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11 Wüste, Abend.
Ein buckeliger Aussätziger: Bist du noch da, mein lieber Buckel? (schaut sich um.) Du und ich, ein treues Paar, nur schade, daß ich nicht so stattlich geraten bin wie du. Aber der dritte von uns ist doch der beste, das laß gut sein – unser lieber Aussatz. Wenn den die Räuber riechen, so gehts flüchtig davon, er ist unser Schutz und Schirm, und der ihn uns gegeben hat, will, daß wir ihn lieb und wert halten.
Da kommt jemand, angezogen wie ein Nichtstuer. (wendet sich zur Flucht) Damit er nicht ergrimmt, damit er in seinem Zorn dich nicht schlägt, lieber Buckel, ihm aus den Augen! Puh, fort, fort, Aussatz und Buckel; wartet, ich geh 'mit euch, hübsch einträchtig und gemächlich! (ab.)
Ein vornehmer Reisender tritt auf, zu ihm zwei Engel zu beiden Seiten.
1. Engel: Wir kennen dich in jeder Gestalt.
2. Engel: Wir finden dich an jedem Ort.
1. Engel: Überall – –
2. Engel: Wo du in Gestalt deines Ebenbildes wandelst.
1. Engel: Das du aus Erde erschaffen.
2. Engel: Das du mehr liebst als uns alle, die aus Licht und Kraft und Glut geboren sind.
1. Engel: In dessen Schein die Zeit dich kleidet, immer kennen wir dein Sein. 12
2. Engel: Wir finden dich in jeder Gestalt.
Reisender: Sie sind nicht wie sie sollten.
Engel (schweigen).
Reisender: Sie denken was ich nicht denke.
Engel (schweigen).
Reisender: Sie wollen was ich nicht will.
Engel (schweigen).
Reisender: Sprecht!
1. Engel: Du weißt es!
2. Engel: Sie wollen was du nicht willst.
Reisender (heftig): Sie sind was ich nicht bin und eure Gedanken sagen: wer bist du, daß sie anders werden konnten als du wolltest? (leise) Es reut mich, daß ich sie gemacht habe.
1. Engel: Aber einen gibt es, der ist, was du willst, daß er sei: dein Knecht und dein Kind.
Reisender: Dann reuen mich alle andern.
Engel (verhüllen die Gesichter).
1. Engel: Du – von Ewigkeit zu Ewigkeit – –
2. Engel: Du – aller Anfang ohne alles Ende – –
Reisender: Ich?
1. Engel: Du – die Herrlichkeit, du, die Heilichkeit . . .
2. Engel: Du – die Größe, die Güte –
1. Engel: Du, der Sturm, du, die Stille – –
2. Engel: Du aller Schein, du, alles Sein.
Reisender: Und sie – wären anders als ich?
Engel (verhüllen ihre Gesichter).
Reisender: Es darf nicht sein, fort mit euch in alle 13 Winde, sucht den Mann, der mein Knecht und mein Kind ist, sucht andere, die ihm gleichen, findet viele, die es vertragen, Geschöpfe zu heißen, die sind, wie sie sein sollen, die wollen, was ich will, die denken, was ich zu denken verleihe – die andern reuen mich.
(Engel ab.)
Man hört Glocken in der Ferne.
Calan erscheint mit einem Teppich, den er ausbreitet.
Reisender: Deine Kamele ruhen, deine Knechte speisen, du willst beten?
Calan: Ich will allein sein, darum knie ich abseits nieder.
Reisender: Und betest?
Calan: Ich spreche mit mir selbst; ist das beten, so bete ich.
Reisender: Vielleicht hättest du Grund, dem zu danken, der dir die Kamele gab.
Calan: Die Kamele habe ich genommen von einem, der sie andern nahm. (zeigt auf sein Schwert.)
Reisender: Hast du Blut vergossen?
