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Der Scheerenschleifer in Paris,
oder
des Scheerenschleifers Pariserlied.

Jahre nun sind's, daß Geschrei von der Neuheit:
     'S Louvre sey geworden wie Spartanisch,
Alles sey voll in Paris von der Freiheit,
    Und sogar 's Palais republikanisch!
        Als ich noch schlief
        Fürstlich tief,
        Immer noch schlief,
         Tief, tief, tief
Auf mich zur Stadt der Erwachten rief.

Zeitung erzählt' es, Freund Cramer posaunte,
    Und der alte Klopstock sang das Amen,
Wie sich der Himmel über Gallien bräunte:
     Ecce lux! Sol oritur tamen!
        »Hei, hei, Patriot!
         Freiheit! Tod!
         Sacre Schwerenoth!
        Freiheit oder Tod!
Werde neues Gold aus dem alten Koth!«

Schleifer ist Freund vom gediegenen Golde.
    Liebt das wache Leben und die Sonne;
Ihm war schon lange gehuldigt die Holde,
    Die Paris berauschte jetzt mit Wonne:
         Lausch, lausch, lausch!
        Tausch um Tausch!
         Bausch um Bausch!
        Wagen wir den Tausch?
Laufen wir hinein in den großen Rausch?

Machte mich auf zu dem Himmel auf Erden,
     Hoc in gallinorium gallorum;
Kam auch herein nach der Tausends Beschwerden,
     Schnurre, schnirre, schnarre, lorilorum!
         »Eins ist uns Roth:
Schauspiel, Brod!
         Dam' Schwerenoth!
         Schauspiel und Brod!»
Rief's mir entgegen aus dem alten Koth.

Wurde dabei wie mit Wasser begossen,
     Lauschte mit gespitzteren Ohren:
Weißliche Bäche, mit röthlichen flossen
    Während des Geschreis aus den Thoren.
         Glaubt', es sey Wein,
        Milch und Wein –
         Ach! es war nicht Wein,
        Milch nicht – o nein!
Thränen und Blut war des Stroms Verein.

Sah mich dann um nach dem Tempel der Gleichheit,
    Fand ihn auch, voll weiblicher Jugend,
Weiß, wie die Unschuld, und sanft wie die Weisheit,
     Und ein wenig nackt, wie die Tugend.
         Wähnt' alle schier
         Göttinnen hier;
         Zwei, drei, vier
         Winkten mir –
Riefen aber laut, es sey zum Plaisir.

Eilte von dannen zum Tempel der Musen,
    Waren alle draus schon geflogen;
Sah nur eine einzige Grazie ohne Busen,
     Ach! und einen Amor ohne Bogen.
         Der Puhr und der Puck
         Kauz und Kuckuck
        Trieben ihr Spuck:
        »Kri, kri, kluck!« –
Nannten's Gesang und Musik von Gluck.

Ging dann hinauf in den Hochrath der Alten –
    Schienen alle jung am Verstande;
Legten nur die Stirn' in krausere Falten,
     Um's noch mehr zu krausen in dem Lande.
         Heh! heh! heh!
         Witte! watte! we!
         La guerre? ou la paix?
         Heh! heh! heh!
Schrien sie alle dort, und das Volk schrie – weh'!

Dachte dann: hier liegt der Hund wohl begraben,
     Als ich sah die fünf Directoren –
Lag auch ein Hund da; doch nichts war zu haben,
    Als die zehn unendlichen Ohren.
         »Und wie er bellt':
         Geld! Geld! Geld!
         Uns'r ist die Welt!
        Geld! Geld! Geld!«
Hatt' ich mir schon meinen Fuß bestellt.

Merkte schon jetzt, was die Glocke geschlagen,
     Als wir Dichter wähnten, es sey Morgen;
Fand an der Neuheit kein rechtes Behagen:
    Frei zu seyn im Raub und gleich in Sorgen.
        Trollte mich dann fort
        Wieder gen Nord;
         Streift' immer fort,
        Schliff hier und dort;
Kam doch stets zurück auf denselben Ort.

Drei Mal ich kehrte, drei Mal kam ich wieder,
    Drei Mal fand ich mein Erwart betrogen;
Fand, daß im Westen die Sonne noch ging nieder,
    Und daß alle Zeitungen gelogen.
        Fand noch zur Noth
        Schauspiel und Brod,
        Aber kein Loth
        Freiheit oder Tod!
Und der alte Koth war noch immer Koth!

Doch in dem Koth war die Perle gefunden,
    Für die Schleifer Erd' und Himmel gäbe;
Und der zehnohrige Hund war verschwunden,
    Und Paris scholl: Bonaparte lebe!
        Dies neue Geschrei,
         Ei, eja! Popei!
         Juch! Juchhei!
        Eins, zwei, drei!
Rief mich zuletzt noch einmal herbei.

Heil mir, daß durch der Vereitlungen viele,
    Heil mir, daß ich, trotz den Scherereien,
Endlich doch gelang zu dem einz'gen Ziele
    Aller meiner Scheerenschleifereien!
        Wahr ist doch dies:
        Paris ist Paris!
         Und in Paris,
        Nur in Paris
Find't ein ächter Schleifer sein Paradies.

Italiener zwar lieblicher singen,
     Und die Deutschen weinen ohne Gleichen;
England ist weiter im Trinken und Klingen,
    Holland in dem Waschen und dem Bleichen.
         Bei uns in Nord,
        Hier und dort,
        Gibt's manchen Ort,
        (Ich bin von dort!)
Wo man wen'ger wortet und mehr hält Wort.

Zwar ist man hier nur aus Liebe zur Neuheit
    Hin und wieder alt und wie Spartanisch;
Und nur aus Lust zur vollkommnen Allerleiheit
    Auch mitunter halb republikanisch.
         Alles ist nur Mod':
        Schauspiel und Brod;
         Leben und Tod
         Selbst ist nur Mod';
Und man wird auch weise, wird es erst die Mod'.

Anderwärts denkt man, und grübelt, und webet
     Für die Fern' und Zukunft schöne Sachen;
Aber hier tanzt man, und scherzet und schwebet,
     Und, o Freunde! wo gibt's mehr zu lachen?
         Immer nur gelacht!
         Weg mit Bedacht!
         Nimmt's in Acht:
         Bald kömmt die Nacht –
Wer des Tags nicht lachte, wird dann ausgelacht.

'S lebe denn hoch mit dem leichten Gewimmel
    Das große gallinorium gallorum!
Und höher als Alles im gallischen Himmel,
    Der hiesige Conventus Germanorum!
         Und höher als hoch,
         Drei Mal hoch –
         (Trinkt! klingt hoch!)
        Hoch, hoch, hoch!
Lebe die Freude, die deutsche, hoch!

*


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