Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wenn diese Vorbereitungen getroffen sind und die eigentliche ärztliche Behandlung nun beginnen soll, so sehen wir, dass dieselbe in einer grossen Anzahl von Fällen durch Opfer und Gebete eingeleitet werden muss.
Entweder betet der Medicin-Mann für die erkrankte Person, wie z. B. in dem Seranglao- und Gorong-Archipel, oder diese betet selber, oder sie spricht dem Medicin-Manne die von diesem vorgesprochene Gebetsformel nach. Der Wortlaut eines solchen Gebetes liegt uns von den Navajó-Indianern vor. Die Patientin musste folgendes Gebet an den Berggeist Dsilyi Neyáni richten:
»Ragender in den Bergen!
Herr der Berge!
Junger Mann!
Oberhaupt!
Ich habe Dir ein Opfer gebracht!
Ich habe ein Rauchen für Dich bereitet!
Stelle mir meine Beine wieder her!
Stelle mir meinen Körper wieder her!
Stelle mir meinen Geist wieder her!
Stelle mir meine Stimme wieder her!
Stelle all meine Schönheit wieder her!
Mache alles schönheitsvoll vor mir!
Mache alles schönheitsvoll hinter mir!
Mache schönheitsvoll meine Worte!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!«
Auch gemeinsame Gebete der ganzen Bevölkerung müssen unter Umständen gesprochen werden, wenn der Zorn der Gottheit besänftigt werden soll. Dieses hatte Jacobs einmal auf Bali zu beobachten Gelegenheit.
Es kommt aber auch vor, dass nicht nur in dem Augenblicke der Gefahr die Zuflucht zu den Gebeten genommen wird, sondern dass dieselben auch vorbeugend im Gebrauche sind, um sich und die Seinen vor Krankheit zu bewahren. So haben die Samoaner die Gewohnheit, vor jeglicher Mahlzeit ein Feuer zu entzünden. Der Aelteste der Familie ruft dann Irgendeinen auf, dass er das Feuer anblase, damit es aufflamme; dann bittet er Alle, stillzuschweigen und spricht darauf laut das folgende Gebet:
»Dieses Licht ist für Euch, o König, und Ihr höheren und niederen Götter! Wenn einer von Euch vergessen ist, so möge er nicht zürnen; dieses Licht ist für Euch Alle! Seid dieser Familie gnädig! Gebt Allen Leben und möge Eure Gegenwart günstig sein. Lasst unsere Kinder gesegnet sein und sich mehren. Haltet ferne von uns Geldbussen und Krankheiten. Seht auf unsere Armuth und sendet uns Nahrung zum Essen und Kleider, um uns warm zu halten. Treibt fort von uns umherschiffende Götter, damit sie nicht kommen und Krankheit und Tod verursachen. Schützt die Familie durch Eure Gegenwart und möge Gesundheit und langes Leben uns Allen beschieden sein!«
Bisweilen ist das Opfer allein schon ausreichend, um die glückliche Wiederherstellung des Kranken zu bewirken. Denn durch das Opfer wird die Sünde gesühnt. Doch muss das Opfer ausreichend sein. Die Gottheit Nafuana auf Samoa z. B. heilt nur diejenigen, welche feine Matten opfern. Wer jedoch armselige Opfer bringt, die nur aus geringen Matten bestehen, dessen Krankheit verlängert sie.
In anderen Fällen aber dient das Opfer nur dazu, dem Krankheitsdämon für den befallenen Menschen einen anderen Ersatz zu bieten, welchen er freiwillig als Tauschartikel annimmt, oder der ihn immerhin doch einigermaassen zu entschädigen vermag, wenn ihn der Medicin-Mann aus diesem vertreibt.
Wenn wir die uns zugänglichen Berichte über diese Opfer näher betrachten, so finden wir, was uns wohl kaum verwunderlich erscheinen wird, eine ganze Reihe complicirter Förmlichkeiten. Die Opfergaben müssen aus besonderen Stoffen zusammengestellt, bisweilen auch noch künstlich gefärbt, vor Allem aber zu bestimmter Zeit und nach bestimmten Vorschriften dargebracht werden. Es haben aber diese Ritualien im Ganzen doch nur ein sehr untergeordnetes Interesse für uns und wir können sie daher an dieser Stelle übergehen. Für uns sind die übernatürlichen Manipulationen bei Weitem von grösserer Wichtigkeit, welche die Medicin-Männer auszuführen pflegen, um ihre Patienten von der Krankheit zu befreien.
Ein Gebet, welches die Akkader und die Assyrer an die Sonne richteten, um Heilung zu erflehen, möge hier noch seine Stelle finden:
»Du leitest in Deinem Lauf das Menschengeschlecht (wörtlich: die Schwarzköpfigen),
Lass über ihm leuchten einen heilsamen Strahl, der ihn befreie von seinen Leiden!
Der Mensch, Sohn seines Gottes, hat seine Sünde und Missethat vor Dir bekannt,
Seine Hände und Füsse leiden grausamen Schmerz, er wird von der Krankheit schrecklich verunreinigt.
Sonne! Lass meine erhobenen Hände nicht unbeachtet!
Geniesse seine Speisen, weise sein Opfer nicht von Dir, führe ihm seinen Gott wieder zu, (auf dass er eine Stütze gewähre)
seiner Hand! Mögen, auf Deinen Befehl, seine Sünde vergeben, seine Missethat vergessen sein!«
Ein Beispiel, dass der blosse Anblick der Gottheit die Kranken heilt, wird uns von der zu den Neu-Hebriden gehörenden Insel Aneiteum berichtet. Turner erzählt: »Mit anderen Dingen wurde mir 1859 ein alter, glatter Stock von Eisenholz gebracht, etwas länger und dicker als ein gewöhnlicher Spazierstock. Er hatte seit Alters her in der Familie Eines aus der Krankheitsmacherzunft gedient, er wurde als die Repräsentation des Gottes betrachtet und wurde jedesmal von dem Priester mitgenommen, wenn er einen Krankheitsfall besuchte. Die Augen des armen Patienten glänzten bei dem Anblick des Stockes. Alles was der Priester that, war meistens, dass er vor dem Kranken sass, sich auf diesen heiligen Stock stützend, ihm eine kurze Rede hielt und ihm sagte, er habe nichts mehr zu fürchten, und dass er die Wiederherstellung erwarten könne.«
Bevor wir aber diese Heilmanipulationen einer genaueren Musterung unterziehen, müssen wir zuvor noch das hauptsächlichste Handwerkszeug der Medicin-Männer kennen lernen, welches sie im Allgemeinen bei diesen Proceduren nicht entbehren können. Da steht die Trommel obenan, oder besser gesagt, das Tambourin; denn fast alle die Medicin-Manns-Trommeln, welche wir in Sibirien, in Hinterindien und in Amerika finden, sind Halbtrommeln, nur auf einer Seite mit dem gespannten Leder überzogen. Ihre Grösse schwankt von der eines Dessert-Tellers bis zu derjenigen eines kleinen Wagenrades. Wir finden sie mit Federn geschmückt bei den nordamerikanischen Indianern, namentlich mit denjenigen des Truthahnes (Fig. 70), welche sich einer ganz besonderen Heiligkeit erfreuen. Auch allerlei Klapperwerk ist daran gehängt, besonders bei den Völkern Sibiriens, um den Schall und das Getöse noch zu verstärken. Der Steg, an dem sie gehalten wird, nimmt in einzelnen Fällen die rohe Gestalt eines Menschen an. Das ist dann natürlicher Weise das Bild von irgend einem mächtigen Geist. Das Fell der Trommel wird öfter bemalt. Eine Burjäten-Trommel (Fig. 67) trägt innen und aussen Figuren, unter denen man zweigartige Ornamente, sowie Pferde und Steinböcke erkennt, aber ausserdem ist eine primitive Menschengestalt über die ganze Trommelfellfläche gemalt. Dieselbe erscheint wie ein schwaches Abbild der Dämonenfigur, welche den Griff der Trommel bildet (Fig. 68).
Aus Portland in Oregon stammt die Trommel eines Medicin-Mannes (Fig. 69), deren Innenfläche in dem für jene Gegenden gebräuchlichen Kunststiele einen Walfisch, einen Adler und den Donnervogel und darüber den Bogen des Firmamentes zeigt. Eine Medicin-Manns-Trommel aus Missouri ist tambourinartig flach, aber ausnahmsweise auf beiden Seiten mit Haut überzogen, und mit Schellen und Truthahnfedern geschmückt, Die eine Seite (Fig. 70) trägt, in rother Farbe aufgemalt, einen Kreis mit Strahlen und um ihn herum zahlreiche Punkte. Wahrscheinlich soll es die Sonne mit den Sternen sein. Auf der anderen Seite (Fig. 71) sind zwei kleine Fische und zwei Vögel, wahrscheinlich Manidos, d. h. dienstbare Thiergeister, zwischen drei roh gezeichneten Menschenköpfen. Die Fische sind gehörnt; aus dem Schnabel der Vögel geht eine Wellenlinie aus. Beides soll voraussichtlich ihre übernatürliche Kraft bezeichnen. Von den Menschenköpfen ist der eine gehörnt, mit aufrecht stehenden, kurzen Strahlen zwischen den Hörnern, während die beiden anderen Köpfe nur diese Strahlenglorie tragen. Wir haben darin, wie wir aus den uns ihrer Bedeutung nach bekannten Bildern der Musikbretter entnehmen können, drei Medicin-Männer im Zustande der Inspiration zu erkennen.
Diese Trommeln sind nicht Musikinstrumente in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes. Sie stellen vielmehr ein wichtiges Heilwerkzeug dar, denn sie dienen den mächtigen Geistern zum Sitz. Das kommt bei dem Schamanen der sibirischen Völker zum deutlichen Ausdruck. Mit jedem Beschwörungsgesange ladet er einen seiner hülfreichen Geister ein, in seine Trommel herniederzusteigen. Ein deutlicher Ruck derselben liefert den Beweis, dass der Geist diesem Rufe willig gefolgt ist. Auch ruft der Geist bei den Altai-Tartaren durch des Schamanen Mund, bevor er in die Trommel eintritt:
»He, Schamane, da bin ich!«
Mit jedem neu eintretenden Dämon wird die Trommel schwerer und sinkt zur Seite, und endlich vermag der Medicin-Mann sie nur noch mit dem Schenkel gestützt zu halten. Nun ist die Trommel der Götter voll, und bei seinem
Heilswerk hat der Medicin-Mann jetzt die Dämonen in der Trommel als seine speciellen Gehülfen zur Seite. Und darum ist auch der Medicin-Mann um so mächtiger, und um so sicherer ist der Erfolg seiner Behandlung, je grösser die Zahl der Geister ist, welcher er zu gebieten vermag. Radloff hat uns mehrere solche Beschwörungsgesänge zugänglich gemacht, durch welche der Schamane der Altai-Tartaren die Geister in seine Trommel ruft. Einer derselben lautet:
»Komme her, o
junge Wolke,
Drückend dies mein Schulterblatt!
Volk und Leute, meine Schulter
Drückend, kommet her zu mir!
Täng-Sary, Du Sohn des Himmels,
Uelgöns Sohn, o
Kergidäi!
Du, mein Auge mir zum Schauen,
Meine Hand zum Greifen mir,
Du, mein Fuss, mir zum Enteilen,
Du, mein Huf, sobald ich stolpre,
Meine Rechte führt den
Orbu (Trommelstock)
Tönend, komm zu meiner Rechten!«
Ein anderer Geist wird gerufen:
»Mit dem Stock aus gelbem Rohre,
Mit dem gelben Falben Du!
Mit dem gelben, seid'nen Zügel,
Mit dem Pelz aus gelber Seide,
Kan Kartysch, des
Uelgön Sohn!
Spielend komm zu meiner Rechten,
Die den
Orbu schlagend schwingt.«
Natürlicher Weise sind diese Gesänge für das Studium der Mythologie und der Dämonologie der betreffenden Völker von einer ausserordentlich hohen Bedeutung.
