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(Tiefer, verschlungener Wald in Burgund. Nacht.)
Fortunat (tritt auf, verstört in Aussehen und Anzug).
Kein Ausweg! – Ach, das ist die dritte Nacht,
Die ich vollbringen soll im öden Wald.
Mußt' ich geboren werden, zu verschmachten? –
Was haben mich die Räuber nicht getödtet,
Die meinen Herrn, den edlen Grafen, schlugen?
Mußt' ich entkommen, Hungers hier zu sterben,
Oder des Raubthiers Hunger gar zu stillen?
Wie es auch sei – ich kann nicht weiter mehr –
Hier will ich liegen und den Tod erwarten.
(Er lagert sich an einem Felsen, der Mond geht auf.)
Wie wird mein Vater, wie die liebe Mutter
Um mich besorgt sein! – Freunde, Vaterland!
Gespielin meiner Jugend, Rosamunde!
Nie seh' ich Euer heit'res Antlitz wieder! –
Wie wichtig man sein eig'nes Leben hält!
Wie vieles Große glaubt' ich zu erreichen!
Das ist nun auch vorbei. Mein armer Herr,
Du bist schon todt, und ich bin bald bei Dir! –
Horch! war's nicht eine Stimme? – Holla! ho!
Echo. Ho!
Fortunat. Komm' zu mir! komm'. komm'!
Echo. Komm'!
Fortunat. Echo ruft –
Und spottet meiner Todesangst. Natur,
Wie eisern, unerbittlich ist Dein Walten! –
Nun, ich ergebe mich. Zu Dir, mein Gott,
Schwingt sich die Seel' und fleht dich um Erbarmen. –
Mich dürstet. Rieselt's nicht zu meinen Häupten?
(Sanfte Musik.)
Ja, eine Quelle ist's!
(Er rafft sich auf und trinkt.)
Ein Zaubertrunk!
Ich fühl' mich neu belebt, voll Muth und Hoffnung!
Fortunat. Fortuna.
Fortuna (tritt aus dem Felsen, der sich geöffnet).
Jüngling –
Fortunat. Ach, wer bist Du, glänzende Schönheit?
Fortuna. Bin Fortuna. Blicke nicht beklommen!
Dich zu retten, bin ich hergekommen.
Ostwärts schau'! Bald zeigt die Morgensonne
Arles Dir, die Stadt voll Glanz und Wonne.
Doch jetzt wähle rasch von meinen Gaben;
Alle nenn' ich, Eine sollst Du haben:
Macht und Reichthum, Weisheit, langes Leben,
Schönheit und Gesundheit kann ich geben.
Fortunat. Du holde Fee! Bist wirklich Du Fortuna?
Der Sinn vermag das Wunder kaum zu fassen.
Fortuna. Wähle von meinen Gaben.
Fortunat. Wählen soll ich?
Gesundheit hab' ich, und in ihr die Schönheit;
Weisheit will ich erwerben, nicht bekommen;
Was ist ein langes Leben ohne Freude?
Macht ohne Reichthum ist ohnmächt'ge Macht;
D'rum gib mir Reichthum, und Du gabst mir Alles
Fortuna. Nimm diesen Sekel. Jedem, der hinein langt,
Wenn ihn beim Werk kein Menschenaug' erspäht,
Gibt er auf jeden Griff ein schweres Goldstück.
Du Thor, Du hast die Weisheit nicht begehrt,
Sieh zu, ob Du des Reichthums weise brauchst. –
Barhaupt stehst Du vor mir: nimm diesen Hut;
Wer ihn besitzt, den trägt der Zauberhut
Mit des Gedankens Schnell' an jeden Ort,
Den nur des Eigners Wunsch benennen mag. –
Leb' wohl! Du siehst im Leben mich nicht wieder,
D'rum sei im Handeln klüger als im Wünschen.
(Verschwindet, der Fels schließt sich wieder.)
Fortunat (allein).
O weile, schöne Jungfrau! – Sie verschwand –
Und läßt mir Hut und Sekel in der Hand.
Versuch' ich wohl –? (Langt in den Sekel.)
Ein Goldstück! Noch Eins! – Wieder! –
Jetzt scheltet mir Fortuna. Sie ist bieder!
(Die Nebel theilen sich und zeigen in der Ferne die Thürme von Arles in Morgenbeleuchtung.)
Versuch' ich auch den Hut? – Ich denke: nein.
