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Famagusta. Offene Vorhalle vor Pancratio's Hause.
Fortunat (einen Falken auf der Faust tragend), Theodor und andere junge Edelleute mit Gefolge (treten auf).
Fortunat (zurücksprechend).
Führt mir mein Roß herum! Hübsch langsam! So.
Du nimm den Falken, fütt're mir den Burschen. –
Nun, werthe Freunde, das gab frohe Jagd!
Theodor. Komm' jetzt mit uns! Die Tafel wird Dir munden.
Fortunat. Verzeiht! Ich muß nach Haus. Ihr wißt: die Mutter,
Sie ängstigt sich, bin ich so lange fern.
Theodor. Wie Schade! Ohne Dich sind wir nicht lustig.
Fortunat. Wir finden, liebe Freund', uns Abends wieder,
Beim Lautenspiel und frohen Becherklang.
Fortunat. Gewiß. – Lebt Alle wohl!
Alle. Leb' wohl!
(Alle ab, bis auf Fortunat.)
Fortunat. Dann Rosamunde.
Fortunat (allein).
Die Mutter mag nur mit der Mahlzeit warten!
Mich hungert zwar, doch hab' ich Rosamunden
Noch gar nicht heut' geseh'n: das geht nicht an;
Die Augen muß ich sätt'gen vor dem Magen.
Sie kommt! (Zieht sich zurück.)
Rosamunde (kommt aus dem Hause). Der Fortunat!
Fortunat (für sich). Was ist's mit ihm?
Rosamunde. Wo bleibt er nur, der Ungestüm?
Fortunat (wie oben, versteckt).
Ist das mein Name, darf ich fragen?
Rosamunde. Der Bursch thut nichts als reiten, jagen,
Lebt immer als Hans Sorgenlos,
Ißt, schläft und trinkt, wird dick und groß –
Fortunat (wie oben).
Was soll er sonst?
Rosamunde. Ich wett' mein Leben,
Er schwärmt mit den Gesellen eben.
Mein Rädchen stell' ich auf die Flur.
Wart', saub'rer Zeisig, komm' mir nur! (Ab ins Haus.)
Fortunat (allein).
Jetzt hör' mir Einer diese Dirnen!
Wie frech! wie keck! Soll man nicht zürnen?
Sie kommt zurück – (Verbirgt sich.)
Rosamunde (stellt das Spinnrad, späht herum, und setzt sich dann).
Noch nichts –
Fortunat (bei Seite). Magst warten!
Rosamunde (spinnend).
Der junge Mensch ist voll Unarten –
Fortunat (bei Seite).
Schimpf' Du nur zu!
Rosamunde. Er reitet keck,
Ist nicht viel klüger als sein Scheck.
Fortunat (bei Seite).
Nun wird's mir bald zu viel!
Rosamunde. Nun, gut
Bin ich einmal dem leichten Blut;
Er sollte doch den Hals nicht brechen.
Fortunat (wie oben).
Dich läßt's Dein guter Engel sprechen!
Rosamunde. Doch ohne Sorg'! Ihn schützt das Glück.
Zum Essen kommt er stets zurück.
(Spinnt und summt ein Liedchen, späht dann wieder herum.)
Noch immer nichts!
Fortunat (hat sich hinter Rosamundens Stuhl geschlichen, hält ihr die Augen zu).
Wer ist's?
Rosamunde. Ah!
Fortunat (wie oben). Rathe!
Rosamunde. Laßt los!
Fortunat. Wer ist's?
Rosamunde. Mein dicker Pathe!
Fortunat. Gefehlt, wer ist's?
Rosamunde. 'ne grobe Hand!
Laßt los!
Fortunat. Ich bin's.
Rosamunde. Der Unverstand! (Steht auf.)
Fortunat. Der Ungestüm, das leichte Blut,
Hans Sorgenlos, der Thunichtgut –
Rosamunde. Das bist Du auch, genau erwogen.
Fortunat. So? Leicht und wild?
Rosamunde. Und ganz verzogen.
Fortunat. Ja, Kind, das ist nicht meine Schuld;
Die Mutter hat zu viel Geduld.
Rosamunde. Du aber hast nicht Witz genug.
Fortunat. Was hilft's? Du schilt'st mich doch nicht klug.
Rosamunde. Spräch' ich den Leichtsinn Dir heraus!
Fortunat. Umsonst! Der ist bei mir zu Haus.