Calan: Nur das meines Feindes, seiner Kinder, seiner Knechte – – seine Weiber sind jetzt meine Weiber. Ich danke Gott, daß er mir Kraft, Schnelligkeit, Schlauheit, Ausdauer und Mut gegeben hat – Mut und den herrlichen Sinn, der nicht schwankt in der Not, Augen, die Blut zu sehen nicht blendet, Ohren, in die kein Grausen eingeht, wenn blutende Kinder schreien. Ich danke ihm, wenn er Lust an meinem Dank hat. 14
Reisender: Glaubst du, daß Gott Wohlgefallen am Geschrei blutender Kinder hat?
Calan: Warum gibt er ihnen Stimmen, wenn er ihr Geschrei fürchtet? Und wie kann er sich fürchten, wenn ich es nicht tue?
Reisender: Du bist fehlgeraten, deine Bosheit ist nicht sein Werk, deine Wut nicht sein Wille, dein Tun kommt nicht aus seinem Denken.
Calan: Wenn meine Bosheit nicht aus seiner Bosheit kam, woher keimte also meine Bosheit? Nein, meine Bosheit ist auch von ihm. Wer mich in meine Bosheit gebettet, mich im wilden Blut gebrüht hat, der hat nichts Besseres getan als ich, da ich die Kinder mit der Schärfe des Schwertes schlug, daß sie bluteten.
Reisender: Fehlgeraten bist du – er wird dich in deinen Kamelen schlagen.
Calan: Dann macht er es wie ich mit meinen Knechten, hinterher tut ihm wie mir die Laune leid.
Reisender: Wenn du ihn liebtest, sprächest du anders.
Calan: Lieben – liebt er mich? Ich vertraue, er hat meine Liebe und mein Gebet nicht nötig und gibt mir nicht darum Gedeihen, weil ich ihm zu Willen bin. Kann ich mich zu ihm erheben, der erhaben ist, da ich es nicht bin? Wenn er ist, so weiß er nicht von mir und ich gönne ihm seine Gebiete, nur soll er mich in meiner Wüste und meinen Zelten für mich leben lassen. Wäre er wie der, von dem mein frommer Nachbar redet, brauchte Lob 15 und Dienst und Dank und Knechtschaft, wünschte Gehorsam für seine Gnade und Väterlichkeit . . .
Reisender: Was dann?
Calan: Dann müßte ich fragen und forschen. Vielleicht wäre mein Dank und Knechtschaft ein nichtsnutziger und böser Handel. Ein Wicht müßte ihn bemitleiden um seine Dürftigkeit. Gaben und Gnaden? Und er melkt mich wie ich die geraubten Kamele, er macht Käse aus meiner Knechtschaft, Labe aus meinem Lob, Butter aus meinem Dank . . . danach müßte ich forschen, ob es ungeschickt ist zu denken, daß der Sohn von der Art des Vaters sei – frei wie er – Herr wie er – gerecht und gut wie er – groß und mächtig aus der Gewalt seiner Herrlichkeit entsprossen – – sonst müßte ich glauben, ich wäre das gestohlene Kind eines unbekannten Gottes, schlecht gehalten und seines Vaters unwert.
Chus kommt gelaufen.
Chus: Herr . . .
Calan: Warum sprichst du nicht?
Chus: Der Schreck, der Schreck –
Calan: Sprich ohne Furcht, Chus, sprich.
Chus: Ein zorniger Flug großer Hornisse stieß auf die Kamele, stürzte ihnen Stiche über Nüstern und Augen, über Beine und Bäuche, bohrte ihnen Gift in Ohren und After, und . . .
Calan: Und?
Chus: Töte mich nicht Herr, wir rangen mit dem flüchtigen Vieh, aber wir waren selbst gestochen . . . 16
Calan: So sind sie auseinandergesprengt?
Chus: Alles in der Wüste zerstreut und die meisten Knechte verliefen sich aus Furcht. Nur ich, Herr, wagte zu bleiben, töte mich nicht.
