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Lustspiel in einem Akt
(Ein großes Zimmer bei Runzelmann.)
Christoph (tritt mit einem langen Besen herein, die Spinnweben wegzubringen, singt vor sich hin, indem er auch zu Zeiten den Boden wichst).
Juheißa! Jetzt krieg'n wir ein' Frau bald ins Haus,
Drum heißt es, recht wichsen und fegen,
Das Wilde muß heute noch alles hinaus,
Die Reinlichkeit bringet nur Segen.
Drum putz' ich den Boden, mach' d' Spinnweben rein
Und rufe: Herr Bräutigam, immer herein!
Elisabeth. Christoph.
Elisabeth (stutzig). Nun, was schreit der Narr schon wieder und in aller Frühe?
Christoph. Schreien? Bitt' um Vergebung, dieses war sehr schön gesungen.
Elisabeth. Ich brauch' sein' Krähengesang nicht am frühen Morgen.
Christoph. Die Arbeit geht aber leichter von statten, wenn man singen tut. Wie s' die Ferdinandbrucken in der Leopoldstadt 'baut haben, so hat die Maschin', wo einer die Arbeiter mit einem Pfeiferl ermuntert hat, um zehn Pflöck' täglich mehr eingeschlagen als die anderen Maschinen.
Elisabeth. Er ist keine Maschine, und kurz und gut, ich brauche kein Pfeifen und Singen im Haus, außer ich wollte mit meiner Silberstimme ein Lied anstimmen.
Christoph (lacht für sich). Das müßt' was Sauberes sein!
Elisabeth. Was sagt Er, der Einfaltspinsel?
Christoph. Ich sag', Sie haben alle Anlagen zu einer großen Sängerin. (Lacht.)
Elisabeth. Nun, ich mein's! Und nun merk' Er sich's: kein Wort mehr singen! (Geht.)
Christoph (ist kaum allein, singt er). »Müßt's mir nichts in Übel aufnehmen.«
Elisabeth (kehrt um). Schon wieder? Aus dem Dienst kommt Er mit seinem verwetterten Gesang.
Christoph (singt). »Von Wurmser ein Husar.«
Elisabeth. O, treib' Er seine Spitzbübereien nur fort! Mein Bruder kommt heut' noch zurück und da will ich Ihn anschwärzen, daß Er mit Schimpf und Schande aus dem Hause kommen soll. (Ab.)
Christoph (singt ihr nach). »Ich tu' mich nicht grämen, ich harb' mich nicht ab.« – Haha! Zürn' dich nur, Beißzangen! Ich weiß's besser, wie ich mit dem Herrn steh'.
(Man hört ein Posthorn.)
Runzelmann, von außen.
Runzelmann. Christoph! Christoph! Abpacken! Auftragen! Zum Wagen schaun, ein Frühstück bringen! Christoph! Christoph! Wo steckt der Schlingel?
Christoph. Ich komm' schon. (Will ihm entgegen; wie er die Tür aufmacht, stößt er auf seinen Herrn; hinter ihm geht Winter.)
Runzelmann. Winter. Christoph.
Runzelmann. Nun, Hasenfuß, hast du nicht gehört, daß ich da bin? Tausend Millionen, Schlingel! Nein, nein, ich will nicht bös sein, der Himmel bewahr' mich vor jedem Zorn. Aber zur Tür 'naus, g'schwind! Marsch, abpacken, auftragen, zum Wagen schauen, dem Postillon sein Trinkgeld geben, d' Füß aufheben, fort von hier oder ich nehm' einen Stock und mach' dir Füß'. Doch nein, nein, ich will nicht bös sein, der Himmel bewahr' mich vor jedem Zorn!
Christoph. O mein lieber Herr, weil S' nur wieder da sind! (Ab.)
Runzelmann (grollt immer). O Wied'hopf, ich brauch' dein Kompliment nicht. (In einem weichen Ton zu Winter.) Nehmen Sie's nicht übel, daß ich da so lärm', aber bin ich mit meinen Leuten nicht streng, so ziehen s' mir d' Haut über d' Ohren. Nun, ziehen Sie Ihren Überrock aus, machen Sie sich's bequem, ein gutes Frühstück wird gleich da sein. Sie, ein echtes Weinerl, ein bisserl ein Karbonadl, ich halt's gern mit einem Gabelfrühstück, wenn ich von der Reis' komm'. Heda! Wo ist meine Schwester, wo ist die Köchin? Kreuz fickerment! Ist das wieder eine Bedienung in einem Haus? Ich reiß' die Glocken ab! (Schellt ungestüm.) Hallo! Hallo herauf! Ich riegle euch allen die Ohren.
Christoph atemlos mit dem Frühstück. Vorige. Mehrere Dienstleute. Sie fliegen bei allen Türen herein.
Runzelmann (noch immer wild). Ha, da sein s' auf einmal. (Gemäßigter.) Nun, 's ist gut, das Frühstück hab' ich nur haben wollen. (Ganz gut.) Geht's nur wieder, erschreckt's nicht, es ist nichts. Und meiner Schwester einen sehr schönen guten Morgen. Sagt's ihr, von der Reis' bin ich zurückgekommen, wohlbehalten, gut genährt, und ein' charmanten Mann hab' ich mitgebracht, ein' Doktor, der ihre Krämpf' kurieren soll. Nicht wahr?
(Die Dienstleute gehen hin und küssen ihm die Hand.)
Runzelmann. Was ist denn das wieder? Einem Bürgersmann d' Hand küssen, wo habt's denn das wieder g'lernt? Marsch, Narren, soll ich mich zu Tod schämen vor fremden Leuten, als wenn ich so ein hochmütiger Kerl wär'! (Grollt.) Geht's mir aus den Augen oder ich werf' euch was nach! – Nun, nun, ich will nicht bös sein, geht's nur, aber tut's mir das nimmer, das sag' ich euch!
(Christoph hat indes alles hergerichtet; die anderen Dienstleute ab.)
Runzelmann. Winter. Christoph.
Runzelmann. Nur ein bisserl ein Weinl und ein Fleischerl dazu. Bedienen S' Ihnen. Ha, das schmeckt! Schau'n S', so sollen Sie's alle Tage bei mir im Haus haben. Auf Essen und Trinken halt' ich was. Und da Sie Wien nun zu Ihrem Sitz erwählen durften, haben Sie in meinem Haus Kost, Quartier, Licht, Holz, Wäsch', Bedienung, ja Luft, Erde, Feuer und Wasser, alles umsonst! Sie, das ist eine Hauptrubrik, alle vier Elemente geb' ich Ihnen und meinem Hausarzt lebenslänglich jährlich fünfhundert Gulden.
Winter. Herr, das ist zu viel!
Runzelmann. Was zu viel? Sie haben mir das Leben gerettet. Alle Ärzte hatten mich in jener bösen Krankheit vor drei Jahren aufgegeben, da schickt Sie unser Herrgott an mein Krankenbett; Sie reißen mich heraus und nicht einmal g'sund, nein, g'sünder bin ich, als ich mein Leben war. Und das, was ich für Sie tun will, ist zu viel? So kann nur ein kurzsichtiger, undankbarer Mensch reden, ein unüberlegter Obenaus und Nirgendsan kann so reden. – Ho, ho! Das mach' ich nicht übel, ich zank' Sie aus – nein, nein, nur nicht bös sein und trinken S' drauf. Und bleiben S' bei mir, bis wir einmal alle zwei nicht mehr sein. (Er stößt mit Winter an; beide trinken.)
