Griff ein schweres Goldstück Dir!

Agrippina. Hm! Ich verstehe Dich und danke Dir!

Fortunat. Was meinst Du, Fürstin?

Agrippina.                                     Daß mit guter Art
Du meine Neugier hast beschämen wollen.

Fortunat. Bei Gott, die reine Wahrheit künd' ich Dir.

Agrippina. Und speisest mich mit Ammenmärchen ab?

Fortunat. Es klingt wohl wunderlich, doch ist es so.
Versuche selbst das Werk.

Agrippina.                             Es wäre wirklich?

Fortunat. Nimm diesen Seckel, thu', wie ich gesagt;
Niemand belauscht Dich jetzt, Du bist allein.
Ich kehre wieder, wenn das Werk erprobt.

Agrippina. Und Du vertraust so großen Schatz mir an?

Fortunat. Wo wär' mein Leben sich'rer als bei Dir?

Agrippina. Wie, wenn mich nun die Zaubergabe lockte?
Wenn listig ich den Schatz Dir vorenthielte?

Fortunat. Nun, soll ich Dir mißtrau'n, so gib ein Pfand.

Agrippina. Ein Pfand? Und welch ein Pfand?

Fortunat.                                                     Darf ich es nehmen?
(Küßt sie.)
Nun hab' ich Sicherheit.

Agrippina.                         Was thut Ihr, Ritter?

Fortunat. Vergib! Die Zaubergabe macht mich kühn;
Doch will ich mich sogleich dafür bestrafen,
Mich selbst von Deinem Angesicht verbannend;
Du prüf' indeß des Seckels Wunderkraft,
Dann komm' ich wieder, um Dein Pfand zu lösen.
(Ab.)

Eilfte Scene.

Agrippina (allein). Dann Rosamunde.

Agrippina (allein).
Abscheulich! Unerhört! Ruchloser Frevel!
Wo nahm ich die Geduld, das zu ertragen?
Welch eine Strafe wiegt dies Wagniß auf?

(Betrachtet den Seckel. Rosamunde geht über die Bühne.)

Ist dieses wirklich eine Zaubergabe,
So hab' ich ja die Strafe in der Hand.
Laß sehn. Ist Niemand hier? Ich bin allein.
So sei das Werk versucht. Ein Goldstück! – Wirklich!
Und wieder! Wieder! – O welch herrlich Werk!
Soll ich die Wundergabe wieder geben?
Sie einzig macht ihn kühn – so sagt' er selbst.
So ist's! Der Zauber macht ihn mir gefährlich.
Was wär' es sonst, was meinen stolzen Sinn
Mit Allgewalt dem Fremdling zugewendet?
Er soll die Zaubergabe nicht besitzen!
Nicht ungestraft küßt man der Fürstin Lippe. –
Doch, wie behalt' ich sie? Soll ich sein Minnen
Und seine nied're Leidenschaft ertragen? –
Ich weiß es, durch ein freundlich Lächeln kann
Ich leicht den Zauberseckel mir erkaufen;
Doch ekelt's mich, mich länger zu verstellen.
Rasch soll die List mir zum Besitz verhelfen!
Du holder Schatz, komm, lieg' an meiner Brust.
So. – Nun Entschlossenheit! Ich will dem Spiel
Sogleich ein Ende machen. – He! Ihr Leute!
Wo ist mein Bruder? Meine Frauen? Hört!

Zwölfte Scene.

Agrippina. Rosamunde (die bei den letzten Versen wiederkam). Fortunat (von verschiedenen Seiten).

Rosamunde. Befehlt Ihr, edle Frau?

Fortunat.                                       Was ist Euch, Fürstin?

Agrippina (zu Rosamunden).
Holt meine Frau'n!

Rosamunde.               Sogleich. (Ab.)

Fortunat.                                   Sprecht, was verlangt Ihr?

Agrippina. Hinweg, Verräther!

Fortunat.                                 Könnt Ihr so mich nennen,
Der mein Geheimstes ich Euch anvertraut?

Agrippina. Dies Dein Geheimstes? Pfui! Ein leerer Seckel!
Ein Märchen, mich zu höhnen, ausgeheckt,
Ein Zeichen meiner Gunst Dir zu erschleichen!

