Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
(Die falsche Catalani)
Posse mit Gesang in zwei Akten
Zimmer im Hause des Schulmeisters.
Schulmeister. Mehrere kleine Buben, auch ein paar große Tölpel. Der Schulmeister mit einem Patzenferl; er treibt die Buben grimmig vor sich her.
Schulmeister.
Zum Haus hinaus, zum Haus hinaus!
Ich will mich nicht mehr quälen!
Kann keiner nichts, kann keiner nichts
Von all den dummen Seelen!
Die Kleinen buchstabieren schlecht,
Die Großen wissen gar nichts recht,
Geht, Esels, macht die Stube leer
Und kommt mir keiner wieder her!
Chor
(lachen). Ha, ha, ha, ha ha, ha!
Ihm selber fehlt es da!
(Sie weisen auf den Kopf.)
Vom A-B-C, da weiß er viel
Und schreibt fast wie ein Besenstiel!
Wir ziehen fort, das Geld hat er,
Und kommen keiner wieder her.
(Er drängt sie voll Wut zur Tür hinaus, schlägt noch nach den Großen und geht vor Zorn im Zimmer herum.)
Der Schulmeister.
Schulmeister (allein). Die Exekution wäre vorüber, jetzt erwarten mich noch zwei. Verdammte Buben! Habe mich geärgert, daß ich völlig blau bin. (Er wischt sich den Schweiß vom Gesicht.) Aber ich will alles hinausprügeln, was nicht zur Erhöhung meines Ruhmes beiträgt. Auch meine Tochter, dann ihren Liebhaber, denn das ist ein Mensch, der nichts ist und der, wenn ich ihm mein Kind zum Weibe gebe, mich noch unbedeutender macht, als ich ohnehin schon bin.
Hannchen. Schulmeister.
Schulmeister. Gerade recht, daß du kommst. Ich danke dir, daß du mir sozusagen in den Zorn läufst. Du weißt, ich bin ein weichherziger Mann zur rechten Zeit und kann niemand Böses sagen, außer ich bin gerade in der Wut.
Hannchen. Was gibt's denn, Vater?
Schulmeister. Was es gibt? Eine einfältige Tochter gibt's, die einen hergelaufenen Kerl zum Liebhaber hat, der nichts hat, nichts ist, nichts werden wird und dem sie ihre Hand geben will, wenn auch die grauen Haare ihres Vaters darüber schwarz würden.
Hannchen. Das wäre ja gut, lieber Vater!
Schulmeister. Warum nicht gar! Ich will keine schwarzen Haare, ich will graue; es ist das Einzige, was mich noch im Respekt erhält. Also kurz und gut, deine Mutter wird dir schon gesagt haben, dein Liebhaber, der saubere Lustig, darf nicht mehr ins Haus. Der Fähndrich Rummelpuff hat ein Auge auf dich geworfen. Der Mann ist berühmt, er war vor fünfzig Jahren Kadett bei den reichsstädtischen Soldaten in Nürnberg, nun ist er rasch zum Fähndrich avanciert und bei uns hier in Krähwinkel Stadtkommandant. Er ist die rechte Hand des Bürgermeisters, darf zum Ratsdiener Er sagen und bei jeder Exekution neben dem Delinquenten gehen. Der Mann ist etwas, ist groß, angesehen, erfahren und berühmt, der muß dein Mann werden.
Hannchen. Da sterbe ich lieber!
Schulmeister. Stirb nur zu, aber du wirst es dann schon bereuen! Der Fähndrich Rummelpuff wird dann eine andere heiraten, sie werden in der Kirche bei unserer Familiengruft getraut werden, du wirst da zusehen und dich noch im Grabe zu Tode ärgern.
Lustig tritt rasch ein. Vorige.
Lustig. Guten Tag! Guten Tag allen beisammen! Vivat, mein Glücksstern hat mich schon wieder nicht verlassen! Hab' schon wieder gelacht heute, hab' schon wieder etwas Lustiges aufgestöbert und so geht's denn alle Tage fort; wenn ich auch kein Geld habe, Freunde hab' ich doch, wo ich hinschaue.
Schulmeister. Bis auf mein Haus, da wird's Unglück gleich hereinbrechen.