Dort lacht ja schon die Stadt im Sonnenschein,
Und ein bequemer Pfad führt frank und frei
Mich g'rade hin; was braucht's der Zauberei! –
Ich fühle mich so froh und so zufrieden!
Du theurer Sekel, freundlich mir beschieden!
Sollst mir des Lebens Herrlichkeit erschließen,
Mich lehrend unerschöpfliches Genießen. (Ab.)
(Musik. Die Scene erhellt sich gänzlich.)
(Gemach in des Herzogs Burg zu Arles.)
Der Herzog von Burgund und Ritter Colbert (von der einen), Prinzessin Agrippina (von der andern Seite.)
Agrippina (ihnen entgegen).
Ist's wirklich, Ritter Colbert?
Colbert. Edle Fürstin –
Herzog. Zu läugnen ist es nicht, geliebte Schwester:
Der Normann fiel in uns're Grenzen ein.
Agrippina. Abscheulich!
Herzog. Feindlich ist er uns gesinnt,
Seit Du die Hand des Fürsten ausgeschlagen;
Und uns're Macht ist, fürcht' ich, zu gering,
Um so gewalt'gen Feind uns zu gestatten.
Agrippina. D'rum soll ich ihn zum Freunde machen, nicht?
Herzog Ich sähe lieber ihn zu Deinen Füßen,
Als uns im Angesicht zu Felde steh'n.
Agrippina. Und ich, mein Bruder, sähe diesen Mann
Zu Deinen Füßen lieber als zu meinen. –
Sagt, Colbert, seid Ihr muthlos, wie mein Bruder?
Colbert. Erhab'ne Fürstin, nicht dem Diener ziemt's,
Dem Rath des weisen Herren vorzugreifen;
Allein wenn Ihr um uns're Lage fragt,
Antwort' ich Euch: es fehlt an Geld und Leuten,
Doch nimmermehr an Muth und gutem Willen,
Die, hoff' ich, bald das Mangelnde ersetzen;
Das Uebrige stellt billig man im Kriege
Dem Zufall und dem Kriegesglück anheim.
Vorerst ist nur ein rascher Ausfall nöthig;
Der Normann hat die einz'ge Burg im Land,
Ist die erst unser, fehlt ihm jede Stütze.
D'rum rath' ich, wenn der Krieg beschlossen wird,
Beginn' er diese Stunde; denn wir stärken
Des Feindes Macht, nicht uns're, wenn wir zögern.
Agrippina. Das ist ein Wort! So spricht der tapf're Colbert! –
Dünkt Dich sein Rath nicht gut, mein Bruder?
Herzog. Ja,
Sobald Du »nein« auf meinen Antrag sagtest.
Agrippina. Nun denn, so laßt uns uns're Truppen mustern,
Laßt uns, was möglich ist, zu Gelde machen;
Gern geb' ich meine Perlen, mein Geschmeide;
Laßt auch die Werber ziehen durch das Land –
Colbert. Das ist bereits geschehen, edle Fürstin.
Agrippina. Bereits gescheh'n?
Herzog. Ich gab dazu Befehl.
Freund oder Feind, uns sollte der Normann
Nicht unbewehrt und waffenlos begegnen.
Agrippina. Nun, so geschah denn, was geschehen sollte.
Ihr seid gerüstet und Ihr zweifelt noch?
Wollt Ihr das Schwert in Eurer Hand nicht brauchen?
Was ist des Krieges Seel'? Ein tapf'rer Führer.
Zwei Helden steh'n vor mir; der eine flammend
Von Kriegeslust, der And're weise zögernd,
Doch Beide, kommt's zur That, bewährt, entschieden.
Haucht Eure Seelen in des Volkes Kloß,
Daß es lebendig Euren Sinn vollbringe;
Ich selbst umgürte mich mit Kriegesrüstung.
Dann aber laßt uns schreiten nach dem Dom,
Um uns den Schutz des Himmels zu erfleh'n,
Und uns dem Volk von Angesicht zu zeigen.
(Alle ab.)
(Marktplatz zu Arles.)
(Dem Zuschauer zur Linken ein Theil eines Gasthauses, Tisch und Stühle vor der Thüre. Marktbuden in der Mitte der Bühne. Käufer und Verkäufer.)
Rosamunde (in Männerkleidung) und ein Schiffer (treten im Vordergrunde auf).
Schiffer. Nun sagt, wie stehen Eure Hoffnungen?