Was wollt Ihr mich nur anders machen?
Soll ich nicht singen und nicht lachen?
Soll etwa, wie Dein Vater gar,
Am Tische sitzen Jahr für Jahr,
Und rechnen, auf Gewinn studiren?
Ich bin vornehmer Leute Kind,
D'rum mach' ich gerne etwas Wind,
Jag', reite, trink' und spiele Cither;
Mit Einem Wort: ich bin ein Ritter.
Rosamunde (mit einem Knix).
Ja, Eu'r Gestrengen, das ist wahr:
Sie sind ein Ritter ganz und gar.
Fortunat. Bist Du nun wieder gut?
Rosamunde. Nun ja!
Zwar kamst Du spät, doch bist Du da.
Fortunat. Ich war doch immer nur bei Dir.
Rosamunde. Bei mir?
Fortunat. Wahrhaftig, glaub' es mir.
Dein Bild schwebt bei den Zechgelagen
Mir vor, so wie beim frohen Jagen.
Dein Auge bin ich so gewohnt!
Wie oft hab' ich ein Reh verschont,
Weil's eben solche Augen machte,
Und just so blinzelte und lachte.
Ich zielte – doch der Pfeil blieb fest an seinem Ort;
Das schlanke Reh, es lief mit Deinen Augen fort.
Rosamunde. Ei, Du wirst höflich, wirst galant.
Fortunat. Es hat mich eben übermannt.
Sieh, sitz' ich so im Kreis der Zecher,
Da wird mein Glas zum Zauberbecher;
Denn in dem Wein, im flüss'gen Gold,
Da schwimmt – bei Gott! Dein Bild so hold –
Es schwebt und schaukelt sich so munter –
Ich tränk' es tausendmal hinunter!
Rosamunde. Du bleibst ein Schalk! – Doch weil Du heut'
So sittsam bist und so gescheidt,
Bring' ich ein klein Geschenke Dir.
Wart' nur ein wenig! Bin gleich hier. (Ab in das Haus.)
Fortunat (allein).
Es ist ein gar zu liebes Kind!
Nicht eitel, wie die Andern sind;
Ihr Wort so hold, ihr Blick so süß –
Wenn sie nur das Hofmeistern ließ'!
Rosamunde (kommt zurück, eine Schärpe in der Hand).
Das hab' ich, sieh! für Dich gemacht,
Verstohlen oft, bei Tag und Nacht.
Fortunat. Potz! Welch' ein prächtig Wehrgehenk'!
Rosamunde. Bück' Dich einmal!
Fortunat. Mach's nicht zu eng'!
Rosamunde. Nun sitzt es gut.
Fortunat. Wär' ich bewehrt,
Und hätt' ein ritterliches Schwert,
Da zög' ich wohl auf Abenteuer,
Und hielte Deine Farbe theuer,
Und käm' ein Ritter kühn daher,
Den fordert' ich auf Schwert und Speer,
Daß er besiegt bekennen müßt',
Wie Du der Frauen Hold'ste bist.
Rosamunde. Kommst Du in Deine alten Weisen?
Du kannst mich ohne Schwertschlag preisen.
Fortunat. Kund, das verstehst Du nicht! – Doch hör':
Die Gab' ist hübsch – nur möcht' ich mehr.
Rosamunde. Was noch?
Fortunat. Hm, rathe!
Rosamunde. Laß mich's wissen.
Fortunat. Ich möchte gern – Dich einmal küssen.
Rosamunde. Närrchen!
Fortunat. Im Ernst!
Rosamunde. Was hast davon?
Fortunat. Weiß selbst nicht! 's ist einmal Passion.
Rosamunde (ernsthaft)
So sei's! Hier auf die Stirn'!
Fortunat. Je nu,
Den Mund seh' ich mir an dazu. (Küßt sie.)
Vorige. Pancratio.
Pancratio. Ei, guten Morgen, Junker, guten Morgen!
Rosamunde. Der Vater!
Fortunat. Seid gegrüßt, Pancratio.
Pancratio. Ihr seid wohl auf dem Weg' nach Hause?
Fortunat (indem er sich zu Rosamunden wendet). Nein.
Pancratio (vertritt ihm den Weg).
Verzeiht! – Schon lange wollt' ich Euch ersuchen,
Mein schlechtes Haus mit Eurer Gegenwart
Nicht länger zu beehren, lieber Junker.