Calan: Ich will es machen, wie Noahs unsichtbarer Herr; dienst du mir gut, so rechne auf meine Güte. Sei treu, du Tropf, denn Treue ist deinVorteil.
Chus: Ich weiß nicht was du meinst. Ich hätte mich, als sich die Gelegenheit zeigte, wie die meisten andern beritten machen können, Vieh und Frauen rauben. Ich tat es nicht und diene dir in Freundschaft, wahrhaftig Herr, freiwillig blieb ich. (ab.)
Reisender: Hörtest du, er bleibt aus Liebe, obgleich du ein harter Herr bist.
Calan: Wie kommt das? Vielleicht sagt es ihm zu bei mir. Ich kann ihn gut leiden, er ist nicht wie die andern, ja er könnte mein Sohn sein, wenn er nicht mein Knecht wäre. Die Weiber geraubt? Doch wohl nicht die eine, sie teilte von einem Vollmond zum andern mit mir das Zelt, Awah! (will gehen.)
Reisender: Vergiß nicht zu danken, wenn Gott dein Eigentum wieder in deine Hände legt; opfere, schenke Noah einen Teil des Guts, Gottes Freund und Gottes Knecht. Und sage: sieh, so belohnt Gott seine Kinder.
Calan: (lachend) Er soll das Weib haben, wenn ich die Kamele wieder bekomme, wirklich er solls!
Raum zwischen Noahs Zelten, im Hintergrunde ein Hain.
Der Aussätzige schleicht vorüber, lungert nach allen Seiten. Noah mit seinen drei Söhnen kommt und verscheucht ihn.
Noah: Der Morgen ist voll von Freundlichkeit und Dank wie ein Beter, und wir – wir sind in ihm und er um uns. Bringt mir ein Böcklein, eins der jüngsten.
Japhet: Man braucht wohl nicht das ganze Tier, die Eingeweide taugen gut zum täglichen Opferbrand.
Sem: Nimm eins von den vielen Ferkeln; es riecht so gut und brennt so gern wie ein Böcklein.
Ham: Ich habe diese Nacht auf der Weide Wölfe gescheucht, ich bin müde und will schlafen. (ab ins nächste Zelt)
Noah: Da ist mein Herz voll Dankbarkeit, wirklich, ich fühle am frischen Morgen so viel Freude, als ob die Fettigkeit des Landes von den Füßen aufwärts durch alle Glieder bis in Brust und Kopf hinauftriebe und nun in linder leiser Lust zerflösse – – und ihr, ihr zieht eure Mäuler dazu und erkältet mit widerhaariger Kunst den aufgekeimten Dank. Wer mag für Segen und um Segen mit saurem Mut opfern. Wascht wenigstens eure Hände, Kinder, wenn ihr euren dürren Dank darbringt.
Sem: Ham hast du eine Frau gegeben und wir beide dürfen in der Nachbarschaft herumlaufen und uns von wütenden Vätern Prügel verschaffen. 18
Japhet: Arbeiten sollen wir, danken sollen wir auch! Ich für mein Teil, wenn ich von Herzen faullenze, fühle dabei auch eine Art von Dankbarkeit, das ist meine Art zu opfern.
Noah: Ihr sollt Frauen haben, Frauen werden euch die Faulheit austreiben. Glaubt mir, ich habe euch lieb – ach, ich lebte auch leicht hin, bis die Sorgen kamen und mit ihnen der Segen. Es bekümmert mich, daß ihr unzufrieden seid.
Sem: Ei ja, es bekümmert ihn! Ich habe ihn zu unserer Mutter sagen hören: ich will keine Verschwägerung mit den Gottlosen. Er will gottgefällige Töchter, als ob es nicht vielmehr darauf ankäme, was für Frauen wir haben wollen.
Japhet: Mich bekümmert sein Kummer. Aber darum sollen unsere Kinder nicht kümmerlich geraten. Ich will eine Frau mit festem Fleisch, sonst ist alle Mühe umsonst – gottgefällig, nein, gottgefällig sind sie nicht, die da auf der andern Flußseite, aber mir genügt es, daß sie mir gefallen.
