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Wüste.
Der buckelige Aussätzige: Bist du noch da, lieber Buckel, und unser lieber Aussatz auch? Kommt, kommt, eh es Schläge gibt (streicht fort).
Ein Bettler an Krücken geht mit schleppenden Schritten vorüber, 2 Engel begegnen ihm und stellen sich zu beiden Seiten.
1. Engel: Wir kennen dich in jeder Gestalt.
2. Engel: Wir finden dich an jedem Ort.
1. Engel: Überall wo du bleibst.
2. Engel: Als Bild deines Ebenbilds.
1. Engel: Des Menschen, den du mehr liebst als uns alle, die aus Licht und Kraft und Glut geboren sind.
2. Engel: Des Erdenkloßes, dessen Elend du um deine Schultern geschlagen.
Bettler: Eure Rede ist Verschweigen, ihr verhüllt mit Worten euer Wollen.
1. Engel: Wir wollen, was du willst.
2. Engel: Und können nichts wollen als deinen Willen – sie können anders.
1. Engel: Die Menschen können anders.
Bettler (macht eine demütige Gebärde).
1. Engel: Erde ist ein schlimmer Stoff für dein Schaffen, es liegt ein Wolfssame in ihr, die Erde durchdringt 34 den Menschen mit ihrem Wesen, sie nährt ihn mit wölfischer Milch.
2. Engel: Was die Kinder aus den Müttern saugen, bricht wie feurige Wut aus ihren Augen.
1. Engel: Reißt sie zu Rudeln zusammen, daß sie wie Tiere durch die Welt wildern.
2. Engel: Väter zeugen selbst ihre Weiber, Mütter genären selbst ihre Männer.
1. Engel: Tieren und tönernen Bildern bauen sie Häuder, ihren gräulich gestalteten Göttern geben sie die Würde deiner Größe.
2. Engel: Dein Ebenbild ist zu einer Fratze geworden.
1. Engel: Deine Welt ist in Wahnsinn gefallen.
Bettler (schüttelt den Kopf). Und Noah?
1. Engel: Noah, dein Kind und dein Knecht?
2. Engel: Noah ist der einzige unter allen.
Bettler: Ich will ihn sehen, geht hin, mich zu verkünden.
Engel (schweigen).
Bettler (macht eine bittende Gebärde).
1. Engel: Dich, die Herrlichkeit, die Heiligkeit?
2. Engel: Dich, die Größe, die Güte?
1. Engel: Dich, den Sturm, dich, die Stille?
2. Engel: Dich, allen Schein, dich alles Sein?
Bettler: Sagt ihm, er soll mich mit Augen sehen und mit Händen greifen. Nicht mehr, nichts von meiner Gestalt, nichts von meinem Gewand. Geht. (Engel ab, er humpelt weiter, im Selbstgespräch, jämmerlich): mich reuts, 35 mich reuts, sie sollen verderben, ich will sie ausraufen und ersäufen, versenken, vergessen – vergessen, vergessen! Sie sind aus falschem Samen entquollen, nicht meine Kinder, nicht meine. In überfließender Liebe ausgeströmt und als frecher Haß geboren, Bastarde, Bastarde, Bastarde! (er droht mit der Krücke ins Ungewisse).
Bei Noahs Zelten. Der Aussätzige huscht vorüber. Japhet und Sem.
Japhet: Merkwürdig, wie anders sie ist als alle andern. Eine faststumme Frau, demütige Dienerin deiner Liebhabereien und hochnäsig auf eine Art, daß du denkst, sie wäscht sich nur darum so oft, weil du sie angefaßt hast. Es ist kein Behagen bei ihr zu sein, ich hätte viel lieber die dicke Zebid zur Frau.
Sem: Ich würde es allenfalls mit ihr versuchen, Japhet.
Japhet: Du mit deinem linkischen Gehabe? Da weiß ich sie ganz anders zu behandeln, he! Lächerlich – Sem!
Sem: Ich sagte es nur so hin. Es ist mir so ernst mit Awah wie dir mit der Zebid.
Japhet: Das bedeutet ein erbauliches Stück Ernst, wenigstens in Worten und Gedanken!
Sem: Genau so mein ichs auch – Ham macht noch ein ganz anderes Gesicht, das bedeutet mehr als Worte und Gedanken. Wie oft holt er sie zu seiner Frau hinein, die ihr Püppchen säugt als müßte die Welt ein Probestück sehen – da fallen dann leicht zwischen Gelach und Gejach allerlei Unversehentlichkeiten ab, da steckt man zerstreut in die Tasche, was in eine andere gehört. Das kenne ich.
Japhet: Das kennst du?
Sem: Ich bin nicht schlechter als ihr andern Schlingel 37 – ich mach' mir nur nichts weis. Und erst Vater Noah selbst, hat tags keine Kraft zum Tun und nachts seine Not beim Ruhen – immer stiert er geradeaus: er sieht sie, selbst wenn er die Augen schließt.
Japhet: Die Alten sind die tollsten, das weiß ich lange.
