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Eines Morgens hat Adolf endgültig die glänzende Idee gefaßt, Karoline zur Herrin zu machen, damit sie selbständig finde, was ihr gefällt. Er übergibt ihr das Hausregiment mit den Worten: »Tu, was du willst.« Er setzt das verfassungsmäßige System an Stelle des autokratischen, ein verantwortliches Ministerium an Stelle einer absoluten ehelichen Gewalt. Dieser Vertrauensbeweis, Gegenstand eines geheimen Hasses, ist der Marschallstab der Frauen. Die Frauen sind dann, nach einem üblichen Wort, Herrinnen des Hauses.
Seitdem kann sich ein paar Tage lang nichts, nicht einmal die Erinnerung an den Honigmond, mit dem Glück Adolfs messen. Eine Frau ist dann eitel Zucker, sie ist allzu süß! Sie würde alle kleinen Aufmerksamkeiten, Koseworte, Sorgen, Schäkereien und Zärtlichkeiten erfinden, wenn diese ganze eheliche Zuckerbäckerei nicht seit dem irdischen Paradies bestünde. Nach einem Monat hat der Zustand Adolfs einige Ähnlichkeit mit dem eines Kindes am Ende der ersten Woche seines Lebens. Auch Karoline beginnt nicht mehr in Worten, sondern durch Handlungen, durch Mienen, durch mimischen Ausdruck zu sprechen: »Man weiß, was man tun muß, um einem Mann zu gefallen! …«
Seiner Frau das Steuer des Bootes überlassen ist kein so ungewöhnlicher Einfall, daß er den triumphierenden, anerkannten Titel dieses Kapitels verdiente, wenn er nicht von der Idee begleitet wäre, Karoline abzusetzen. Adolf ist durch einen Gedanken verführt worden, der sich aller Menschen bemächtigt und bemächtigen wird, wenn sie einem Unglück preisgegeben sind. Er will erfahren, wie weit das Übel gehen kann, und erproben, welches Unheil das Feuer anrichtet, wenn man es sich selbst überläßt, solange man noch die Macht fühlt oder zu haben glaubt, es aufzuhalten. Diese Neugierde haftet uns von der Kindheit bis zum Grabe an Nach der reichen Fülle seines Eheglücks führt Adolf bei sich zu Hause eine Komödie auf und macht mehrere Phasen durch.
Alles geht zu gut. Karoline kauft hübsche Notizbüchelchen, um ihre Ausgaben einzutragen, sie kauft ein hübsches Kästchen, um das Geld abzusperren, sie läßt Adolf bewunderungswürdig gut leben, sie ist glücklich über seine Zustimmung, sie entdeckt eine Menge Sachen, die im Hause fehlen, sie setzt ihre Ehre darein, eine unvergleichliche Herrin des Hauses zu sein. Adolf, der sich selbst zum Richter erhebt, findet nicht den geringsten Anlaß, etwas auszusetzen.
Wenn er sich anzieht, fehlt ihm nichts. Niemals wurde, nicht einmal von Armida, eine sinnvollere Zärtlichkeit entfaltet als von Karoline. Diesem Phönix von einem Gatten wird die Schleiffläche des Riemens erneuert, damit er seine Rasiermesser schärfen kann. Alte Hosenträger werden durch neue ersetzt. Ein Knopfloch ist nie verwaist. Seine Wäsche ist gepflegt wie die des Beichtvaters einer Frommen mit verzeihlichen Sünden. Die Strümpfe sind ohne Löcher.
Bei Tisch sind all seine Liebhabereien, selbst seine Launen studiert, berücksichtigt: er wird dick!
Er hat Tinte in seinem Schreibzeug, und der Schwamm dabei ist immer feucht. Er kann nichts sagen, nicht einmal wie Ludwig XIV.: »Fast hätte ich gewartet!« Er ist schließlich bei jeder Gelegenheit die qualifizierte männliche Liebe. Er ist gezwungen, Karoline auszuschelten, weil sie etwas vergißt: sie denkt nicht genug an sich. Karoline nimmt diesen milden Vorwurf zur Kenntnis.