Fortunat. Alter Pancratio, was fällt Euch ein?
Seid Ihr nicht und mein Vater alte Freunde?
Wuchsen wir Kinder nicht mitsammen auf?
Pancratio. Das eben ist's: weil aufgewachsen, weil
Nicht Kinder mehr, mein gold'ner junger Herr,
Dürft Ihr auch länger nicht wie Kinder spielen.
An Geist und Jahren seid Ihr zwar ein Knabe,
Doch äußerlich recht tüchtig aufgeschossen;
Wer Euch nur sieht, der glaubt, Ihr seid ein Mann.
Nun seht, da ziemt sich's nicht, daß hier mein Mädchen
Mit Knaben umgeht, die wie Männer ausseh'n.
Fortunat. Ei das warum?
Pancratio. Warum? Ich will's Euch sagen:
Weil Rosamunde Braut ist.
Pancratio. Ja.
Fortunat. Scherzt Ihr?
Pancratio. Ich scherze nie.
Fortunat. Wer ist der Bräutigam?
Pancratio (zu Fortunat).
Der junge Calandrin. (Zu Rosamunden.) Du kennst ihn ja!
Du hast mit ihm getanzt.
Rosamunde. Ein hübscher Mann!
Pancratio (zu Fortunat).
Ein reicher, fleiß'ger, ein solider Mann,
Der Stolz von Cyperns Kaufmannschaft. Er ist
Von einer Handelsreise heimgekehrt –
(Zu Rosamunden.)
Und wird um Deine Hand herkömmlich werben.
Rosamunde. Braut?
Pancratio. Das gefällt Dir? Gelt?
Rosamunde. Ich kann's nicht läugnen.
Wie werden die Gespielinnen sich wundern,
Daß ich zuerst soll unter Haube kommen!
Pancratio. Dank' es der klugen Vorsicht Deines Vaters. –
Ihr seht, mein Junker, wie die Sachen steh'n:
Die Rosamund' ist Calandrino's Braut,
D'rum bitt' ich Euch, den Umgang abzubrechen.
Fortunat. Hm! Hört einmal, alter Pancratio,
Ich hab 'nen Einfall – gebt das Mädchen mir.
Pancratio. Euch, junger Herr?
Fortunat. Was lacht Ihr?
Pancratio. Euch zur Frau?
Fortunat (zu Rosamunden).
Kommt's Dir auch spaßig vor? Ihr seid besonders!
Pancratio. Mein lieber Junker, seht, das ziemt sich nicht;
Ihr seid ein Ritter, sie ein Bürgermädchen.
Fortunat. Je nun! Ich lasse mich zu ihr herab.
Pancratio. Ei, wirklich? Nun mich kitzelt nicht der Ehrgeiz.
Fortunat. Ich sprech' im Ernst, Pancratio.
Pancratio. Im Ernst?
Da muß ich denn auch ernsthaft sprechen, Junker.
(Auf Rosamunden weisend.)
Sie ist ein reiches Bürgerskind.
Pancratio. Es schadet eben nicht; doch gleich und gleich –
Ihr kennt das Sprichwort ja.
Fortunat. Bin ich denn arm?
Pancratio. Ihr seid ein lieber junger Herr, so harmlos,
So rasch und munter, ganz wie Euer Vater.
Ihr liebt Euch schöne Kleider, gutes Essen,
Ihr habt die Lust an Pferden, Hunden, Falken,
An – was weiß ich? kurz lauter theuern Sachen.
Das liegt im Naturell. Der Ritter Hugo
War in der Jugend so wie Ihr, mein Bester.
Er hatt' ein reiches Erbtheil überkommen:
Da gab's Banquet, Turnier und frohe Feste –
Nun jeder kann mit seinem Gelde schalten –
Doch hat das Geld die üble Eigenschaft,
Daß, nimmt man weg davon, wird's weniger,
Und immer weniger, bleibt endlich nichts,
Ja, weniger als nichts – will sagen: Schulden.
Fortunat. Schulden?
Pancratio. Ja, lieber Junker.
Fortunat. Schulden, sagt Ihr?
Mein Vater hätte –?
Fortunat. Ei? Sehr unklug.
Pancratio. Klug ist's nun freilich nicht.
Fortunat. Wem schuldet er?
Pancratio. Mir.
Fortunat. Und wie viel?