Sem: Abgötterei, nichts anderes; wie er sich auch kratzen mag, es juckt immer wieder. Schaut er nicht ganz freundlich drein, wenn sie darüber lacht, wie er von Gott spricht, was ja unvernünftig oft vorkommt? Dann schaut sie um sich und über sich und fühlt hinter den Wänden, ob er da steht. Sie denkt, Gott ist sein Vater oder Vetter oder sein vierter Sohn, nur, daß er irgendwo im Winkel hockt und doch vielleicht einmal beiläufig niest oder gähnt, aber nicht geheuer von Gestalt und von verlorener Form. Gott ist ein Spuk in ihrer Seele, sonst nichts – aber doch drin, in ihr, bei ihr, was sie hat und von ihr gehalten wird. Komm, wir müssen Gruben graben und Fallen legen, die Wölfe und wilden Kinder nehmen überhand. (Beide ab.)
Ahire.
Ahire: Alle reden von nichts als Awah, und was ich nicht höre, das sehe ich, alle diese neuen Mienen und Blicke, dies ungewohnte Halten und Gehen und Umsehen, Warten und Winken – Awah – nichts als Awah!
Awah mit einem Lamm auf dem Arm.
Ahire: Kommst du von draußen, Awah, von der Weide?
Awah (nickt): Vater hats mir geschenkt, nur bin ich 38 bange, Gott wird es fressen. Ich will es mit mir ins Bett nehmen und kommt er, so kann ich kratzen.
Ahire: Aber was wird Japhet sagen, da doch alle Schafe Läuse haben, junge wie alte?
Awah (setzt das Lamm nieder, fängt an ihre Kleider abzustreifen und zu schütteln).
Ahire: Sieh, Awah, Sem steht noch hinter den Bäumen – und wie du dich enthüllt hast! Fürchte Sems Blicke mehr als Läuse, Awah, lauf ins Zelt, mach dich hinter Felle und Matten mit deinem Geschäft. (sie droht Sem mit dem Finger).
Noah führt mit Demutsgeberden zwei Engel herein.
Noah: Rastet unter meinem Dach, labt meine Seele mit eurem Weilen, es gibt keinen Raum, der wie dieser zwischen meinen Zelten bei diesem Hain mit allem Leben und allem Ding euch diente. Alles von Gott, alles euer! Ahire, steh nicht da, tummel dich, gieße Wasser in dein bestes Geschirr, ich helfe dir tragen, wenn keins von den Kindern kommt. Awah – ach Awah!
Awah: Wer sind sie, Vater?
Noah: Boten Gottes, Awah, Boten mit göttlichen Worten auf ihren Zungen (er umarmt Awah stürmisch.) Kind, Awah, ach, freue dich doch! Ahire, was wartest du, es muß geschlachtet werden, wir wollen uns regen – aber leise, Kinder, seid leise, lobt wie stummes Beten, mit lautlosem Tun unsere Gäste!
Ahire schleicht erschrocken fort. Die Engel lächeln, Awah schlägt entzückt die Hände zusammen, 39 Sem sieht furchtsam von weitem zu.
1. Engel: Wir wollen rasten und mit Wasser den Staub von den Füßen waschen.
2. Engel: Verrichte für uns, wie dich verlangt zu tun.
Noah: Das Lamm, das ich Awah gab – Sem, komm eilig, schlachte das Lamm und brings deiner Mutter zum braten.
Sem sieht sich entdeckt und weicht furchtsam zurück.
Ahire im Hintergrunde winkt Awah, Awah geht und schleppt ein Gefäß heran.
Noah: Ahire – Sem, wo bleibt ihr, wovor fürchtet ihr euch? Sie fürchten sich, Awah, wie mögen sie sich fürchten!
Awah (kniet und wäscht den Engeln die Füße.)
Noah (trägt das Lamm fort).
Die Engel (lächeln, Awah lächelt zurück, trocknet ihre Füße mit ihrem Haar und streichelt ihnen Knie und Lenden).
Awah: Sagt mir, wo finde ich Gott.
1. Engel: Er wird kommen und du wirst ihn sehen.
2. Engel: Du wirst ihn sehen und kennst ihn nicht.
Awah: Sehen und nicht erkennen – nein, wenn er schön ist wie ihr, werde ich ihn erkennen.
1. Engel: Ich will deine Augen küssen und du wirst ihn kennen (tut es).
2. Engel: Ich will deine Ohren berühren und du wirst seine Stimme spüren (tut es).
Awah: Kommt er bald?
1. Engel: Er ist nah. 40
2. Engel: Er wird von deinem Lamm essen.
1. Engel (steht auf): Der Tag trägt uns davon.
2. Engel (steht auf): Die Zeit zieht unsre Füße voran.
1. Engel: Sage Noah, er wird ihn sehen.
2. Engel: Verheiße ihm, er wird ihn fühlen.
Sie gehen, Awah wirft sich weinend nieder, Noah kommt.