Ich nehme Theil an Euch, mein hübscher Bursche;
Seht, damals schon gefiel mir Euer Wesen,
Als Ihr, in Euer Mäntelchen gehüllt,
In Famagusta Abends zu mir kamt,
Mich bittend, in mein Schiff Euch aufzunehmen.
Ich nahm Euch um geringes Zehrgeld mit,
Ihr könnt's nicht anders sagen – Nun, wie steht's?
Habt Ihr den Schutz gefunden in Burgund,
Den Ihr gehofft?
Rosamunde. Mein guter Freund, ach nein!
Ich traf die Muhme todt, in deren Haus
Ich meinen Unterhalt zu finden glaubte.
Schiffer. Und seid Ihr sonst ganz unbekannt in Arles?
Rosamunde. Ganz fremd.
Schiffer. Was wollt Ihr thun?
Rosamunde. Ich weiß es nicht.
Schiffer. Nun seht, wir laden uns're Waaren ab,
Und setzen sie 'gen and're Waaren um,
Dann kehren wir zurück nach Famagusta.
Ich denke mir, Ihr seid nicht sehr bei Geld;
D'rum seid mein Gast, so lang' wir hier verbleiben,
Ihr könnt dafür mir Schreiberdienste leisten;
Und habt Ihr weiter keine Aussicht hier,
Nehm' ich dann wieder Euch mit mir nach Hause.
Rosamunde. Nach Famagusta wieder! Nimmermehr!
Schiffer. Nun, wie ihr wollt! Allein bedenkt es wohl;
Ihr seid so schüchtern, jung und unerfahren,
Ihr werdet nicht Euch in die Fremde schicken;
So junges Blut verdirbt in weiter Welt.
Ich hab' nun einmal das Gemüth zu Euch,
D'rum bitt' ich Euch, denkt meinen Antrag nach.
Lebt wohl! Ihr wißt, wo ich zu finden bin.
Rosamunde (allein).
Die Muhme todt und ich bin hier verlassen!
Doch besser als zu Hause, als im Kloster.
Entfloh ich nicht, jetzt hielten mich die Arme
Des schnöden, ungeliebten Gatten, oder
Die trostlos düstern Mauern mich umschlossen. –
Was aber will ich hier? – Kann ich mir's läugnen?
In meinem Herzen lebt ein stilles Hoffen,
Daß Kund' ich hier von Fortunat erlange.
Es hieß, sein Herr, der Graf, zog nach Burgund;
So muß er hieher auch nach Arles kommen,
Und war er hier, erforsch' ich seine Spur. –
's ist Markt. Ich will mich unter's Volk hier mischen.
Wohl tausend Mal wollt' ich die Frage thun:
Kennt Ihr den Grafen nicht von Flandern, Herr?
Nicht seinen jungen Knappen, Fortunat? –
Doch hielt des Herzens Pochen mich zurück.
Jetzt aber will ich einmal etwas wagen –
Den Ersten, der mir Stand hält, keck befragen.
(Sie geht dem Markte zu).
Rosamunde. Fortunat (in andern Kleidern), Robert, David und Bertha (treten im Vordergrunde auf.)
Fortunat. Wie sehr entzückt mich Eure Bekanntschaft,
Mein wack'rer David, mein verehrter Robert!
Wie freundlich kamt dem Fremdling Ihr entgegen,
Ich weiß nicht, wie ich Euch's genügend danke.
Robert. O, Ihr beschämt uns! doch Ihr lohnt uns reich,
Wenn Eure Freundschaft Ihr für uns're gebt.
Fortunat. Nehmt Hand und Herz, Ihr findet Beides offen.
David. Ihr seid ein tücht'ger Junge, Fortunat.
So ritterlich, so munter und so – hübsch.
Sagt, Base Bertha, ist's nicht wahr? – Ihr lächelt?
Das heißt: wir nehmen euch in Gnaden auf.
Bertha. O schweigt doch, Vetter!
Fortunat. Ihr beschämt das Fräulein.
Robert. Er ist ein bischen vorlaut, müßt Ihr wissen.
David. Ei was! Ich habe meine Freude d'ran,
Wenn sich ein hübsches Paar zusammen findet.
Bertha. Wir wollten ja den Markt beseh'n.
David. Ei freilich!
Gebt ihr den Arm, Herr Fortunat.
Fortunat (zu Bertha). Erlaubt Ihr –?
Bertha. Kommt nur, daß wir dem Spötter da entgeh'n.