Pancratio. Zweitausend Kronen.
Fortunat. Schlimm!
Pancratio. Zumeist für mich, bekomm' ich sie nicht wieder.
Fortunat. Ihr sollt sie haben.
Pancratio. Sie sind längst verschmerzt.
Doch nun genug! Lebt wohl, mein lieber Junker.
Komm', Rosamunde!
Rosamunde. Fortunat –
Fortunat. Leb' wohl!
Pancratio. Ergeb'ner Diener, mein verehrter Junker.
Fortunat. Lebt wohl, Pancratio! Ihr seid ein Kaufmann,
Das schmeckt man so durch Euer ganzes Wesen;
Das Geld ist Euer Blut, und Euer Gott der Vortheil,
Ihr fühlt nicht Liebe, lebt nur so zum Schein. –
(Zu Rosamunden.)
Doch nun zu Dir! – Du freu'st Dich, daß Du Braut bist?
Das ist am Ende aller Mädchen Streben;
Doch ärgert's mich, daß Du Dich freu'st darüber.
Wir passen nicht zusammen – es ist wahr –
Allein ich war Dir gut, sowie Du mir;
Du aber denkst nicht weiter d'ran, sobald
Ein Pfefferkrämer wirbt um Deine Hand.
So seid Ihr Mädchen! – Nun, ich will's nicht tadeln.
Leb' wohl, sei glücklich in des Gatten Arm,
Dies ist mein Wunsch, wenn es der Deine ist.
Nimm diesen Abschiedskuß!
(Zu Pancratio drohend.) Ihr dürft's nicht hindern! –
Und nun, vielleicht auf immer! lebe wohl! –
Doch jetzt nach Hause – wo die Mahlzeit wartet,
Wo mein Herr Vater wieder schelten wird.
Hier und zu Hause ist doch nirgends Freude!
Man möchte laufen in die weite Welt,
Man könnte fast den Appetit verlieren.
(Ab.)
Pancratio. Der eitle Kerl, der Grobian, der Geck!
Wisch' Dir den Mund ab, wo er Dich geküßt.
Ein Bettlervolk ist seine ganze Sippschaft,
Ein Prahlhans der Herr Vater, und doch stolz
Auf seine Ritterschaft, der Hungerleider. –
Nun, liebes Kind, denk' an den Bräutigam;
Die Ungeduld läßt ihn nicht lange warten. –
Wie mich der kecke Bursche doch geärgert! –
Ich will ein wenig nach dem Hafen seh'n,
Wo Calandrin die Waaren eben ablädt. –
Der junge Taugenichts, der kahle Ritter!
(Ab.)
Rosamunde (allein). Dann Pancratio, Calandrino.
Rosamunde (allein).
Er ging erzürnt, ich hab' ihn schwer gekränkt –
Nicht heute nur, auch gestern, alle Tage;
Ich hielt ihn immer kurz, wie einen Knaben,
Ich fühlte nicht, wie er mir zugethan –
Ich fühlt' es wohl, doch durft' ich es nicht zeigen.
Nun ist geschehen, was ich längst befürchtet;
Der Vater wies erzürnt ihn aus dem Hause,
Und Fortunat ist stolz – er kommt nicht wieder.
Ich soll ihn nicht mehr seh'n? Von ihm getrennt sein?
Mir ist, als sollt' ich nun mit Einem Mal
Vom Glück, vom Leben, von der Liebe scheiden.
Pancratio und Calandrino (treten auf.)
Pancratio. Da ist mein Kind, Herr Calandrin,
Nun sagt ihr selber Euren Sinn.
(Zu Rosamunden.)
Herr Calandrin kam an zur Stund',
Mit Dir zu sprechen, Rosamund'.
Calandrino. Ja, holde Jungfrau, hört mich an:
Vergönnt mir, werbend Euch zu nah'n;
Der Tugend und der Reize Zier,
Kurz, alles Holde, ruht in Dir.
Denn Du bist häuslich, sanft und gut,
Kein wildes Mädchen, heißes Blut,
Das üb'rall schwärmt mit freien Blicken;
Kein Weib, das, kehrt der Mann den Rücken,
Mit Andern buhlt und Geld verthut;
Du bist nicht, wie die Andern sind,
Du wirst des Mannes Haus nur schmücken,
Denn Du bist ganz – Pancratio's Kind. –
Nun sieh das Schiff, von Reichthum schwer,
Mit meiner Ladung kommt es her;
Und auf dem Markt steht mir ein Haus,
Die Eltern zierten's köstlich aus
Mit allem Hausrath, wie wir's lieben;
Ein Einziges ist frei geblieben:
Die Hausfrau fehlet noch darin,
Die Alles lenkt mit klugem Sinn
Zu eig'nem und des Mann's Ergötzen.