Lustig. Kann nicht sein, künftiger Herr Schwiegerpapa, kann nicht sein! Ihr Haus steht auch in Krähwinkel, also wird's auch in Ihrem Hause an Spaß nicht fehlen. Möchte man sich zu Tod ärgern über die Leute, die da leben. Der Herr Bürgermeister ist schon wieder aufgeputzt wie ein Esel am Palmsonntag und seine Geliebte ist auf und davon. Das ist eine schöne Geschichte! Aber so geht's, wenn man die Mädels durchaus zum Heiraten zwingen will. – Das gute Kind soll ein Opfer werden! Solche Grausamkeiten sind vorzüglich nur in Krähwinkel zu Hause. Ich stichle nicht, aber es gibt mehrere solche tyrannische Väter; ich will niemand nennen, aber einen, der ganz von Holz ist, könnt' ich bei der Hand nehmen. (Langt nach dem Schulmeister.)
Schulmeister. Unverschämter Mensch, das ist zu viel! Lustig macht er sich auch noch über uns? Merk' Er sich's, unbesonnener Mensch, meine Tochter ist für Ihn verloren, hier steht sie zum letztenmal vor Ihm.
Lustig. Ja, hat endlich meine Stunde geschlagen? Recht so, ich war längst gefaßt darauf. Ich habe mir mein Schwanenlied schon vor vier Wochen gesungen, als der saubere Fähndrich Rummelpuff ins Haus gekommen ist. Seinem Großtun à la Münchhausen konnte der Herr Schulmeister nicht widerstehen. Sein Name, sagte der Bramarbas, stehe in der Geschichte vom Dreißigjährigen Kriege. Das ist zwar wahr, er hat ihn selber hinten hineingeschrieben, aber deshalb ist er doch ein Hasenfuß. Einem solchen rühmlichen Manne muß man nun freilich die Tochter opfern! – Doch diese saubere Spekulation soll nicht gelingen. Ich mache einen Strich durch die Rechnung. Hannchen wird doch die Meinige. Ganz Krähwinkel soll von mir reden.
Hannchen. Ja, behalte deinen Mut, lieber Wenzel, ich bleib' dir treu und heirate keinen andern.
Schulmeister. Gleich in die Kammer!
Lustig. Da bleib, zuckersüßes Hannchen, und höre meinen Schwur. In Rauch soll Krähwinkel aufgehen; der Krähwinkler Turm soll sich zu einer Maultrommel zusammenbiegen; der Bürgermeister samt seinem dicken Bauch soll in einem Luftballon davonfliegen und die Perücke des Schulmeisters soll sich in eine kalte Pastete verwandeln, aber mein sollst du werden.
Schulmeister. Hannchen, gleich in die Kammer! (Macht die Tür auf und will sie hineinschieben.)
Lustig. Verzage nicht, Hannchen! Mein Spiel ist leicht: die Krähwinkler sind dumm, ich bin pfiffig; noch ehe der Hahn kräht, bist du die Meinige. (Hannchen ab.)
Schulmeister. Lustig.
Schulmeister. Nun sind wir allein. Jetzt, Herr, nehm' Er seine ungeschliffenen Drohungen zurück oder ich steige selbst auf den Turm und läute Sturm, daß Ihn der hohe Rat als Rebellen behandeln soll.
Lustig. Nur zu! Ich bin ein gereizter Löwe und hacke meine Klauen eher in mein eigenes Fleisch, als ich mir meine Beute entreißen lasse. (Murrt grimmig.) Ha! Ich könnte diesen Schulwurm zertreten wie einen Regenwurm, wenn er nicht der Vater meines Hannchen wäre. Dahin hat es kommen müssen, darum hab' ich seine Tochter in Gesang, Gitarre und Fortepiano unterrichtet, daß sie die erste Meisterin in dieser Stadt ist und selbst die künftige Bürgermeisterin übermeistert, daß sie mit ihrer Kunst nun die Falten von der Stirn eines elenden Krähwinkler Stadtsoldaten verscheuchen soll? Umgekehrt, Herr Schulmeister, umgekehrt! Das geschieht nicht; eher entführ' ich Hannchen in Nacht und Nebel.