Fortunat (für sich).
Das holde Mädchen! Wie so zart und schüchtern!
(Sie nähern sich den Buden.)
David (singt).
»Das ist die alte Weise!
Mit Speck fängt man die Mäuse.«
Robert. Ei David, so benimm dich doch vernünftig!
David. Die Kehle ist mir trocken, und so sprudeln
Verkehrte Redensarten mir heraus;
Ich dürste schon den ganzen Morgen, Schatz,
Gib mir zu trinken, und ich spreche Weisheit.
Robert. Vorsichtig nur! – Da kommt Herr Fortunat.
Fortunat (eine goldene Kette in der Hand, zu Bertha).
Verschmäht Ihr die geringe Gabe, Fräulein?
Bertha. Sie ist zu kostbar, d'rum verschmäh' ich sie.
David. Was gibt's denn?
Fortunat. Seht, dies gold'ne Kettlein wählt' ich,
Weil es dem Fräulein wohl gefiel, sie aber
Erweist mir nicht die Ehr', es zu behalten.
David. Warum nicht gar!
Bertha. Der Ritter kennt mich kaum –
Fortunat. Zur Marktzeit pflegt man Freunde zu beschenken.
Bertha. Wenn Ihr es so nehmt –
David. Könnt Ihr auch es nehmen!
Bertha. Nun wohl! So bleib' ich Eure Schuldnerin.
Fortunat. Daß Ihr so lang es bliebt, bis ich Euch mahnte!
Rosamunde (die indessen hinzugetreten).
Mein Herr –
David. Was will das Bürschchen?
Rosamunde (zu Fortunat). Herr –
Fortunat. Was soll's?
Rosamunde (stockt, da sie ihn betrachtet).
Kennt Ihr nicht –? Kennt Ihr nicht –?
Fortunat. Wen soll ich kennen?
Rosamunde (bei Seite).
Ist er's? – Er ist's!
Fortunat. Was suchst Du?
Rosamunde. Was ich suche? –
Herr, einen Dienst.
Fortunat. Ich suche einen Diener;
Das trifft sich gut. Willst Du mein Diener sein?
David. Was fällt Euch ein? Der Knirps ist nicht zu brauchen.
Bertha. Im Gegentheil, der Knabe scheint gewandt,
Und mir der Ehre würdig, Euch zu dienen.
Fortunat. Da Ihr das Wort ihm sprecht, nehm' ich ihn auf.
David. Nun meinetwegen! Wart dort hinten, Kleiner! –
Hört doch! Wir wollten ja zusammen speisen.
Fortunat. Ich bin's zufrieden, darf den Wirth ich machen.
David. Gut! Und ich will der Speisemeister sein.
Fortunat. Dann bitt' ich Euch, bestellt das Feinste, Beste.
David. Sorgt nicht! Ich werde tüchtig schüsseln lassen.
Komm', Robert.
Bertha. Vetter, nehmt mich mit. Ich will
Mich in der Stube mit dem Kettlein schmücken.
Fortunat. Doch kehrt bald wieder.
David. Freilich! Kommt nur, kommt!
(Robert, David und Bertha gehen ab. Fortunat geleitet sie.)
Rosamunde. Dann Fortunat. Käufer und Verkäufer.
Rosamunde (für sich).
Wer ist die Dirne, die in's Ohr ihm lispelt?
Ich steh' und staune, weiß mich nicht zu fassen!
Das ist nicht mehr der Jüngling Fortunat!
Er sieht so kühn, als wär' er Herr der Welt!
Doch kann ich mich nicht freu'n des Widersehens.
Er kennt mich nicht? – Ich bin wohl sehr verändert!
Die Farbe, die mein Antlitz künstlich deckt,
Die Zeit, das Kleid, und das verschnitt'ne Haar,
Sie lassen keine Spur von Rosamunden.
Doch müßte mich der Jugendfreund erkennen,
Wenn nicht ein and'res Bild die Seel' ihm füllte –
Fortunat (zurückkommend).
Wie mir das holde Mädchen zugelächelt!
So süßverschämt! Es ist gewiß: sie liebt mich.
Ich schwimm' in einem Meer von Glück und Wonne.
(Zu Rosamunden.)
Du bist noch hier? Nun, hast Du dich bedacht?
Willst Du mein Diener sein?
Rosamunde. Ich Euer Diener?
Ihr habt mich ja noch nicht recht angeseh'n.
Fortunat. Das Fräulein lobte Dich: das ist genug.