Ein zweites wichtiges Handwerkszeug des Medicin-Mannes, dessen Besprechung wir am geeignetsten hier gleich folgen lassen, ist die Rassel. Sie tritt uns in den verschiedensten Formen entgegen. Gewöhnlich ist sie durch irgend einen hohlen Gegenstand dargestellt, in welchen Steinchen, Körner oder dergleichen hineingethan sind, um bei einem Schütteln des Apparates den rasselnden Ton zu verursachen. Bei den Medicin-Männern der Huna von Portland in Oregon jedoch ist die Rassel (Fig. 72) ein kurzer, mit Federn geschmückter Stab, an welchem angehängte Hirschhufe und Seepapageienschnäbel das Rasselgeräusch erzeugen.
Wahrscheinlich bezieht sich hierauf ein Beschwörungsgesang der Klamath-Indianer in Oregon:
»Die Füsse eines jungen Hirsches sind mein Medicin-Werkzeug.«
Er wird als » Der Frau Gesang« bezeichnet.
Auch der Bacsa der Kirgisen hat einen Stab, an dessen oberem Ende ein Brettchen mit daran hängenden Glöckchen angebracht ist. Aehnliche stabartige Rasseln besitzen auch andere sibirische Völker.
Bei den Dacota, den Chippeway und den benachbarten Indianern ist die Medicin- Manns-Rassel ein Kürbis. Bei allen heiligen und ärztlichen Handlungen (Fig. 73), sowie auch beim Bereiten der Medicin spielt sie eine wichtige Rolle. Gewöhnlich werden mit dem Klange der Rassel alle Beschwörungsgesänge begleitet. Sie ist daher ohne allen Zweifel nach dem Glauben der Indianer ebenfalls mit übernatürlicher Kraft beseelt.
Einen Uebergang zu etwas vollkommeneren Formen bildet aus Holamux in Oregon eine Kürbis-Rassel, welche an einem langen Handgriffe befestigt und mit einem roh eingeschnittenen Menschenantlitz, das ein Strahlenkranz umgiebt, verziert ist (Fig. 74). Die allerreichste Entwickelung in der Form hat aber unstreitig die Rassel bei den so bewunderungswürdig kunstgewandten Nordwest-Stämmen Nord-Amerikas erlangt. Das Berliner Museum für Völkerkunde besitzt eine sehr reichhaltige Sammlung derselben. Sie sind sämmtlich kunstvoll in Holz geschnitzt, und stellen Menschen- oder Vogelköpfe oder auch ganz complicirte und dann immer geschmackvoll bemalte Gruppen dar. Jegliches religiöse Fest dieser Indianer erfordert eine bestimmte Art der Rasseln. Diejenige für den Medicin-Mann der Haidah-Indianer (Fig. 75) stellt einen grossschnäbligen Vogel dar, den mythischen Raben, den Bringer des Lichts, den Urheber des Lebens, der in dem Schnabel die Kohle hält. Ein grosses Antlitz, das seine Brust einnimmt, soll die Sonne bedeuten. Auf seinem Rücken liegt ein kleiner Mann, sich auf seine Ellenbogen stützend und einen Frosch zwischen den Zähnen haltend. Das soll der Wolf sein, der den Tod und das Feuer symbolisirt. Ein phantastischer Vogelkopf, entstanden aus dem Gesichte der Eule und dem Schwänze des Raben, der auf dem hinteren Theile des Rabenrückens sitzt, beisst in die Zunge des Frosches. Dieses Letztere soll »Medicin« bezeichnen, d. h. es soll erkennen lassen, dass die Rassel voll übernatürlicher Kräfte ist. Die Medicin-Männer der Nutka in Britisch-Columbien benutzen zum Curiren der Krankheiten sackförmige Rasseln von Kupfer, welche mit Cedernbast verziert sind (Fig. 76).
Von anderen musikalischen Instrumenten sind noch Pfeifen, Becken und Stöcke zu nennen, und ganz vereinzelt kommt in Buru die Tuba, in Loango die Guitarro und bei den Kirgisen eine mit Klapperblechen geschmückte violoncellartige Geige vor. Alle diese Dinge finden wir meist in den Händen der Gehülfen des Medicin-Mannes. Ihre Verbreitung scheint aber eine nur beschränkte zu sein. Das Aneinanderschlagen von Stöcken finden wir bei einigen Indianer-Stämmen Nord-Amerikas und bei den Katschinzen; die Becken sind in Nias, Buru und an der Loango-Küste gebräuchlich, und die Pfeifen finden wir bei den Winnebago-Indianern, den Navajó in Arizona, bei den Niassern und bei den Loango-Negern. Die vorher erwähnte Geige wird von dem Medicin-Manne selber gespielt.
Ein wichtiges Werkzeug des Medicin-Mannes, das den Schwerpunkt seiner Verbreitung bei den Indianer-Stämmen von Nord-Amerika hat, ist der sogenannte Medicin-Sack. Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass jeder Indianer seinen Medicin-Beutel besitzt, der ihn wie ein Talisman durch das ganze Leben begleitet. Wenn er als Jüngling auszieht, um seinen Totem zu suchen, so wird das erste Exemplar seines Totemthieres, dessen er habhaft wird, abgehäutet, der Medicin-Sack daraus gefertigt und dieser mit Gras oder Moos gefüllt. Niemals wieder darf er geöffnet werden. Das ist nun mit dem Medicin-Sacke der Medicin-Männer etwas Anderes. Sie verbergen darin eine Menge von absonderlichen Dingen, denen sie eine übernatürliche Kraft beilegen. Ihnen ist auch gestattet, den Beutel zu öffnen, wenn auch nur nach vorhergegangenem feierlichen Schwitzen. Bei gewissen grösseren Medicin-Tänzen sind die Medicin-Männer sogar verpflichtet, sich gegenseitig die Schätze ihres Medicin-Beutels zu zeigen (Fig. 77) und deren Kräfte aus einander zu setzen. Wie ein Gewehr wird er bei den Einführungen von Novizen benutzt, und der aus ihm scheinbar gefeuerte magische Schuss streckt den Candidaten bewusstlos zu Boden. Aber auch ihre wirklichen Medicamente heben sie in dem Medicin-Beutel auf. Stets sind die Haare des Felles nach aussen gekehrt, oder die Federn, wenn es ein Vogelbalg ist. Stinkthier und Otter (Fig. 51) sind erheblich bevorzugt.
Medicin-Beutel, wenn auch nur kleine, sind auch bei den Aerzten der Kaffern und Basutho (Fig. 20) im Gebrauch. Sie sind aus gegerbtem Leder gefertigt, werden gewöhnlich am Halse getragen und enthalten allerlei absonderliche Dinge, Krallen von Raubthieren, Hufe von Antilopen, Fusswurzelknochen von verschiedenem Wild u. s. w. Diese dienen ihnen als Würfel bei ihren geschätzten Wahrsagerkünsten.
In ähnlicher Weise trägt der Medicin-Mann bei den Australnegern in Victoria seine Zauberknochen und Steine in einem besonderen Beutel mit herum. Diesen darf er niemals aus den Augen lassen, wie wir oben bereits berichtet haben.
Wir haben die Medicin-Steine schon erwähnt, welche die Medicin-Männer in ihrem Medicin-Beutel tragen. Diese sind ebenfalls mit übernatürlicher Kraft begabt, und werden bei feierlichen Gelegenheiten von den Medicin-Männern scheinbar verschluckt und bald darauf wieder ausgebrochen. Auch thun die Medicin-Männer häufig so, als wenn sie diese Steine aus dem Körper des Kranken heraussaugten. Auch kleine Schneckenhäuser und fossile Conchylien können zu dem gleichen Zwecke benutzt werden.
Bei den Chippeways werden sie Mî'gis (Fig. 78) genannt, und die vier verschiedenen Grade der Midç-Brüderschaft unterscheiden sich unter Anderem auch durch die Form ihrer Mî'gis von einander. Hier sind es Perlen und die Schalen von Schnecken, welche sich in ihrem Lande nicht vorfinden; dieselben müssen also auf dem Wege des Handels in ihren Besitz gekommen sein.
Bei den Ipurina-Indianern in Brasilien giebt der Medicin-Mann dem Candidaten, der in seine Lehre tritt, einen oder mehrere kleine Steinchen zu verschlucken, »die er unter heftigem, durch Tabak erregtem Erbrechen zum Vorschein gebracht hat. Es sind Quarzkörner, offenbar von weit her importiert, dieselben die bei der Krankenbehandlung scheinbar aus dem Körper des Kranken ausgesaugt werden.«
Der ärztliche Candidat der Chippeway hat bei der feierlichen Ceremonie seiner Aufnahme in den Midç-Orden eine Perle herunterzuschlucken. Dann schreitet er rings um die Medicin-Hütte, welche zu diesem Feste besonders errichtet ist, wobei er dauernd einen bestimmten Ruf ausstösst, bis er plötzlich hinsinkt, zu husten beginnt und in Convulsionen verfällt. Die Perle, die er schluckte, ist die Krankheit; diese erstickt ihn. Mit letzter Kraftanstrengung schleppt er sich bis zu der Gruppe der ihn einführenden Midçs. Hier bringt er unter mühevollen Würgebewegungen das Kügelchen wieder aus dem Halse heraus. Die Midçs haben ihn dabei unterstützt und gemeinsam gerufen: yâ aaa! yâ aaa! yâ aaa! Nun nimmt er das Kügelchen aus dem Mund und legt es als seinen Medicinstein in den oberen Theil seines Medicin-Sackes hinein, um bei geeigneter Gelegenheit davon Gebrauch machen zu können.
Bei einem Einführungsfeste, das die Midç der Winnebago-Indianer feierten, mussten nach der Erledigung einiger anderer Ceremonien die Candidaten sich auf eine Decke knien. Acht Medicin-Männer marschirten dann in einer Reihe rings um die Medicin-Hütte mit ihren Medicin-Säcken in der Hand. Als sie den Umgang vollendet hatten, machten sie Halt und einer von ihnen hielt eine Rede. Das wird wiederholt, bis alle gesprochen haben. »Sie schliessen dann einen Kreis und legen die Medicinsäcke vor sich auf den Teppich. Dann beginnen sie zu würgen und Brechanstrengungen zu machen, sich überbeugend, bis ihr Kopf beinahe in Berührung mit ihrem Medicinsack kommt, in welchen sie vomiren, oder aus ihrem Munde eine kleine weisse Seemuschel von der Grösse ungefähr einer Bohne niederlegen. Diese nennen sie den Medicin-Stein, und sie behaupten, dass sie ihn in ihrem Magen tragen und dass er bei diesen Gelegenheiten ausgebrochen wird. Diese Steine stecken sie in ihre Medicinsäcke und dann nehmen sie Platz am Ende der Laube, entgegengesetzt und mit dem Gesicht nach den Candidaten.«
Bei den nordwestlichen Stämmen von Nord-Amerika treffen wir aber auch ziemlich grosse Steine an, welche als Medicin-Manns-Steine bezeichnet werden. Sie haben die Grösse einer Handfläche und darüber; im Munde können sie also nicht beherbergt werden. Auch sind sie mit rohen Skulpturen bedeckt. Es sind grosse flach abgerollte Steine, deren einer aus West-Vancouver den Kopf eines Fisches und vielleicht eines Frosches eingeschnitten trägt (Fig. 81); ein Anderer (Fig. 79), ebendaher, zeigt einen Schwertwal und ein nach abwärts gekehrtes Menschengesicht, und ein Dritter (Fig. 80) mit zwei Gesichtern soll angeblich eine Seeotter zur Darstellung bringen. Alle drei gehören zu der Sammlung des Capitän Jacobsen im Museum für Völkerkunde in Berlin.