Willst Du das Mangelnde ersetzen?
(Pause, als ob er Antwort erwartete.)
Ihr schweigt?
Pancratio. So sprich!
Rosamunde. Herr Vater –
Pancratio. Nun?
Calandrino. Ihr schweigt schon wieder?
Pancratio. Thöricht Thun!
Die Thränen laufen ihr herunter;
Ich kann's nicht leiden. Frisch! Sei munter!
Sag' ja! Ist denn das Wort so schwer?
Rosamunde. Laßt mich bedenken –
Pancratio. Denk' nachher!
Jetzt aber sprich sogleich –
Calandrino. Ich bitte!
Zu rasch ist gegen gute Sitte.
Es weiß die Jungfrau die Manieren;
Die Tugendhafte muß sich zieren.
Ihr wollt Bedenkzeit? Nun wohlan!
In dreien Tagen klopf' ich wieder an.
Lebt wohl! (Zu Pancratio.) Zieht nicht die Stirne kraus!
Ihr wißt, wie Mädchen sich betragen;
Was Jede gerne thut, will Keine gerne sagen.
(Zu Rosamunden.)
Lebt wohl! Ich rüst' indeß mein Haus.
Die Antwort fällt doch günstig aus?
(Ab. Pancratio begleitet ihn.)
Rosamunde (allein). Dann Pancratio.
Rosamunde (allein.)
Er – er mein Mann? – Ich bin verloren!
Weh' mir! O wär' ich nie geboren!
(Setzt sich und verhüllt die Augen.)
Pancratio (kommt zurück).
Nun, was soll das? (Rosamunde steht rasch auf.)
Was soll das Sperr'n?
Bring' ich ihr solchen edlen Herrn,
Der ihr die feinsten Dinge sagt,
Sie aber stutzt und trutzt – ist sonst doch nicht verzagt!
Früh, Abends, und beim Tanz, beim Spiele,
Da läuft ihr's Maul wie eine Mühle;
Warum nur schweigst Du eben jetzt?
Mißfällt der Bräut'gam Dir zuletzt?
Kein Besserer ist aufzutreiben,
Ich müßte nach dem Monde schreiben.
Heut' Morgens war er ihr noch recht!
Es ist ein thörichtes Geschlecht!
Nichts als Gezier! Ist's Ernst? Ist's Spaß?
Erfahr' ich's bald? – So rede was!
Rosamunde. Herr Vater, hört mich ruhig an –
Pancratio. Im Aerger schlüg' ich gern was nieder!
Rosamunde. Glaubt mir's gewiß, der ganze Mann
Ist mir –
Pancratio. Nun wird's?
Rosamunde. Ist mir zuwider.
Pancratio. Zuwider? So? Und das warum?
Rosamunde. Ich kann's nicht eben deutlich sagen;
Es macht mich seine Nähe stumm,
Sein Anblick regt mir Unbehagen;
Denn Kleidung und Gestalt und Bart
Hat ganz die Pfefferkrämer-Art.
Pancratio. Hilf Gott! Sein Stand ist Dir zu klein?
Du möchtest wohl ein Fräulein sein?
Das ist ja ganz ein neuer Brauch!
Ein Pfefferkrämer bin ich auch.
Der Hochmuth ist fürwahr nicht bitter!
Das schmeckt ganz nach dem jungen Ritter.
Kommt mir der Bursch noch 'mal in's Haus –
Rosamunde. Seid ruhig, Vater! Der bleibt aus;
Ich fürcht', er geht in weite Welt.
Pancratio. Der Habenichts, der Zungenheld! –
Du aber höre jetzt mich an:
Der Pfeffermensch, der wird Dein Mann;
Er ist der beste Mann der Insel.
Nur nichts von Thränen und Gewinsel!
Es steht bei Dir, die Wahl ist frei:
Entschließ Dich in der Tage drei.
Sprichst ja? Gut. Nein? Dann keine Klage!
Im Kloster enden Deine Tage.
