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Ein Aas

Denkst du daran, mein Lieb, was jenen Sommermorgen
       Wir sahn im Sonnenschein?
Es war ein schändlich Aas, am Wegrand kaum geborgen
       Auf Sand und Kieselstein.

Die Beine hochgestreckt nach Art lüsterner Frauen,
       Von heissen Giften voll
Liess es ganz ohne Scham und frech den Leib uns schauen,
       Dem ekler Dunst entquoll.

Die Sonne brannte so auf dies verfaulte Leben,
       Als koche sie es gar
Und wolle der Natur in hundert Teilen geben,
       Was sie als eins gebar.

Der Himmel blickte still auf dies Gefaule nieder,
       Wie er auf Blumen schaut.
So furchtbar war der Dunst, dir schauderten die Glieder
       Von Ekel wild durchgraut.

Die Fliegen hörten wir summend das Aas umstreichen
       Und sahn das schwarze Heer
Der Larven dichtgedrängt den faulen Leib beschleichen,
       Wie ein dickflüssig Meer.

Und alles stieg und fiel aufsprudelnd, vorwärtsquellend
       Nach Meereswogen Art,
Fast schien's, als ob dem Leib, von fremdem Leben schwellend,
       Tausendfach Leben ward.

Und seltsame Musik drang uns von da entgegen,
       Wie Wind und Wasser singt,
Wie Korn, das in dem Sieb mit rhythmischem Bewegen
       Die Hand des Landmanns schwingt.

Die Formen ausgelöscht wie Träume und Legenden,
       Entwürfe stümperhaft,
Die halbverwischt die Hand des Künstlers muss vollenden
       Aus der Erinnrung Kraft.

Und eine Hündin lief unruhig dort hinterm Steine,
       Uns traf ihr böser Blick,
Erspähend den Moment, zu reissen vom Gebeine
       Das aufgegebne Stück. –

Und doch wirst einstmals du dem grausen Schmutz hier gleichen,
       Dem Kehricht ekelhaft,
Du meiner Augen Licht, du Sonne ohnegleichen,
       Stern meiner Leidenschaft.

Ja, so wirst du dereinst, o Königin der Güte,
       Nach letzter Ölung sein,
Wenn du verwesend liegst tief unter Gras und Blüte
       Bei schimmelndem Gebein.

Dann, Schönheit, sag' dem Wurm, der dich zerfleischt mit Küssen,
       Wie treu ich sie gewahrt
Die Göttlichkeit des Wesens, das zersetzt, zerrissen
       Von meiner Liebe ward.


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