Christoph (nimmt auch ein Glas und schleicht gegen Winter hin). Sie vergeben schon, daß ich auch die Gelegenheit ergreif' und auf Ihre Gesundheit trink'. Mich freut es, einen so rechtschaffenen Mann kennen zu lernen, um den mein Herr schon so lang g'seufzt hat und der endlich doch in unser Haus kommt. Bitt' anzufassen!
(Winter sieht ihn lächelnd an.)
Runzelmann. Ei, was ist denn das? I, du vertrackter Kerl! Kecker Bursch', ich werf' dich ja zum Fenster hinaus! Ein Bedienter, und will da mit uns Vivat trinken! (Springt auf ihn hin.) Rühr' dich nicht, damit ich dich umbringen kann. (Besinnt sich.) Doch, aufrichtig g'sagt, es ist erst so übel nicht von ihm! Haha, jetzt g'fällt mir das erst! (Zu Winter.) Nicht wahr, es ist doch nicht so übel? (Zum Bedienten.) Hast recht, trink du nur auf dieses wackern Mannes Gesundheit, ja, der Herr soll leben! Geh her, ich stoße selber mit dir an. (Sie trinken, Christoph schenkt sich geschwind noch einmal ein und trinkt wieder.)
Runzelmann. Jetzt aber pack' dich 'naus vor die Tür. Geh zu meinem Nachbar 'nüber, weißt, der Juwelier soll g'schwind 'rüber kommen, ich hab' viel mit ihm zu reden.
Christoph. Mit Freuden! (Macht einen Sprung und eilt zur Tür hinaus.)
Runzelmann. Winter. (Sie stehen vom Frühstück auf.)
Runzelmann. Hören Sie, so traurig dürfen Sie mir nicht sein. Weiß schon Ihren Kummer, hab' nur vor dem Bedienten nicht reden wollen. Wie ich geheiratet hab', kommen auch Sie zur Hochzeit. Nun, so eine Privatanstellung kann der Sache doch Nachdruck geben. Sie sagen mir den Namen Ihres künftigen Schwiegervaters, ich schreib' selbst an ihn, und wenn er noch so ein gelddurstiger Ding ist, ich bring' ihn schon zurecht.
Winter. Ach, das vermögen Sie nicht, dazu gehörte viel Geld, seine Einwilligung zu erhalten. Leider hab' ich auf einem anderen Wege an mein Ziel zu kommen getrachtet. Leider, daß –
Christoph. Vorige.
Christoph (poltert herein). Der Herr Juwelier Rauterl ist schon draußen.
Runzelmann (schon wieder zornig). Was poltert denn der Dummrian so herein? Geb' Ihm gleich eine Ohrfeige. (Gut.) Ist er da, mein Freund, nun so laß ihn herein. Mannerl, Sie wollen mir was entdecken, aber wir werden soeben unterbrochen. Wissen Sie was, schauen Sie indes ihr Logement an; wenn mein Juwelier fort ist, heraus mit dem Geheimnis! Indes kommt auch meine Braut an und da bin ich in der besten Stimmung. (Zu Christoph.) Nun, wo ist denn der Herr Rauterl? Kerl, dir reiß' ich noch den Kopf ab. (Macht selbst die Tür auf.) Herr Rauterl, nur herein! Du, Christoph, führst Herrn Winter in das gelbe Zimmer im zweiten Stock. (Winter geht links mit schwermütiger Miene mit Christoph ab.)
Rauterl. Runzelmann. (Rauterl tritt a tempo bei der Mitteltür herein.)
Rauterl. Gehorsamer Diener, mein bester Freund – nun, eine glückliche Ankunft und freudenreichen Eingang ins neurenovierte Quartier, das wünsch' ich. Hab' schon gehört, während Ihrer Abwesenheit ist alles bestens hergerichtet worden. Sapperment, von schönen Möbeln hab' ich gehört und sogar Tapeten. Recht, recht, können S' tun, können S' tun, nur zu so!
Runzelmann. Ja, wann S' auch wüßten, warum, Freund! Meinetwegen geschieht das auf Ehr' nicht, auch nicht wegen meiner zanksüchtigen Schwester – ich hab' was anders im Sinn.
Rauterl. Was anders? Ich bitt' Ihnen! –
Runzelmann. Ach, mein bester Silvester, es druckt mir beinahe das Herz ab.
Rauterl. Das Herz ab? Nur zu so!
Runzelmann. Ich habe – ich habe – Teuxel, was genier' ich mich denn – doch nein, ich will nicht über mich bös sein, ich mach' ja kein' schlechten Streich. Ich will heiraten, ja, heiraten! – Verwettertes Wort, jetzt ist's heraus!
Rauterl. Sie und heiraten? Da erlauben S' schon, daß ich mich niedersetz', sonst kommt mir das in d' Füß'.
Runzelmann. Genieren S' Ihnen nicht! Mir geht's fast auch so. Aber ich hab' mir's überlegt, es muß einmal so sein. Ich bin freilich ein fünfundfünfzigjahriger Junggesell und man sagt, ein Mann in meinem Alter soll's Mariagen sein lassen.
Rauterl. Nun wissen S', das macht just nichts. Die Heirat bringt manches auf gleich. Ich selbst, wie ich da bin, hab' auch einen Fünfziger: aber wer ist denn die Braut? Das ist die Hauptsach'. Hat sie Geld?
Runzelmann. Geld? O mein Freund, mehr als Geld! Ein Gesicht, weiß und rot, ein Aug', blau und rein, ein Haar, braun und fein, einen Wuchs, rank und schlank – und ein Herz – Millionen sind ein Bettelgeld dagegen.
Rauterl. Sonst nichts?
Runzelmann. Ich bin reich, ich brauch' sonst nichts.
Rauterl. Da erlauben S' wieder, daß ich aufsteh', denn solche Sachen kann ich wieder sitzender nicht ertragen.
Runzelmann. Die heutige Welt red't akkurat wie Sie. Aber desto rarer die Ehen werden, desto mehr Schuldigkeit ist's für die honetten Junggesellen, daß sie dazu schauen. Was meinen Sie also?
Rauterl. Liebster Freund, ich kenn' mich noch nicht recht aus. Sagen Sie mir nur zuerst: wie ist Ihnen auf einmal die Lust zum Heiraten an'kommen? Haben Sie doch so lang ohne Frau gelebt!
Runzelmann. Meine Todeskrankheit vor drei Jahren war die Hauptveranlassung. Ich hab' da meine Verwandten und Bekannten kennen gelernt. So oft mir's recht schwer ging, haben s' freundliche Gesichter geschnitten, und wenn ich mich leichter gefühlt hab', haben s' g'weint – da hab' ich den lachenden Erben g'schworen, einen Strich durch d' Rechnung zu machen. Hab' gleich gedacht, ein anderes Mädel aufzusuchen – hab' g'sucht und g'sucht und endlich eine g'funden.
Rauterl. Was der Tausend und was der Hundert! Aber was ich sagen will, wenn's nur keine eigennützige Person ist.
Runzelmann. Nein, das glaub' ich mein Leben nicht. Ich kenn' ihren Vatern; er war einmal reich, ist aber durch die Verschwendung seiner Frau an'n Bettelstab 'kommen.
Rauterl. Bravo! Nur zu so! Vielleicht geht's Ihnen auch so.
Runzelmann (wild). Das bitt' ich mir aus, einfältige Anmerkungen, dummes Reden! (Gut.) Doch ich will nicht bös sein, gelten S', Sie meinen 's nicht so? Also hören Sie weiter: die Mutter ist derweil g'storben.