Noah: Sie wollten mich nicht von sich lassen – (bestürzt) Awah bist du allein? Wo – wo – wo, Engel des Herrn, Boten Gottes, heiliger Boden, wo eure Füße gewandelt! (er taumelt, fällt neben Awah nieder und küßt ihre Hände) Deine Hände haben sie berührt, deine Seele weint über sie, gib mir ab von deinem Weinen, schenk mir deinen Schmerz, teile mit mir, Awah.
Awah: Er kommt, sie verkündeten, daß er naht. Du sollst ihn fühlen, du sollst ihn sehen, Gott sollst du sehen; er kommt, Gott kommt.
Noah: Sehen – Gott sehen? Mit diesen meinen Augen? (entsetzt) Er, der sie mir gab, um Kühe und Kälber zu prüfen, will die Kraft seines ewigen Glanzes auf sie werfen? – Zwei Mauselöcher sollen das Bild des Höchsten beherbergen? Sie werden zerbrechen, sie werden verbrennen, sie werden erblinden. (steht auf) Ahire hat Recht, Sem hat Recht, es war Spuk und Spott, es war Blendwerk und Betrug. Awah, steh auf; aus meinen Augen und verbirg dich im Dunkel deines Hauses, weine weiter im Winkel und hüte dich, daß mein Gram nicht in Grimm ausbricht. Auf – fort. Bah, bah, nichts als Abgötterei und 41 Besessenheit! (er schiebt sie fort und kauert sich mürrisch und verzweifelt in den schattigen Winkel des Überdachs.)
Japhet (kommt gelaufen): Mir flogs vorbei wie heißer Wind – im Gewand wie fließendes Geflecht von Sonnenstrahlen, zwei redende Riesen mit Gerinne und Gehetz und Gekeuch und Gehusch von Flügeln aus Luft hinter sich an den Fersen – über mich her, durch mich hin, daß ich zwischen ihren Worten wie von Mühlsteinen geschroten bin – – Vater, Vater, wie habe ich mich gefürchtet.
Noah: Du auch, ihr alle habt euch gefürchtet, ihr seid ohne Freude, ohne Freiheit, ohne Frieden – nur Awah nicht und ich – o Gott, o Gott, gib mir meine Freude wieder, Klugheit ist Angst, Vorsicht ist Furcht.
Ahire, Sem zurück.
Noah: Sprecht miteinander, ich aber bin taub, will nicht, kann nicht hören, Leid hat mich eingeschaufelt, Bitterkeit hat mich begraben.
(Sie stehen um ihn und blicken ihn an.)
O ich Tor, ich Tor, ich Tor, daß ich mich von eurer Vorsich betölpeln ließ, o, die Pein der verlorenen Wonne! (wütend) Geht hierhin oder dahin, steht nicht und seht auf mich – ließ mich von euren blasigen Worten umwinden, und von euren harzigen Händen halten – – und so gingen Freude, Friede und Freiheit – Leid, liebes Leid ist mir geblieben, laßt mir mein Leid, laßt mir das bißchen verlorene Lust. Geht doch, geht Alle!
Ahire sieht angstvoll auf ihn, Sem zuckt die Schultern, 42 Japhet kehrt sich um und geht. Ahire und Sem folgen. Noah rauft einen Büschel Gras und kaut darauf.
Calan schlendert heran.
Calan (horcht): Man hört es bis hierher, das Vieh brüllt nach Wasser.
Noah (überhört ihn).
Calan: Ja, Noah, es ist ausgemacht, viel Vieh wird sterben.
Noah (kaut).
Calan (setzt sich zu ihm): Bitte um Regen, aber bitte um viel Regen, mehr als eine Hand voll. Wie machst du es eigentlich, ich habe es schon versucht, aber es verfing nicht. Ich hätte den Pfiff gerne heraus – wenn es hilft, ist Beten eine gute Sache.
Noah: Dein Gebet hat nichts mit meinem zu schaffen.
Calan: Ich denke doch. Noah, wir wollen zusammen ein Opfer veranstalten. Es ist alles da: das Opfer und die Bittsteller. Du opferst und ich schaue dir dabei zu, um von dir zu lernen. Chus, mein Knecht, kommt mit einem jungen, schönen, tadellosen, kerngesunden, lockenhaarigen Bengel von den Hirten jenseits des Passes, der mir jüngst in die Hände fiel. Zum opfern wie geschaffen, ein Prachtstück von einem Opfer. Sieh, darum kam ich her. – Daß du Awah zu deinem schweißhäutigen Japhet gebettet hast, soll mich nicht kränken. Ihr erster Bube ist einmal von mir, nach ihm, wenn er da ist, mag kommen was will.
Noah (starrt grade aus): – – im Gewand wie fließendes Geflecht wie Sonnenstrahlen, so gehen sie vorüber – – – 43
Calan: Was wimmerst du da?
Noah: Freude, Friede, Freiheit gehen durch ihn hin, über ihn her – –
Calan: Noah!
Noah: Ihre Worte schroten ihn zwischen sich wie Mühlsteine (abwehrend) Calan, Calan, was kümmert mich, ob Awahs erster Bube Japhets ist oder deiner – zwei redende Riesen wie heißer Wind! Hör doch, zwei redende Riesen – und Gerinne und Gehetz und Gekeuch von Flügeln – (er schluchzt).