Etwas Aehnliches findet sich übrigens auch in dem malayischen Archipel. In dem westlichen Borneo besitzen die Medicin-Männer eine Art von Steinen, welche sie, wie sie behaupten, von den Geistern erhalten haben. Durch eine besondere Kunstfertigkeit lassen sie diese Steine scheinbar von dem Dache ihrer Wohnung herunterfallen. Sie gebrauchen sie für ihre Heilmanipulationen und bestreichen damit stundenlang den Körper ihrer Patienten.
Wir wollen im Anschlusse hieran noch eine Art der Hülfsinstrumente erwähnen, welche für den Medicin-Mann der Giljaken zu den unentbehrlichen Requisiten gehört. Es sind das aus Holzklötzen gefertigte Menschenfiguren (Fig. 82), welche von unglaublich roher Ausführung sind. Sie stellen den Schutzgeist des Schamanen vor und haben während seiner Zauberceremonien ihren Platz am Feuer. Bisweilen haben sie auch noch eine Anzahl von Untergeistern in ihrer Gewalt. So sehen wir einen solchen hölzernen Geist, auf dessen Kopfe sich sieben plumpe Zacken befinden. Das sollen die sieben Hülfsgeister sein, über deren Kraft und Fähigkeiten der Schamane nun ebenfalls verfügen kann.
Die übernatürliche, ärztliche Behandlung der Medicin-Männer scheint nach dem Principe des »Doppelt reisst nicht« eingerichtet zu sein; wenigstens sehen wir, dass sie gar nicht selten mehrere Methoden der magischen Therapie zu gleicher Zeit in Wirksamkeit treten lassen. Bei manchen Stämmen schreiten sie erst dazu, wenn die medicamentöse Behandlung nicht zu dem gewünschten Resultate geführt hat. Andere Völkerschaften aber fangen gleich mit der magischen Behandlung an und erst, wenn diese im Stiche gelassen hat, nehmen sie zu den Medicamenten ihre Zuflucht. Unter den mechanischen, magischen Behandlungsmethoden ist das Aussaugen der Krankheit ganz besonders weit verbreitet. Der Medicin-Mann setzt den Mund oder sein besonderes Instrument auf den leidenden Körpertheil und saugt mit grosser Anstrengung und Ausdauer, nicht selten stundenlang und bis es blutet. Dann bringt er unter besonderen Förmlichkeiten dasjenige aus dem Munde hervor, was die Krankheit verursacht hatte, Holzstückchen, Dornen, Muschelschalen, Krallen, kleine Knochen, u. s. w. (Fig. 8). Selbst Würmer, einen Frosch oder eine Schlange saugt er so aus dem Körper heraus. Ein Beschwörungsgesang des Medicin-Mannes der Klamath-Indianer lautet:
»Was entferne ich aus meinem Munde?
Die Krankheit ziehe ich aus meinem Munde.
Was ist das Ding, das ich herausnehme?
Es ist die Krankheit, die ich herausnehme!«
Nachdem der Medicin-Mann der Chorotegan-Indianer die leidenden Theile des Kranken geknetet und gesogen hat, bringt er unter absonderlichen Sprüngen eine schwarze Substanz aus seinem Munde hervor, die er als die Ursache der Krankheit ausgiebt. Die Freunde des Patienten nehmen diesen Stoff und zertrampeln ihn unter betäubendem Lärm. Hierauf bezieht sich zweifellos auch ein Medicin-Manns-Gesang der Klamath-Indianer:
»Was kommt aus meinem Munde?
Eine schwarze Masse hängt von meinem Munde hernieder.«
Bei den Dacota wirft sich der Medicin-Mann neben dem Patienten auf die Knie nieder und saugt mit »einer Energie, welche übermenschlich erscheint, wobei er die Kürbisrassel heftig schüttelt. Auf diese Weise pumpt der Gott, welcher in dem Arzte wohnt, die Krankheit aus dem Leidenden. Nachdem er so eine beträchtliche Zeit hindurch gesogen hat, richtet er sich auf seinen Füssen auf in sichtlicher Erschöpfung, derartig heulend, dass man es, wenn das Wetter still ist, eine Meile weit hört, seine Seiten schlagend, die Erde mit den Füssen stampfend und schlagend so, als wollte er sie erzittern machen, und eine Schale mit Wasser an seinen Mund haltend, bringt er unter einem singenden Blubbern dasjenige hervor und speit es in die Schüssel, was er aus der kranken Person herausgesogen hat. Diese anstrengende und ekelhafte Operation wird in kurzen Zwischenräumen auf Stunden wiederholt.« In vielen Fällen ist es aber immer wieder der »Medicin-Stein«, welchen der Arzt aus dem erkrankten Körper saugt. Es wurde oben schon erwähnt, dass wir diesen dann wahrscheinlich gleichsam als die coagulirte Krankheit ansehen müssen.
Auch in unsichtbarem Zustande wird, wie ebenfalls oben erwähnt, die Krankheit in manchen Fällen ausgesogen.
Hierüber verdanken wir Ehrenreich eine Notiz, welche die Ipurina-Indianer in Brasilien betrifft: »Bei der Krankenbehandlung, der ich am Acinam beiwohnte, saugte der Medicin-Mann zunächst an der Körperstelle des Patienten, die der Sitz des Leidens zu sein schien, und zwar mit solcher Intensität, dass ein weithin hörbarer klatschender Ton erzeugt wurde und grosse blaue Flecke, wie nach Application eines trockenen Schröpfkopfes, sichtbar blieben. Dann brachte er unter lautem Rülpsen ein Steinchen aus dem Munde hervor, bepustete und beleckte es mehrere Male, rieb es sich selbst an verschiedenen Körpertheilen, Unterarmen, Unterschenkel und Achsel, ein und liess es dann sehr geschickt wieder verschwinden.«
»Ehe er das Saugen wieder begann, schlug er rechts und links mit Händen und Füssen aus. Nunmehr kamen andere Körperstellen des Patienten an die Reihe, wobei immer ein Stein, wahrscheinlich immer derselbe, aus dem Munde hervorgeholt und wegpracticirt wurde. Zum Schluss ging er in einen Winkel, um kräftig auszuspeien, und wiederholte dasselbe unter einem Baum vor der Hütte, trat das Sputum mit dem Fusse aus, und machte, sich plötzlich umdrehend, mit Händen und Füssen abwehrende Bewegungen.«
Die Isthmus-Indianer nehmen vor dem Saugen bestimmte Medicamente in den Mund, die Creek, Winnebago und Chippeway u. s. w. kauen bisweilen eine gelbe Wurzel aus, deren Saft sie ausspeien, um zu beweisen, dass sie dem Patienten die versetzte Galle ausgesogen haben. Auf den Aaru-Inseln wird die zu saugende Stelle erst mit kleingekautem Gember bedeckt. Da in dem malayischen Archipel der Gember, wie wir sahen, auch zum Bespeien des Kranken benutzt wird, um den Krankheitsdämon aus seinem Körper herauszutreiben, so müssen wir hier wahrscheinlich auch wohl einen ähnlichen Gedankengang vermuthen.
In unsichtbarer Form wird die Krankheit bei den Isthmus-Indianern ausgesogen. Der Medicin-Mann stürzt dann plötzlich mit aufgeblasenen Hacken davon und thut, als wenn er etwas ausspuckte. Dann stösst er Flüche und Verwünschungen aus gegen die Krankheit, die er soeben entfernt hat. Bei den Klallams kommt der Medicin-Mann so in Erregung, dass er den kranken Theil auch mit den Zähnen packt. Um ein Mädchen von einer Erkrankung der Seite zu heilen, zog er dieselbe nackend aus, warf darauf selber sein Blanket ab und begann zu singen und heftig zu gesticuliren. Die Assistenten schlugen den Takt mit kleinen Stöcken an hölzernen Gelassen und Trommeln, wobei sie fortwährend sangen. »Nachdem sich der Medicin-Mann in dieser Weise ungefähr eine halbe Stunde hindurch angestrengt hatte, bis der Schweiss von seinem Körper rann, warf er sich plötzlich auf das junge Weib, hielt ihre Seite mit den Zähnen gepackt und schüttelte sie für einige Minuten, während die Patientin an grosser Erschöpfung zu leiden schien. Er verliess dann seinen Platz und schrie, dass er es bekommen habe, zur selben Zeit seine Hände vor seinen Mund haltend; danach tauchte er in's Wasser und behauptete, mit grosser Schwierigkeit die Krankheit, welche er herausgezogen habe, nieder zu halten.«
Die Saugekraft der Medicin-Männer gilt, wie man begreifen wird, als eine übernatürliche. Es sind die Geister, die sie beseelen, welche durch ihren Mund diese Wirkung ausüben. Die Dacota glauben, dass es Thiergeister sind, die Manidos, welche für die Medicin-Männer das Aussaugen besorgen, und darauf bezieht sich auch bei den Klamath-Indianern ein Beschwörungsgesang:
»Ich, der Käfer, ich beisse und sauge.«
Für die Saugecur bleibt es sich nun nicht gleich, auf welcher Stelle der Mund aufgesetzt wird. Wenn eine örtliche Schmerzhaftigkeit nicht den Locus affectus zu erkennen giebt, so muss derselbe sorgfältig aufgesucht werden. Die Aerzte der Schastas in Nord-Californien werden hierin von einer Collegin unterstützt, welche bei dem Kranken wie ein Hund solange bellt, bis sich der Geist hierdurch bewegen lässt, ihr die richtige Stelle anzuzeigen. Bei den Dieyerie in Süd-Australien betastet der Medicin-Mann sorgfältig den Körper des Kranken, bis er vorgiebt, etwas zu fühlen. Dann saugt er einige Minuten an dieser Stelle und entfernt sich danach eine kleine Strecke von dem Lager. Dabei bricht er ein kleines Stück Holz ab, das er verbirgt, und kehrt zum Lagerplatze zurück, macht sich mit einer rothglühenden Kohle die Hände heiss und knetet dann an dem Körper des Kranken herum, bis er dann plötzlich zu Aller Erstaunen das kleine Holzstückchen zum Vorschein bringt.
Die in Figur 83 wiedergegebene Zeichnung auf einem Musikbrett der Chippeway-Indianer zeigt uns einen Medicin-Mann, der einen vor ihm auf der Erde liegenden Kranken behandelt. In der linken Hand hält er ein Instrument, entweder die Rassel oder die Trommel. Von seinem Auge verläuft eine Linie gerade zur Herzgrube des Patienten. Diese bedeutet, dass er nun den Locus affectus aufgefunden hat. Hier hat der Krankheits-Dämon seinen Sitz aufgeschlagen und von hier muss er auch vertrieben oder vielmehr herausgesogen werden.
Bei einer allgemeinen Erkrankung wählen die Medicin-Männer der Eingeborenen von Süd-Australien und Victoria die Magengrube zum Heraussaugen der Krankheit aus, und bei den Indianern von Vancouver konnte Jacobsen das Gleiche beobachten.
Der Locus affectus wird aber auch bei anderen Gelegenheiten aufgesucht. Die Laoten z. B. wünschen zu wissen, an welcher Körperstelle sich der Krankheitsdämon verborgen hat, da er nur von dieser Stelle aus zu bewegen ist, durch den Mund des Kranken Auskunft zu geben. Zu diesem Behufe bindet der Medicin-Mann sieben Baumwollenfäden um die Daumen und um die grossen Zehen des Kranken, spricht seine Beschwörungsformeln und drückt mit seinen Fingern ganz allmählich alle Theile des Körpers, einen nach dem anderen, bis er die richtige Stelle gefunden hat. Die Ostjaken suchen für das Ansetzen ihrer Birkenschwamm-Moxen dadurch die geeignetste Stelle herauszufinden, dass sie an dem erkrankten Theile eine glühende Kohle auf verschiedene Hautstellen bringen. Dort, wo der Schmerz nicht gleich empfunden wird, ist für die Moxe der geeignete Punkt.