Rauterl. Hat recht; wann der Mann kein Geld hat, was braucht das Weib noch zu leben?
Runzelmann. Ich hab' den Mann durch bares Geld vom Schuldenarrest befreit, das Mädel ist mir aus Dankbarkeit um den Hals g'fallen – da hab' ich mir eine Courage genommen, hab' um sie angehalten und 's Jawort war da.
Rauterl. Wenn Sie nur nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben!
Runzelmann. Was? Ihr Vater heißt Wirt, er war dabei, also hab' ich die Rechnung nicht ohne Wirt gemacht.
Rauterl. Und von wo ist s' denn? Von hier?
Runzelmann. I bewahr'! Eine Wienerin nehm' ich nicht. Vom Land herein, da wird man nicht betört, auf die kann man Felsen bauen; werden sehen, heute noch wird sie mein.
Rauterl. Heute noch? Bravo! Nur zu so!
Runzelmann. Ja, sie ist schon auf der Herreise, Vater und Tochter müssen schon angekommen sein. (Schaut auf die Uhr.) Richtig, elfe! Da müssen s' gleich hier sein.
Rauterl. Nun, das geht ja recht g'schwind. Und wegen dem haben Sie mich rufen lassen?
Runzelmann. Ja, und zwar aus zwei Ursachen. Liebster Freund, Sie gelten viel bei meiner Schwester.
Rauterl. O je, o je!
Runzelmann. Sie wissen wohl, daß ich bei der wegen meiner Heirat den härtesten Sturm aushalten müßte.
Rauterl. O je, o je! Die schlagt Ihnen ein paar tausend Winterfenster zusammen und mir vielleicht ein paar Stockzähn' auseinander.
Runzelmann. Bravo! Nur zu so!
Rauterl. Nein, verzeihen S', das ist mein Sprichwort und das kann ich hier nicht brauchen.
Runzelmann. Freund, alles, was Ihnen Unangenehmes geschieht, gleiche ich mit barem Geld aus. Wissen S', ich könnt' schon selbst, aber mit meiner Schwester will ich doch mehr manierlich reden – wissen S', ich bin zu resch.
Rauterl. Ja und sie ist zu altbacken. Resch und altbacken, das geht schwer. Nun, ich werd' meine Augen riskieren. Was haben S' denn noch für eine zweite Ursache?
Runzelmann. Die Brautringe. Zwei Brautringe müssen Sie mir schicken, aber von einem besonderen Wert.
Rauterl. Nun, das ist mir schon eine angenehmere Kommission. In des Himmels Namen, ich will ans Werk.
Runzelmann (erschrocken). O weh, ich hör' meine Schwester. Hören Sie, ich zieh' mich indes zurück.
Rauterl. Recht haben S', flüchten S' Ihre Courage derweil hintern Ofen.
Runzelmann. Ich bin zu resch.
Rauterl. Ich weiß es, Sie sollten nur ein wenig pflaumiger sein.
Runzelmann. Macht sie zu viel Umstände, dann, (erhitzt) Schwerenot, tausend Million! Doch – (gut) ich will mich nicht ärgern – nein, nein, nicht bös sein – pomali! (Flüchtet sich.)
Rauterl. Bravo! Nur zu so! Verlier' dich nur, altg'backener Gugelhupf! D' Schläg' krieg' ich. Da ist die liebe Seel' schon. Wie sie erhitzt ist!
Elisabeth. Rauterl.
Elisabeth (fährt wie eine Furie herum). Wo ist mein Bruder? Was ist das für eine Einquartierung? Ein Feldscher im zweiten Stock und jetzt extra kommt noch ein alter Herr mit einem Mädel, mit einem jungen, hübschen Mädel? Und Herr Rauterl, was machen Sie da als Juwelier und wie hängt das zusammen?
Rauterl. Erster Auftritt, ein Donnerwetter, vor der Hand ohne Blitz. (Laut, indem er ihr die Hand küßt.) O, liebwertestes Fraulein Lisette, ich bin soeben ausdrücklich gerufen worden; wir werden in diesem Haus jetzt plötzlich viele Freuden erleben.
Elisabeth. Was Freuden! Welche Freuden?! Das Haus war bis auf den heutigen Tag öd' und leer, da haben nie Freuden stattg'funden und so soll es bleiben, so lang' meine Augen offen stehen. Meinetwegen, den Feldscher im zweiten Stock, den hätt' ich mir gefallen lassen; man kann nicht wissen, es kann einem etwas zustoßen. Aber der alte Herr und die Mamsell, die tauch' ich wieder 'naus, ohne daß ich viel mit ihnen red'. Ich tauch' sie hinaus, hören Sie, ich tauch' s' hinaus.
Rauterl. O, bestes Fraulein Elisabeth, das Hinaustauchen der Mamsell, das wird ein bissel schwer gehen; der Herr hat s' erst mit vieler Müh' herein'taucht, da täten Sie ihm auch ein starkes Herzenleid zufügen.
Elisabeth. Was? Wieso? Wiefern? Wie möglich? Was will die Mamsell da? Wer ist sie? Wer hat sie g'ruft?
Rauterl. Die Liebe hat sie g'ruft.
Elisabeth. Was? Die Liebe? Sie Backfisch!
Rauterl. Backfisch? Bravo! Backfisch und ein Salat dazu ist ein gutes Essen. Nur zu so!
Elisabeth. Ich will nicht hoffen –
Rauterl. Ja hoffen Sie, bestes Fraule Lisette! Die Mamsell ist das Brauterl vom Herrn Bruder.
Elisabeth. Was? Reden Sie nicht aus!
Rauterl. Ja, ja, das Brauterl, nicht die Braut, nur das Brauterl vom Herrn Bruder und heute noch wird die Hochzeit sein.
Elisabeth. Meine Krämpfungen! Ich vergeh'! Doch nein, nicht krank will ich werden, sondern die Fenster öffnen und alles, was herein nicht gehört, auf die Straße schleudern.
Rauterl. Zweiter Auftritt, Sturm, wilder Donner, der Blitz schlängelt sich schon über das Gebirge.
Elisabeth (lacht). Doch ich glaub's nicht; Sie belieben mich nur zu foppen. Mein Bruder ist ja in seinem Zimmer, das werden wir ja gleich erfahren, ob er den Mut hat, haha, ob er den Mut hat. (Klopft an die Tür seiner Stube.) Herr Bruder! Heda! Komm gefälligst heraus! Nur auf ein Wort, zuckersüßer Bruder, gnädigster Bruder, komm freundlichst heraus! (Sie stemmt die Hände an die Seite und zittert vor Zorn.)
Vorige. Runzelmann.
Runzelmann (leise zu Rauterl). Ist's schon in Ordnung? Das Ungewitter schon vorüber?
Rauterl. Ja, nur bei Dornbach stehen noch finstere Wolken.
Runzelmann (leise). Wird sich schon verziehen. (Laut.) Grüß' dich der Himmel, Schwester, ich hab' dich noch gar nicht gesehen, seitdem ich hier bin.
Elisabeth. Servus! Bist mit der Post 'kommen?
Runzelmann. Ja.
Elisabeth. Einen Passagier mitgebracht?
Runzelmann. Mußt ihn ja kennen, der mir vor drei Jahren das Leben gerett't hat. Weißt, der Feldscher.
Elisabeth. Bagagewagen kommen auch an, hab' ich gehört.
