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Bei der Verfolgung der alten Indianerin und ihres Enkels führte der Weg am oberen Rande der Schlucht ›Narbengesicht‹ zufällig an Katoyas Versteck vorüber. Boshafter Triumph leuchtete in seinen tückischen Augen auf, als er sie in tiefes Nachdenken versunken und ohne seine Nähe zu ahnen, in ihrer Höhle überrumpelte. Jetzt endlich nach Jahren des Hasses und vergeblicher Nachstellungen befand sich seine alte Feindin in seiner Macht! Trotzdem näherte er sich ihr mit äußerster Vorsicht, nachdem er seinen Gefährten durch Zeichen bedeutet hatte, auf ihrer Hut zu sein, denn noch immer brannte ihn die zweite Wunde an seiner Wange, und die Lehre, die Katoya ihm über den Gebrauch ihres Jagdmessers erteilt hatte, haftete noch frisch in seinem Gedächtnis. Als er jedoch nach sorgfältigstem Heranschleichen dicht an ihrer Seite stand und sie sich immer noch nicht rührte, kannte seine Überraschung keine Grenzen. War sie eingeschlafen? Oder war sie am Ende gar tot? Das erstere konnte unmöglich der Fall sein, denn sie hielt die Augen weit geöffnet. Aber auch die zweite Möglichkeit traf nicht zu, denn als er plötzlich ihren Arm packte, fühlte sich ihr Fleisch ganz warm an.
Selbst in den Klauen ihres Todfeindes rührte sich Katoya nicht. Wohl starrten ihn ihre Augen an, aber ihr Gesichtssinn war fest in der ungeheuren Welt ihrer Träume eingeschlossen. Sie sah sein boshaftes Antlitz, fühlte den Druck seiner Faust und erkannte, daß sie in großer Gefahr schwebte, aber sie besaß nicht die Macht, Widerstand zu leisten, gleichsam als wären ihre Glieder mit Riemen zusammengeschnürt. Selbst als er sie unsanft schüttelte, um sie zur Besinnung zu bringen, schwankte sie nur hilflos hin und her und starrte ihn aus aufgerissenen, gequälten Augen an. Und trotz seines Triumphes hatte ›Narbengesicht‹ das Empfinden, daß diese Augen ihn inmitten von Dingen, die seinen Blicken verborgen waren, anstarrten, und gleich allen Indianern erfüllte ihn abergläubische Furcht vor dem, was er nicht zu verstehen vermochte. Denn schließlich war und blieb Katoya ein gefürchtetes Medizinweib, das trotz seiner Gefangennahme und obwohl es kein Glied zu rühren vermochte, insgeheim einen mächtigen Zauber gegen ihn bewirken konnte. Um sich jedoch seine Gefangene unter allen Umständen zu sichern – ganz gleich welchen Zaubers sie sich später bediente – gebrauchte er die Vorsicht, das Messer aus ihrem Gürtel zu entfernen und ihre Handgelenke mit einem Riemen zusammenzuschnüren. Dann erst riß er sie auf die Füße und schleppte sie schonungslos aus der Höhle hinaus. Langsam erwachte Katoya zum Bewußtsein ihrer Umgebung. Als sie ganz wieder zu sich selber kam, fand sie sich mit gefesselten Handgelenken in der Mitte ihrer Feinde, die sie rücksichtslos und unter Schmerzen durch den Wald vor sich hertrieben. Mit zunehmendem Bewußtsein wurde ihr auch das Grauen ihrer Lage klar. Sie wußte jetzt genau, in wessen erbarmungslose Hände sie gefallen war, denn ›Narbengesicht‹ prägte ihr mit zahlreichen brutalen Worten und Handlungen seine Gegenwart ein. Allein trotz der Hoffnungslosigkeit ihrer Situation blieb ihr Mut unerschütterlich, und sie schritt standhaft und ohne unter den Schlägen zusammenzuzucken vorwärts. Ihre Gedanken kreisten weniger um ihre eigene Person als um ihren Enkel, dessen Schicksal sie nicht kannte. Trotz ihrer Sorge war die Erinnerung an ihre Gesichte noch nicht ganz ausgelöscht und unter allen möglichen zerrissenen und flüchtigen Eindrücken drängte sich ein bestimmtes Bild immer wieder in den Vordergrund. Es war die Gestalt Thunderboys, wie er eilig über den gefallenen Baumstamm hinweg den Abgrund überquerte. Das war alles. So sehr sie sich auch in Gedanken quälte, sie vermochte sich weder der vorhergegangenen noch der späteren Ereignisse zu erinnern. Zwischen der Vision jenes Baumes und der langsamen Rückkehr in die Welt der Wirklichkeit wogte nur eine Reihe unzusammenhängender Gestalten durch den Nebel ihres Traumes. Selbst als Thunderboy mit seinen Wärtern ihren eigenen Trupp einholte, wußte sie nichts davon, da man sie viel zu eilig vorwärtstrieb, als daß sie Zeit gehabt hätte, zu lauschen oder sich umzuschauen. Ja, selbst als sie erschöpft und wund endlich das Dorf der ›Schlangen‹ erreichte, hatte ›Narbengesicht‹ seine eigenen boshaften Gründe, ihr den Verbleib ihres Enkels zu verheimlichen.