Chus kommt mit dem jungen Hirten.
Calan: Das Opfer, Noah, werde wach!
Noah: Gott hat kein Gefallen am Menschenopfer. Es ist ihm ein Greuel.
Calan: Lieber Noah, Gott nimmt, was ihm geboten wird; er riecht nicht am Fleisch, sondern richtet nach dem Herzen des Gebers. Gibst du gern, so nimmt er gern.
Noah: Er allein ist Herr über Tod und Leben dieses Mannes, Calan.
Calan: Er – nein, sondern ich; und ich mache dich zum Herrn.
Noah: Nimm ihn zurück, ein Mensch ist kein Ding wie ein Vieh.
Calan: Aber du hast Awah angenommen und sie Japhet dargebracht – Ausflüchte, Noah, es wird geopfert.
Noah: Ich schneide nicht ins Fleisch eines Menschen, ich schlachte nicht Gottes Kind, ich vergieße kein Blut, Gott läßt sich nicht spotten, du darfst nicht töten. 44
Calan: Hast du Awah an Japhet geopfert, so läßt Gott auch mein Opfer zu. Ich will es nun mal mit deinem Gott versuchen, Noah; ich meine es gut mit ihm und er wird meinen guten Willen erkennen.
Noah: Ich will nicht mitschuldig werden, Calan.
Calan: Aber Gott hat zugelassen, daß er in meine Hände fiel, Gott hat Dürre gesandt und läßt zu, daß das Land arm wird. Offenbar bedarf er ein Opfer, Noah, – und sieh ihn dir nur an, ist es nicht eine gottwürdige Gabe?
Noah (zum Hirten): Fürchte dich nicht, dein Leben ist in Gottes Hand.
Calan: Hast du dir überlegt, wie du es mit meinem Vorschlag halten willst, soll ich nun vor dir neben Gott treten? Ich bin stark und mächtig und gnädig. Wenn er der Herr ist über Tod und Leben, so stehe ich ihm darin nicht nach.
Noah: Deine Gewalt ist groß, Calan, aber Gottes ist größer. Du bist Mensch und er will keine Abgötterei. Sei barmherzig mit mir und quäle mich nicht mit solchem Begehr. Auch du wirst arm, Calan, arm nach Gottes Willen durch die Dürre.
Calan (grinsend): Arm, nein, Noah, so war es nicht gemeint. Was Gott mir durch Dürre nimmt, erstatte ich mir selbst zurück aus der vollen Schatzkammer der Ferne. Auch dir, Noah, auch dir, fürchte dich nicht vor Gott und seiner Dürre. Gottes Dürre ist meine Dienerin und Förderin, auch deine, Noah, auch deine!
Noah: Ich diene ihm auch bei der Dürre. 45
Calan: Ich muß dir zeigen, daß ich gottmächtig bin. (zu Chus): Geh mit ihm hinter die Bäume des Hains und schlage ihm beide Hände herunter, und beide Hände bringst du her. (zu Noah) Läßt er es zu, so sehe ich darin ein Zeichen, daß ihm das Opfer gefällig ist, oder, daß sein Grimm gewaltlos ist gegen meine geringe Götterschaft. Dann wäre er geringer als ich und ich würde denken, er wäre nicht einmal Herr über die Dürre.
(Chus mit dem Hirten ab).
Wollen sehen, Noah, wollen sehen, Er oder ich, Er oder ich!
Noah (ringt die Hände).
Calan: Hast du Furcht, daß sein Vermögen nicht ausreicht? Mein Wort schlägt Hände ab – horch, ob sein Wort sie ihm behält.
Man hört schreien.
Wer, sagst du, Noah, wer, sagst du, wer, wenn nicht ich, ist der Herr?
Noah: Sprich ein zweites Wort, Calan. (das Schreien dauert an) Töte ihn vollends, daß nicht sein Schreien in meinen Eingeweiden schauert, sprich, Calan, sprich.
Calan: Darum, daß dein Eingeweide sich besänftigt? Darum, Noah, bitte ihn, den andern. Das Opfer ist getan, mag er sich sättigen am Schreien, denn es schreien viele, ohne daß er ihr Schreien in Gnade ersäuft. Mag er sich auch eine Mühe machen mit einem Wort, wenn ihm an der Stille gelegen ist. Ich habe das Opfer von mir gegeben 46 und da es sein ist, soll er damit tun nach seinem Wohlgefallen.
(Chus kommt mit zwei blutigen Händen).
Gut, Chus, nagle sie hier an den Pfosten, daß er sieht, was Calan dargebracht, das nimmt er nicht wieder an sich.
(Chus tut wie befohlen).
Calan (zu Noah, der sich die Ohren zuhält): Nimm die Hände herunter und höre, was dein Gott dir zu hören gibt. Wenn es an dem ist, daß er ihn schreien läßt, so hat er Wohlgefallen an seinem Schreien und es kitzelt ihm die Eingeweide. Oder sollte sein Wort keine Kraft haben, wenn ihm nach Stille verlangt?