Rosamunde (bei Seit).
So? Gut. Noch geb' ich mich nicht zu erkennen.
Fortunat. Hier nimm das Handgeld.
Rosamunde. Herr, Ihr gebt mir Gold.
Fortunat. Ei, nimm es nur.
Rosamunde. Dank, Herr. (Bei Seite.) Ist er so reich?
Fortunat. Du sollst von guten Tagen sprechen können!
Doch mach' mir Ehre, sei geschickt, gewandt.
Geh' jetzt hinein und nimm den Wirth bei Seite,
Heiß ihn, das Mahl so kostbar zu bestellen,
Als er es schaffen kann. Nimm Geld, bezahl' ihn,
Und bei der Tafel magst Du uns bedienen;
Sei artig gegen alle Gäste, doch
Zumeist dem Fräulein zeige dich ergeben.
Rosamunde. Dem Fräulein?
Fortunat. Ja doch!
Rosamunde. Herr –
Fortunat. Was willst Du noch?
Rosamunde. Ich hab' Euch etwas zu vertrauen.
Fortunat. Später!
Jetzt thu', was ich befahl. Nur fort!
Rosamunde. Ich gehe.
(Für sich, im Abgehen.)
Das fehlte noch! Er ist in sie verliebt!
Geduldig werd' ich das nicht lang mit anseh'n.
(Ab.)
Fortunat (allein).
Göttin Fortuna, sei mir hoch gepriesen!
Was führt' ich doch bisher nur für ein Leben!
Wie ekel, kahl und schaal, wie ganz erbärmlich!
Begreife kaum, wie ich's ertragen konnte.
Die Jugendlust, der Lebens-Ueberfluß,
Sie schäumten mir vergebens in den Adern;
Daß ich nicht Mangel litt, war mein Genuß,
Und täglich mußt' ich mit dem Schicksal hadern;
Doch seit mir lächelte das holde Glück,
Bringt neue Lust ein jeder Augenblick,
Die Menschen scheinen, ohn' es klar zu wissen,
Dem Glückskind ihre Herzen aufzuschließen;
Die Freundschaft kommt auf halbem Weg entgegen,
Und Liebe labt mich bald mit stillem Segen!
Fortunat. Robert. David. Bertha und Rosamunde. Diener (die den Tisch decken).
David (im Auftreten singend).
Heissa, lustig, immerzu,
Goldne Flasche, ich und Du! –
Nun setzt Euch, Kinder, setzt Euch! – Tischlein deck' Dich
Im Freien sitzt und schwatzt und trinkt sich's besser.
Kommt, Base! – Fortunat! Dann ich, (zu Robert) dann Du.
(Setzen sich.)
So. Nun ist's recht Jetzt aber füllt die Gläser.
(Zu Rosamunden.)
Du, Knirps, wie heißest Du?
Rosamunde. Ich? Proteus, Herr.
David. Gut. Proteus, schenk' 'mal ein! – Mein Fortunat,
Dir trink' ich's zu. Auf Du und Du!
Fortunat. Mit Freuden. –
Ihr seid so still und sinnend, holde Bertha?
Bertha. Es ist so meine Art.
David. Proteus, schenk' ein.
Fortunat (zu Bertha).
Wer weiß, worauf Ihr sinnt.
Bertha. Worauf? Was meint Ihr?
Fortunat. Ich meine – (spricht leise mit ihr.)
Rosamunde (die sich immer hinter Berthas Stuhl hält).
Ei, er läßt nicht ab von ihr.
David. Proteus, schenk' ein.
Rosamunde. Gleich, Herr. – Das ist ein Weinschlauch!
Bertha (zu Fortunat).
Ihr irrt! Mein Herz blieb frei, bis diese Stunde.
Doch hört! Ich möchte das Geschenk vergelten;
Ihr tragt da ein altmodisch Wehrgehäng.
Rosamunde (für sich).
Jetzt geht es an mein Wehrgehäng!
Bertha. Es ist wohl
Von lieber Hand?
Fortunat. Nicht also, wie Ihr meint.
Es ist von einer Art von Jugendfreundin.
Rosamunde (für sich).
Von einer Art?
Bertha. Darf ich ein neues sticken?
Fortunat. Es wird mein liebster Schatz sein.
Rosamunde (für sich). Seht doch! Wirklich?
David. Du, Proteus, schenk' 'mal ein.
Robert. Schon wieder? Laß doch!