Die Szene wechselt bei Tisch. Alles ist sehr teuer. Das Gemüse übersteigt jeden Preis. Das Holz wird verkauft, als käme es aus Campêche. Die Früchte, oh! Früchte können allein von Fürsten, Bankiers, großen Herren gegessen werden. Das Dessert ist ein Anlaß des Ruins. Adolf hört oft Karoline zu Frau Deschars sagen: »Aber wie machen Sie das? …« Man hält dann vor Ihnen Beratungen ab, wie die Köchinnen zu regieren sind.
Eine Köchin, die bei Ihnen ohne Kleider, ohne Wäsche, ohne Talent eingetreten ist, kommt zur Abrechnung in einem Kleid aus blauer Merinowolle mit gesticktem Fichu, in den Ohren ein Paar goldene Ohrgehänge mit kleinen Perlen, in guten Lederstiefeln, die ziemlich hübsche Baumwollstrümpfe sehen lassen. Sie hat zwei Koffer voll Sachen und ihr Sparkassenbuch.
Karoline beklagt sich dann über die mangelnde Moral des Volkes; sie beklagt sich über die Rechenkünste, in der sich die Dienstboten hervortun. Sie stellt von Zeit zu Zeit kleine Grundsätze auf wie diese: »Es gibt Schulen, die man durchmachen muß! Nur die, die nichts tun, machen alles gut!« – Sie hat Machtsorgen. »Ach, die Männer sind sehr glücklich, keinen Haushalt führen zu müssen. – Die Frauen haben die Last der Kleinigkeiten.«
Karoline hat Schulden. Aber da sie nicht unrecht haben will, beginnt sie festzustellen, daß die Erfahrung eine so schöne Sache ist, daß man sie nicht zu teuer erkaufen kann. Adolf lacht sich in den Bart, denn er sieht eine Katastrophe voraus, die ihm die Macht zurückgeben wird.
Karoline, die von der Wahrheit durchdrungen ist, daß man nur esse, um zu leben, erfreut Adolf mit den Annehmlichkeiten einer mönchischen Tafel.
Adolfs Strümpfe sind durchlöchert oder beim eiligen Ausbessern dick durchstopft, denn seiner Frau reicht der Tag nicht aus für das, was sie machen will. Er trägt Hosenträger, die vom Gebrauch schmutzig sind. Die Wäsche ist alt und klafft gähnend wie ein Torwärter oder wie der Torweg. Wenn Adolf eilt, ein Geschäft abzuschließen, braucht er eine Stunde, um sich anzuziehen, da er seine Sachen eine nach der andern zusammensuchen und viele auseinandernehmen muß, bevor er eine tadellos findet. Aber Karoline ist sehr gut angezogen. Die gnädige Frau hat hübsche Hüte, samtene Schuhe, Mäntel. Sie hat ihren Entschluß gefaßt, sie waltet nach dem Grundsatz: Eine richtig angelegte Wohltätigkeit beginnt bei der eigenen Person. Wenn Adolf über den Gegensatz zwischen seiner Entblößtheit und dem Glanze Karolines klagt, sagt Karoline zu ihm: »Aber du hast mich doch gescholten, daß ich mir nichts kaufe!«
Ein Austausch von mehr oder minder spitzen Scherzen beginnt sich zwischen den Gatten einzustellen. Karoline macht sich eines Abends reizend zurecht, um über das Eingeständnis eines ziemlich beträchtlichen Defizits hinwegzuschlüpfen, genau so wie ein Minister mit dem Lob der Steuerpflichtigen anhebt und die Größe des Landes zu rühmen beginnt, wenn er mit einem kleinen Gesetzentwurf niederkommt, der einen Ergänzungskredit verlangt. Es besteht eine Ähnlichkeit, da sich alles dies in der Kammer, in der Regierung wie in der Hauswirtschaft begibt. Daraus ergibt sich die tiefe Wahrheit, daß das verfassungsmäßige System unendlich kostspieliger ist als das monarchische. Für eine Nation wie für einen Haushalt ist die Herrschaft des Mittelwegs, der Mittelmäßigkeit, der Knauserei usw.