Das Kneten, Pressen, Drücken und Streichen, wie wir es in der Massage kennen gelernt haben, hatte zweifellos ursprünglich auch nur den Zweck, die Krankheit oder den Krankheitsdämon aus dem Patienten herauszunehmen. Hierhin haben wir es zu rechnen, wenn uns von den Eingeborenen der Inseln Leti, Moa und Lakor berichtet wird, dass dem Patienten zuerst der Körper mit Kalapa-Oel eingerieben und dann ein aus sieben Sirih- und sieben Pinang-Stücken zusammengekauter Brei auf die kranke Stelle gelegt wird. Darüber deckt man dann ein bezaubertes Tuch und nach einer Viertelstunde findet man nun in dem gekauten Brei den Fremdkörper, welcher die Krankheit verursacht hat. Auf der Insel Eetar und auf den Kêi-Inseln schmiert man den kranken Körpertheil ebenfalls, bevor man den magischen Fremdkörper aus ihm entfernt, mit kleingekauten Medicamenten ein; auf der erstgenannten Insel wird die Stelle vorher gekniffen.
Die Indianer Britisch Columbiens vorbinden mit dem mechanischen Fortnehmen der Krankheit gleichzeitig auch das Aussaugen und die gewaltsame Massage. So heisst es bei Bancroft: »Der Hexenmeister, häufig grotesk bemalt, tritt in den Kreis, singt einen Gesang, und geht daran den bösen Geist von dem kranken Manne zu zwingen, indem er beide geballten Fäuste mit aller Macht in seine Magengrube presst, und ebenso andere Theile des Körpers knetet und schlägt, ihn gelegentlich mit seinen eigenen Fingern stossend, und indem er Blut aus demjenigen Theile heraussaugt, der als der befallene betrachtet wird. Die Zuschauer schlagen mit ihren Stöcken, und alle mit Einschluss des Arztes, und oft auch der Patient gegen seinen Willen, unterhalten einen unaufhörlichen Gesang oder Geheul. Hier ist übrigens eine gewisse Methode in der Tollheit, und wenn die Routine vollendet ist, wird sie von Neuem begonnen, und dies wird mehrere Stunden hindurch alle Tage wiederholt, bis der Fall entschieden ist. Bei einigen Stämmen extrahirt der Arzt schliesslich den Geist, in der Form eines kleinen Knochens oder eines anderen Gegenstandes, aus dem Körper, oder dem Munde des Patienten durch irgend ein Taschenspielerkunststück.«
Eine besondere Methode, das die Krankheit erzeugende Thier, den sogenannten Fresser (Wurm, Schlange, Eidechse u. s. w.), aus dem Körper des Kranken herauszuholen, haben die Medicin-Männer, die Amagqira wokupata der Xosa-Kaffern. Es wird zuvor ein Opferthier geschlachtet, oft in besonders grausamer Weise. Im Jahre 1888 wurde in Mtata ein Ochse bei solcher Gelegenheit lebendig geschunden und ihm ein Vorderbein mit dem Schulterblatt abgelöst, »sodass er auf drei Beinen umhertaumelte«. Darauf formt der Medicin-Mann aus Lehm und frischem Kuhdünger einige Kugeln, an Grösse einer gewöhnlichen Kegelkugel gleich. Diese legt er auf die schmerzhafte Stelle und drückt sie unter Aechzen und Stöhnen, damit sie die giftigen Fresser aus dem Körper saugen sollen. Dann nimmt er die Kugel vor den Mund, bläst daran herum, als wenn er jene Dinge herausziehen wollte, und verdreht dabei ganz schrecklich die Augen. Im Munde verborgen hat er sich schon mit solchen Dingen versehen, die er auffinden will. Merken die Umstehenden, die sich ja in grosser Furcht und Aufregung befinden, nicht genau darauf, so practicirt er jene Dinge in die Kugeln; sein Aechzen und Stöhnen lässt nach und er behauptet, dass nun der Kranke genesen sei.
Die Süd-Australier nehmen in unsichtbarer Form die Krankheit von dem Patienten fort und werfen sie scheinbar in das Wasser oder sie verbrennen sie. Die Nieder-Californier versuchen in verzweifelten Fällen, die Krankheit mit den Fingern aus dem Munde des Patienten herauszuziehen. In gleicher Absicht stecken die Yakis dem Kranken einen Stock in den Mund, um so die Krankheit aus seinem Magen zu ziehen. Bei Ehrenreich lesen wir über die Yamamadi:
»Eine Krankenbehandlung, der ich beiwohnte, unterschied sich dadurch von der gewöhnlichen indianischen Curmethode, dass sie vollkommen lautlos, ohne Saugen oder Anblasen des Patienten vor sich ging. Die Umgebung der leidenden Stelle – es handelte sich um eine linksseitige Supraorbitalneuralgie – wurde mit der linken Hand gekniffen und gezupft, während die rechte den Kranken fest im Genick packte. Nach einigen solchen Griffen blies der Zauberer in die hohle Faust und that, als ob er einen Gegenstand zwischen den Fingern aufmerksam betrachte. Diesen imaginären Krankheitsstoff rieb er sich sodann in die Brustgegend oder die Achselhöhle ein. Nachdem sich dieses Spiel sechs bis acht Mal wiederholt hatte, wandte sich der Arzt um, strich sich die Hände an einem Balken ab und verliess die Hütte. Draussen grub er ein Loch, in welches er Wasser, das er aus seinem Munde über die Hände spülte, abfliessen liess, rieb nochmals sorgfältig seine Hand ab und schüttete das Loch wieder zu.«
Durch Beschwörungen und Verfluchungen wird der Fremdkörper, beziehungsweise die Krankheit, auf der Insel Serang und bei den Topantunuasu auf Selebes aus dem Kranken herausgeholt.
Auch die Klamath-Indianer haben für diesen Zweck ihre Beschwörung, den sogenannten Spinnen-Gesang. Derselbe ist nicht gerade sehr geistreich; er lautet:
»Ich, die Spinne, gehe hinauf.
Aufwärts wandere ich.«
Dabei wird ein ovales Stückchen Hirschleder dem Patienten auf die kranke Stelle gelegt, ein Blanket wird darüber gebreitet und hier hinein zieht sich nun die Krankheit.
Von den ältesten Zeiten bis zum heutigen Tage und über die ganze Erde hin hat eine Art der Krankenbehandlung ihre Ausbreitung gefunden, das ist der Exorcismus, das Bannen und Beschwören und die Austreibung der Krankheitsdämonen. Wir haben ja bereits die musikalischen Instrumente kennen gelernt, welcher der Medicin-Mann hierzu bedarf; es wurden auch schon manche der Beschwörungsgesänge an geeigneter Stelle angeführt. Wir finden aber in der Technik sowohl als auch in der Auffassung dieser Exorcismen noch mancherlei kleine Verschiedenheiten. Wir geben hier zwei Darstellungen von dem Exorcismus des Medicin-Mannes bei den Indianern. Die Figuren 83 und 84 sind den Zeichnungen auf einem Musikbrette entnommen, das sich in dem Besitze eines Midç der Chippeway-Indianer befand. Figur 84 zeigt die Behandlung einer Frau und Figur 83 diejenige eines Mannes. Beide Medicin-Männer schwingen die Rassel.
Figur 85 giebt eine Krankenbehandlung bei den Mandan-Indianern nach einer Handzeichnung von George Catlin.
Der Medicin-Mann umtanzt den Patienten, welcher schwach und elend am Boden liegt. Ganz ebenso, wie auf Figur 63, welche von der Feder desselben Malers eine Krankenbehandlung bei den Schwarzfuss-Indianern zur Darstellung bringt, halten Männer, Frauen und fast alle Kinder die rechte Hand vor ihren Mund. Wollen sie sich vielleicht dadurch schützen, dass der Dämon, der die Krankheit verursachte, wenn er nun aus dem Kranken verjagt wird, nicht in ihren Körper hineinfahre?
Oft reicht die Macht des Medicin-Mannes aus, den Dämon, welcher die Krankheit macht, und damit diese selber aus dem Körper des Patienten herauszutreiben. In manchen Fällen muss aber ein hülfreicher Geist für ihn diese mühevolle Arbeit übernehmen. Nicht selten wird durch mechanische Eingriffe das Entweichen des Dämons unterstützt und erleichtert. Meistens geschieht es mit Lärm und Geschrei, um den Dämon zu erschrecken und ihm Furcht einzujagen. Auch mit Beleidigungen wird es versucht, die manchmal den bösen Geist bewegen, sein Opfer fahren zu lassen. Von grosser Wirkung hält man bei einigen Völkern das Ausräuchern des bösen Geistes, und manchmal gelingt auch die Befreiung des Kranken auf dem Wege der Ueberlistung, oder der gütlichen Ueberredung. Wenn es nun nicht nur gelingt, den bösen Geist zu vertreiben, sondern auch noch ihn festzubannen oder gar zu vernichten, so ist die Aufgabe des Medicin-Mannes in der allervollkommensten Weise gelöst.
Wenn bei den Koniagas eine Person krank wird, so wird angenommen, dass irgend ein böser Geist von ihr Besitz genommen hat, und es ist das Geschäft des Schamanen, den Geist zu beschwören, zu bekämpfen und aus dem Manne auszutreiben. Zu diesem Zwecke setzt er sich mit dem magischen Tambourin bewaffnet zu dem Patienten und murmelt seine Incantationen. Ein weiblicher Assistent begleitet ihn mit Aechzen und Brummen. Sollte dies erfolglos sein, so nähert sich der Schamane dem Bette und wirft sich auf den Körper des Leidenden; dann den Dämon fassend, ringt er mit ihm, überwindet ihn und wirft ihn hinaus, während die Assistenten schreien:
»Er ist gegangen! Er ist gegangen!«
Auf den Luang- und Sermata-Inseln und bei den Topantunuasu in Selebes schlägt man bei gewissen Krankheiten auf den armen Patienten ein, um auf diese Weise den bösen Geist aus ihm herauszuprügeln.
Auf Samoa giebt es bestimmte eingeborene Aerzte, welche in dem Rufe stehen, dass sie die Schwindsucht, Mumu genannt, oder besser gesagt, den Dämon, der sie verursacht, mit dem Speere durchbohren können. Wenn solch ein Arzt gerufen wird, so setzt er sich vor den Kranken nieder und singt:
»O
Mumu! O
Mumu!
Ich bin im Begriff, Dich zu spiessen!«
»Dann springt er auf und schwingt den Speer über dem Haupte des Kranken und verlässt darauf das Haus. Niemand darf während dieser Ceremonie sprechen oder lächeln.«
Auch auf den Nicobaren erscheinen die Medicin-Männer häufig mit dem Speere in der Hand bei dem Patienten, um den bösen Geist, den Iwi, zu durchbohren, der die Krankheit verursacht hat.
Dieses Herausschrecken und Verjagen der Krankheitsdämonen findet in grossem Stile bei Epidemien Statt. Wir wollen diese Maassnahmen hier übergehen, weil wir sie später noch im Zusammenhange ganz ausführlich zu besprechen haben.
Dass der von dem Medicin-Manne und seinen Gehülfen hervorgebrachte betäubende Lärm zum Zweck hat, den Krankheitsdämon zu erschrecken, das liegt wohl deutlich auf der Hand. In einigen Schilderungen wird diese Absicht aber auch noch besonders hervorgehoben.
Den Wunsch, den bösen Geist, der die Krankheit gebracht hat, zu beschimpfen und zu beleidigen, finden wir bei den Australnegern von Victoria und bei den Eingeborenen des Seranglao- und Gorong-Archipeles.
Das Ausräuchern, namentlich bei bestimmten Erkrankungen, hat ebenfalls eine räumlich sehr weite Verbreitung. Meist sind es wohl stark schwälende Pflanzen, die gleichzeitig einen intensiven Geruch verbreiten, welche man zu diesen Ausräucherungen in Anwendung zieht. Auch Horn und Haare sind hierfür beliebt.