Noah: Gottlose Buben seid ihr fürwahr. Aber getrost, Gott hat gewaltige Sicheln für eure Sünden.
Ahire mit einem Krug auf der Schulter, sie ist ältlich und dick.
Ahire (hält im vorübergehen an, legt die Hand auf den Kopf) Der volle Mond hat diese Nacht auf meinen Kopf geschienen, es war taghell als ich die Augen auftat und ich konnte nicht wieder schlafen – irgendwo im Norden ist Krieg, ich sah Rauch schleppen und roch Brand, Gott behüte uns vor Feinden.
Noah: Gott behüte uns, unsere Knechte liegen mit den 19 Herden auf den Bergen, Gott behüte uns, wehrlos wie wir sind.
Sem: Sollte nicht ein Bock geschlachtet und dargebracht werden?
Japhet: Laß uns gehen, Sem, suchen wir ein schönes Tier zum Opfer.
(Beide ab.)
Noah: Es sind doch gute Kinder, zu Zeiten wählerisch und unbequem wie eben Kinder sind. Guter Gott, Japhet hat einen falschen Blick mitbekommen, der Arme, man muß ihm doppelt gut sein dafür. Gott wollte es so und so soll er gelobt sein. (er faßt den Krug und trägt ihn einige Schritte.)
Ahire: Aber er hat es schwerer darum als der schöne Ham und der stämmige Sem.
Noah (setzt den Krug ab): Ja, meinst du? (wischt sich den Schweiß ab.) Wie die Sonne brennt. Worin denkst du, daß er Nachteil hat?
Ahire: Etwa bei den Frauen.
Noah: Ach bei den Frauen! Mancher Mann nahm eine schielende Frau und am Ende wird des schielenden Japhet Frau so schön wie die eines andern Mannes, und gut dazu, was will er mehr. Dann ist es, wenn er von ihrer großen Liebseligkeit gepeinigt ist, besser, er hat den falschen Blick als sie. Da, da – es kommen Nachbarn zu mir, laß mich sie empfangen, ich trüge den Krug gerne länger. (er hilft ihr die Last aufnehmen, sie geht, er sieht ihr nach. schüttelt den Kopf) Sind meine Augen so jung geblieben? Verfangen sich gern 20 im frischen Geschlinge von Lieblichkeit und Leichtigkeit und Ergötzlichkeit? Sie ist nicht leicht oder frisch oder ergötzlich, aber eine gute fromme Frau, eine sehr gute Frau.
Drei Nachbarn, Begrüßung.
1. Nachbar: Noah – – (er spuckt aus und stößt den zweiten an) Sprich du weiter.
2. Nachbar: Es war schon ganz gut so, du weißt es besser als ich.
3. Nachbar: Ihr habt euch mit eurem Besserwissen vorhin überschlagen und nun liegt eure Weisheit auf der Nase.
Noah: Tretet in den Schatten des Überdaches, nehmt Matten und erlaubt, daß ich kühles Wasser schöpfe und sauren Saft bringe.
1. Nachbar: Nichts von trinken, aber sitzen wollen wir. (sie setzen sich) Hör', Noah!
2. Nachbar: So wird's gut; nicht trinken, aber sitzen wollen wir, und nun: höre, Noah!
Noah: Liebe Freunde, ich höre, aber ich wünschte, ihr gönntet mir, euch zu erfrischen. Doch ganz nach eurer Bequemlichkeit.
1. Nachbar: Hör', Noah, deine Herden werden groß, deine Herden werden sehr groß.
2. Nachbar: Sehr groß, gut so, höre: sehr groß.
Noah: Gott hat sie mir gegeben, ich nahm an mich, was um mich in Fülle ausbrach, ich ließ in den Krug laufen, was aus der großen Gnade hervorquoll.