Schulmeister. Dann setzt Ihm der Fähndrich Rummelpuff nach und verfolgt Ihn mit acht Mann, unserer ganzen Besatzung!
Lustig. Hannchen wird also diesen heiraten?
Schulmeister. Ruhm und Glanz muß ich in meinem Hause haben.
Lustig. Ich bekomme sie auch nicht, wenn ich berühmter bin als dieser Don Quixote? Wenn ich im stande bin, die ganze Welt von mir reden zu machen?
Schulmeister. Das wird Ihm nie gelingen.
Lustig. Nicht? Ich zünde Krähwinkel an allen vier Ecken an und rette die Einwohner aus den Flammen.
Schulmeister. Kein Unglück darf geschehen, das bitt' ich mir aus. Hör' Er, ich will Ihm etwas sagen, weil Er gar so rabiat ist. Wenn Ihm also etwas gelingt, was Ihn berühmter als den Fähndrich Rummelpuff macht und wofür der Fähndrich Rummelpuff, der doch ein tüchtig stolzer Mann ist, sich beugen muß, so soll Er Hannchen bekommen.
Lustig. Gut, ich gehe es ein. Zwar habe ich noch keinen Plan, doch die Liebe macht erfinderisch.
Lustig (geht an die Tür).
Ich soll dich nicht mehr sehen, Liebe,
Doch nicht verzagt, du wirst doch mein;
Zum bösen Spiel mach' gute Miene,
Noch heute, Hannchen, bin ich dein!
Hannchen (tritt heraus).
Dir bleib' ich treu, ich weiche nicht,
Und wenn vor Gram mein Auge bricht.
Schulmeister.
Nur fort, nur fort, die Zeit verrinnet,
Verständigt euch mit keinem Wort!
Nur List und das Verdienst gewinnet;
Marsch, hurtig fort, zum Ziele fort!
Dem wird der Sieg, der klüger ist,
Stets siegen Liebe, Mut und List.
Alle drei.
Dem wird der Sieg, der klüger ist;
Stets siegen Liebe, Mut und List.
(Alle ab.)
Kaffeehaus in Krähwinkel. Kaffeesieder. Bärbel.
Kaffeesieder (ruft). Bärbel! Gleich kochst du noch zwei Lot Kaffee ein, allem Anschein nach werden wir heute mehrere Gäste erhalten.
Bärbel. Da werd' ich wohl auch das Billard herrichten müssen? Aber, lieber Mann, wir haben nur einen Queue!
Kaffeesieder. Wir brauchen nicht mehr. Spielt ja nur immer einer, der Queue geht sodann von einer Hand in die andere.
Bärbel. Und zu der großen Partie fehlt der gelbe Ballen.
Kaffeesieder. Den können wir auch ersparen. Man spielt bei mir ohnehin nach der Stunde, da ist wieder ein Vorteil, so dauert die Partie desto länger.
Vorige. Pfiffspitz, sehr eilig, hinkt etwas.
Pfiffspitz (geheimnisvoll). Nu, waren die Fremden schon da? Haben sie schon fallen lassen, was sie wollen? Gibt's sonst keine Neuigkeiten? Verfluchte Geschichte! Es ist schon dreiviertel auf elf Uhr, um zwölf Uhr soll mein morgendes Blatt in die Druckerei und fehlen mir noch anderthalb Seiten Neuigkeiten. – Ist denn nichts vorgefallen, kein Wagen umgeworfen worden, kein Streit entstanden, keine Krida ausgebrochen? – Ich muß mein Blatt ausfüllen; geschwind erzähle mir der Herr etwas, sonst kriegen meine Leser morgen lauter weißes Papier.
Kaffeesieder. Nichts weiß ich, gar nichts.
Lustig. Vorige.
Lustig (rasch herein). Geschwind ein großes Seidel Kaffee! Ich habe heute noch nichts gefrühstückt. – Ach, Herr Zeitungsschreiber, guten Tag! Nu, Sie waren ja gestern recht spaßig, alle meine Bonmots stehen in Ihrem Blatte.
Pfiffspitz. Das ist schon so meine Gewohnheit.