Fortunat. Bei Gott, Du thust mir Unrecht, theure Fürstin!
Hast Du des Seckels Kraft denn nicht geprüft?

Agrippina. Leer fand ich ihn, wie Deine schalen Märchen.

Fortunat. Das ist unmöglich! Sprich, wo ist der Seckel?

Agrippina. Dort such' ihn. Da ich leer ihn fand, so hab' ich
Im Unmuth über's Fenster ihn geschleudert.

Fortunat. Was thatest Du? Der Fluß streift an die Mauern,
So hat dies Wunderwerk der Strom verschlungen!

Agrippina. Jetzt magst Du erst von seinen Wundern fabeln,
Da dieser nicht'ge Seckel, nun vernichtet,
Dich, Frevler, nicht mehr Lügen strafen kann.
Sprich, hat er nicht noch and're Eigenschaften?
Erhält er den Besitzer ewig jung,
Vermag er jede Krankheit rasch zu heilen,
Und wie die tausend Fabeln alle heißen,
Die Müßiggang gewissen Zauberdingen,
Die nie ein Mensch gesehen, angedichtet?

Fortunat. Nur Eine Kraft besaß er, die Du weißt,
Und die im raschen Unmuth Du vernichtet;
Doch schwör' ich Dir, daß er die Kraft besaß.
Ungern gibt man ein solches Kleinod auf,
Doch will ich gerne den Verlust ertragen,
Wenn Du nur glaubst, daß ich Dir wahr gesprochen.

Agrippina. Sprich weiter nicht, bei meinem schweren Zorn!
Bleib ewig fortgebannt aus meiner Nähe,
Und dank' es meiner Gnade, wenn ich nicht
Dem Bruder Deine Frevelthat verrathe.

Dreizehnte Scene.

Vorige. Der Herzog mit Gefolge. Rosamunde.

Herzog (im Auftreten).
Die Frauen suchen Dich –

Agrippina.                             Mir ist nicht wohl –
Laßt uns nach Hause geh'n.

Herzog.                                   So plötzlich?

Agrippina.                                                   Kommt!
Ihr meine Frauen! führt mich an die Luft,
Laßt meine Sänfte bringen.

Herzog.                                   Theure Schwester!

Fortunat. Erhab'ne Fürstin –

Agrippina.                           Fort! Führt mich hinweg!

Herzog. Was ist gescheh'n?

Fortunat.                           Ein namenloses Unheil!
O hört mich, meine Fürstin!

Agrippina.                                 Fort von mir!

(Ab mit dem Herzog und Gefolge.)

Vierzehnte Scene.

Rosamunde. Fortunat.

Fortunat. Sie hört mich nicht, sie eilte zürnend fort –
O unglücksel'ger Tag, o Zaubergabe,
Die unheilvoll mein Lebensglück zerstört! –
Betrüger nennt sie mich? Ich kann's nicht tragen! –
Hier ist das Fenster, das den Schatz verschlang.
Wie, wenn er an der Brüstung hängen blieb?
Laß seh'n! (Oeffnet das Fenster.)

Rosamunde (vortretend).   Was sucht Ihr, Herr?

Fortunat.                                                         Du bist es, Proteus?
Sieh! Einen Seckel hab' ich hier verloren.

Rosamunde. Ihr?

Fortunat.             Oder die Prinzessin.

Rosamunde.                                         Einen Seckel?
War er nicht gelb?

Fortunat.                   So ist's –

Rosamunde.                             Mit grünen Schnüren.
So groß, wie Eure Hand? – Dann sucht nicht länger;
Denn die Prinzessin barg ihn an der Brust,
Eh' sie nach Leuten rief, und ich hinzutrat.

Fortunat. Unmöglich!

Rosamunde.               Ganz gewiß.

Fortunat.                                       Wie konntest Du – –
Was frag' ich nur? – 's ist Thorheit, Raserei! –
Wie konnt'st Du seh'n, daß Agrippin' ihn barg?

Rosamunde. Ich kam hier eben durch die Gallerie,
Da sah ich die Prinzessin ganz allein,
Die heftig mit sich selber sprach, den Seckel,
Den ich ganz deutlich sah, in ihrer Hand.