Die Midç der Chippeway-Indianer benutzen zum Ausräuchern der Dämonen eine Cypressenart, weil sie glauben, dass die Nadeln der Zweige die bösen Geister stechen und dass die Wirksamkeit der Ausräucherung hierdurch bedeutend erhöht werden würde. Auch bei den Central-Amerikanern sind Ausräucherungen der Dämonen im Gebrauch, sowie auch bei den Harrarî in Afrika, bei sibirischen Völkern, in Laos und auf verschiedenen Inselgruppen des malayischen Archipels. Die Samojeden und Ostjaken verbrennen zu diesem Zwecke Rennthierhaare, wonach der Besessene in einen stundenlangen Schlaf verfällt. Auf den Kêi-Inseln werden Büffelhaare und abgeschnittene Haare der Papua-Sklaven in Anwendung gezogen, und mit Büffelhaaren räuchert man auch auf dem Seranglao- und Gorong-Archipel den Schatten des Dämon aus dem Kranken heraus. Bei den Indianern des centralen Mexico spielt für diese Räucherungen der Salpeter eine hervorragende Rolle. Aus seinen Rückständen in der Asche sucht dann der Medicin-Mann irgend eine grosse Ameise oder einen Wurm hervor, um sie als die ausgetriebenen Krankheits-Dämonen dem Patienten und seinen Angehörigen zu deren grosser Genugtuung vorzustellen. Auf Keisar werden die zum Räuchern bestimmten Holzarten unter der Lagerstätte des Kranken verbrannt.
Bei den Mosquito-Indianern entzündet man das Feuer neben dem Kopfe des Patienten und der Medicin-Mann bläst ihm dann den Rauch über sein Gesicht.
Am complicirtesten scheinen diese Maassnahmen bei den Laoten sich zu gestalten. Aymonier berichtet darüber: »Wenn in Sourèn ein Mensch von bösen Geistern besessen ist, so bringt man ihn an einen Kreuzweg und umgiebt ihn mit einer Art von Pallisade, welche durch Pfosten gebildet wird, die man in die Erde steckt. Darüber gelegte Stäbe bilden das Dach, so dass der Patient nun wie in einem Käfig sitzt, und zwar auf einem kleinen Gestell, unter welches eine Schaale mit Tabak und spanischem Pfeffer gestellt wird. Neben dem Käfig errichtet man eine kleine Pyramide aus Holzscheiten in dreissig Schichten. Wenn alles dieses vorbereitet ist, werden glühende Kohlen in die Schaale geworfen, um den Patienten tüchtig durchzuräuchern und ihm die Geister auszutreiben. Fast erstickend ruft der Kranke: »Aber ich bin ja nur ein Mensch!« Die Medicin-Männer lassen ihn schreien und wimmern bis Alles in der Schaale verbrannt ist, denn sie meinen, dass dieser Ausruf nur ein Kniff der bösen Geister ist.«
Eine hervorragende Rolle spielen die Räucherungen der Patientinnen in der Wochenbettpflege der uncivilisirten Völker (Fig. 60). Auch hier liegt zweifellos ursprünglich der Gedanke zu Grunde, dass ein böser Geist, der Geist der Krankheit, der Unreinigkeit auf diese Weise verjagt werden muss. Ich habe über diese Verhältnisse an anderer Stelle ausführlich gehandelt.
Dem Medicin-Mann wird sein Werk der Teufelsaustreibung um so besser gelingen, wenn ihm übernatürliche Hülfskräfte zur Verfügung stehen. Darauf zielt ja auch das Gebet und das Opfer ab in vielen Fällen, wodurch man die Gottheit veranlassen will, die Vertreibung der Krankheitsdämonen zu übernehmen. Und darum müssen auch, wie auf Sumatra, in Annam und auf Keisar nach glücklich erfolgter Heilung Dankopfer dargebracht werden. Bei den Topantunuasu sind es die Schutzgeister des Stammes, denen geopfert wird, um die bösen Geister zu vertreiben, welche die Krankheit verursacht haben.
Dem Medicin-Manne der Annamiten hilft sein grosses Kriegsheer von Geistern, dem Medicin-Manne der Indianer stehen seine Manidos zu Gebote, der Schamane der sibirischen Volksstämme ruft seine Hülfsgeister in die Trommel herab.
Der australische Medicin-Mann in Victoria beschwört den ihn schützenden Geist eines verstorbenen Medicin-Mannes, in den Körper des Kranken hineinzufahren und die Krankheit herauszuholen. Auf Nias sucht der Medicin-Mann einen Hülfsgenius, der ihm dann behülflich ist, einen Adù, einen Geist, aufzufinden, der die Rolle eines Vermittlers übernimmt. Dieser letztere überredet nun den Dämon, welcher als Krankheit in den Patienten gefahren ist, diesen wiederum freizulassen und dafür die Schweine zu nehmen, die ihm geopfert worden sind. Aber auch noch eine andere Methode giebt es auf Nias, welche Modigliani bei der Behandlung einer alten, an Erbrechen und Hustenanfällen leidenden Frau mit ansah. Die vorher geschilderte Heilungsart hatte keinen Erfolg gehabt, weil ein dem Medicin-Manne feindlicher böser Geist ihn den richtigen Adù nicht hatte finden lassen. Er rief sich nun einen Collegen zu Hülfe und mit vereinten Kräften hatten sie bald den geeigneten Adù gefunden, »der dieses Mal durch eine rohe Holzfigur mit nur einem ausgearbeiteten Arme dargestellt war. Sie hatten ihn zuerst unter das Haus gebracht, dann hinein und schliesslich auf das Dach in verschiedenen Pausen, vielleicht damit er gut sehen könne, welche und wie viele böse Geister hineingingen, und zuletzt wurde er auf das Bett gelegt und mit einer aus Ringen von Cocosblättern gefertigten Kette von 6 Meter Länge daselbst angebunden, welche auf die Erde herabhing. Im Inneren der Hütte waren andere gleiche Ringe an dem Bilde des Adù Núbo und an der Matte, auf welcher die Kranke lag, befestigt.«
»Um einen anderen, mächtigeren Sumánge zu erhalten, wurde noch ein Huhn geopfert, in der Sorge, dass der böse Geist nicht befriedigt sei (Habgier begleitet die Niasser in allen Lebenslagen); aber da die Absicht nicht sofort erreicht wurde, so rief der Erè seinen Béla, seinen Beschützer, indem er magische Worte wiederholte und grosse Schläge auf seine heilige Trommel führte. Er tödtete darauf ein altes und sehr mageres Schwein, indem er ihm ein langes Messer in die linke Schulter stiess und mit grosser Geschicklichkeit bis in das Herz drang, und ihm einige Borsten ausreissend, tauchte er dieselben in das Blut und bestrich dem Adù das Gesicht. Dann sengte er die anderen ab und zertheilte das Thier, ohne es abgehäutet zu haben. Das Opferthier wurde darauf vertheilt, und was von dem Schweine übrig blieb, wurde vor der Hütte gelassen unter der Kette, die vom Dache herunterhing.«
»Jetzt kam der letzte Theil der Ceremonie: alle Ausgänge des Hauses wurden geschlossen, mit Ausnahme eines im Dache angebrachten Klappfensters, durch welches ein Theil der Kette ging, um sich mit derjenigen zu vereinigen, welche an dem Adù vor dem Hause hing; und alle Familienglieder fingen an zu heulen und zu toben, während der mit Lanze und Messer bewaffnete Medicin-Mann einen Geist zu verwunden und in die Flucht zu schlagen suchte, der in den Körper der Kranken gefahren war und von ihm allein gesehen wurde.«
Man nimmt nun an, dass »der in Schrecken gesetzte böse Geist durch alle diese Zwangsmaassregeln immer durch den Adú, der von der Höhe des Hauses her den Kranken beschützt, getrieben, auf irgend eine Weise zu fliehen sucht, und keine andere Oeffnung als die Dachluke findet, an der Kette in die Höhe klimmt und dann von dem Hause herabläuft, die Ueberreste des kurz vorher geopferten Schweines entdeckt und sich auf Letztere fallen lässt. Wenn er das Haus verlassen und das Schwein als Gegenstand seines bösen Einflusses erwählt hat, so wird der Adù ihn daran verhindern, zurückzukehren.«
Eine ganz ähnliche Heilmethode wird von von Rosenberg ebenfalls aus Nias beschrieben. Wir können sie hier mit Stillschweigen übergehen.
In Victoria wohnte Thomas einer Krankenbehandlung bei, welche drei junge Männer betraf. Sie hatten im Freien übernachtet und behaupteten nun, von der Krankheit Tur-run befallen zu sein, welche darin besteht, dass Zauberer ihnen dünne Baumzweige in die Augen gestossen hätten. »Sie waren in Verzweiflung, und Muthlosigkeit breitete sich im Volke aus und es herrschte grosse Verwirrung im Lager. Aber sogleich erschienen neun weibliche Aerzte. Sie legten die jungen Männer an ein ganz von Baumrinde entzündetes grosses Feuer, das sie speciell für sie bereitet hatten, und an einem angemessenen Platze abseits vom Hauptlager. Jede der neun Frauen hielt in der einen Hand ein Stück brennender Rinde und in der anderen ein Bündel Zweige, die vom Pallee gepflückt waren. Jede Frau berührte die Kranken mit den Zweigen am Kopfe. Die weiblichen Aerzte gingen dann rings um das Feuer, wobei sie die Blätter der Zweige an der Flamme gut erwärmten, und die heissen Blätter wurden dann gegen die Brust der Kranken gerieben, und gegen die Stelle, wo der Marm-bu-la (das Nierenfett) sitzt, und gegen den Nabel. Und sie beschleunigten ihre Schritte und erhitzten die Blätter mehr und mehr, und sie rieben die Blätter gewaltsam, gegen die Augenbrauen, den Kopf und die Hände der Kranken, wobei sie die ganze Zeit fremdartige Gesänge und schreckliche Anzeichen von Betrübniss und Trotz wiederholten. Als das gemacht war, warf jede der Frauen ihren Zweig in das Feuer. Sie nahmen nächstdem Kun-nun-der (Kohlenpulver) und jeder weibliche Arzt machte jedem Patienten einen schwarzen Strich vom Nabel bis zu der Brust, und dann einen schwarzen Strich von jedem Mundwinkel bis zum Ohre. Als das alles geschehen war, wurden die sichtlich sehr erschöpften Kranken nach ihrer Hütte (Miam) zurückgebracht. Aber so gross war das Zutrauen der Kranken zu dieser Behandlungsmethode, dass sie geheilt waren und kurz darauf ihren gewohnten Beschäftigungen nachgingen. Während des Experimentes, als die weiblichen Aerzte besonders beschäftigt waren, wurde der Stärkste der drei Schwarzen ohnmächtig und wurde von der einen der weiblichen Aerzte unterstützt und gehalten.«
Der Sinn dieser Ceremonie ist vermuthlich der, dass die Krankheit in die Zweige und Blätter gebannt wird, und wenn man sie nun in diesen gefangen hält, dann wird sie mit den Zweigen in das Feuer geworfen und sie muss dann natürlicher Weise verbrennen.