Durch die verflossenen Leiden aufgeklärt, wartet Adolf auf eine Gelegenheit, um loszulegen, und Karoline schlummert in einer trügerischen Sicherheit ein.
Wie kommt es zu dem Streit? Weiß man je, welcher elektrische Strom die Flut oder die Revolution in Bewegung gesetzt hat? Sie kommt bei jedem Anlaß oder aus dem Nichts. Doch schließlich, nach einer gewissen Zeit, die durch die Bilanz eines jeden Haushalts zu bestimmen ist, läßt sich Adolf mitten in einem Gespräch das peinliche Wort entschlüpfen: »Wenn ich Junggeselle wäre!« …
Die Junggesellenzeit ist für eine Frau das, was »mein armer seliger Mann« für den neuen Gatten einer Witwe ist. Diese wenigen Silben schlagen Wunden, die niemals ganz vernarben.
Und dann fuhr Adolf wie General Bonaparte zu den Fünfhundert zu sprechen fort: »Wir stehen auf einem Vulkan! – Der Haushalt hat keine Regierung mehr, die Stunde, dazu Stellung zu nehmen, ist gekommen. – Du sprichst von Glück, Karoline, du hast es gefährdet, du hast es in Frage gesetzt – durch deine Ansprüche, du hast das Bürgerliche Gesetzbuch vergewaltigt, indem du dich in die Besprechung von Geschäften gemischt hast, du hast gegen die eheliche Gewalt einen Anschlag verübt. – Wir müssen unser Heim reformieren.«
Karoline ruft nicht wie die Fünfhundert: »Nieder mit dem Diktator!« Man ruft niemals, wenn man sicher ist, ihn abzuschlagen.
»Als ich Junggeselle war, hatte ich nur neue Strümpfe! Ich fand täglich eine neue Serviette bei meinem Gedeck! Ich wurde vom Restauratoren nur um eine bestimmte Summe bestohlen! Ich habe Ihnen meine geliebte Freiheit anvertraut! … Was haben Sie damit angefangen?«
»Bin ich so schuldig, Adolf, weil ich dir die Sorgen habe abnehmen wollen?« sagt Karoline, indem sie sich vor ihrem Manne aufpflanzt. »Da hast du den Kassaschlüssel wieder, aber was wird geschehen? … Ich schäme mich darüber, doch du wirst mich zwingen, Komödie zu spielen, um die notwendigsten Sachen zu bekommen. Das willst du? Deine Frau erniedrigen oder zwei gegensätzliche, feindliche Interessen einander gegenüberstellen?«
Damit ist für drei Viertel der Franzosen die Ehe vollkommen umschrieben.
»Sei still, mein Freund«, fährt Karoline fort, indem sie sich niederläßt wie Marius auf den Trümmern von Karthago, »ich werde dich nie etwas fragen, ich bin keine Lügnerin! Ich weiß genau, was ich tun werde … du kennst mich nicht …«
»Ach ja! was …«, sagt Adolf, »mit euch kann man doch weder spaßen noch sich auseinandersetzen. Was wirst du tun? …«
»Das geht Sie nichts an! …«
»Pardon, gnädige Frau, im Gegenteil. Die Würde, die Ehre …«
»Oh! … seien Sie ruhig deswegen, mein Herr … Für Sie, mehr als für mich, werde ich das tiefste Geheimnis zu wahren wissen.«
»Ach ja! sag! schau, Karoline, meine Karoline, was wirst du tun? …«
Karoline wirft einen Schlangenblick auf Adolf, der zurückweicht und auf und ab zu gehen beginnt.
»Sag, was gedenkst du zu tun?« sagt er nach einer unendlich hinausgezogenen Pause.
»Ich werde arbeiten, mein Herr!«
Auf dies erhabene Wort hin führt Adolf eine Bewegung des Rückzugs aus, denn er bemerkt eine haßerfüllte Erbitterung und verspürt einen Mistral von einer Schärfe, wie er noch nicht im ehelichen Gemach geweht hat.