Fortunat. Du sahst und bliebst?

Rosamunde.                             Nicht doch! Ich sah und ging,
Da die Prinzessin sorgsam um sich spähte,
Wie Jemand, der nicht gerne Zeugen hat;
Nach Kurzem kehrt' ich wieder, und ich fand sie,
Denselben Seckel in der Hand, den sie
Mit raschem Zögern in den Busen barg,
Und nach den Leuten rief; da kamt Ihr selbst.

Fortunat. Das sahst Du alles?

Rosamunde.                           Ja.

Fortunat.                                     Du lügst!

Rosamunde.                                               Wie sollt' ich?

Fortunat. Sag', daß Du logst! Ich bitte Dich, Du logst!

Rosamunde. Was habt Ihr, Herr?

Fortunat.                                     Sie soll den Seckel –? Nein!
Du sahst ihn nicht! Der Seckel liegt im Strom.

Rosamunde. Ich sah ihn, ja. Es war ein leerer Seckel.

Fortunat. Du weißt nicht, was du sprichst! Ein leerer Seckel! –
So wiss' es, große Wunderkraft besaß er;
In diesem Seckel lag der Menschheit Sehnen,
Er war des Thoren Lust, des Weisen Streben,
Er schloß Dir auf die Herrlichkeit der Welt,
Befriedigend des Wunsches Uebermaß;
Er machte Jedermann zu Deinem Diener,
Dem Sauertopf zwang er ein Lächeln ab,
Und bog des Stolzes steifen Rücken krumm;
Ein König war ich, als der Sekel mein,
Und bin ein Bettler, da ich ihn verloren. –
Ein Bettler, weil ich ihn verlor? O nein! Ich bin
Ein König noch, wenn ich sonst nichts verlor! –
Armselig war des Sekels schnöder Inhalt,
In seinem Schooße nährt' er ekle Laster,
Geiz, Wollust und Betrug und Müßiggang;
Er untergrub des Eigners Seelenkräfte,
Leicht bietend, was man sauer soll erwerben,
Er machte Mißtrau'n zu des Lebens Inhalt,
Und raubte Dir den Glauben an den Bruder.
Mir selber hat mein Leben er zerstört;
Die Göttin, die ich angebetet, ließ er
Vielleicht zum niedern Erdenweibe sinken.
Vielleicht! Vielleicht! Entsetzliches Vielleicht!
Am Götterbild der Liebe zweifeln müssen,
Verachten müssen, was man hoch verehrt!
Das Höchste und das Niederste so nah,
Das Laster nach der Hand der Tugend langend,
Die Tugend ihre Hand dem Laster bietend,
Daß ihre Gränzen fast zusammen fließen! –
Ich war ein Thor, daß ich das Leben liebte,
Das mir ein blüh'nder Frühlingsgarten schien;
Ich war ein Thor, daß ich an Liebe glaubte,
Die mich des Frühlings milde Sonne dünkte;
Das Leben ist ein neckendes Gespenst,
Das nur den reinen Glanz des Himmels nachtäuscht,
Und nahst Du ihm, die hohle Fratze weist;
So lockt der Irrwisch mit erborgtem Schimmer
Den harmlos Wandernden dem Abgrund zu.
Ich steh' am Abgrund; das Vertrauen schwand,
Die Liebe täuscht, die Tugend ist ein Märchen,
Leer und gleichgiltig ist der Tage Lauf –
Ich will nicht länger athmen, länger leben,
Nicht länger denken, fühlen und entbehren;
Vernichtung wäre mir ein süßes Labsal,
Zerstörung meines Wesens einz'ger Wunsch.
O Erde, öffne Dich, mich zu verschlingen!
Zersprengt, Ihr allzu kräftigen Organe,
Ihr jugendlichen Adern, schwellet tödtlich,
Und laßt mein Blut durch alle Lebens-Thore
Mit meinem Leben in den Sand verrinnen!
(Er wirft sich auf den Boden.)

Rosamunde. Gott! – Fortunat! – Mein Herr! – Mein Fortunat! –
Es strömt sein Blut – o höre mich! – Er stirbt!

(Sie beugt sich über ihn. Musik fällt ein.)


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