3. Nachbar: Also deine Herden, Noah! 21
1. Nachbar: Sehr groß, die Weide hier im Flußtal wird zu eng für uns alle. Wer soll weichen, Noah, ich frage dich, wer von uns weichen soll.
Noah: Wer weichen soll?
1. Nachbar: Soll oder will, wer weichen will. Wir drei haben es erwogen, wir wollen nicht. Wer will aber – einer muß.
2. Nachbar: Ein einziger.
3. Nachbar: Wegen der Größe der Herden, die ihm Gottes Gnade gab. Niemand anders, denn er sagt es selbst, also wegen Gottes großer Gnade weichen. Es wird diesen Sommer eine Dürre geben, es blieb schon viel zu lange trocken, die großen Herden finden kein Futter.
Noah (halb für sich): Meine Knechte mit viel Vieh sind auf den Matten der Berge – – – bin allein mit meinen Söhnen . . .
Stillschweigen, die drei Nachbarn sehen sich an.
1. Nachbar (stößt den zweiten an).
3. Nachbar: Deine Knechte kommen nicht zurück.
1. Nachbar: Er hat Recht, sie bleiben oben.
2. Nachbar: Gott hat es zugelassen, also wollte er, daß sie starben. Es gefiel ihm so.
Noah: Gott soll dennoch gelobt sein.
1. Nachbar: Aber das Vieh lebt, lauter schweres Vieh, Fundgruben von Blut und Fett, aber . . .
2. Nachbar: Aber es war unser Krug, worin der Segen quellte, wir nahmen an uns, was sich aus der Fülle verlief.
Noah (steht auf, die drei bleiben sitzen). 22
1. Nachbar: Er weicht, ihr seht, er weicht.
2. Nachbar: Ich hätte es voraussagen können.
3. Nachbar: Er zittert vor großer Eile, seine Knie schlottern vor verhaltener Schnelle. Er weicht.
Noah (kurzatmig, zu dem zweiten): Du hast Recht, er läßt es zu, also kommt es von ihm, also gefällt es ihm, was ihr an mir tut – Alle tot? Auch Peleg, auch Put, Put auch?
3. Nachbar (zum ersten): Ist das der Dicke, der so erbarmungslos schrie? Es tut mir noch in den Ohren weh. (zu Noah) Ich muß sagen, daß Put dir keine Ehre machte, ein Rüpel, ein Schreihals – tot sind sie alle, aber Put war beim Sterben gar zu wenig anstellig.
Japhet erscheint und bleibt erstaunt stehen,
die Drei sehen sich fragend und beratend an.
Japhet: Der Bock, Vater, ist an seinem Ort, wir wunderten uns, wo du bliebest.
Noah: Ach, guter Japhet, – ja wir wollen opfern, wollen ein Böcklein darbringen, wollen preisen, (weinend) preisen und danken. (ab mit Japhet.)
3. Nachbar: Ihr Schafsköpfe, habt Schwerter unterm Kleid und er behält Zeit sich zu besinnen?
1. Nachbar: Ich dachte, du solltest es tun – hast du keins?
3. Nachbar: Es ist mir zu heiß und bis er ausgeblutet hätte, wären am Ende seine Söhne dazugelaufen. Ham, müßt ihr wissen, Ham möchte ich nicht mit ihnen abtun. Meine Tochter Zebid hat es ausgemacht. Ham soll leben. Nein, heute verlangt es zu viel Hast. 23
1. Nachbar: Zuviel Hast, ganz recht, bis wir nach Hause gehen können, haben wir die Sonne hoch am Himmel und ich bin schon auf dem Herweg schlimm dran gewesen. Je länger wir hier im Schatten sitzen, desto mehr müssen wir draußen schwitzen.
Sie stehen langsam auf.
2. Nachbar: Es soll Länder geben, wo es ganze Tage lang regnet, aber ich glaube es nicht.
Alle ab.