Lustig. Hurtig meinen Kaffee! (Man bringt ihn, er trinkt.) Ach, es wird wohl der letzte sein, den ich in Krähwinkel trinke. Herr Pfiffspitz, ich habe einen Artikel für Ihr Blatt.
Pfiffspitz (drängt sich neugierig hinzu). Ja? – Ich bitte –
Lustig. Ich reise –
Pfiffspitz. Wohin?
Lustig. In die weite Welt; vor der Hand ist mein Plan, Aufsehen zu machen, der Zufall mag das übrige tun.
Vorige. Sperling. Fritz und Franz Walter.
Sperling. Belieben Sie nur da herein-zu-spazieren, meine Herren! Dem mir übergebenen Rekommandationsschreiben von dem Herrn Tabakskramer Hips aus der Residenz werde ich pünktlich nachkommen und Ihnen mit Gefahr meines Lebens alle Merkwürdigkeiten von ganz Krähwinkel bekannt machen. Hier sind wir also zuerst im Kaffeehause und Kasino »Zum hölzernen Löffel«, wo unser gelehrter Klub wöchentlich einmal stattfindet; ich bin, wie Ihnen schon die Adresse Ihres Briefes gezeigt hat, Direktor und Referent desselben.
Franz. Das freut uns um so mehr, da unsere Reise eine wahre Kunstreise ist. Soeben kommen wir von dem Konzert einer Sängerin, die ganz Europa in Erstaunen setzt.
Pfiffspitz. Ich bitte untertänigst, meine Herren, haben Sie etwa die berühmte Catalani gehört?
Fritz. Ja, wir sind ihr – sozusagen – nachgereist.
Franz. Und das lohnte sich wahrhaftig durch den Zauber ihrer Kehle.
Pfiffspitz. Bitte, bitte, ein paar Worte für mein Blatt! Im Ernst, singt sie so, daß die Kranken gesund werden, die Narren ihren Verstand wieder erhalten und die Tauben ihr Gehör – wenn sie sie hören?
Fritz (ironisch). O ja, auch erhalten die Blinden ihr Gesicht wieder, wenn sie sie sehen.
Sperling. Gerechter Apollo, die wird wohl nie nach Krähwinkel kommen. Unsere Stadt wird ihr wohl nach allem, was man von ihr liest, zu unbedeutend sein. Acht Groschen gäbe ich gern für den ersten Platz.
Pfiffspitz. Man könnte ja eine Einladung in der Zeitung veranlassen, der wird sie doch wohl nicht widerstehen.
Lustig (für sich). Was fährt mir da durch den Kopf!
Sperling. Ach, gelehrte Herren, beschreiben Sie uns doch diese Künstlerin!
Lustig (den plötzlich eine Idee fixiert). Ich habe sie auch gehört, ich werde sie gelegentlich beschreiben. (Ablenkend.) Meine Herren, die Fremden sind hier, unsere Merkwürdigkeiten zu sehen, wir sollen sie unterhalten, nicht sie uns. Drum führen Sie solche auf den Rathausrauchfang, wo unsere Sternwarte, zum Galgen, wo auch der Telegraph angebracht ist, und ins Tierspital zu unserm Doktor. (Zu Fritz und Franz.) Erlauben Sie doch, daß ich Sie hernach noch sprechen könne.
Franz. Gut.
Fritz. Wir wollen nun die Merkwürdigkeiten hier besehen. Herr Redakteur, es freut uns ungemein –
Franz. Herr von Sperling, belieben Sie doch voraus –
Sperling (stolz). Sperling Edler von Spatz hör' ich lieber.
Fritz. Den Fremden gebührt die Ehre. (Sie gehen voraus.)
Pfiffspitz (im Abgehen zu Lustig). Diese Woche kommt noch eine Beilage zu meiner Zeitung, und wenn's gut geht, ein Extrablatt heraus. Das ist eine prächtige Erscheinung; neues Leben in Krähwinkel! (Alle ab bis auf Lustig.)
Lustig allein.