Und wenn Dir dieses nicht gefällt,
So lauf' auch in die weite Welt;
Such' Deinen Ritter Hasenfuß,
Und leb' in Hunger und Verdruß,
Und wirst Du Wassersuppen essen,
Magst Du des Pfeffers nicht vergessen.
Jetzt denke nach. Ich gehe fort.
Sprich nichts! Du weißt mein letztes Wort (Ab.)
Rosamunde (allein).
War das ein Vater? Harter Mann!
Wie fuhr er mich so heftig an,
Daß ich verstummen mußt'!
(Trocknet die Augen ab.) Doch nein!
Ich will nicht länger traurig sein. –
Des Vaters Willen, ich weiß, steht fest;
Die Tochter auch nicht spassen läßt.
Ich will den steifen Burschen nicht,
Der nach Muskat und Ingwer riecht,
Den eitlen Gecken, den Tukmauser,
Ich glaub', er gilt für einen Knauser,
Er sieht auch aus, als ob er's wär';
Da steckt er wohl im Golde schwer,
Und kommt ihm jeder Groschen doch,
Der sich im Haus verbraucht, zu hoch;
Da wird die arme Frau gequält,
Die täglich kaufen soll – ohne Geld.
Da greint er, weil die Suppe fett,
Und weil der Frauen Anzug nett;
Es macht fein Haus von außen Wind,
Und drinnen hungern Gesind' und Kind.
Beschütz', solch' einen Mann zu frei'n! –
Was muß ich nur ein Mädchen sein!
Wär' ich ein Knabe keck und frei,
Sucht' in der Welt, wo's besser sei. –
Ach, Fortunat, wärst Du bei mir,
Klagt' ich mein Leid dem Freunde, Dir!
Denn jetzt erst fühl' ich es, wie tief
In mir zu Dir die Liebe schlief. –
Was auch gescheh', fest steht mein Sinn:
Nie wird mein Gatte Calandrin. –
Jetzt bin ich ruhig. Nun ist's gut!
Ich hab' auch Aerger, hab' auch Blut.
Der Vater meint, wenn mir's gefällt,
Soll ich nur geh'n in weite Welt? –
Das kann gescheh'n! Ich denke mir,
Sind Menschen da, sind Menschen hier,
Und lieber fremdem Herren dienen,
Als eines Gatten trotz'gen Mienen;
Als Magd dünk' ich mich reich und groß,
Bin ich den Pfeffermann erst los.
(Ab.)
(Zimmer in Ritter Hugo's Hause.)
Ritter Hugo, Beata und der Graf von Flandern treten auf.
Graf. Ich nenn' Euch unverholen meinen Wunsch.
In diesen Tagen meines Hierseins hab' ich
Den jungen Menschen oft geseh'n, und muß
Sein ritterliches, freies Wesen loben.
Im Rossetummeln sucht er seinen Meister,
Ich sah ihn Speere werfen, und die Andern,
Die älteren, an Kraft und Kunst besiegen;
D'rum, wollt Ihr mir den Jüngling anvertrau'n,
So nehm' ich ihn als Edelknaben mit.
Hugo. Mein edler Graf von Flandern, gern bin ich's
Zufrieden, daß der Jüngling in die Welt
An Eurer Seite tritt.
Graf. Ich will für ihn
Gleich einem zweiten Vater sorgen. – Nun,
Was sagt die edle Frau, des Jünglings Mutter?
Beata. Herr Graf, gar sehr erkenn' ich Eure Gnade –
Doch ist er noch zu jung –
Hugo. Ei, schwätze Du! Zu jung!
Er hat sein eig'nes Alter überholt.
Ist er nicht kräftig wie ein Riese? Nicht
An Brust und Lenden Samson? 's fehlt ihm nichts
Als der Verstand, und den kriegt man auf Reisen.
Ihr sollt den Buben haben, edler Graf!
Beata. Mein Schatz –
Hugo. Ei was! Nach Deinem Willen sollt' er
Noch in der Wiege liegen, daß Du was
Zu schaukeln hättest.
Graf. Werther Ritter Hugo,
Ich denk', Ihr laßt den Jüngling selbst entscheiden.
Schickt ihn zu mir, doch bitt' ich, ehestens,
Denn wir erwarten nur den günst'gen Wind,
Die Insel unverzüglich zu verlassen.
Lebt wohl, ihr und die edle Frau.