Ham (aus dem Zelt, sieht ihnen nach): Nein, sie haben es nicht mit der Hast, stehen still und drehen ihre Köpfe. Sind es drei? Es sind nicht mehr drei, wie kommt das – sind andern begegnet und halten Rat? Das kann schlimmer Rat für uns werden. Nun – nun – da scheint Himmel zwischen ihnen durch, drei werden kurz und verschwinden hinter dem Hügel, die beiden andern nahen, ein Mann und ein Weib, ein junges Weib, ein sehr junges Weib, die Bürde des Sonnenbrandes schaukelt auf ihrer Schulter – – Calan – Calan ist der Mann, kommt er auch mit einem Schwert unter dem Kleid?
Noah mit Sem und Japhet.
Noah: Bleibt alle beide zurück, auch du geh mit ihnen zu eurer Mutter, Ham, sagt ihr, wie ich euch sagte, was Gott gefällt zuzulassen, das ist Gottes Gewalt und Tun selbst. Sagt ihr das und sie wird euch lehren, wie leicht die Schwere wird, wenn – – ach, wie viel muß ich sprechen, und ihr steht mit offenen Mäulern da und hört nichts von dem Klingen der Stimme, die durch Haut und 24 Knochen ins Herz dringt – geht, ich will ihn allein empfangen.
Sem, Ham, Japhet ab.
Calan und Awah (verschleiert).
Noah: Sei willkommen, Calan, du bist bei einem armen Manne. Ich gehe auf Krücken, die man nicht sieht, aber wie leicht sind auch sie zerbrochen!
Calan: Du bist so reich und reicher als du warst, Freund Noah. So reich wie früher, denn ich habe den drei guten Nachbarn, als ich gestern heimkehrte und hörte, was geschah, stark an Kraft und Macht, bei Tagesanbruch alles ihrige, Raub und Eigentum, abgesperrt und du darfst nur hingehen und das deinige bis auf die letzte Hufe herauszählen. Mein Knecht Chus steht mit breiten Beinen davor und hütet deine Habe. Ich habe Glück gehabt, Noah.
Noah (ohne Atem): Ach, wie schwer ist der Zorn, wie fast schwerer Gottes Gnade zu erfahren.
Calan: Warte. Du bist reicher als vorher, sagte ich, denn ich gelobte für Gottes Beistand bei drohendem Verlust vieler Güter ein Opfer und sieh, ich bringe mein Opfer dar. Nimm hin diesen Schatz aus der Ferne, wo die Erde sich hoch bis an den Himmel hebt. (zeigt auf Awah.) Sie ist gut, Noah, und gut bei ihr zu wohnen. Sei zufrieden, Gottes Gnade gibt mit gewaltiger Hand, du hast es um ihn verdient. (zu Awah) Geh zu deinem Herrn und küsse seine Füße.
Awah entschleiert sich und fällt vor Noah nieder. 25
Noah: Alles Vieh, Calan, alles fette und starke Vieh und die schönen jungen Stiere auch?
Calan: Jedes Horn, jeden Huf! – Awah ist ihr Name.
Noah: Komm Awah, komm Calan, tretet in den Schatten, legt euch nieder, ihr sollt erquickt werden – ruht.
Awah steht auf, sie setzen sich, Noah bleibt stehen und reibt seine Hände.
Calan: Halte sie gut, Freund Noah, sie ist aus vornehmem Hause. Wenn sie weint, so denk dir dein Teil und geh auf leisen Sohlen um sie herum.
Noah (seufzend):Alle meine Knechte – Jebel, Put und Peleg mit ihnen, die meine Freunde waren, sind erschlagen. Ich muß bei allem großen Glück weinen. Kir, der immer nur lachte, fast ein Knabe und schon weise und so willig – alle dahin!
Calan: Nicht alle, Noah; sie haben dich hündisch belogen. Freilich, das ist wahr, Put und Peleg sind tot, sie wurden eilig niedergemacht. Einige andere entwichen mit Wunden und ein gut Teil lag in einem Seitental und trieb beim ersten Lärmen das Vieh höher hinauf und verbarg sich in Löchern und Klüften. Nein, Noah, dein Glück hat im Ganzen gut bestanden.