Die Ankunft der Gefangenen erzielte ungeheures Aufsehen. Kaum verbreitete sich die Kunde davon im Dorfe, als sämtliche Einwohner vor ihre Hütten traten, um den Einzug mitanzusehen, und da man Thunderboy einstweilen noch im Hintergrunde hielt, bildete die alte Indianerin anfänglich den Mittelpunkt des Interesses. Angesichts dieser Menschenmenge zeigte Katoya eine stolze Würde. Mochte sie noch so müde sein, mochten sämtliche Glieder ihres Körpers schmerzen und ihre Füße bluten, mochte sie sich schutzlos und ohne Hoffnung auf Rettung inmitten ihrer Todfeinde befinden – ihr müder Körper straffte sich, allen durchgemachten Strapazen und künftigen erbarmungslosen Mißhandlungen zum Trotz. Sie trug ihr Haupt wie eine Königin und musterte die dichte Schar feindlicher Gesichter mit furchtlosem und verächtlichem Ausdruck. Ja, mehr als ein unerschrockener Krieger erinnerte sich angesichts dieses festen Blickes mit Besorgnis, daß ja die Gefangene in ihrer Mitte etwas mehr als ein bloßes altes Weib sei, und daß sie ihre gewaltige Medizinkraft sammeln und Unheil über den ganzen Stamm heraufzubeschwören vermöchte, falls man nicht schleunigst mit ihr aufräumte.
Aber man setzte sie nicht lange den Blicken der Menge aus. Sobald eine der Hütten vorübergehend in ein Gefängnis umgewandelt war, schleppte man Katoya dort hinein und fesselte sie mittels eines Lassos aus ungegerbtem Rindsleder fest an einen der Hüttenpfähle.
Erst nachdem die Alte in Sicherheit gebracht war, ohne die weiteren Geschehnisse beobachten zu können, führte man Thunderboy in das Dorf, wo seine Ankunft kaum weniger Interesse als die ihre erregte. Dank ›Narbengesichts‹ Verhandlungen mit Thunderboys Onkel war des Knaben Geschichte allen bekannt. Dieser von seiner Großmutter erzogene Mischling der weißen und roten Rasse, von dem es hieß, er stünde unter dem Einfluß von Katoyas Medizin und lebe in engerer Gemeinschaft mit den Tieren als mit den Menschen, galt bei den Schlangenindianern als äußerst wertvoller Gefangener, denn mochte auch der Alten Medizin ihnen unabwendbar feindlich gesinnt sein, die seine ließe sich vielleicht kraft seiner außergewöhnlichen Jugend noch zu ihren Gunsten umstimmen, sobald der Tod den Einfluß seiner Großmutter auf ihn vernichtet hätte.
Thunderboy starrte in die ihn umdrängenden Gesichter, als könne er von ihnen Aufschluß erhalten, was man eigentlich mit ihm zu tun beabsichtige. Er ahnte nicht im entferntesten, daß er bereits weit und breit unter den Indianern eine berühmte Persönlichkeit war. Er wußte nur, daß all diese dunklen Fratzen sich zwischen ihn und seine Freiheit drängten und ihn von der Außenwelt absperrten. Besorgt blickte er sich nach allen Seiten nach seiner Großmutter um, ohne jedoch eine Spur von ihr zu entdecken. Daraus schloß er mit Recht, daß sie sich bereits in sicherem Gewahrsam in einer der Hütten befände.