Runzelmann. Bagagewagen, was heißt das?
Elisabeth. Ein' alten Herrn und ein Frauenzimmer hast du aufgepackt, geht das Gerücht.
Runzelmann. Sein s' schon da? O, nur geschwind die Türen aufmachen!
Elisabeth (tritt vor ihn hin). Nein, die Türen zumachen! Im Ernst, Bruder, du willst heiraten? Ist das wahr? Oder hat mich diese Raute von einem Menschen belogen? Sag' die Wahrheit!
Runzelmann. Jetzt stehen die Ochsen am Berg.
Rauterl. Ich bin der Berg. (Zu Runzelmann.) Doch ein Wort! Wenn Sie nicht nein sagen wollen, so sagen Sie ja – aber resch!
Runzelmann. Ich dank' Ihnen, ja, sonst tut sich's nicht. – Ja, liebe Schwester, ich will heiraten in allem Ernst!
Elisabeth (macht große Augen). Also wirklich? (Böse.) Pfui! (Faßt sich und lacht.) Doch nein, haha! (Lacht aus vollem Halse.) Hahaha! Hahaha!
Rauterl. Dritter Auftritt, schönes Wetter, aber d' Sonn' sticht.
Runzelmann. Und was soll das Lachen? Giftsapperment, was soll das?
Elisabeth. Du heiraten, warum nicht gar! In deinen Jahren!
Runzelmann. Und doch und justament! (Mit steigender Galle.) Oder hast du was einzuwenden?
Elisabeth. Bei dummen Streichen was einzuwenden? Allerdings! Aber nicht vor diesem Herrn hier, ich werd' dir ein Wort unter vier Augen sagen. (Zu Rauterl) Marsch!
Rauterl. Ich kann mich empfehlen, aber marsch, das ist kein Wort für mich: Marsch! – G'horsamster Diener, so sagt man zu mir!
Runzelmann. Nein, Sie bleiben!
Elisabeth. Wohlan denn! So mag er bleiben, denn ich genier' mich nicht vor dem Krippenreiter – doch dir sag' ich: undankbarer Mensch! Wer hat dir vor drei Jahren das Leben gerettet? Das war ich! Wer hat dich gepflegt und gewartet? Das war ich! Wer hat dich in den ersten Wochen deiner Gesundheit eigenhändig mit guten Kraftsüpperln versehen, dir süße Spargeln und junge Henderln gekocht? Das war ich!
Runzelmann. Hör' auf mit deinem Lebensretten. Was wär' denn hernach mein Doktor gewesen?
Elisabeth. Der Niemand. Laß dir von der ganzen medizinischen Fakultät Medizinen verschreiben, wenn ich dir s' nicht eingib', ist's alles nichts.
Rauterl. Das ist eine gute Anmerkung, leid't gar kein' Widerspruch.
Elisabeth. 's Maul halten Sie!
Rauterl (ganz entrüstet). Wann ich aber auf Ihrer Seite bin! Ach, das ist ja gar infam! Vierter Auftritt, das Wetter kommt wieder zurück.
Elisabeth. Und doch willst du heiraten? Warum? Daß dich deine Frau unter die Erde bringen kann, daß deine Frau mich arme Schwester aus dem Hause treiben kann, daß deine Frau meine schönen Wirtschaftseinrichtungen über den Haufen werfen kann und ich am Ende von Haus zu Haus betteln muß, indes eine solche hergeloffene Person in diesem schönen Besitz schwelgt.
Runzelmann. Hergeloffene Person! Mordigall! Du, noch einmal hergeloffene Person! Element! Siffrifax!
Elisabeth. Also nicht hergeloffen, sondern hergefahren.
Rauterl. Ist besser.
Elisabeth. Also, daß diese hergefahrene Person in diesem schönen Haus schwelgen kann, indes ich (mit Krokodilstränen) von Haus zu Haus werd' betteln müssen.
Rauterl. Bei mir wird nichts aus'teilt.
Runzelmann. Nun, nun, hör' auf, so arg wird's nicht werden.
Rauterl. Fünfter Auftritt, hat eingeschlagen zwar, aber nur ein Wasserstreich.
Elisabeth. Sie, Wettermacher, gehen mir oder ich werf' Sie hinaus.
Rauterl. Jetzt zündt's. Brav so! Nur zu so!
Elisabeth. Aber krallen, zwicken, beißen will ich die Person eher, als ich sie hier lass'. Mit meinen Zähnen will ich sie vernichten. O-o!
Runzelmann (wild). Was? Krallen und beißen? Giftsapperment! Jetzt kommt's zu dick. Schwester, was ist das? Wer bin ich und wer bist du? Du willst zwicken, beißen, krallen? Ha, wo ist mein Zorn, wo ist mein' Gall'! Jetzt muß's aus einem andern Ton gehen. Sie wird gleich da sein, aber das sag' ich dir, das erste unhöfliche Wort, nur eine schiefe Miene, und du sollst mich kennen lernen! (Man hört jemand auf der Treppe.)
Rauterl. Die Braut kommt schon. G'schwind Tür und Tor auf!
Elisabeth (mit Zorn auf Rauterl). Sie fader Mensch gehen gar!
Runzelmann. Ja, ja, sie ist's. G'schwind entgegen!
(Rauterl sucht sie durch besonders zuvorkommendes Benehmen gegen die Braut immer mehr zu reizen.)
Rauterl. Kommen S', Herr von Runzelmann, empfangen wir die Braut an der Treppe.
Elisabeth (zornig). Geben Sie acht, daß Sie nicht über die Treppe hinabrutschen. (Zu ihrem Bruder.) Nur noch ein Wort, also g'heirat't wird doch?
Runzelmann (nimmt sich zusammen). Ja und ja und zehntausendmal ja.
Elisabeth. Nun, wir sind ja noch nicht g'storben und Nacht ist's ja auch noch nicht. O meine guten Eltern, könntet ihr das mit ansehen! Himmel, wenn Vater und Mutter jetzt aufstünden!
Runzelmann. Da brauchten sie nur dich zu sehen und sie legten sich gleich wieder nieder.
Elisabeth. Das ist zu viel! Die Füße wollen mich nicht mehr halten.
Rauterl. Nehmen S' Platz! Es könnt' Ihnen doch zu gach anpacken.
Runzelmann (macht die Tür auf). O meine geliebte Braut, sei'n Sie mir tausendmal willkommen!
Elisabeth (lacht laut). Ha, ha, ha, ha!
Wirt. Babette. Vorige.
Rauterl (daß es Elisabeth hört). Himmel, mein Beistand, die ist sauber. Tausend! Tausend! Hab' mein Lebtag' noch keine solche Schönheit g'sehen.
Wirt. Wir dürfen doch unangemeldet kommen?
Runzelmann. Schwiegervater! Ist mein Haus nicht das Ihrige? Nur hätten Sie nicht so lang warten lassen sollen. Ich hab' gar nicht mehr g'wußt, was ich anfang' vor Sehnsucht und Ungeduld.
Rauterl (zu Elisabeth). Sehnsucht und Ungeduld? Er druckt sich recht schwärmerisch aus.
Elisabeth (kehrt ihm den Rücken zu). Ich geb' Ihnen ein' Ohrfeigen, Sie öder Ding!
Rauterl. Öder Ding! Bravo! Nur zu so!
Runzelmann. Da hab' ich die Ehre, Ihnen meine Schwester aufzuführen.
(Elisabeth rührt sich nicht von der Stelle.)
Runzelmann. Schwester, meine Braut!