Noah: Ich speie aus über dich, Calan, ich speie aus. (speit aus).
Calan: Über mich, Noah? Da muß ich mich gewaltig wundern – über mich?
Noah: Über deine Tat, Calan, über dein scheußliches Tun (speit aus). Totschläger, Mörder, Schänder!
Calan: Ich wundere mich immer mehr, Noah!
Noah: Pfui über deine Fratze, rasender Gottversucher!
Calan: Ei, Noah, du rasest, du! Ich gönne es Gott schöner zu sein als ich, aber handelt er weniger schändlich als ich, wenn es nämlich schändlich war, was geschah – wenn, Noah, wenn? War es also schändlich, so ist es auch schändlich zuzusehen, zuzulassen, zuzuhören wie der hübsche Gott und der gute Noah – schändlich, schändlich!
Noah: Ich? Meinst du, daß ich dir in die Arme fallen 47 sollte, ich, ein friedlicher alter Mann mit dem großen Vertrauen auf Gott?
Calan: Meinst du etwa nicht? Dann verließest du dich auf Gott und Gott verließ sich vielleicht auf Noah. Und über so viel Vertrauen und Verlaß wurde ich zum Totschläger und Schänder. Versprichst du mir, auf Gott zu spucken, wenn es sich herausstellt, daß er das Opfer verabscheute und doch nicht hinderte? Also, daß ich mit meinem Hinhängen zu Gottes Herzen durch Gottes Unterlassen zum Totschläger wurde? Denn, siehst du, Noah, dann wäre ja Gott ein Totschläger an meiner Unschuld geworden, siehst du das nicht ein?
Noah: Armer, gräßlicher Calan, wo ist Friede, Freude, Freiheit für dich zu finden?
Calan: Das laß gut sein – ich bin kein Mensch von deiner Sorte, bin das Kind eines größeren Gottes als deiner – ein Gotteskind, Noah, das abgesetzt, verloren, gestohlen, übelgehalten und verwahrlost ist – aber ein Gott! Wer wars, der da um die Ecke schaute?
Noah: Um die Ecke – ich habe nichts gesehen.
Calan: Aber ich, sieh, da hüpft es wieder über den Weg, ein hübsches Ding von einem säbelbeinigen Kobold, ein spaßiges Alterchen – – nimm den Sack vom Zaun, Chus, lauf ihm nach und tu ihn hinein (Chus zögert erstaunt, wird aber durch Calans strengen Blick und verstohlenen Wink bestimmt, ab). Wahrhaftig, ich glaube, du schämst dich seiner, aber sicher – Er war es, Noah! Noah, sei ein Mann und sage: Er war es, Gott selbst hüpfte über den Weg. 48
Noah: Er? Ein Alterchen, ein Kobold – genug gelästert, Calan, ich schäme mich für dich.
Chus kommt unsicher, ob er Calans Laune verstanden, mit dem Sack zurück.
Calan: Gut gemacht, Chus – bind ihn zu und gib ihn her. So! Ich weiß, er ist es, er kann nicht anders aussehen und ich verstehe herzlich gut, daß du dir solchen Gott vom Halse lügst. Wenn du nichts dagegen hast, so will ich ihn mit mir nehmen und meinen Spaß an seinem Spiel haben, vielleicht ist er gelehrig und läßt sich abrichten (schüttelt den Sack). Noahs Gott in einem strohernen Sack, welch ein Fang, aber das sage ich dir, wenn er beißt, soll er Schläge haben. Nun reut es mich, daß dem armen Kerl dahinten die Hände umsonst abgeschlagen sind, viel zu schade um einen solchen Gott!
Noah: So lästerst du, Calan, lästerst, lästerst. (er vergräbt sein Gesicht in den Händen).
Der alte Bettler mit Krücken erscheint und steht flehend da.
Noah (sieht auf).
Bettler: Die wölfischen Kinder sind über mich gekommen, ich bin zerschunden und blute. Erbarmt euch. (zeigt seine Wunden).
Calan: Das war recht, daß sie dich rauften. Immer besser, du dienst zum Fraß, als daß du frißt.
Noah (steht langsam auf und geht erschüttert näher).
Bettler (mit vertraulicher Unbehilflichkeit): Sieh, ein Steinwurf am Kinn und Kratzwunden überall – Schläge, 49 soviel Schläge. – Hunger habe ich auch! (er sieht Noah lächelnd an).
Noah: Schläge? Auch hungern mußt du?
Bettler: Ich bin ganz mager und alt, bin hilflos und brauche wenig. (lächelnd) Und doch muß ich hungern.
Noah: Und kommst zu mir um Speise?
Bettler (leise): Ja, zu dir, Noah, zu dir.
Noah (scheu): Ach, die Zeit – wie lange Zeit verging seit früher.
Bettler (leise): Und du bist alt und fast fremd geworden – wie dich die lange Zeit verändert hat.
Sie sehen sich an, suchen immer mehr sich zu erkennen.