Hieran erinnert eine Procedur, welche von den Steinen mit einem kranken Weibe der Yuruma-Indianer vornehmen sah. »Die Frau lag in der Hängematte; mit einem grünen Zweige rieb ihr der College Gesicht, Hals, Brust und Bauch, mit beiden Fäusten aus Leibeskräften zudrückend, und pustete, als wollte er sich bei der Anstrengung die Seele auspressen. Dann nahm er den Zweig in die hohlen Hände, vorsichtig, als ob er von einer Flüssigkeit zu verschütten fürchte, und trabte hinaus, ihn fortzuwerfen, immer aus dem tiefsten Inneren ächzend. Wiederkehrend unterwarf er den Rücken der Frau derselben Procedur; er wedelte den Zweig, auf dem sie gelegen, zuerst wie abstäubend und begann zu kneten; mit derselben wichtigen Aengstlichkeit brachte er die gefangene Materie in's Freie.«
Aehnlich ist auch die Methode der Papua von der Geelvinkbai in Neu-Guinea. v. Hasselt schreibt: »Manchmal kneipt der Konorr (d. h. der Zauberer) Daumen und Zeigefinger der rechten Hand so zusammen, als ob er ein Stück von dem Leibe des Kranken festhielte, bringt die geschlossenen Finger an seinen Mund, pfeift und öffnet die Finger wieder, um den vermeintlichen Swangie oder Manoïn (Dämonen) fortfliegen zu lassen.«
Auf den Aaru-Inseln und im Babar-Archipel schlägt man Epileptische mit gewissen Blättern, damit der böse Geist in dieselben fahre. Ist das glücklich gelungen, dann werden sie fortgeworfen.
Von der Behandlung eines Kindes in Koetei in Borneo mit einer Wunde am Beine berichtet Tromp. Der Medicin-Mann holte ein Blatt hervor »und legte es, Beschwörungen murmelnd, mit allerlei fremdartigen Geberden auf die eiternde Stelle. Als dann ein Fleck auf das Blatt kam, so war dieses der böse Geist, der die Qual verursacht hatte; der Medicin-Mann guckte es einige Zeit an, und entfernte sich dann mit ein Paar Riesensprüngen plötzlich aus der Gesellschaft. Das musste bedeuten, dass der böse Geist plötzlich in ihn gefahren war, und als er entfliehen wollte, ihn mitgeführt hatte. Der Medicin-Mann wurde dann von einigen anderen nicht Dienst thuenden Medicin-Männern wieder zurückgeholt und kam hinkend mit einem traurigen Gesichtsausdruck wieder, sehr passend, um anzuzeigen, dass der böse Geist noch in ihm sei. Aengstlich blicken die Umstehenden umher, aus Furcht, dass der böse Geist, der den Bìhabei sicherlich zu verlassen sucht, in sie fahre, bis endlich das Gesicht des Letzteren sich aufklärt und er wieder begann gut zu laufen zum Zeichen, dass der gefährliche Geist gewichen sei. Wie diese Entweichung stattgefunden hatte, wodurch sie verursacht war, wohin der Böse gegangen war, ohne Jemanden aus der zahlreichen Gesellschaft zu verletzen, das konnte ich nicht in Erfahrung bringen; vermuthlich wusste man es selber nicht.«
Auf Ambon und den Uliase-Inseln nimmt der Medicin-Mann ein Pfefferkorn und drückt mit diesem den Patienten an verschiedenen Stellen, bis es schmerzt. So zwingt er unter Beschwörungen den Krankheitsdämon in das Pfefferkorn und dieses wird dann in einen Korb gelegt und an einem bestimmten Orte fortgeworfen.
Bei den Annamiten bannt der Medicin-Mann den Krankheitsdämon in einen seiner Gehülfen oder auch in besondere kleine Puppen. Auf den Inseln Romang, Dama, Teun, Nila und Serua fertigen die Medicin-Männer ein Figürchen aus einem Palmblatte (Fig. 80) und stellen es über den Kopf des Kranken. Davor legt man »als Opfer oder als Lockmittel Sirih-Pinang und etwas Reis mit einer halben leeren Eierschale, wovon ein Bischen von dem Inhalt auf die Stirn des Kranken gelegt wird. Der böse Geist verlässt, durch das Stückchen auf der Stirn angereizt, den Körper des Kranken, isst dasjenige, was auf der Stirn des Kranken liegt, und begiebt sich darauf in das Bild, um den dargebotenen Sirih-Pinang und Reis ungestört zu geniessen. Indessen betet und pfeift der Medicin-Mann und ruft den Dämon. Dann presst er in einem bestimmten Augenblicke wüthend das Bild und schlägt ihm den Kopf ab, damit der böse Geist, der in dem Bilde ist, nicht mehr im Stande sei, zurückzukehren.«
Während hier der Krankheitsdämon in die Figur eines Menschen gebannt wird, so findet es sich auch bisweilen, dass eine Thierfigur für diesen Zweck hergestellt wird. Das ist besonders dann der Fall, wenn man auch den bösen Geist, der die Krankheit verursacht, sich in der Gestalt eines Thieres vorstellt. Auf Tanembar und den Timorlao-Inseln suchen alte Weiber die Epilepsie, welche man sich auf jenen Inselgruppen bisweilen durch einen in dem Patienten sitzenden Vogel entstanden denkt, dadurch zu heilen, dass sie eine Vogelfigur anfertigen. Dieser opfern sie dann am Abend Reis und ein Huhn und schiessen nach ihr mit Pfeil und Bogen.
Auch bei den Dacota-Indianern wird, wie wir sahen, sehr häufig die Krankheit dadurch zu erklären gesucht, dass sie annehmen, der Geist eines Thieres oder besser ein Geist in Thiergestalt, sei in den Körper des Patienten gedrungen. Dann fertigt der Medicin-Mann aus Baumrinde das Bild dieses Thieres und stellt es vor der Hütte des Kranken in eine Schüssel, in welcher sich rothe Erde mit Wasser gemischt befindet. Mit wilden Bewegungen und mit Rasseln macht er sich um den Kranken zu thun. Indessen stellt sich eine Frau mit gespreizten Beinen über die Schüssel und hebt ihre Kleider bis zu den Knien in die Höhe, während zwei bis drei Indianer mit geladenen Gewehren bereitstehen. Es ist jedoch nur Pulver und ein Baumwollenpfropf, aber keine Kugel in dem Gewehr. Die Thür der Hütte ist geöffnet, damit die Indianer den Medicin-Mann sehen können. Sowie dieser ihnen das Zeichen giebt, feuern sie auf das Rindenthier, um es in Stücke zu zertrümmern. Dann tritt die Frau bei Seite und der Medicin-Mann macht einen »Satz zu der Schüssel auf seinen Händen und Knien und beginnt in dem Wasser zu blubbern, zu singen und allerlei Lärm zu machen. Während dessen macht die Frau einen Sprung auf den Bücken des Arztes und steht hier einen Augenblick. Dann steigt sie herunter, und sowie er seine Beschwörungsgesänge beendet hat, packt ihn die Frau bei seinen Kopfhaaren und zerrt ihn in die Hütte zurück, aus der er hervorgesprungen war. Werden noch irgendwelche Trümmer des Thieres gefunden, auf das geschossen wurde, so werden sie sorgfältig verbrannt, und dann ist für diesmal die Ceremonie zu Ende. Wenn dieses den Kranken nicht heilt, so wird eine ähnliche Ceremonie vorgenommen, aber es wird eine andere Thierart geschnitzt und nach derselben geschossen.«
Als weiter oben von der Behandlung der Australneger die Rede war, durch welche die Tur-run-Krankheit vertrieben wurde, da haben wir es bereits erwähnt, dass die weiblichen Aerzte zum Schlusse ihrer Heilceremonie den drei Patienten mit Kohlenpulver einen schwarzen Strich vom Nabel aufwärts bis zur Brust und einen von jedem Mundwinkel bis zum Ohre malten. Dass dieses Bemalen in den Augen jener Leute eine besondere Bedeutung besitzen muss, das liegt wohl auf der Hand; aber es ist nicht leicht, sich eine klare Vorstellung davon zu machen, was sie nun eigentlich damit bezwecken. Um so wichtiger ist es daher, dass wir uns auf dem Erdkreise umblicken, ob diese Vornahme ganz vereinzelt dasteht ohne Analogie, oder ob wir auch sonst noch irgendwo ähnliche Erscheinungen anzutreffen vermögen.
Da ist zuerst wieder ein Beschwörungsgesang der Klamath-Indianer zu erwähnen, der als » der Frau Gesang« bezeichnet ist. Er hat den Wortlaut:
»Bemalt bin ich am Körper,
Ich, eine Trau, bin schwarz bemalt.«
Wir können allerdings nicht ersehen, ob sie eine kranke Frau vorstellen soll.
Den Australnegern von Gippsland wird von den Medicin-Männern häufig vorgeschrieben, dass, wenn sie krank sind, sie ihr Gesicht weiss bemalen sollen. Die Mincopies auf den Andamanen fertigen eine ockerrothe Farbe, Koi'ob genannt, aus Eisenoxyd, das sie mit dem Fett vom Schwein, von der Schildkröte, bisweilen auch von einem Iguana oder von einem Dugong mischen. Diese Farbe hat nicht nur kosmetische Bedeutung, sondern sie wird auch zu Heilzwecken benutzt. Denn sie bemalen damit den Fieberkranken die Oberlippe und, wenn dieselben verheirathet sind, auch den Hals.
An der Loango-Küste sah Soyaux eine Patientin, welche an Schlaflosigkeit und an heftigen Schmerzen im rechten Arm und Beine litt. »Der Zustand währte schon beinahe eine Woche, und verschiedene aus rothen und schwarzen und gelben Tupfen gebildete Figuren auf der Haut der leidenden Körpertheile verrathen, dass ein N'ganga seine Zauberkünste gegen die Krankheit versucht hat.« Von der Insel Saleijer heisst es, dass für die Behandlung von Fieberanfällen den Kranken das Gesicht mit allerlei Schminken bestrichen wird.
Haben wir nun in diesen Bemalungen eine Art der Weihung und Heiligung zu erkennen, oder sollen sie den Dämon der Krankheit erschrecken, oder sind sie dazu bestimmt, ihm die Wege vorzuzeichnen, auf welchen er den Kranken verlassen soll? – ich weiss es nicht zu sagen. Verständlicher werden uns aber diese Bemalungen schon, wenn sie mit Opferblut ausgeführt werden. Dieses stammt in Nieder-Californien von einer der nächsten weiblichen Verwandten; dieselbe muss sich in den kleinen Finger schneiden und das Blut auf den kranken Theil des Patienten träufeln lassen.
Bei den Betschuanen lässt der Medicin-Mann das Blut des Opferthieres auf den Erkrankten fliessen. Die Mosquito-Indianer liegen auf Anordnung ihrer Medicin-Männer Tage lang mit Blut beschmiert, allen Wettern ausgesetzt, am Ufer, um ihre Wiederherstellung zu erwarten. Die Ostjaken nehmen zwar nicht das Blut, aber das Fett des Opferthieres, um damit des Patienten Stirn und seine kranken Glieder zu bestreichen.
Einer höchst interessanten Ceremonie hat Matthews in Arizona beigewohnt. Man könnte diese Art der Heilungsmethode als das Sitzen auf dem Gemälde bezeichnen. Es war ein grosser, schon einige Male erwähnter, Medicin-Tanz der Navajó, deren diese Indianer siebzehn besitzen sollen. Er führt den Namen » der Gesang gegen die Berge« und schildert die Wanderungen eines ihrer Propheten durch die überirdischen Gefilde der Welt. Neun volle Tage nimmt dieser Medicin-Tanz in Anspruch; die vier ersten hatte man schon vor Monaten gefeiert; fünf Feiertage standen noch aus.
Eine Medicin-Hütte (Fig. 87) wurde errichtet, von weit und breit strömten die Stammesgenossen zusammen und ein reiches Rituale kam zur Entwickelung. Einzelnes daraus wurde früher schon erwähnt; es ausführlich zu schildern fehlt hier der Raum. Uns interessiren an dieser Stelle die an vier Tagen ausgeführten Trockengemälde ( dry paintings). Sie werden durchaus nicht ohne Kunst und mit grosser Sorgfalt gefertigt.
Feierlich werden die Farben bereitet; rother, gelber und weisser Sandstein und Kohle werden zu feinem Pulver zerrieben. Sie bilden die Grundfarben und sie sind gleichzeitig auch von einer heiligen Bedeutung. Schwarz ist der Norden, weiss der Osten, gelb der Westen und der Süden blau. Letzteres, sowie auch die anderen Mischfarben werden durch Vermengung der Pulver erzeugt. Die Schüler des Medicin-Mannes haben die Bilder zu fertigen, je eines an einem Tag, vier an der Zahl. Da zu jedem der siebzehn Medicin-Tänze vier Bilder gehören, müssen sie 68 verschiedene Zeichnungen auswendig kennen.