(Elisabeth bleibt in der nämlichen Lage.)
Runzelmann. Ich muß um Verzeihung bitten, es ist ihr nicht wohl. Wissen S', sie leidet immer an Krämpfungen.
Elisabeth (laut). Ja, an Kränkungen!
Rauterl. Halten S' Ihnen noch ein bissel zurück! Bedenken Sie Ihre noble Erziehung!
Elisabeth (springt auf). Es ist mir jetzt schon wohl. – Also die Braut und der Herr Vater der Braut? Ein schönes Geschäft, Vater einer Braut zu sein, die einen reichen Mann heiratet. Übrigens sei'n wir –?
Wirt. Ehrliche Leute!
Elisabeth. Wirklich?
Wirt. Was ist das?
Babette. Vater, welche Beleidigungen! Lassen Sie uns zurückgehen!
Wirt. Herr Runzelmann, davon haben Sie mir nichts gesagt. Ihre Frau Schwester ist das und darf uns so empfangen?
Rauterl (zu Runzelmann). Geben Sie s' für narrisch aus.
Runzelmann. Der Himmel mag mir verzeihen, aber ich kann nicht anders. (Nimmt die Braut und den Vater auf die Seite.) Sein S' nicht bös, aber (deutet, daß sie verrückt sei) sie ist närrisch.
Wirt. Ja so!
Rauterl (bekräftigt es). Sie wird aber morgen wieder abg'holt und an'gurtet.
Wirt. Da schöpf' ich Atem, Kind, beruhige dich!
Elisabeth. Was ist das für eine Wisplerei? Geht's über mich her? O, ich warte nicht, bis ich hinaus geschafft werde, ich gehe schon selbst. Aber das werden S' doch erlauben, daß ich die Person, die mich so grenzenlos unglücklich macht, erst noch anschauen darf. – Von außen? (Geht um sie herum.) Nun, 's Figürl hätten wir ganz, einem Mann den Kopf zu verdrehen – das Gesicht ist zwar sanft und mild, aber die Augen, da sitzt der Satan. Ich gratuliere, Sie haben ein leichtes Spiel gehabt. Seit fünfundzwanzig Jahren halt' ich meinen Bruder frei von allen verliebten Fallstricken; im sechsundzwanzigsten Jahr kommen Sie daher und ich bin verloren. Hier, schöne Siegerin, haben Sie die Schlüssel. Der da gehört zur Wäsch'. Es ist alles zu dreißig und mehreren Dutzend da, sogar Frauenhemden und Herrenhemden (anzüglich) zum Aussuchen. Dieser Schlüssel gehört zum Silber; Silber hat mein Bruder viel, es blend't einem die Augen, es kann einen verblenden. Da ist der Schlüssel zur Speis, den brauch' ich gar nicht mehr; denn seitdem ich diese Bekanntschaft g'macht hab', hab' ich schon gegessen und getrunken. Und hier ist der Schlüssel zum Keller. Alter Herr, ein Weinel haben wir, das wird starken, das wird erquicken, das wird gut tun auf Ihre alten Tag'. (Ganz erbost, indem sie die Schlüssel zu Boden wirft und abgeht.) Trinken S' meine Gesundheit, denn lang leb' ich so nimmer mehr. (Stürzt ab.)
Runzelmann (der sich gar nicht mehr fassen konnte). Schwester, Schwester! (Sinkt auf einen Stuhl.)
Rauterl. Lassen Sie die Närrin gehen!
Runzelmann. Nein, ich muß fort, sonst alarmiert sie mir das ganze Haus. Verzeihen Sie! (Ab.)
Rauterl. Kommt s' wieder zurück und find't mich allein, so karbatscht s' mich. Ich muß auch um die Brautring' nach Haus. Sie verzeihen schon, daß ich gehe; ich hol' den Narrenwachter aus der Alsergassen. (Ab.)
Wirt. Babette.
Babette. Lieber Vater, die ist keine Närrin. Nein, in diesem Hause bleib' ich keine Minuten länger – ich bitt' Sie um alles in der Welt, lassen Sie uns fortgehen.
Wirt. Was fällt dir ein, Kind, willst du mich unglücklich machen? Bedenk' deine übrigen Geschwister, bedenk' deinen armen, alten, grauen Vater! Wenn auch diese Person aus Eigennutz, Unwillen und Pöbelsinn sich abscheulich benimmt, was hat das auf dich für einen Einfluß? Ist dein künftiger Mann nicht Herr seines Vermögens? Hast du dir vorzuwerfen, ihm Schlingen gelegt zu haben? Er hat dich gesehen, du hast ihm gefallen, er hat meinen ehrlichen Namen vor der Schand', meine Person von dem Schuldengefängnis gerettet. Drauf hat er um dich angehalten, ich hab' ja gesagt, weil aus der Heirat mit dem armen Doktor ohnehin nichts werden kann, nie was werden darf und weil ich dich kenn', daß du dem Glück deiner Familie, der Ehre und dem Wohl deines alten Vaters mehr aufopfern würdest als einen Mann, mit dem du keine Aussichten hast.
Babette. Sie haben leicht reden, lieber, guter Vater; ich weiß auch, was der Herr Runzelmann für uns getan hat. Aber, ach, ich für mein Teil möcht' halt lieber gar nicht heiraten!
Wirt. Komm' mir nicht mit den abgeschmackten Reden! Den Feldscher hättest schon g'nommen, wärst aber auch schon unglücklich; denn kaum hab' ich ihm kurz und bündig erklärt, daß ich dir kein Vermögen geben kann, daß er sich um ein Mädel mit Vermögen umschauen soll, daß du arm bist, so ist er fort und hat sich nimmer umg'schaut um dich.
Babette (für sich). Ja, guter Vater, wüßtest du nur, wo er ist!
Wirt. Drauf hab' ich dich vier Wochen zu meinem Brudern, dem Pfleger, geschickt. Dort sind viele Leute, es ist viel Zerstreuung – du hast mir selbst geschrieben, du wärst indes ruhiger, und nun fangst du von neuem an und redst davon, daß du den reichen Mann nicht heiraten könntest– o, geh mir aus den Augen.
Babette. Vater, lassen Sie mich nur erst sammeln! Ich weiß nicht, wie mir g'schieht.
Wirt. Sammle dich, ich geh' meinem Schwiegersohn nach. Nimm dich z'samm', ich sag' dir's. So darf ich dich nicht mehr sehen. (Ab.)
Babette (allein). O mein lieber Vater, wüßtest du, daß deine Tochter gar nicht mehr frei ist, daß sie durch Hilfe deines eigenen Bruders bereits ihre Hand dem Feldscher schon gegeben hat, du würdest anders reden.
Winter. Babette.
Winter. Ich hab' meinen Hut da liegen lassen –
Babette. Himmel, mein Mann!
Winter. Mein Weib, Wetterl, du hier? Was machst du da?
Babette. Ach, unglückseliger Mann, jetzt hilf du aus der Not oder stürz' uns beide tiefer hinein. Noch heute soll ich die Frau des reichen Kaufmanns werden, dem dieses Haus gehört.
Winter. Was!? So vereinigt sich doch alles Unglück! Himmel! Jetzt werd' ich meine Anstellung bei ihm auch wieder verlieren. In dich ist er verliebt? Was für ein Jammer! Den Streich wird er mir nicht vergeben und doch hab' ich auf seine Freundschaft alle meine Hoffnungen gesetzt.
Babette. Ach Ferdinand!
Winter. Meine teure Babette!