Noah: Mein Weib, meine Söhne sitzen in Pein beieinander . . . (zaudert zu gehen).
Calan: Was zagst du, rufe sie, daß auch sie sich freuen.
Noah (auf Awah schauend): Viel Glück, viel Unfrieden, Calan, verschaffst du mir. – Er läßt es zu und also gefällt es ihm – läßt er es zu? 26
Calan: Sie ist dein Eigentum und du mußt es bewahren. So gut, Noah, wie dein unsichtbarer Freund und besser, meine ich es mit dir. Wie wäre es, du ließest mir einen Platz neben ihm – ließest mich walten für dich an seiner Statt? Erschrick nicht, du hast keine Lasten davon zu den alten: keinen Dienst, kein Opfer, keine Dankbarkeit. Bin ich nur ein geringer Gott, so hast du Ohren, meinWort zu hören, hast Augen, was das beste ist, als Zeugen dafür, daß ich bin. Sieh, Noah, für Ansprüche, wie du wohl machst, bin ich so gut wie er. Was er gegen dein Glück zuließ, habe ich zu deinem Glück verhindert.
Noah: Ach, ach, ach, Calan – (erstickt) Ihm verdanke ich, daß ich bin, Dankbarkeit, Calan, ist mein größtes Glück, ich atme nicht, wenn ich nicht danken kann.
Calan: Gut, du sollst weiter danken und opfern, Noah. Ich bin nicht eifersüchtig auf andere Götter neben mir wie er. Ich lasse es zu, daß du abgöttisch bist und nenne es nicht gottlos, wenn du mich nicht preisest und mir nicht dienst. Keine Dienste, Noah, keine Knechtschaft und nicht mal Gehorsam – frei sollst du sein vor mir, nicht unfrei, wie vor ihm.
Noah: Mein Herz stockt vor Entsetzen, kannst du, Calan, mich heilen, wenn mich Aussatz frißt?
Calan: Aber ich schlage dich nicht mit Schmerz, Kummer und Krankheit. Du sollst nicht mein Geschöpf heißen und an den Mängeln deines Meisters leiden. Er begnadete dich mit dir selbst, aber deinen eigenen Willen, wenn er dich zu einer eigenen Lust führen will, mußt du oft 27 bändigen – wenn du willst, sollen die drei andern, deine mörderischen Nachbarn, dir weichen, willst du?
Noah: Wenn Gott nicht will, will ich auch nicht.
Calan: So gib mir Bescheid, wenn du ihn gefragt hast, ob du wollen darfst. Er hat dich in ihre Hände gegeben, ich gebe sie in deine Hände – du hast nur kümmerliche Kenntnisse von Gott, sehe ich, und gar kein Vertrauen. Warum sagst du nicht, ja, ich will? Wenn er dann nicht will, so kann er dich, wenn er stärker ist als ich, wieder zurück in ihre Zucht geben. Hast du deinen Willen vielleicht gar nicht von ihm, da du zweifelst, ob dein Wille sein Wille sei, oder wußte er selbst nicht, was er wollte, als er dir den Willen gab? Aber das alles hat gar keine Eile, ich bin langmütiger als er, wenn er sein Geschöpf für des Geschöpfes Fehler straft. Du kannst darüber schlafen – aber leg' die Hand auf das Vieh und bediene dich meiner Knechte, bis die deinen sich zu dir zurückgefunden. (ab)
Noah (sinkt zusammen, vergräbt den Kopf in den Händen) O Gott, wie schwer bist du zu verstehen – schufest mich und schufest Calan, meine Söhne, mein Weib und – (blickt auf und sieht Awah an) und diese?
Ahire kommt.