Nachdem er eine genaue körperliche Untersuchung, bei der sogar seine Zähne geprüft wurden, über sich hatte ergehen lassen müssen, schleppte man ihn in eine Hütte und befestigte den Riemen, mit dem er gefesselt war, an einen der Hüttenpfähle. Den Rest des Tages gab es ein fortgesetztes Kommen und Gehen – Männer, Weiber und Kinder befriedigten ihre Neugier an seinem Anblick. Erst als es Abend wurde, verlor sich die Menge, und man überließ ihn sich selber. Bei Anbruch der Nacht betrat ›Narbengesicht‹ den Wigwam und stellte ihm zahlreiche Fragen über seine Großmutter und deren Gewohnheiten. Der Knabe erkannte, man hatte aus ihr selbst nichts herausbekommen können und versuchte daher, jetzt alles durch ihn zu erfahren. Thunderboy war kein Dummkopf. Er beantwortete sämtliche Fragen bereitwilligst und zwar auf solche Weise, daß ›Narbengesicht‹, als er ihn verließ, vollgepackt mit Neuigkeiten war, die ihn jedoch über Katoyas wahre Absichten so sehr im Dunkeln ließen, wie diese selber es sich nur irgend hätte wünschen können. Später brachte man Thunderboy etwas zu essen und ließ ihn dann wieder allein. Er hatte einen Wolfshunger und fiel über das Essen her, da er seit dem frühen Morgen nichts zu sich genommen hatte. Endlich streckte er sich, erschöpft von allen seinen Erlebnissen, auf den Boden hin. Soweit ersichtlich, war keine Lagerstatt vorhanden, die Hütte war vollständig kahl und erweckte den Eindruck, als sei sie in letzter Zeit unbewohnt gewesen. Trotz seiner Erschöpfung war er noch viel zu aufgeregt durch die Begebenheiten dieses Tages, um sofort einschlafen zu können. Es wurde dunkel, während er den Geräuschen des Indianerdorfes lauschte und sich fragte, ob ›Narbengesicht‹ ihn wohl noch einmal aufsuchen würde. Als dann nach geraumer Zeit das Leben im Dorfe allmählich erstarb, ohne daß jemand erschienen wäre, folgerte er, man beabsichtige, ihn über Nacht allein zu lassen, und sank bald darauf in tiefen Schlaf.
Er wurde durch einen Fußtritt unsanft aus dem Schlummer geschreckt und erblickte, noch halb betäubt vom Schlaf ›Narbengesicht‹ der sich bei hellichtem Tage über ihn neigte. Nach einem zweiten brutalen Fußtritt befahl ihm ›Narbengesicht‹ aufzustehen. Thunderboy konnte nicht anders als gehorchen, obgleich er seinen Gefangenwärter noch mehr haßte als fürchtete. An dem losen Ende des Riemens, den er bereits losgebunden hatte, zerrte ›Narbengesicht‹ den Knaben aus der Hütte. Dann schlenderte er gemächlich durch das ganze Dorf, indem er seinen Gefangenen wie einen Hund an dem Riemen mitführte, und forderte jeden einzelnen auf, ›sich des Medizinweibes Balg recht genau anzusehen‹. Langsam und unter dem Hohn und Gelächter des ganzen Dorfes mußte Thunderboy sich dieser beschämenden Prozedur fügen. Und erst als ›Narbengesicht‹ ihn gezwungen hatte, dreimal die Runde durch das Dorf zu vollenden, führte er ihn an den Ausgangspunkt zurück und band ihn an einem vor der leeren Hütte in die Erde gerammten Pfosten fest. Zwar war der Vorhang vor dem Hütteneingang nicht befestigt, so daß der Knabe nach Belieben ein- und ausgehen konnte, aber er war vor Wut und Scham über die Behandlung, die ihm soeben zuteil geworden, so außer sich, daß er es vorzog, in dem dumpfen, von der Sonne durchglühten Innern zu bleiben, statt sich auch fernerhin den gaffenden Blicken der Dorfbewohner auszusetzen.
Der Tag verging ohne ein weiteres Ereignis, abgesehen von einem zweiten Besuch ›Narbengesichts‹, der Thunderboy abermals rücksichtslos an dem Riemen aus der Hütte zerrte und ihn zwang, sich an dem offenen Platz vor der Hütte einer zweiten Schaustellung zu unterziehen, wobei er selber zu seinem Vergnügen die Rolle eines erfolgreichen Tierbändigers mit einer neu eingefangenen Bestie übernahm. Erst als sein Quäler, dieses Spieles überdrüssig, fortging, vermochte Thunderboy abermals, sich allein mit seinem Unglück und seiner hilflosen Wut in der Hütte zu verkriechen.