David. Ei, jener hat sein Mädchen, ich mein Glas.
Soll ich vernünftig sein, so muß ich trinken,
Soll ich nicht trinken, laßt ein Spiel uns machen.
Robert. Ein Spiel? Was für ein Spiel?
David (indem er Würfel und Becher hervorlangt). Ein Würfelspiel.
Robert. Je nun! Zum Spaß. Was meint Ihr, Fräulein Bertha?
Bertha (zu Fortunat).
Wenn Ihr's zufrieden seid –
Fortunat. Es gilt mir gleich,
Bin ich in Euerer Gesellschaft nur.
David. Nun denn, her mit den Batzen! Hier mein Goldstück.
Fortunat. Und hier für mich und meine Nachbarin.
Wir theilen den Gewinn. (Wirft.) Sechs!
David (wirft). Zwölf! – Verloren. –
Verdoppelt?
Fortunat. Das versteht sich.
Bertha. Nicht doch, Ritter!
Ihr habt kein Glück.
Fortunat. Kein Glück! Ihr kennt mich schlecht;
Laßt Euch das bischen Geldverlust nicht grämen,
Es kommt in Freundes Hand.
David. Du gold'ner Junge!
Gleich munter im Verlust, wie im Gewinn.
So hab' ich's gerne. Proteus, schenk' 'mal ein.
(Schüttelt die Würfel.)
Vorwärts! Courage! (Sie würfeln.)
Rosamunde (für sich). Länger schweig' ich nicht.
Sie nehmen ihm sein Geld ab – ich muß reden.
Vorige. Vasko (mit bewaffneten Leuten).
Vasko. Halt! Hier ist Station. Bleibt ruhig steh'n,
Ihr Helden, denn der Herzog will Euch mustern.
He, einen Schoppen Wein! (Nähert sich dem Tisch.)
Ei, Ihr da, Robert!
Robert. Seid mir gegrüßt.
Vasko. Auch David?
David. Grüß' Euch, Vasko!
Macht Ihr ein Spielchen mit?
Vasko. Ein Spiel? Du Dummbart!
Jetzt ist nicht Zeit zum Spielen, jetzt gilt's Ernst.
Was glotzt er mich so an und meinen Harnisch?
Siehst Du die Helden dort? Der Krieg ist los!
Vasko. Ja, mit den Normannen.
Robert. Dacht' ich's doch!
Vasko. Der Herzog läßt im ganzen Lande werben,
Doch fehlt es so an Führern als Soldaten.
Da klaubt' ich denn die Leute hier zusammen
Auf gutes Glück; wenn uns der Herr bezahlt,
So schlagen wir in Gottes Namen d'rein.
Fortunat (zu Vasko).
Sagt, werther Herr, soll's einen Kriegszug gelten?
Vasko (mißt ihn).
Ja, junger Mensch. (Leise zu Robert.) Den Burschen nehm' ich mit,
Der hat den rechten Bau, die derben Glieder.
(Trommeln hinter der Scene.)
Hört Ihr? Da kommen schon des Herzogs Boten;
Er selber naht, um in den Dom zu gehen.
(Glockengeläute. Die Buden werden geschlossen. Volk versammelt sich im Hiutergrunde).
David (trinkt und singt).
Die Kriegsdrommete klingt – o weh! es kommt der Tag,
Wo man zum letzten Mal in's Wirthshaus gehen mag. –
Proteus, schenk' ein –
Vorige. Trabanten, dann der Herzog, Ritter Colbert, Agrippina (in Harnisch und Helm), gehen über die Bühne.
Volk. Es lebe unser Herzog!
(Das Volk verläuft sich nach und nach.)
Fortunat. Robert. David. Bertha. Rosamunde, Vasko (mit Gefolge).
Fortunat (der indessen aufgestanden).
Wer war die Dame?
Vasko. Unsers Herzogs Schwester,
Die stolze Dame Agrippina.
Fortunat. Stolz?
Das ist sie, ja! Und edel, so wie stolz!
Wie herrlich ihr der Helm vom Haupte strahlte,
Der Panzer ihren schlanken Leib umfloß!
Sie schien zugleich Diana und Bellona!
Für sie zu kämpfen müßte herrlich sein.
David. Sei klug! Bedenk': der Mensch hat Arm und Bein:
Ich gehe, um die meinen zu salviren. (Steht auf).
Robert (ebenso).
Auch ich, bevor des Herzogs Werber nah'n.