In den geebneten Boden wird die Zeichnung furchenartig eingekratzt und in diese Furchen dann das färbende Pulver hineingestreut. Sorgfältig überwacht der Medicin-Mann die Arbeit; ohne jedoch selber mit Hand anzulegen; aber hier und da, wo es ihm nöthig erscheint, ordnet er die Verbesserung von Zeichenfehlern an. Denn die Zeichnung muss nach streng ritueller Vorschrift gefertigt werden und jede willkürliche Abweichung davon würde ein Sacrilegium sein. Menschliche Figuren werden zuerst nackt ausgeführt und danach erst die ihnen bestimmte Kleidung darüber gemalt. Zwölf Männer hatten an einem der Bilder (Fig. 88) volle sieben Stunden arbeiten müssen.
Auf einer bestimmten Stelle dieser Bilder muss der Patient sich niedersetzen (in diesem Falle war es eine Frau), und zu dem Rituale gehörte es unter anderem, dass der Medicin-Mann seine Hände mit Speichel befeuchtete, sie gegen geeignete Punkte der Zeichnung andrückte und dann die Patientin damit bestrich. Das ist also auch eine Art der Bemalung des Kranken. Zuerst nahm der Medicin-Mann auf die geschilderte Weise Staub von den Füssen der gemalten Gottheiten und brachte ihn auf die Füsse der Patientin. Dann nahm er nach der Reihe Staub von den Knien, vom Leibe, von der Brust, von den Schultern und dem Kopfe der Figuren und applicirte sie den betreffenden Theilen der Kranken, womit er jedesmal eine kräftige Massage verband. Hier liegt das Heiligende der Bemalung deutlich zu Tage, denn die Körpertheile der Gottheiten werden hier allmählich in den menschlichen Körper gebracht und das muss natürlicher Weise dann die Krankheit zur schleunigsten Flucht veranlassen.
Von dieser Heilwirkung waren auch die Anderen überzeugt, denn als die Patientin fortgegangen war, nahten sich mehrere Zuschauer dem Gemälde und nahmen etwas von dem Farbenstaub der Figuren, um damit die schmerzhaften Stellen ihres Körpers zu betupfen. Wer ein Leiden an seinen Beinen hatte, der nahm Staub von den Beinen des Götterbildes, und wer an dem Kopfe litt, nahm Staub vom Kopfe u. s. w. Unter Rasseln und Gesang wurden am Schlusse der Ceremonie jedesmal die Bilder von dem Medicin-Manne verwischt, wobei er eine ganz besondere Reihenfolge einhielt.
An einem der Tage vorher hatte schon der Medicin-Mann eine Ummalung der Patientin vorgenommen. Er hatte mit der Rassel die Zeichnung des Tages ausgelöscht; die kranke Frau wurde von zwei sie unterstützenden Weibern aufgerichtet und »da, wo die Zeichnung gewesen war, auf die Seite gelegt mit dem Gesicht nach Osten. Während sie hier lag, ging der Medicin-Mann singend um sie herum, schrieb bei ihren Füssen mit dem Finger eine gerade Linie in den Sand und kratzte sie mit dem Fusse aus, schrieb bei ihrem Kopfe ein Kreuz und wischte es in gleicherweise aus, zog strahlenförmige Linien in allen Richtungen von ihrem Körper aus und verwischte sie, gab ihr eine leichte Massage, pfiff über sie vom Kopfe bis zu den Füssen und rund um sie her und pfiff gegen das Rauchloch, als wenn er etwas fortpfiffe. Die letzte Operation war eine kräftige Massage, bei welcher er ihr jeden Theil ihres Körpers gewaltsam knetete und ihre Gelenke heftig zog, wobei sie stöhnte und Zeichen von Schmerz äusserte. Als dieses beendet war, stand sie auf. Ein Blanket wurde nördlich vom Feuer auf die Erde gebreitet, in dessen Nähe der Mann in Immergrün (einer der Tänzer) verborgen war. Beim letzten Erscheinen desselben fiel die Frau um, sichtlich paralysirt und an Athembeschwerden leidend; was alles vielleicht erheuchelt war, aber als ein Zeichen betrachtet wurde, dass die richtige Ceremonie oder das Heilmittel für ihre Leiden gefunden war und dass kein anderes versucht zu werden brauche. Der Medicin-Mann rief sie zum Bewusstsein zurück, indem er Zickzacklinien von ihrem Körper nach Osten und Westen und gerade Linien nach Norden und Süden zog, gleich ihren Symbolen, den Ketten und Blitzstrahlen, wobei er in verschiedenen Richtungen über sie hinwegschritt und rasselte.«
Als sie nun gänzlich aufgewacht war, drückte er mit Truthahnfedern geschmückte Zauberstäbe gegen verschiedene Stellen ihres Körpers, und danach trat eine Pause ein, welche die versammelten Zuschauer und Assistenten mit Singen, Rasseln, Spielen und Rauchen ausfüllten.
Die Methoden der ärztlichen Behandlung, welche wir bisher betrachteten, haben uns sämmtlich den Beweis geliefert, dass sie auf das Engste zu den Anschauungen in Beziehung stehen, welche die uncivilisirten Nationen sich von der Natur und dem Wesen der Krankheiten gebildet haben. Wir hatten nun früher bereits gesehen, dass die Krankheit auch dadurch entstehen kann, dass ein Dämon dem Menschen die Seele entführt oder ihm seinen Schatten raubt, und wenn der Kranke genesen soll, so muss der Medicin-Mann ihm das Entführte wieder verschaffen. Diese Aufgabe ist natürlich nicht leicht, denn erst muss gesucht werden, wer die Seele raubte, oder wie sie sonst verloren ging; dann muss der Medicin-Mann den Platz entdecken, wo der Dämon sie gefangen hält, oder wo sie sich verbirgt, und endlich muss er den bösen Geist zwingen oder auf gütliche Weise veranlassen, dass er ihm die Seele zum Zurückbringen überlässt.
Eine solche Entführung der Seele ist auf Sumatra und auf Nias, auf Ambon und den Uliase-Inseln bekannt, aber auch die Indianer Nord-Amerikas glauben an dieselbe. Auf Ambon kann auch der Schatten entführt werden. Bei den Twana-, Chemakum- und Klallam-Indianern kann die Seele auf einem Lagerplatz zurückgelassen werden. Sehr verbreitet ist aber der Glaube bei den Indianern, dass die Seele in das Geisterland auswandern könne. Dann verfällt der Kranke sichtlich in seinen Kräften und sein Tod ist ganz unvermeidlich, wenn die Seele ihm nicht zurückgebracht wird.
Bei den Topantunuasu auf Selebes vermag auch ein Schreck die Seele aus dem Körper des Menschen zu verscheuchen. Sie sind der Meinung, dass dieses bei den Epileptikern der Fall ist. Die Kranken werden dann mit Ruthen geschlagen, um das Mitleid der entflohenen Seele zu erregen. Um ihrem Körper die Misshandlungen zu ersparen, kehrt sie dann willig in denselben zurück.
Auf Ambon und den Uliase-Inseln bringen die bösen Geister die von ihnen entführten Schatten und Seelen der Menschen in die Wälder und an einsame Plätze. Hier sucht sie Nachts der Medicin-Mann auf, bewaffnet mit »einem Feuerbrand, um dem Bösen Furcht einzujagen, nimmt an der Stelle einen Zweig, gleichgültig von welchem Baume, schlägt damit links und rechts, als ob er ihn fangen wollte, während er den Namen des Kranken ruft, und kehrt damit nach Hause zurück. Wenn er dann zu dem Kranken kommt, so schlägt er diesen mit dem Zweig, in welchen, wie man sich vorstellt, der Schatten gefahren ist, auf den Kopf und den Körper und bringt auf diese Weise den Schatten wieder in den Körper des Kranken zurück.«
Wenn auf Nias der Medicin-Mann von dem Adú entsprechend unterstützt wird, dann sieht er, aber er nur allein, eine leuchtende Fliege. Diese sucht er mit einem Tuche zu fangen, denn es ist der Schatten, welcher zurückkehrt. Hat er ihn erwischt, dann reibt er ihn in die Stirn und die Brust des Patienten hinein und auf diese Weise wird jener gerettet.
Eine grosse Ceremonie bildet das Zurückholen der Seele bei den Minangkabauer auf Sumatra. Der weibliche Arzt, welchem dieses obliegt, lässt acht nach besonderer Vorschrift bereitete Opferingredienzien auf eine erhöhte Stelle legen, und unter dem Verbrennen von Benzoë-Harz in einer Kohlenpfanne ladet sie dann ihre Hülfsgeister ein, sie in dieser Arbeit zu unterstützen. Sie legt sich nieder und wird dicht mit Decken zugedeckt. Ungefähr eine Viertelstunde später spürt man am Zittern ihrer Beine, dass ihre Seele ihren Körper verlässt und sich auf der Reise nach dem Dorfe der Djihins, der Geister befindet. Dort angelangt, erzählt sie ihren Freunden und Freundinnen, was der Zweck ihres Besuches ist (dieses hört man aber nicht), worauf die Aelteste der weiblichen Djihins, Mandé Roebiàh, mit einigem Gefolge, worunter auch männliche, um dem Räuber der Seele Respect einzuflössen, die Gefangene suchen geht.
Manchmal, d. h. bei einem ernstlichen Krankheitsfall, verlangt der böse Geist für die Herausgabe ein Opfer, und, als Unterpfand für die Erfüllung eines diesbezüglich abgelegten Gelübdes, ein Armband, einen Kris oder eine andere Kostbarkeit. Diese Gegenstände werden dann auch öfters zu diesem Zwecke an die Doekoen (die Medicin-Frau) abgegeben. Glückt es der Mandé Roebiàh nicht, die Seele zurückzubekommen, dann ist kein Zweifel, dass der Patient sterben wird. Wird sie ihr jedoch überlassen, dann bringt sie sie unter dem Geleite von einem grossen Gefolge, das sie gegen die Angriffe von neuen Räubern sicherstellen muss, zurück, und die Herstellung des Patienten kann danach erwartet werden.
Die Ankunft der Djihins, welche den Lebensgeist zurückführen, wird angekündigt durch neues Zittern in den Beinen der Aerztin, die selber jedoch, d. h. ihre Seele, noch in der Geisteransiedelung zurückgeblieben ist. Von dem Stimmengetöse, das sich unter der Decke hören lässt, wird angenommen, dass es von den in die Aerztin gefahrenen Geistern herrühre. Die Geister werden dann zu dem Speiseopfer eingeladen und der älteste weibliche Geist befiehlt darauf seinen Genossinnen, die mitgeführte Seele nun wieder in den Körper des Kranken zu bringen. Sie thun das unter folgendem Gesang:
»Die Lakoep (eine wilde Mangga) trägt Früchte;
Sie trägt deren sieben und zwanzig.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in dem Körper.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein Körbchen voll.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in dem Ringfinger.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein Körbchen voll.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz im Daumen.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein Körbchen voll.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in der grossen Zehe.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein und zwanzig.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in der Pupille des Auges.«
Dann wird an die Führerin der Geister noch die Frage gerichtet, was nun noch für den Kranken gethan werden soll. Sie bestimmt dann ein Bad, ein Opfer oder dergleichen; in Bezug auf die Medicamente schreibt sie aber vor, dass hierüber die Aerztin befragt werden müsse.