Langsam schleppte sich der Tag hin. Während dieser ganzen Zeit hatte Thunderboy keine Spur von seiner Großmutter entdeckt. Er wußte nicht, in welcher Hütte sie gefangen saß. Bei Anbruch der Nacht kehrte ›Narbengesicht ‹ zurück und schnürte unter Drohungen, daß er auf keine Gnade zu hoffen hätte, falls er einen Fluchtversuch wage oder sich irgendwie aufsässig zeige, den Ledervorhang von außen fest; dann ließ er ihn für die Nacht allein. Lange Zeit noch lag Thunderboy wach und lauschte, wie am Abend zuvor, dem Leben und Treiben des Dorfes. Der Mond ging auf, und er beobachtete, wie seine Strahlen durch die Hüttenwandbekleidung fielen und die dunklen Stellen in deren Mitte beleuchteten, wo die wilden Tiere des Waldes abgebildet waren. Noch während er sich mühte, jene schattenhaften Umrisse zu enträtseln, schlief er ein. Kurz vor Mitternacht fuhr er hoch, als hätte ihn irgendein Geräusch dicht neben seinem Kopfe aufgeschreckt. Er wußte nicht, ob es von außen käme oder aus dem Innern der Hütte herrührte. Er lag daher ganz still und lauschte mit klopfendem Herzen. Das Geräusch wiederholte sich.
Diesmal war es unverkennbar. Ohne Zweifel stammte es von einem Tiere her, das die Luft einsog und sie mit Gewalt wieder durch die Nüstern blies, um eine bessere Witterung zu bekommen. Anfänglich dachte Thunderboy an einen der vielen Indianerhunde, die mitunter nachts um die Hütten streifen in der Hoffnung, irgendwelche Abfälle von der Abendmahlzeit zu ergattern. Gewöhnlich jedoch pflegten diese Nachtschwärmer nach längerem Schnuppern zu erkennen, daß es nichts Lohnendes aufzuschnappen gäbe, und ihre Streifzüge anderswo fortzusetzen. Allein das Tier, das sich jetzt draußen vor der Hütte aufhielt, gab sich offenbar nicht so leicht zufrieden. Thunderboy vernahm, wie es die ganze Behausung umschnüffelte, und von Zeit zu Zeit hörte es sich ganz so an, als versuche es, die Schnauze zwischen den Tierhäuten hindurchzustecken. Thunderboy konnte sich nicht darüber klar werden, um was für ein Tier es sich dabei handelte, – um Fuchs, Dachs, Luchs oder Bär. Schwerlich um einen Fuchs, dachte er: die Fuchssippe hielt sich meist der Nachbarschaft von Hunden fern. Ein Dachs wagte sich aus dem nämlichen Grunde nur selten in ein Dorf. Zwar mochte sich ein Wolf, getrieben von den Qualen des Hungermondes, gelegentlich an die menschlichen Behausungen heranschleichen, aber jetzt im Sommer, da überall reichlich Nahrung zu finden war und es von fettem Rotwild wimmelte, konnte man kaum mit einem derartigen Besuche rechnen. Also blieben nur noch Luchs oder Bär übrig. Der Luchs war ein geborener Dieb und ein Räuber aus Passion. Außerdem waren seine Tatzen unter ihrem weichen Pelz mit furchtbaren Krallen ausgerüstet, die jeden indianischen Hund sich die Sache zweimal überlegen hießen, bevor er den Besitzer dieser Klauen angriff. Mehr als alle anderen Geschöpfe der Wildnis mißtraute Thunderboy jenen großen Katzen. Während er hier in der geräumigen Hütte lag, die in dem dämmrigen Mondlicht größer als bei Tage erschien, empfand er tiefer denn je seine Einsamkeit und Hilflosigkeit. Und als das dämmrige Mondlicht gar auf den Kreis schattenhafter Raubtiergestalten fiel, die an den Wänden abgebildet waren, beunruhigte ihn ein neuer peinigender Gedanke: Wenn nun diese Hütte eine Medizinhütte der großen Raubtiere wäre, und wenn die dunklen Umrisse der Tiere, über denen das Mondlicht erglänzte, Medizinmalereien darstellten, welche diejenigen Geschöpfe, die sie symbolisierten, heranzulocken pflegten? Er hatte des öfteren von dergleichen Dingen gehört. Die Anziehungskraft des richtigen und vorschriftsmäßig ausgeführten Symbols war ungemein stark. Alle weisen Medizinmänner stimmten darin überein, daß die Abbildungen einer solchen Tierhütte in gewissen Nächten zu gewissen Stadien des Mondwechsels Zauberkraft gewannen und ihre lebendigen Verkörperungen über Tausende von Meilen heranzulocken vermochten. Und wenn nun heute eine solche Nacht wäre? Wenn die Hütte, in der er sich befand, gerade jetzt ihre Anziehungskraft ausübte? Fast glaubte er schon die Luchse aus ihren Höhlen hervorkriechen zu hören!