(Zu Fortunat).
Komm' mit uns.
Fortunat. Wie? Ihr kämpft nicht für den Herzog?
Robert. Was fällt Dir ein?
David. Ich trink' auf guten Ausgang.
Fortunat. Verächtlich scheint mir das.
Robert. Wie's Euch beliebt.
Bertha, kommt mit! – Lebt wohl, mein edler Junker.
Bertha. Lebt wohl, kommt aus dem Krieg gesund zurück.
Robert. Ja, und macht Beute.
Bertha. Und dann würfelt wieder.
(Mit Robert ab).
David. Leb' wohl, mein lieber Junge! Du gefällst mir,
Bis auf Dein lächerliches Heldenwesen.
Drum folge mir und bleibe fein zu Haus;
Was hast Du, wenn sie Dich wie einen Hasen hetzen,
Das Wamms, und obendrein die Knochen Dir zerfetzen?
Schlag' zu, schlag' zu, ich bleibe fein,
Vom Kriege fern, beim Glase Wein.
(Singend ab).
Fortunat. Rosamunde. Vasko (und sein Gefolge).
Vasko (der sich an den Tisch gesetzt und trinkt).
Gemeines Volk!
Rosamunde (bei Seite). Weil sie nur wieder fort sind!
Fortunat (für sich).
Wie Schuppen fällt's mir plötzlich von den Augen!
Wie hab' ich fast des Ruhmes ganz vergessen!
Mit welchem Volk hab' ich mich da vermengt:
Mit Trinkern und mit Spielern, eklem Pöbel!
Und diese Dirne, wie so gar nicht gleicht
Sie jenem holden, kühnen Fürstenmädchen!
Vasko. Hört, Junker! Auf ein Wort!
Fortunat. Was gibt's?
Vasko. Wollt Ihr
Euch denn nicht werben lassen?
Fortunat. Hm! Von Euch?
Ihr seht nicht aus, als ob Ihr Handgeld zahltet.
Vasko. Da habt ihr Recht! Zahlt Ihr, könnt Ihr mich werben.
Fortunat. Es gilt! Da habt Ihr Geld. (Wirft ihm einen Beutel zu).
Vasko (springt auf). Wie? Pures Gold?
Da habt Ihr mich mit Leib und Seele, Herr!
Hier meine Truppen! Tapf're Leute sind's;
Ich zog sie aus den Wäldern und den Höhlen,
Wo sie von Wurzeln und vom Schlamme lebten;
Sie sind vortrefflich exercirt im Hungern.
Sagt nur, wohin wir zieh'n? Für oder gegen
Den Herzog von Burgund: das gilt mir gleich.
Fortunat. Der Herzog ist ein tapf'rer Kriegesheld,
Wie ich vernahm, und jetzt in Noth; darum,
Ist's ihm genehm, führ' ich die Schaar ihm zu.
Versorgt mit Waffen sie! Ich will sie üben.
Vasko. Sehr wohl, mein edler Herr.
Rosamunde (bei Seit). Nun zieht er in den Krieg!
Vasko. Doch, Herr, verzeiht! Habt Ihr's bedacht? Der Krieg
Ist gar ein theures Handwerk.
Fortunat. Ohne Sorge!
An Gelde wird es nimmermehr uns fehlen.
Vasko. Ei, da erobern wir die ganze Welt. –
Doch still! Da kommt der Herzog. – Ihr müßt wissen,
Er hält ein Stück auf mich. Ich präsentir' Euch.
Vorige. Der Herzog, Agrippina, Colbert und Gefolge kommen zurück.
Vasko (dem Herzog entgegen tretend).
Mein herzoglicher Herr und Gönner!
Herzog. Vasko!
Was bringst Du Gutes?
Vasko. Einen Rudel Helden,
Und ihren Führer, Herr.
Fortunat. Schweig'! – Edler Herzog,
Vergönnet mir, dem Fremdling, Euch zu dienen.
Herzog. Wer seid Ihr, junger Mann?
Fortunat. Mein Name, Herr,
Ist nicht an mir das Beste: Fortunat
Aus Cypern, eines Ritters Sohn, begierig
Nach einem Rittersporn in Euerm Dienst.
Herzog. Seid Ihr versucht im Krieg?
Fortunat. Zwar nur im Scherzspiel,
Doch sehn' ich mich schon längst nach ernstem Kampf.
Herzog. Sind diese Leute Euer?
Fortunat. Ja, mein Herzog!