Wir hatten gesehen, dass bei den Indianern die Seele in das Geisterland entführt wird oder entflieht, und die Medicin-Männer der Haidah-Indianer besitzen, wie schon früher gesagt wurde, besondere knöcherne Instrumente, um die fliehende Seele des Patienten festzuhalten (Fig. 89). In einem Beschwörungsgesange der Modoc-Indianer singt der Kranke:
»Als ich ankam in dem Geisterland,
Klagte die Erde und schrie.«
Bei den Canadiern versetzt der Medicin-Mann den Patienten in magischen Schlaf. Dann bringt sein Hülfsgeist die Seele zurück, und nun erweckt er den Kranken mit einem Schrei, dessen Heilung dann glücklich vollendet ist. Die Twana-Indianer im Washington-Territorium führen die Ceremonie, um die verlorene Seele zurückzuholen, des Nachts aus, weil diese der Tageszeit in dem Geisterlande entspricht. Um die Rückkehr aus dem Geisterlande möglichst zu erleichtern, muss die Erde verschiedentlich aufgegraben werden. Pantomimisch führt der Medicin-Mann seine Reise auf, das Uebersetzen über Flüsse u. s. w., bis er die Wohnung der Geister erreicht. Er überrumpelt sie und entreisst die Gefangene, was die Zuschauer mit einem allgemeinen Lärme begleiten. So drückt auch der Schamane der sibirischen Völker pantomimisch aus, wie er in die höheren Himmel eindringt, und deutlich hören die Zuschauer das Geräusch, wenn er die Scheidewände zwischen je zwei Himmeln durchbricht.
Eine Wiederherstellung des Patienten kann hier, wie schon gesagt, nur dann eintreten, wenn es die Seele zurückzubringen gelingt. Ist dieses nicht ausführbar, dann stirbt der Kranke. Auf Ambon und den Uliase-Inseln weiss der Medicin-Mann aber hier auch noch Rath.
Zu diesem Zwecke geht er des Nachts aus, und wenn er vor die Wohnung eines Dorf-Genossen kommt, so fragt er, wer ist da? Ist man unvorsichtig genug, darauf zu antworten, so nimmt er einen Kloss Erde vor der Thür dieser Wohnung auf. Hierin hat er dann die Seele des Antwortgebers gefangen und nun legt er den Kloss unter das Kissen des Kranken und bringt die Seele in seinen Körper. Darauf giebt er zwei Schüsse ab, um der Seele Furcht einzujagen, damit sie nicht wieder zu ihrem vorigen Besitzer zurückzukehren wagt.
Eine Ursache der Erkrankung hatten wir endlich auch in dem Umstande zu erkennen, dass ein normaler Körperbestandtheil des Menschen seinen ihm zukommenden Platz verlässt, oder dem rechtmässigen Besitzer böswillig geraubt und entwendet wird. Von der in eine andere Region des Körpers gewanderten Galle bei den Chippeway-Indianern ist schon oben die Bede gewesen. Dieselbe soll aber nicht an ihre normale Stelle zurückkehren, sondern sie wird, wie wir gesehen haben, von dem Medicin-Manne aus den Körpertheilen, in die sie gewandert ist, herausgesogen. Bei den Indianern glaubt man aber auch an die Möglichkeit, dass das Herz aus dem Körper herauswandere. Das können wir aus einem Beschwörungsgesange der Modocs entnehmen, in welchem der Kranke singen muss:
»Jetzt ist mein Herz zurückgekehrt.«
Etwas Aehnliches kennt unsere Volksmedicin. Man glaubt besonders in unseren Alpenländern, dass die Gebärmutter in der Gestalt einer Kröte der schlafenden Frau zum Munde herauskriechen könne. Auf demselben Wege kriecht sie zurück. Aber auch in wachem Zustande des weiblichen Wesens kann sie innerhalb des Körpers nach aufwärts wandern, sich heben, wie der Volksausdruck lautet. Das macht dann die erheblichsten Beschwerden, die bis zu Krämpfen ausarten können. Eine kräftige Beschwörung bannt dann wieder die »Hebmutter« an ihren ursprünglichen Platz.
Eine hervorragende Rolle aber spielt das Verlorengehen eines Körpertheiles in der Pathologie der Eingeborenen von Australien. Es ist der Verlust des Marm-bu-la, des Nierenfettes, der in Victoria schwere Krankheiten erzeugt. Wenn ein Schwarzer allein, und fern von dem Lagerplatze ist, dann kommt es sehr häufig vor, dass der Geist eines wilden Schwarzen ihm das Nierenfett raubt. Seine Kraft ist dann gebrochen, sein Tod ist gewiss, wenn das Nierenfett ihm nicht zurückgebracht wird. Mühsam nur ist er noch im Stande, zu dem Lager zurückzukriechen. Thomas sah einen solchen Kranken, ein Freund und sein Bruder stützten ihn in ihren Armen und hielten ihm den Kopf aufrecht, da eine plötzliche Schwäche ihn übermannte. Rings um sie her nahmen die Männer Platz in drei Kreisen, deren innersten die ältesten, deren äussersten die jungen Leute einnahmen. Die Weiber hielten die Hunde in Ruhe; Todtenstille herrschte im Lager. Ein kleines Feuer von qualmender Rinde, an dem aber keine Flamme hervorbrechen durfte, war zur Rechten und ungefähr 3 Yards von dem kranken, sterbenden Mann bereitet; und in einer Entfernung von ungefähr 200 Yards in der Richtung der Stelle, wo ihm das Fett genommen wurde, waren in kurzen Abständen besondere schwälende Rindenstücke hingelegt, welche auf dem Boden wie ungeheure Feuerfliegen aussahen. Ein Mann wartete die Rindenstücke ab und unterhielt ihr Glimmen, liess aber keine Flamme aufkommen. Ein besonders geschickter Medicin-Mann, Malcolm mit Namen, war gerufen und begann seine Arbeit. »Er verschwand in der Dunkelheit; Zweige knackten, als er seinen vermeintlichen Flug durch die Bäume gen Himmel begann. Malcolms Stimme wurde gehört. »Goo-goo-goo« war der Ton, den man durch die stille Nacht hörte, und der Mann, der den Körper hielt, antwortete »Goo-goo-goo«. Malcolm konnte nicht sogleich den wilden Schwarzen finden, der das Nierenfett geraubt hatte, und er war daher, wie die Schwarzen glaubten, gezwungen, einen langen Flug zu machen. Er war ungefähr dreiviertel Stunde abwesend. Als durch das Rascheln der Zweige Malcolms Rückkehr angezeigt wurde, schrie der alte Mann, der neben dem Kranken sass:
»Komm, bringe zurück das Nierenfett, mach' hurtig!«
Jede Silbe wurde betont und langsam und feierlich ausgerufen.
» Malcolm erschien, und ohne ein Wort zu sprechen packte er den sterbenden Mann und rieb ihn heftig, sein Augenmerk hauptsächlich auf die Seiten des armen Menschen richtend, welche er unbarmherzig stiess und schlug.«
Dann erklärte er die Heilung für glücklich vollendet und hell aufjauchzte das ganze Volk. Der Kranke erhob sich, zündete seine Pfeife an und rauchte vergnügt in der Mitte seiner Freunde.
Kein einziger Schwarzer zweifelt daran, dass ihr Arzt wirklich durch die Luft geflogen ist; ja Viele wollen sogar gesehen haben, dass, wenn er von solchem Fluge zurückkehrt, sein Körper dicht mit Federn bedeckt ist.
Wir haben zum Schluss nun noch einen Blick auf die sympathetischen Heilmethoden zu werfen. Im Ganzen ist ihre Zahl sehr gering, verschwindend gegen die übrigen Behandlungsarten. Als eine sympathetische Heilmethode müssen wir es aber betrachten, wenn die alten Central-Amerikaner, um sich von eigener Krankheit zu befreien, ihre Sklaven und selbst ihre Kinder für sich in den Tod gehen liessen. Eine sympathetische Heilmethode ist es auch und im Grunde genommen nichts Anderes, als ein symbolisches Menschenopfer, wenn bei den Indianern Nieder-Californiens ein Kind oder eine Schwester des Kranken sich in den kleinen Finger schneiden muss, um das daraus hervorrinnende Blut auf den Patienten tropfen zu lassen.
Hierher gehört auch die oben besprochene Sitte der Australneger, wo die Frau des Kranken ihr Zahnfleisch reiben muss, bis es blutet, und wo der Patient dann dieses Blut als Medicin heruntertrinkt.
Auch das Unschädlichmachen einer Bezauberung durch die Anwendung eines Gegenzaubers, der die Krankheit dem böswilligen Anstifter in den eigenen Körper zwingt, ist unzweifelhaft auch eine sympathetische Behandlungsmethode. Sicherlich gehört aber eine Art der Heilung hierher, wie sie die Dieyerie in Süd-Australien üben.
»Stösst hier einem Kinde irgend ein Unfall zu, so erhalten alle Verwandten sofort Schläge mit Stöcken oder Bumerangs gegen den Kopf, bis das Blut über die Gesichter fliesst. Von dieser chirurgischen Operation nehmen sie an, dass sie die Schmerzen des Kindes lindere.«
Taplin erzählt von den Narrinyeri, welche ebenfalls in Süd-Australien wohnen, dass er wiederholentlich graubärtige Leute fast nackend vor ihrem erkrankten Sohn einen langen, feierlichen Tanz habe aufführen sehen und dass sie hinterher fest davon durchdrungen waren, dass sie für die Wiederherstellung des Patienten etwas Erkleckliches geleistet hätten.
Dieser Tanz lässt nun allerdings wohl auch noch eine andere Deutung zu. Vielleicht hatten die alten Leute die Absicht, auf diese Weise einen Krankheitsdämon zu vertreiben.
Sympathetische Krankenbehandlung ist ohne allen Zweifel auch bei den Akkadern und Assyrern im Schwange gewesen. Dies lehren uns gewisse Stellen ihrer Beschwörungs-Gesänge. Denn sicherlich sind die in denselben geschilderten Vorgänge neben dem Hersagen der Beschwörung in Wirklichkeit auch zur Ausführung gekommen. So wird in einer Zauberformel, deren lateinische Uebersetzung wir Jensen verdanken, eine Dattel, eine Blüthenhülle, eine Wollflocke von dem Schaf und eine von der Ziege nebst Knoblauchschalen in das Feuer geworfen. Jeder Act ist von einer Beschwörung begleitet. Die für den Knoblauch bestimmte lautet:
»Wie dieser Knoblauch abgeschält und in das Feuer geworfen wird,
Die verbrennende Flamme hat ihn verbrannt,
In den Gemüsegarten wird er nicht gepflanzt werden,
An dem See oder Graben wird er nicht gesetzt werden,
Seine Wurzel wird den Boden nicht fassen,
Sein Stengel wird nicht hervorsprossen und die Sonne wird ihn nicht sehen,
Zur Speise der Gottheit oder des Königs wird er nicht genommen werden, –
So möge er diese Beschreiung herausreissen.
Und verjagen das Joch
Der Krankheit, der Pein, des Verbrechens, des Fehls, des Unrechts, des Frevels.
Die Krankheit, die in meinem Körper, in meinem Fleisch, in meinem Lager ist,
O dass wie dieser Knoblauch sie abgeschält werde!
Die zu dieser Zeit verbrennende Flamme, o dass sie doch sie verbrenne!
Die Beschreiung, o dass sie herausgehe und ich, o dass ich das Licht sehen möge!«
Aehnlich, nur um mehrere Verse kürzer, sind die Formeln, welche sich auf die anderen Gegenstände beziehen. Jedesmals ist dann der Wortlaut für den Gegenstand passend abgeändert:
»Wie diese Schafswollflocke genommen und in das Feuer geworfen wird,
Die verbrennende Flamme hat sie verbrannt,
Auf ihr Schaf wird sie nicht wieder zurückkehren,
Für die Kleider der Gottheit oder des Königs wird sie nicht genommen werden, u. s. w.«
Unwillkürlich wird man hierbei an die sympathetischen Vornahmen der europäischen Volksmedicin erinnert. Auf dieselben näher einzugehen, muss ich mir hier aber versagen.