Noah: Willst du nicht herantreten?
Bettler: Nicht wahr, du jagst mich nicht von deiner Tür, hetzest keine Hunde auf mich – ich bin so einsam in der Welt und wagte weither zu wandern, weil ich dachte, du nähmest mich auf. Habe viel Mühe unterwegs gehabt. Doch – du siehst so anders aus.
Noah: Ach, Vater, aus welcher Ferne kommst du zu mir?
Bettler: Ich darf auch nicht lange bleiben, nur ansehen wollte ich dich und mich erquicken lassen.
Noah: Bist du doch noch im Leben, armer alter Vater, warum schleppst du dich so schwer durch die Welt?
Bettler: Die vergangene Zeit hat mich vergessen und ich habe sie verloren, bin verirrt und verlaufen. Doch nun bin ich bei dir, Noah, mein Sohn. 50
Noah (stürzt zu seinen Füßen, umfaßt seine Knie, steht wieder auf und sieht ihn prüfend an): Bist du es, Vater?
Bettler: Ja, Noah, ich bins, hast du mich vergessen?
Noah (schüttelt den Kopf): Ich bin verwirrt, du bist doch mein Vater gewesen. Vater, die Kinder sind Männer und wir sind große Leute geworden – und du bist ein Fremder in der Ferne?
Bettler: Ja, wir sind weit auseinandergeraten und meine Dinge sind nicht mehr deine Dinge – – doch, doch, Noah, du warst einst mein Sohn.
Noah: Komm zum Hause und nimm, was ich dir anbieten kann.
Er führt den Bettler näher und läßt ihn sitzen.
Bettler (deutet auf die angenageltenHände): Ja, die Zeiten sind andere geworden, in meinen Tagen schlug man den Menschen nicht die Hände ab.
Calan: In unsern Tagen, du alter Betrüger und Almosenbeißer, schelten nicht die Väter ihre Söhne, sondern die Söhne ihre Väter. Aber die Hände habe ich abgeschlagen und annageln lassen – ich, Calan, ein Kind des Gottes, der mir die Kraft gegeben hat, kein Knecht zu sein. (er schüttelt den Sack) Beide, Noah und sein Gott konnten mich nicht hindern.
Bettler: Vielleicht schlägt dich Gott dafür in deinen Kindern.
Calan: Mein Gott rächt sich nicht an meinen Kindern, das ist ein Zug an Noahs Gott. Und daß Noahs Gott sich nicht an mir vergreift, habe ich ihn zur Vorsicht in den 51 Sack gesteckt. Laß dich waschen, laß dich von Staub und Blut reinigen.
Noah badet seine Füße, wäscht Gesicht, Arme und Hände.
Calan: Weißt du, daß das Wasser teuer geworden ist, du Schmutzfink? Für jeden Tropfen, den er an dir verschwendet, beten die beiden blutigen Hände, daß er wiedererstattet werde und wenn deine Ohren nicht zu faul wären, würdest du das Seufzen und Schreien nach Wasser hören des Mannes, dessen stumme Hände um Tropfen beten.
Man hört schreien.
Hörst du? Er betet an unserer Statt, dafür haben wir ihm den Platz angewiesen, so betet man in unsern Tagen.
Bettler: Für jeden Tropfen Blut wird ein Meer aus den Brunnen der Tiefe brechen, für jeden bangen Hauch des klagenden Mannes wird ein Schwall aus den Schleusen des Himmels niederschlagen.
Calan: Oho, was für eine überfließende Erfüllung!
Bettler: Du tätest gut, die Seufzer des Mannes in Barmherzigkeit zu ersäufen, denn für seine Seufzer werden die Bäuche des Himmels sich erbrechen.
Calan: Was wimmerst du da für ein Wort vom Ersäufen? Wie kommt mein Wort in deinen Mund?
Bettler: Meine Ohren sind nicht so faul wie du dachtest.
Ham mit verdrossener Miene.
Ham: Der Fluß versiegt, die Tiere erliegen und die 52 wilden Kinder mit Wolfszähnen trinken ihr Blut – die Herden werden täglich kleiner, Vater.
Noah: Das ist Ham, unser zweiter – sieh, Ham, sieh her und erschrick nicht – der alte Mann hat dich einst auf den Knien geschaukelt – erkennst du ihn noch, du müßtest ihn erkennen.
Ham: Ich habe an Wichtigeres zu denken – was ists mit dem blutenden Mann im Wald, wer hat ihn so schändlich verstümmelt?
Noah (zumBettler): Er hat schon Kinder, Vater, so ist alles gezeitigt und verändert, du sollst sie sehen.
Bettler: Sind sie gut geraten, und auch deine Söhne?
Noah: Es sind alles liebeKinder, Sem, Ham und Japhet, alles gute Menschen, dankbar und gottesfürchtig und gehorsam.
Ham: Genau genommen haben wir uns mit Gehorsam und Gottesfurcht nie geplagt. Wo ist Mutter, wo sind die Brüder, oder gibts auch darauf keine Antwort?