Hugo. Lebt wohl.
(Graf von Flandern ab.)
Hugo. Beata.
Beata. Dir ist's nur d'rum zu thun, ihn weg zu bringen.
Hugo. Und Dir nur einzig d'rum, ihn zu behalten.
Beata. Nach Flandern? Gott! So weit! Was kann gescheh'n?
Hugo. In Flandern ist's gerade wie in Cypern:
Der Himmel ist dort blau, die Bäume grün,
Und Menschenfresser gibt's dort eben auch nicht.
Beata. Was soll er nur in Flandern?
Hugo. Etwas lernen,
Hier schlendert er den ganzen Tag herum.
Beata. Allein man sieht ihn doch!
Hugo. Zur Essenszeit!
Da bringt er einen Hunger mit – mich schaudert's,
Wenn ich ihn essen seh'!
Beata. Du hast kein Mutterherz!
Hugo (setzt sich).
Nein! Doch ein Vaterherz. Ich will den Jungen
Zum Manne machen. Du machst ihn zum Weib.
Vorige. Fortunat.
Fortunat. Mutter, mich hungert –
Beata. Nun, da kommt er endlich!
Fortunat. Habt Ihr noch was?
Beata. Ei ja!
Fortunat. Gott grüß' Euch, Vater!
Hört, Euretwegen hatt' ich heut' viel Aerger.
Hugo. Wieso, mein Bursch?
Fortunat. Der Krämer, der Pancratio,
Der sagt, Ihr wär't ihm schuldig.
Fortunat. So?
Hugo. Ihm und Andern.
Fortunat. Andern auch?
Hugo (steht auf). Mein Sohn,
Es darf Dir länger nicht verborgen sein,
Daß unser Haus dem Untergange nah'!
Fortunat. Was? Das wär' schlimm! Ihr seht ein Bischen trübe!
Seit ein'ger Zeit zwar hab' ich schon bemerkt –
Beata (die indessen den Tisch bereitete).
Nun, setz' Dich, Söhnchen, setz' Dich.
Fortunat (setzt sich). Ist's was Gutes?
Hugo. Iß nur und trink', und höre, was ich sage. –
Als Junker bist Du sorglos aufgewachsen,
In Reichthum, ja in Pracht und Ueberfluß;
Denn Deine ersten Jahre fielen noch
In meine bessern. Das ist nun vorbei.
Wir sind herabgekommen, wissen uns
Kaum zu erhalten, und was in der Zukunft
Aus uns noch werden kann –
Fortunat (essend). Nein, Vater, Ihr
Seht gar zu schwarz!
Hugo. Du dummer Junge! Hat
Die Backen voll, das volle Glas vor sich,
Da scheint die ganze Welt ihm rosenroth;
Doch ich bin satt, und darum unparteiisch,
Und sage Dir: es geht uns schlecht, sehr schlecht.
Beata. Nun, gar zu übel mußt Du's auch nicht machen.
Hugo. Bei alle dem, mein lieber Sohn, betrübt mich
Dein Schicksal mehr als unser eigenes.
Ich möchte gern was Rechtes aus Dir machen –
Was er für große Stücke schlingt, der Schlingel!
Fortunat (essend).
Was Rechtes aus mir machen, Vater? Macht's!
Hugo. Hast noch nicht abgegessen? – Sieh, in Cypern
Blüht uns kein Glück. Uns fehlen Geld und Freunde;
D'rum sollst Du in der Fremde Dich versuchen.
Fortunat (aufstehend).
Vater, da nennt Ihr eben meinen Wunsch!
Beata. Nun ja, der Junge ist ganz wie der Alte.
Fortunat. Auf Abenteuer zieh'n, in fremde Länder,
In Kriegen und Turnieren mich zu üben,
Und meinen Namen an den Fürstenhöfen
Berühmt zu machen – das war stets mein Wunsch.
Erst diese Nacht noch hatt' ich einen Traum: –
Ich kam zurück aus einem Kriegeszug
In reichen Kleidern, mit Gefolg und Dienern;
Da kanntet Ihr mich nicht, Ihr und die Mutter,
Und grüßtet, rücktet ehrfurchtsvoll den Hut –
Hugo. Du bist ein Narr, ein Fant, ein Haselant,
Dein Träumen ist nicht klüger als Dein Wachen!