(Sie umarmen sich in stummer Liebe, wozu plötzlich kommt)
Runzelmann. Vorige.
Runzelmann (hat die Tür aufgemacht und sieht die Bescherung; er prallt zurück, die Worte ersterben ihm auf der Zunge). Kreuztausenddomini! Was ist das wieder?
Babette. Meine Lage ist noch weit mehr zur Verzweiflung geeignet als die deinige, denn ich bin dein Weib.
Runzelmann (im Hintergrunde immer für sich). Was, was? Hör' ich nicht gut?
Babette. Hab' deinem unglücklichen Vorschlag nachgegeben, bin mit dir heimlich verheiratet – wird das jetzt entdeckt – und ich muß es sogleich selbst entdecken – trifft meinen alten Vater der Schlag.
Runzelmann. Mich hat er schon 'troffen. (Sinkt auf einen Stuhl.)
Winter. Nehmen wir die Flucht.
Babette. Ändert das die Sache?
Winter. Zu neuen Bitten kann ich meine Zuflucht nicht nehmen, ich bin zu stolz – und auf das mir was zu gute tun, daß ich den Hausherrn hier vor drei Jahren einmal aus einer Todeskrankheit gerissen habe, das kann ich nicht. Es war meine Schuldigkeit, es stand in meiner Macht, umsonst hätt' ich es tun müssen, wenn er ein armer Teufel gewesen wäre, und ich hätt's getan; nun erst, da er mich so reichlich dafür lohnen konnte!
Babette. So laß mich bitten. Er ist gewiß ein guter Mensch, das zeigen alle seine Handlungen.
Winter. Ach, in dem Punkt wird er's nicht sein. Kind, du kennst die Alten nicht, wenn sie narrisch werden und sich verlieben.
Babette. Ja, du hast recht, verliebt ist er; er hat mich ja immer angeschaut, als ob er mich verschlingen wollte.
Runzelmann. O Bagage! Nun wart's, ich will euch helfen.
Babette. Aber verzagen will ich doch nicht – was will er machen? Wenn ich ihn so recht bitt', so recht herzlich bitt' – und ihm so innig zu Füßen fall', daß er mich nicht unglücklich macht und meinen armen Vater nicht verstoßt. (Indem sie das sagt, dreht sie sich um; Runzelmann ist knapp an sie hingetreten, sie erblickt ihn und schreit.) O Himmel! Fallen wir nieder alle zwei! (Sie will an seine Knie.)
(Winter sinkt an seinen Hals.)
Runzelmann (macht sich los von beiden). Einen Augenblick bitt' ich mir aus! (Pause.) Sie, Feldscher, da öffnen Sie mir zuerst eine Ader.
Winter. Sie haben alles gehört?
Runzelmann. Alles! Also so bin ich hintergangen? O komm noch einmal, du meine Krankheit vor drei Jahren!
Winter. Bin ja ich wieder da, ich würde Sie noch einmal retten.
Runzelmann. O Gift, Blut, Gall'! Tausend Schwerenot und Millionen Granaten! (Springt.) Zorn! Zorn! Mordsapperment! (Auf einmal gutmütig.) Und justament nicht! Sie, Doktor, kennen einen Alten nicht – und justament nicht! (Auf Babette.) Sie sollen gerade sehen, daß ich nicht so garstig verliebt bin. Angeschaut hab' ich Ihnen, als wenn ich Sie fressen wollt'? Nun, so sehen Sie her, daß ich Sie nicht ess' – da! (Gibt sie zusammen.) Wo für einen andern auf'tragen ist, wisch' ich mir's Maul ab und mein Heiratsappetit ist gestillt.
Winter. Edelster Mann!
Runzelmann. Kann leicht edel sein, wenn die Kuh schon aus dem Stall ist. Die Kuh, bitt' um Verzeihen, das hab' ich nicht so sagen wollen.
Babette. O, heißen Sie mich, was Sie wollen, Sie machen mich glücklich.
Runzelmann. Ja, das will ich auch und nun erst Ihnen, Freund, ein früher gegebenes Wort halten. Kommen Sie gleich mit zum Vater Ihrer Frau.
Babette. Ach, ich kann nicht mit – ich kann seinen Blick nicht eher ertragen, bis er verziehen hat.
Runzelmann. Soll auch geschehen, aber ich will mit Herrn Wirt erst sprechen. (Sieht sie an.) Giftsapperment! Element! Doch nein, ich will nicht bös sein, nicht fluchen. Aber das muß ich Ihnen sagen, weil S' mich gar so ausg'richt't haben; dumm war's nicht, daß ich mich in Sie verliebt hab', denn Sie sein wirklich sauber. Ein Busserl wenigstens sollt' ich haben, ein Busserl!
(Babette schlägt die Augen nieder.)
Runzelmann. Ja, Sie dürfen nicht. Doktor, wissen S' was, verschreiben S' mir eins!
Winter. Geh, Babette, gib ihm drei Küsse: einen der Dankbarkeit, einen der Verehrung und einen der Freundschaft.
Babette. Von Herzen gern! (Sie küßt ihn recht herzlich.)
Runzelmann (lacht). Sie, der Kuß der Freundschaft war nur ein halber.
Winter. So gib noch einen, aber von ganzer Seele! (Sie küßt ihn noch einmal.)
Runzelmann. Doktor, wenn Sie eine solche Apotheke haben, werd' ich alleweil rezidiv. Nun, meine Schwester, die wird jetzt Augen machen!
Rauterl (eilig). Vorige.
Rauterl. Da komm' ich jetzt und bring' die Ring'.
Runzelmann. O Freund, stecken Sie s' ein, die brauchen wir nicht mehr.
Rauterl. Was?
Runzelmann. Es hat sich ausgeheiratet, mir ist der Gusto vergangen.
Rauterl. Was der Tausend und was der Hundert! Gewiß die Fräule Schwester einen Strich durch die Rechnung gemacht?
Runzelmann. Mein Freund, nicht die Schwester, meine Braut ist keine Braut, sie ist schon eine Frau.
Rauterl. Bravo, recht so, nur zu so!
Runzelmann. Hol' Sie der Geier mit Ihrem Sprichwort; sie ist aber nicht meine Frau – da steht das verliebte Volk, heimlich vermählt, schon eine schöne Zeit.
Rauterl. Jetzt lass' ich mir meine Ring' heiß absied'n. Ich hab' mich g'freut, hab' schon auf der Hochzeit mich tanzen sehen, hab' schon sechs Musikanten b'stellt, ich glaub', auf der Stiegen sitzen s' schon.
Runzelmann. Alles in Wind!
Babette. Bester Herr von Runzelmann!
Runzelmann. Nun, ich sag' ja nichts mehr.
Rauterl. Jetzt wird d' Fräule Lisette eine Musik machen. (Ahmt die türkische Musik nach.) Tschinera, Tschinera! Pum, pum, pum! (Und macht Ohrfeigen dazu.)
Runzelmann. Die ist mir jetzt das Ärgste. Sie soll jetzt lachen und triumphieren können? Das möcht' ich ihr doch verleiden. Ich möcht' sie gar so gern zappeln lassen.
Rauterl. So reizen wir sie wenigstens noch ein bissel, ich bin gleich dabei. O jeges, sie kommt soeben. Ja, ja, reizen wir sie!
Runzelmann. Richtig, g'foppt muß sie noch werden. Liebe Braut, das ist die einzige Bedingung, daß Sie ihr das unhöfliche Betragen ein wenig eintränken!