Noah (umfaßt sie.) Laß dein Herz hüpfen wie in den besten Tagen, Ahire, sprich nicht, frage nicht, sondern fühle nur wie wohl freies Athmen tut. Alles ist wieder unser, alle Not vorbei, wir sind groß wie vorher – laß die Lasten von deinem Herzen fallen, laß die Lust auf deine Seele hauchen. 28
Ahire: Unsere Söhne hocken in einem Häufchen beisammen, aber ich – ach Noah, ich wäre gerne mit dir gestorben. Calan war bei dir, was brachte dir Calan?
Noah: Er hat ihnen alles genommen und uns zurückgegeben, jedes Horn, jeden Huf, wir brauchen nur zu nehmen.
Ahire: Ich muß meine Angst mit Weinen löschen. Laß mich sitzen und sitz bei mir und laß mich weinen, lange weinen – weinen und dazwischen fragen und dir zulächeln. Ich habe soviel Freude daran, langsam vom Kummer zu genesen, Noah; kleine Schritte zur großen Freude zu machen. Komm, sitz bei mir und halte mich im Arm. (sie sieht Awah.) Wer ist sie?
Noah: Awah ist ihr Name, Calans Opfer ist sie, dargebracht für göttlichen Beistand.
Ahire: Mir? Als Magd, als Kind – als Kind Noah? (umfaßt Awah.)
Noah: Nein – mir, Ahire, mir geschenkt und zum Eigentum gegeben.
Ahire: Dir – nicht mir? (sieht zwischen ihnen hin und her.) Gib sie mir, Noah; sieh, das Weinen, das Lustweinen, ist mir vergangen vor Erwartung. Doch, Noah, mir schenkst du sie als mein eigen! (sie hat sie losgelassen, steht wenig entfernt und betrachtet sie. Awah erschrickt, stürzt zu Noah und umfaßt seine Knie.)
Noah: Ich weiß, Ahire, du magst sie mir nicht gönnen. Warum begehrst du sie? 29
Ahire: Japhet soll sie haben, Japhet hält fest, was er hat, sie ist die rechte für Japhet.
Noah: Japhet? Japhet? Armes Kind!
Ahire: Da laufen Buben umher in der Nachbarschaft, Töchterkinder und Mägdebälge – Japhets Buben, damit du es auch weißt, eine böse Zucht ist im Gange, je weniger man davon wissen will, um so wütender ist der Verdruß. Es muß damit ein Ende haben, Noah. Und wenn hier nun Kinder von dir und ihr herumbalgen sollen – wenn Gott es zulassen will, ich lasse es nicht zu. Sie wird Japhets Frau und Japhet weiß seine Habe zu mehren, Noah, besser als du, (schüttelt sich) die Lust zu weinen ist mir ganz vergangen.
Noah: Armes Kind!
Ahire: Als dir Herden und Knechte geraubt waren, sagtest du: Gott hat es gewollt. Ist dir das fremde Ding lieber als Herden und Knechte?
Noah: Schlüge Gott mich mit Blindheit, so wäre alles gut, aber Gott ließ mir meine Augen. Geh' gelinde mit mir um, mit meinen guten Augen bin ich so bedauernswert wie Japhet mit seinen schielenden. Wir verdienen beide deine Nachsicht – Japhets Brut mag ich ungern sehen, weder da draußen noch hier bei mir.
Ahire: Es sind wohl nicht nur deine armen Augen, die dieses arme Kind reich machen soll. Gib sie Japhet, Japhets Augen sind bedürftiger als deine –. Sie kommen, Noah, unsere Söhne kommen, sage ja, sagst du ja? Ich würde Gott fluchen, wenn er es zulassen wollte, daß du 30 nein sagst – ich fluche ihm mit dem nächsten Wort, wenn du kein Ja sprichst!
Noah: Fluche nicht, Ahire, Gott will nicht verflucht sein, er will es nicht dazu kommen lassen. (zu Awah) Geh hin, geh zu ihr, du bist ihr Kind.
(Ahire faßt sie, sie stößt einen leisen Schrei aus.)
Sem, Ham und Japhet kommen.