So prächt'ge Dinge stelle Dir nicht vor,
Die trifft ein armer Knappe nirgends an,
Als im Gehirn und in den Ritterbüchern.
Doch etwas And'res, lieber Sohn! Du weißt:
Der Graf von Flandern, der das heil'ge Grab
Besuchte, kam vor wenig Tagen an
In Famagusta; dieser fand Gefallen
An Dir, und wünscht als seinen Edelknaben
Dich mitzunehmen.
Fortunat. Wünscht er's, wünsch' ich's auch!
Beata. Mein lieber Sohn –
Fortunat. Habt, Mutter, nichts dagegen!
Längst schämt sich schon mein ungebrauchter Degen,
Und dieses Haupt, es sehnt sich Tag für Tag
Nach einem Ritterhelm und Ritterschlag.
Beata. Nach Flandern, liebes Kind, bedenk': nach Flandern!
Hugo. Hör' sie nicht an!
Fortunat. Laßt mich nur immer wandern!
Ihr sagt ja selbst, es blühe hier
Das gute Glück nicht Euch, noch mir:
Will's in der Fremde mir erringen,
Und will es Euch nach Hause bringen.
Vorige. Der Graf von Flandern.
Graf. Da ist er ja! – Mein werther Ritter Hugo,
Habt Ihr gesprochen mit dem Sohn?
Fortunat. So eben,
Erlauchter Herr, that mir mein Vater kund,
Die Gnade, die Ihr mir erweisen wollt.
Graf. Wollt Ihr mir also dienen?
Fortunat. Mit dem Leben,
Mit Allem, Herr, was ich vermag und weiß.
Graf. Gut ist's, daß Du so rasch entschlossen bist,
Denn wiss': in dieser Stunde segeln wir.
Beata. In dieser Stund' –?
Graf. Es weht ein günst'ger Wind,
Die Schiffer spannen alle Segel auf,
Und bald wird unser Schiff, den kecken Schwimmer,
Des mittelländ'schen Meeres Rücken tragen.
Wir segeln fort, bis unser Fuß den Fuß
Frankreichs betritt, die herrliche Provence;
Mein Schiff send' ich voraus zur theuern Heimat,
Wir aber wandern, ich und Du, und edle
Gefährten, die in meinem Zuge sind,
Hin nach Toulouse in das Land der Lieder,
Und zieh'n dann weiter an die Fürstenhöfe,
Und suchen auf Gesang, Turnier und Schlacht,
Dann längs des deutschen Rheins geht unser Zug,
Der uns in seinen Burgen gastlich aufnimmt;
Da wirst Du Mainz und Köln und Aachen seh'n,
Des großen Kaisers Carol Wieg' und Sarg.
So kommen wir zuletzt in meine Heimat,
Wo wir zu Gott, nach froher Heimkehr, beten,
Und Mecheln, meine Residenz, betreten.
Fortunat. Mutter, lebt wohl!
Beata. Mein lieber Sohn!
Fortunat. Das Schiff
Steht segelfertig! Vater, Euern Segen!
Beata. Mein Gott, und ohne Wäsche!
Hugo. Bleibe fromm
Und gut, und werd' ein tapf'rer Rittersmann,
Dann kehre wieder und sei uns willkommen!
(Er umarmt ihn.)
Beata. Herr Graf, muß es denn sein? Könnt Ihr nicht warten?
Graf. Ihr wißt wohl: Wind und Wasser haben Launen!
Die guten nützt man –
Hugo. Ja, wie bei den Weibern.
Fortunat. Mutter, ein Wort! – Grüßt mir die Rosamunde,
Sagt ihr, daß ihrer ich in Liebe dachte.
(Ein Horn hinter der Scene.)
Graf. Das ist das Zeichen.
Beata. Sohn! Mein Sohn!
Graf. Seid ruhig!
Ich werde wie ein Vater für ihn sorgen.
Fortunat. Lebt, Mutter, wohl!
Beata. Sohn, wir begleiten Dich.
Hugo Mein Sohn, für mich kein Wort?
Fortunat. Mein Vater – Mutter! –
(Das Horn ertönt wieder.)
Hört Ihr den Ton? Er ruft mit Macht!
Der Durst nach Thaten zuckt durch alle Glieder!
Mir winkt die weite Welt mit ihrer Pracht!
Lebt wohl! Mir sagt's der Geist: ich seh' Euch fröhlich wieder.
(Alle ab.)