Auf meine Kosten unterhalt' ich sie.
Herzog. Auf Eure Kosten?
Fortunat. Wenn Ihr es vergönnt.
Vasko (leise zum Herzog).
Laßt ihn nicht los, der junge Mensch hat Batzen.
Herzog. Nun denn, Herr Fortunat aus Cypern, sei's!
Ihr mögt mir unter Ritter Colbert dienen.
Fortunat. Dank, gnäd'ger Herzog! Ist das Glück mir hold,
So hoff' ich, daß Ihr bald mich loben sollt.
Agrippina. Versprecht nur nicht zu viel.
Herzog. Nicht also, Schwester!
Ihr macht ihn mir erröthen.
Fortunat. Weil ich nichts
Gethan, um Eurem Spotte zu begegnen.
Agrippina. Zwingt mich, Euch abzubitten.
Fortunat. So erlaubt mir,
Daß Eure Farb' ich trage, Fräulein.
Agrippina (gibt nun eine Schleife). Nehmt sie,
Doch laßt sie auch bei Ehren.
Fortunat. Uns're Fahne
Sei dieses Band, und knüpft sich nicht der Sieg
An dieses fröhlich flatternde Panier,
So siehst Du mich nicht lebend mehr vor Dir.
Agrippina. Kämpft Ihr so gut mit Waffen wie mit Reden,
Wird der Normann sich scheu'n, uns künftig zu befehden. –
Kommt, Colbert!
Herzog (zu Fortunat und Vasko). Seid entlassen!
Vasko (zu seinen Leuten). Salutirt!
(Herzog, Agrippina, Colbert und Gefolge ab).
Fortunat. Rosamunde. Vasko mit seinen Leuten.
Fortunat. Ha, stolze Schönheit, höhnende, Du sollst
Abbitten mir fürwahr! – He, Du da!
Vasko. Herr?
Fortunat. Was stelltest Du für Volk mir auf die Beine,
Zerlumptes und verhungertes Gesindel,
Als käm's vom Galgen oder aus dem Spittel?
Der Vogelscheuchen mußt' ich ja mich schämen.
Vasko. Ei, Vogelscheuchen? Herr, es sind Gascogner,
Mit schlechten Röcken zwar, doch biederm Herzen.
Fortunat. Gut, gut! Mach' fort! Steck' sie in Kleider!
Zu Menschen mache sie der Schneider,
Die Waffen lehr' ich selbst sie führen.
Vasko. Ihr Jungens, kommt! Jetzt heißt's marschiren.
Auf! Füße auswärts! – Langsam! – Wie das rennt!
Bedenkt: Ihr seid nun Vasko's Regiment.
(Ab mit den Leuten.)
Fortunat. Rosamunde.
Fortunat (für sich, ohne auf Rosamunden zu achten).
Wie hat jene Heldenjungfrau
Tief erschüttert meinen Sinn,
Daß ich plötzlich aus dem Traume
Wie erwacht zum Leben bin!
Mög' ein günstiges Geschick
Meine Erstlingswaffen segnen,
Um mit Ruhm und Kriegesglück
Ihrem Spotte zu begegnen.
Wenn die Siegeslieder schallen,
Dann wohl nimmt von mir sie Kunde;
Selig wär' es selbst, zu fallen,
Doch beklagt von ihrem Munde.
Was ist Reichthum, was Genießen?
Thor, wer solche Freuden preist!
Erdengüter, sie zerfließen,
Ewig nur ist Kraft und Geist.
Himmlisch ist der Schönheit Blüthe,
Die die Seele uns erregt,
Und aus kräftigem Gemüthe
Den verborg'nen Funken schlägt.
So auch fühl' ich's in mir gähren,
Mich beleben, mich verzehren;
Ohne Ruhe ist mein Sinn,
Bis ich zeigte, was ich bin,
Bis der Ruhm mich preisend nannte
Auf dem weiten Waffenfeld,
Bis das stolze Weib bekannte:
Ja, er ist ein Mann, ein Held!
(Ab.)
Rosamunde (allein, die sich bemühte, sich ihm bemerkbar zu machen).
Bin ich ihm denn gar nichts werth?
Nun sitzt er auf dem Steckenpferd!
Allein was soll nur ich dabei? –
Es ist mir nun schon Einerlei!
Ich ziehe lieber mit ihm in die Schlacht,
Daß er nicht gar zu tolle Streiche macht.
(Ab.)