Babette. Wenn Sie erlauben, ich muß wirklich bekennen, daß sie mich ein bissel stark gekränkt hat, und da jetzt auch meine gute Laune wieder da ist –
Runzelmann. So spielen Sie meine Braut fort! –
Rauterl. Und wir zwei die Beistände.
Runzelmann. Sie kommt! Lassen S' mich jetzt nur machen.
Elisabeth. Vorige.
Runzelmann (tut, als ob er seine Schwester nicht sähe). Also, liebe Braut, das wär' in Ordnung. Der Doktor ist also mein Beistand und der Herr Rauterl der deinige. Ich lasse dich mit Herrn Rauterl hier, der ist im Hause gut bekannt, der kann dir über manches Aufschluß geben. Meine Schwester brauchst du nicht mehr zu beobachten – sie war grob gegen dich, übersieh sie ganz.
Babette. Es ist schon recht, mein lieber Bräutigam.
Runzelmann. Wär' meine Schwester artig gegen dich gewesen, den Garten da unten hätt' ich ihr geschenkt.
Rauterl. Was, den schönen Garten? Warum nicht gar! Ich bitt' Ihnen, gehen S' zum Fenster und schauen S' die prächtigen Obstbäum' an. Plutzerbirn' und Agras, das ist eine Pracht! Und Hetscherln wachsen! Ich bitte Sie, betrachten Sie diese Erdäpfel-Orangerie.
Runzelmann. So aber gehört der Garten jetzt dein und das Haus dazu.
Rauterl. Das ist billig!
Babette. O du mein lieber guter Mann!
Runzelmann. Mach' nur jetzt gleich Ordnung. Mach' deine Vorkehrungen. Da liegen die Schlüssel noch.
Rauterl (hebt sie von der Erde auf.) Ja, die Fräule Schwester hat sie ganz sanft hieher g'legt!
Runzelmann. Rauterl, stehen Sie ihr bei. Ich geh' jetzt mit meinem Beistand zu deinem Vater. Kommen Sie. (Dreht sich um und erblickt seine Schwester.) Du bist da? Prr! (Schneidet ein Gesicht auf sie und geht mit Winter ab.) Prr! Prr!
Vorige ohne Winter und Runzelmann.
Elisabeth. Himmel, wie ist mein Bruder gegen mich! Sogar in die Hände dieses schadenfrohen Rauterl gibt er mich! Der wird mich seckieren. Bin doch neugierig, wie sich die Braut benimmt. Aber d' schlimme Lisel kennt s' noch nicht; traut's ihr nur!
Babette (wirft sich in die Brust). Also, Herr Rauterl, wollen wir eine kleine Reform im Hause vornehmen? Was ist denn so Auffallendes vorhanden?
Rauterl. Auffallendes? (Besinnt sich ein wenig.) Auffallendes! Ein Lindenbaum im Hof und eine Bank darunter.
Elisabeth (fällt in die Rede). Ja, ein sehr schattiger Sitz – mein Lieblingsplatzel.
Rauterl. Ei, Sie sind da? Nun gut, Sie können auch Auskunft geben. Ich und die Frau werden ein bissel das Oberste zu unterst kehren. Geschmack haben wir. Also beantworten Sie, was man Sie hernach fragen wird. (Zu Babette.) Lassen Sie den Baum stehen?
Babette. Ei bewahr'! Was brauch' ich im Hof einen Baum, der nimmt die Aussicht in den Garten. Weg damit, wird umgehauen!
Elisabeth. Was, mein Baum, mein Ruh'sitz und Schlafplatzel im heißen Sommer?
Babette. Umgehauen, ich hab' genug Bäum' im Garten. Notieren Sie das, Herr Rauterl!
Rauterl (indem er eine Schreibtafel aus der Tasche zieht). Lindenbaum, merkt es kaum – wir sind keck, putzen ihn weg.
Babette. Alle alten Möbel kommen hinaus! Als Frau von einem solchen Vermögen kann ich prätendieren, daß alles in der modernsten Form ist.
Rauterl. Versteht sich! (Mit Beziehung auf Elisabeth.) Was Ihnen nicht anständig ist, wird hinausgeworfen. Da haben wir im untern Zimmer, soviel mir wissentlich ist, ein paar Kasten mit altem Porcelaine, wissen S', mit Chinesen und Pagodeln untereinander.
Babette. Warum nicht gar altes Eisen!
Elisabeth. Langsam ein wenig! Das Porcelaine macht dem Haus keine Schand', mein Bruder hat es als Rarität in einer Lizitation gekauft.
Babette. Kommt wieder in die Lizitation. Wir haben aus der Wiener Fabrik ganz ein anderes Porcelaine. Fort damit!
Rauterl (schreibend). Ich schreib' schon. Altes Porcelaine ist nicht schön, hat kein Kredit, nur fort damit!
Elisabeth. Jetzt macht der Dalk gar Verse! Ich zerspring' vor Ärger.
Rauterl (zu Elisabeth). Jawohl, du Balg! Es macht der Dalk Verse – Per se! (Zu Babette.) Bleibt der Obstgarten oder machen Sie einen englischen Park draus? Ich hätt' eine Idee: wenn wir einen parkettierten Park macheten, das wär' ganz was Neues.
Babette. Aus meinem Herzen gesprochen!
Elisabeth. Lieber Himmel, mein Garten, mein Garten! Mein Bruder hat mir 'n ja just g'schenkt, dem werden S' doch nichts antun?
Babette. Ihnen hat er ihn g'schenkt? (Lacht.) Ha, ha! Bitt' um Verzeihung. Sie scheinen nicht gut gehört zu haben.
Rauterl. Das können wir ja gleich beweisen. Die Obstbäume hinaus, stimm' ich.
Babette. Versteht sich, englische Anlagen.
Rauterl. Exotische Pflanzen, wallachische Terrassen, kroatische Alleen!
Babette. Ja wohl! Um alles in der Welt nur kein Obst und kein Gemüse, das können Bürgersleute tun.
Elisabeth. Aber mein Bruder ist ja ein Bürger.
Rauterl. Wird sich jetzt adeln lassen.
Elisabeth. Was?
Babette. Ja, ja, weil ich es will.
Rauterl. Gestern sind wir darum eingekommen und morgen kriegen wir's heraus.
Babette. So ist es und nun schreiben Sie das wegen dem Garten auf. Dann wird das kleine Häuschen im Hofe eingerissen.
Elisabeth. Nein, das ist zu viel, da wohn' ja ich. Was geschieht denn hernach mit mir?
Rauterl. Sie hören ja, alle alten Möbel werden hinausgeworfen. Warten S' nur, Sie versäumen's nicht!
Elisabeth. Luft! Luft! Ach, das ist der höchste Grad von Kränkung! (Nimmt ein Riechfläschchen heraus und riecht daran.) Kochendes Blut, zerspreng' mir mein Herz nicht! Ach, ich ersticke! Geht man so mit der lieblichen Schwester des Bräutigams um? So setzt man mir zu? O, Sie vertrackter Mensch, ich glaub' gar, Sie schreiben das auch auf. Hören Sie, das schreiben Sie nicht! (Läuft wie wütend hin und her.)
Rauterl. Ich muß! (Schreibend.) Altes Haus zusammengerissen, Möbel alt' hinausgeschmissen, böse Schwester auch dazu, dann ist wieder Fried' und Ruh'.