Doch näher noch als die vermeintlichen Schritte dieser großen Raubkatzen klang ein lautes Kratzen am Boden der Hütte, als suche irgendein Tier in das Innere zu gelangen. Trotz seines Vorsatzes, sich nicht zu fürchten, klopfte Thunderboys Herz rascher und immer rascher. Das Scharren und Kratzen brach ab. Einige Sekunden lang herrschte tiefes Schweigen, und er tröstete sich bereits mit dem Gedanken, daß das Tier – was immer es auch sein mochte – sich aus dem Staube gemacht hätte. Allein als das Geräusch abermals an der Rückseite der Hütte einsetzte, diesmal ohne wieder abzubrechen, nahmen all seine Zweifel ein Ende. Das Tier war fest entschlossen, sich Eingang zu verschaffen. Wenn es nun ein Grizzly wäre? Er wußte, in dem Fall würden seine Leiden schrecklich, aber von kurzer Dauer sein. Der Widerstand, den die große Bestie bei ihren Einbruchsversuchen zu überwinden hatte, mußte sie in Wut bringen, und einmal im Innern der Hütte, würde sie mit allem und jedem, was sie dort fände, kurzen Prozeß machen. Anfänglich jagte jener Gedanke ihm Schrecken ein, dann aber begann er zu überlegen, daß ein Grizzly wohl schwerlich so leise zu Werke gehen würde. Ein gereizter Grizzly schlüge unfehlbar sämtliche toten Gegenstände, die sich ihm entgegenstellten, kurz und klein. Das Tier jedoch, das jetzt draußen vor der Hütte scharrte, war für einen Bären viel zu geduldig und beharrlich.
Der Riemen, mit dem Thunderboy gefesselt war, ließ ihm genügend Spielraum, um sich bis in den Hintergrund der Hütte zurückzuziehen, dagegen konnte er sich nur bis dicht vor den fest von außen verschnürten Kalbsledervorhang bewegen. Er fragte sich, was tun, falls das Tier wirklich zu ihm einbräche. Das Scharren hörte nicht auf; die Lederbekleidung der Wände spannte sich, und es war klar: das Tier hatte seine Schnauze unter der Zeltwand durchgezwängt und drückte jetzt mit aller Kraft nach oben. Thunderboy wich bis an den äußersten Rand des Raumes zurück und wartete. Das Zwängen und Heben wurde immer stärker. Pfähle krachten, als die Verkleidung sich spannte, und die ganze Hütte schien zu schwanken. Dann ertönte ein zerrendes, reißendes Geräusch, und er spürte, wie ein großer Körper sich in das Innere hineinschob.
Er schnellte auf die Füße, jedes Haar an seinem Körper vor Angst gesträubt. In der ungewissen Beleuchtung sah er oder glaubte er doch zu sehen, wie eine dunkle Gestalt sich zum Sprunge zusammenkauerte. Sie bewegte sich, kroch auf ihn zu. Krampfhaft umklammerte Thunderboy den Riemen mit beiden Händen, um ihn zu einer Schlinge zu knüpfen, mit der er die Bestie erdrosseln könnte, falls sie auf ihn losginge. Er setzte nicht viel Hoffnung in seinen Plan, aber es war das einzige, was ihm zu tun übrigblieb. Und jetzt füllte sich die Hütte mit einem Geräusch, das plötzlich in ein heiseres, die ganze Luft in Schwingungen versetzendes Röcheln überging.
Kein Zweifel, er kannte jenes Geräusch... War es möglich? Irrte er sich nicht? ... Die Frage wurde durch ein Gefühl von weichem Pelz an seinen Beinen beantwortet, als der große Silberlöwe sich gegen ihn drängte, wobei er ihn fast von den Füßen riß. Manu – endlich! Aber wie hatte Manu ihn nur aufgespürt?