Noah: Sieh selbst zu, Ham, und sag deiner Mutter, sie soll des Lammes leckerstes Lendenstück leise geröstet zurichten und es bringen – für ihn – für – – (er zaudert) für einen hungernden, alten, müden . . .
Calan: Lumpen, Ham, für einen alten Lügner und Lumpen, der längst im Grabe faulen müßte. Sag das, Ham.
Ham: Ich weiß schon, was ich sagen will. Wenn er essen soll, so tut es auch ein geringer Bissen (geht ab).
Noah (eilt ihm nach): Die Lende, die Lende, Ham, laß es doch die Lende werden, ich bitte dich, sorge, daß es die 53 Lende wird. Gewähr es mir, Ham, ich ginge selbst, aber ich zittere schon, ihn auf einen Augenblick zu verlassen.
Ham: Schon gut, Vater. (ab)
Noah (zurück): Sie wissen nichts von der Gnade deines Anblicks, alter Vater, sei ihnen nicht gram – die Zeit – ach die Zeit ist auf flinken Füßen vorwärts gegangen und ich, ich fliehe so gern zu verlorenen alten Tagen zurück.
Bettler: Ich kam um dich, Noah – komm, Kind, komm – du warst mir bis in die letzte Stunde gehorsam, ich bitte dich, wie du Ham batest, gewähre mir Gehorsam.
Noah: Sprich, Vater, versage dir keinen Wunsch, frage, befiehl.
Bettler: Verlaß den Frieden dieses Thals, Noah, – –
Noah: Das Land verlassen, aus dem Besitz weichen?
Bettler: Geh ins Gebirge und baue.
Noah: Ins Gebirge, mit allen Herden?
Bettler: Ohne Herden, Noah, nur mit deinen Söhnen, deiner Frau und deiner Söhne Weibern. Bau im Gebirge.
Noah: Wozu ins Gebirge weichen und alles Meinige verlassen?
Bettler: Die Flut wird kommen, Noah, – höre: baue ein Haus, ein festes Haus aus den Balken der Bäume. Sieh, so soll es sein: 300 Ellen lang, 50 Ellen weit und 30 Ellen hoch, ein Haus zum Wohnen, wenn die Flut steigt, und laß das Haus lose ruhen auf dem Festen, daß es die Flut trägt und du auf der Flut wohnst, wenn die Welt vor deinen Augen verschwindet. So soll es sein. 54
Calan: Bau, Noah, bau; bau fest und lang und hoch und weit, ein schwimmendes Haus, und sieh vom Dach zu, wie deine Herden ertrinken.
Noah: Eine Flut, Vater, warum wird eine Flut kommen?
Bettler: Es reut Gott, daß er die Menschen gemacht hat. Du allein bist wert zu bleiben – du und deine Söhne und deiner Söhne Weiber und Kinder.
Noah: Aber du, wessen bist du wert, Vater?
Bettler: Ich finde mich zurück in meine Zeit, die vergangenen Tage finde ich wieder.
Calan: Aber Kamele zum reiten und Vieh zum vertreiben seines Kummers wirst du ihm mitgeben müssen, Noah, ohne das geht er nicht auf seinen Gang.
Bettler: Und dann – Noah, zieh deine Herden zu Rate und nimm deine besten Zuchttiere mit in das schwimmende Haus, von allen Arten, und Nahrung für sie und die deinen. Aber alle gebreitete Habe und den gehäuften Zuwachs gibst du deinem Nachbarn Calan, dafür, daß er dir einst im Unglück half. (zu Calan) Denn dein Gott, Calan, wenn er stärker ist als Noahs Gott, wird dich und deine Dinge vor der Flut erretten. (zu Noah) Gib es ihm, gib ihm alles noch heute, sage das Wort sogleich, daß er damit zum Wirt über Alles werde.
(Ahire mit Geschirr in beiden Händen.)
Ich esse nicht, bis du gelobt zu tun, wie ich gesagt.
Calan: Sage ein Wort, Noah, ein Wort zu Chus, und er haut dir diesen geriebenen Ratgeber in Stücke. (zum Bettler) Du denkst, ich werde dich belohnen? Dessen sei sicher, 55 läßt du dich draußen finden, so stirbst du – Chus, sieh ihn dir genau an, er stirbt durchs Schwert, wo du ihn wiedersiehst.
Noah (ist Ahire entgegen gegangen, hat die Schüsseln gefaßt und leise mit ihr gesprochen. Sie schaut den Bettler an und schüttelt den Kopf).
Ahire: Er sieht ihm ähnlich, Noah, hat sein Auge und seinen Bart, auch fast seine Stimme, laß ihn essen und ruhen und dann gib ihm Zehrung auf den Weg. Du hast sonderbare Gesichte, armer Mann, sei wohl barmherzig, aber nicht unklug, nein, nein, Noah, die Toten sind tot. (ab, Noah bietet die Schüsseln dar, der Bettler lehnt lächelnd ab.)
Noah (ruft Ahire nach): Schicke Awah mit einem kühlen Trank (kniet vor dem Bettler und nähert die Schüsseln, er lehnt wieder ab).