Elisabeth. Nein, das ist meine letzte Stund'. Da steh du mir bei, blauer Himmel, oder Ihr Herz, zukünftige Frau Schwägerin, möge er erleuchten, daß Sie solche Grausamkeiten nicht zugeben. Haben Sie so viele Lieb' und Lust, daß Sie sich nicht zu breit machen, wenn Sie hier etwas zu schaffen haben! (Unter Schluchzen.) Schau'n S', 'kränkt ist bald ein Mensch. Zeigen Sie ein Herz, ich geh' ja sonst zu Grund vor Kummer.
Rauterl. Beste Freundin, nur nicht grämen, besser bei der Nasen nehmen! (Tut, als ob er schriebe.)
Babette. Geht's Ihnen nahe, daß ich so verfahre? Nun, so wissen Sie, daß dieses nur eine Kleinigkeit gegen jenes ist, was Sie mir bei dem ersten Eintritt in dieses Haus getan haben. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde dennoch recht handeln und wir werden noch die besten Freundinnen werden.
Elisabeth. Wir Freundinnen? Nein, in diesem Leben nicht mehr! Ich schnür' mein Bündel! Ich geh' weiter, als mich meine Füß' tragen; ehe ich mit Ihnen unter einem Dach leb', lieber geh' ich nach Amerika zu den Hottentotten, zu den Menschenfressern, zu den Mohren!
Rauterl. Ja, gehen Sie »zu den Mohren«, ins Bierhaus; Sie sind ohnehin nimmer weiß zu waschen, Sie Schokolademacherin!
Elisabeth. O Sie, Ihnen könnt' ich gar niederschlagen!
Rauterl. Recht haben Sie. Bravo! Nur zu so! Schlagen Sie einen Beistand einmal nieder, hernach brauch' ich selber einen Beistand.
Vorige. Runzelmann. Wirt. Winter.
Babette (für sich). O weh, mein Vater kommt!
Runzelmann. Liebe Braut, die Sache ist also bestens abgemacht. (Leise.) Er ist versöhnt.
Babette. Ist er? Lieber Vater, Sie entziehen mir also Ihren Segen nicht? O, Herr Runzelmann, ich muß Sie noch einmal umarmen! (Sie tut es.)
Elisabeth. Ich glaub's! Die Bösewichtin! Aber das halt' ich auch nicht mehr aus. – Bruder, der Himmel gebe dir Glück, ich aber ziehe von dir. Du hast mir deinen Garten geschenkt, obgleich mir deine künftige Frau ihn streitig machen will; bekräftige noch einmal, daß er mein gehört, und ich geh'.
Runzelmann. Setz' dir nichts in'n Kopf!
Elisabeth. Du rennst in dein Unglück, du fahrst mit Extrapost in dein Malheur – schau' her, zum erstenmal wein' ich.
Rauterl. Diese Perlen sind keine Tränen, das bekräftige ich als Juwelier.
Runzelmann. Was ist's denn?
Elisabeth. Ich ziehe aus deinem Hause, verstimmt, verkannt, beschimpft, verhöhnt; aber ich ziehe fort. Lebe wohl!
Runzelmann. Also nicht einmal auf der Hochzeit willst du tanzen?
Elisabeth. Tanz' du und wer noch will! Ich hab' auf immer den Garaus g'macht.
Runzelmann. So bleib wenigstens bei der Austeilung der Ringe! Herr Rauterl, wo sind Sie?
Rauterl. Hier, bin schon da.
Runzelmann. Schwester, du bist an allem schuld; ich hätt' nicht geheiratet, aber dein böses Maul, deine Schmähsucht, dein Neid –
Elisabeth. Ach, Bruder, ich wollt' mich gern bessern – ich fühl' selbst, daß ich zu weit geh', zu weit gegangen bin.
Runzelmann. Es ist zu spät! Liebe Braut, da ist dein Ring, lieber Bräutigam, da der deinige. Ös habt's euch bisher gescheut, Ring' zu tragen, wohlan, tragt sie nun vor der ganzen Welt! (Steckt dem Winter und der Babette die Ringe an die Finger.) Ich heirat' nicht, Schwester, ich bleib' ledig und du bei mir; aber ändere deinen Humor!
Elisabeth (ganz verblüfft über diese Szene, traut ihren Augen nicht). Was? Was ist denn das? Hör' ich recht oder bin ich jetzt schon verblend't?
Wirt. Segen meinen Kindern, Segen dem edlen Wohltäter!
Rauterl. Bravo! Recht so! Nur zu so!
Runzelmann. Aber, Schwester, der erste Rückfall – und ich nehm' unsere alte Hausmeisterin zum Weib. Das ist mein Schwur bei diesen Trauringen.
Elisabeth. Bruder, foppst mich nicht? O Himmel, laß nur das wahr sein! (Ganz ergriffen.) Bruder! Bruder! Ist das Ernst?
Runzelmann. Ernst, aber Besserung!
Elisabeth. Besserung! Gewiß, die gelob' ich dir.
Babette. Wir zwei sind quitt. Ihre alte Linde, das Porcelaine und der Garten bleiben Ihnen. Werden wir Freundinnen! Schon lange ist dies mein Mann.
Elisabeth. Was? (Höchst freudig.) Nun, ich gratuliere Ihnen von Herzen! Recht haben S' g'habt, daß Sie schon lang' verheiratet sind: man kann gar nicht zu früh dazu schau'n. O, was hab' ich Dummes gemacht! Ich war so grob mit Ihnen, so unartig! Aber verzeihen S', es tut halt so weh! (Mit komisch weinender Stimme, die aber die wahre Rührung nicht verfehlt.) Ach, so lang bin ich bei meinem Bruder im Haus, ich war immer um ihn, hab' immer herumkommandiert und regiert und jetzt käm' eine so junge Frau und tät' meine Einrichtungen über'n Haufen werfen, und wenn ich was drein reden wollt', so müßt' ich vielleicht gar noch schweigen und hätt' nichts mehr zu schaffen und mein Bruder merket nimmer auf mich – das drucket mir's Herz ab. (Weint ohne Übertreibung, tief gerührt.) Schau'n S' und da – und so ist's halt besser! Verzeihen S' mir, geben S' mir ein Busserl, daß S' gut sein.
(Babette weicht zurück.)
Elisabeth (fährt fort). Nein, jetzt zwick' ich und beiß' ich und krall' ich nimmer, und daß wir uns ganz versöhnen – wenn S' eine G'vatterin brauchen (sehr heiter und gutmütig), so gehen S' mir nicht weiter! Mein Gott, ich bin so froh, ich könnt' die ganze Welt umarmen. Gehen S' her, Ihnen hab' ich auch beleidigt, alter Herr, schau'n S' mich nicht mehr trutzig an! O, du lieber Bruder, du verzeih mir gar! (Fällt ihm innig um den Hals.) Sei mir auch gut! (Zu Rauterl.) Doch nein (prallt zurück), nein, Bruder, der Mensch hat mich g'martert, der Mensch, der schreckliche Mensch! Vers' hat er auf mich g'macht! Vers' zum Alterieren! Doch damit Sie sehen, daß es mit meiner Besserung Ernst ist, ich verzeih' Ihnen auch. (Schlägt in seine Hand.)
Rauterl. Bravo! Recht so! Nur zu so! Es leben alle guten Weiber, es lebe selbst jede, die bös ist und sich bessert! Es lebe jede Elisabeth, sei's jetzt eine gute oder eine schlimme! Vivat!
(Indem sich alles in die Arme sinkt, winkt Rauterl; die sechs Musikanten treten ein; es wird ein Tusch gemacht.)
Die Kurtine fällt.