Bettler: Dein Wort, Noah, mein lieber Sohn.
Noah: Ach, Vater, (gepreßt) alle Herden wegschenken, als armer Mann ins Gebirge gehen – ach, Vater, wie kann man das versprechen.
Calan: Versprich immerhin, Noah, du weißt doch, wie wohl ichs mit dir meine – sieh!(er gibt Chus den Sack, zu Chus) Trag ihn fort und laß ihn entwischen (Chus mit dem Sack ab). Mag der die Flut zum Fließen bringen, wenn er kann! Geh ins Gebirge und bau – wenn dann, wie ich weiß, mein Gott behäbig seine Flut zerbläst, dann kehr zurück und nimm deine Herden, Hufe für Hufe, Horn für Horn, aus meinen Händen zurück wie schon einmal. Aber dann opfern wir zusammen dem Gott, dessen Kind ich bin. 56
Bettler (zu Noah): Die Kraft des Segens, den ich dir sterbend gab, sei hundertfach vergrößert, wenn du meinem Wort gehorsam bist – gewähre mir Gehorsam, Noah, hast du vergessen, wer ich bin?
Calan: Andererseits hast du wieder recht, Noah, warum willst du leben, wenn alle Andern sterben – denn sie sterben unschuldig, da es Gottes Schuld ist, daß sie schuldig wurden. Das ist auch zu bedenken. Stirb mit uns, wenn die Flut nicht anders soll und kann als kommen. Was kannst du für deine Frömmigkeit, daran bist du auch unschuldig.
Bettler: Hundertfache Frucht wird dein Gehorsam tragen, Noah.
Awah kommt mit einem Krug, steht nicht weit von Calan entfernt still, läßt den Krug fallen und schlägt die Hände vors Gesicht.
Noah (hebt den Krug auf): Laß gut sein, Awah, nur ein paar Tropfen sind vergossen.
Awah (blickt um sich).
Noah: Was siehst du, Kind?
Awah: Die Welt ist winziger als Nichts und Gott ist Alles – ich sehe nichts als Gott.
Bettler: Glaub ihr, Noah, sie hat Gott gesehen.
Awah (hält die Ohren zu): Gott ist die große Stille, ich höre Gott.
Bettler: Glaub ihr, Noah, sie hat Gott gehört.
Calan (berührt Awah): Ich bins, Awah, sieh mich an. 57
Awah: Stört mich nicht. (schaut um sich) Alles Gott, alles Gott!
Calan: Siehst du mich, hörst mich nicht, Awah, ich bins, Calan.
Awah: Ja Herr, ich höre, deine Flut wird alles Fleisch verderben. Ja, Herr, ich sehe, wir werden leben, der Rabe fliegt, die Taube fliegt, der Berg der Rettung ragt über der Flut, Ararat!
Bettler: Höre sie, Noah, Gott spricht mit ihr.
Calan: Awah, sprich mit mir, ich bins, Calan.
Awah (bückt sich nach dem Krug, sieht erstaunt um sich, nimmt ihn lachend aus Noahs Hand): Du hast ihn aufgefangen, als er mir entfiel, Vater? Denke doch, was Japhet mir sagte, als ich gescholten im Zelt saß und weinte; er sagte, die Läuse der Lämmer und Schafe laufen nicht auf Menschen. Dann hat er mir die Thränen abgeküßt und erlaubt, daß ich ein wenig Wasser zum Waschen nahm (zu Calan). Ich hatte ein Gesicht von vielen Wolken am Himmel und Wasser wallte um Alles und über Alles, es war kühl wie zu Hause auf den Bergen. Ach, Calan, warum hast du mich in diese Dürre gebracht!
Noah: Warte ein Weilchen, Awah, wir gehen aus der Dürre ins kühle Gebirge. Heute noch oder morgen ziehen wir eilig und schauen nicht zurück. (zu Calan) Nimm alle meine Herden, Calan, in deine Hände, halte sie fest und nie will ich sie von dir zurückfordern.
Awah: Ist Gott auch im Gebirge? Die Boten haben mir versprochen, daß ich ihn sehen und hören soll. 58
Noah (heiter): Gott ist groß und auch das Gebirge ruht in Gott, Awah, Gott ist Alles, die Welt ist winziger als Nichts, behalte, was ich dir sage.
Awah (schüttelt den Kopf): Wie kann er zu uns kommen, wenn wir so winzig in ihm sind? (lacht) Wie freue ich mich auf die Berge!
Bettler (kläglich): Mich hungert, Noah, mich verlangt nach Bissen – hundertfache Frucht wird dein Gehorsam tragen.
Noah: Nimm und iß aus meinen Händen, Vater. Sieh, es ist Lende und zartes Fett feuchtet seine Fasern durch und durch.
Calan: Wenn Gott Alles ist, wo bleiben dann die Bösen? (er verfolgt Awah mit den Augen, geht um Noah und dem Bettler herum, schüttelt den Kopf, zuckt die Achseln und geht langsam ab).