Lustig. Mein Plan ist da! Ich hab's, ich hab's! Wie glücklich bin ich! Die Catalani hab' ich ja gehört; die will ich vorstellen, will mich als Frauenzimmer verkleiden, will durch ihren Namen glücklich sein, dies wird sie mir doch nicht übel nehmen. O, wie glücklich bin ich, daß ich singen kann! Alle meine Lieder sollen jetzt herhalten. Jetzt stimm' ich eine Musterkarte an, und was am besten ausfällt, bei dem bleib' ich. Ach, nur Geduld, ich will mein Konzert gleich arrangieren.
Jetzt will ich gleich so manches singen
Und das Konzert in Ordnung bringen,
Dann bin ich geborgen,
Frei von allen Sorgen.
Gleich am Anfang beginnet vor allen
Ganz
piano und ohne zu prahlen
Das beliebte
Andante von Haydn.
(Spricht nach dem Paukenschlag.)
Bei diesem Schlage wird man glauben, der dicke Bürgermeister von Krähwinkel ist aufgesprungen. (Singt.)
Und nach dem
Andante mit dem Paukenschlag
geigt einer das Solo aus den »Schwestern von Prag«.
(Spricht.)
Das Violinsolo muß der Schulmeister spielen, damit seine aufgeschwollenen Finger wieder ein wenig in die Übung kommen.
(Singt.)
Auch die Hannerl muß singen, ach, die Hannerl singt schön,
Das Duett aus der »Zauberflöt'« wird trefflich gehn;
Bei Männern, welche Liebe fühlen,
Fehlt auch ein gutes Herz wohl nicht.
(Spricht.)
Das Duett muß der Lebzelter mit meiner Hannerl singen, weil von guten Herzen die Rede ist, denn die Lebzelter machen gute Herzen.
(Singt.)
Und hat geendet das Duett,
Folgt gleich ein kleines Quodlibet,
Das hab' ich mir selbst ausgedacht,
Ich bitt' recht gar schön, geben S' acht.
Wann ich in der Fruh aufsteh', oje, oje!
Und zu meiner Schwag'rin geh', oje, oje!
Da geh' ich mit meiner Laterne
Und meine Laterne mit mir.
Wo willst du, kühner Fremdling, hin,
Was suchst du hier im Heiligtume?
Die Tant', die dalkete,
Die Tant', die Lene,
Hat meine Schöne
Versperrt,
o per se! –
Mir leuchtet die Hoffnung, sie täuschet mich nicht,
Ich werde sie wecken zum strahlenden Licht.
O hätt' ich nur tausend Dukaten,
Ich wüßt' schon, was ich tät';
Ich bin liederlich und du bist liederlich,
Sind wir alle zwei Lumpen.
Was ich beim Tag mit der Lei'r verdien',
Geht bei der Nacht in Wien dahin, lalalala –
Da heißt's, Musikanten, kommt's, spielt's mir eins auf,
Da tanzen und toben wir landlerisch drauf.
Z'nachst bin ich in der Stadt g'west,
Und das ist ja ein sakrisches Nest,
Da lachen s' ohne End,
Keiner ein Ziel mehr kennt,
Dudeln und trinken dazu,
Bei Tag und bei Nacht ist kein' Ruh.
Ah, das ist da, wo d' Jungfern und Herrn allweil stehn.
Mir scheint, ich hab' was wispeln g'hört,
Ich muß rekognoszieren.
Madeln, geht's eina,
's kommt der Zigeuna,
Alte, mach's Türl zue,
's kommt der Zigeunabue.
Brumm, brumm, brumm nur zu, brumm nur zu,
Stumm, stumm, stumm werd' ich ewig sein,
Schrei, schrei, schrei du nur immer fort,
Ich sag' dazu kein Wort, da di du – – –
Dann komm' ich als Catalani,
Schön geputzt mit Anstand, wie sich's gebührt,
Ja, ich wag' es für die Hanni,
Weil nur List und Mut zum Ziele führt.
Doch hör' ich viele fragen,
Ich möchte ihnen sagen,
Was denn ich als Catalani singe:
Ja, sollt' es mir gelingen,
So werde ich dann singen, ja singen,
Doch, was ich singe, was ich singe,
Nein, nein, nein, das sag' ich jetzt noch nicht!
Fritz. Franz.
Fritz. Spaß haben wir genug!
Franz. Aber auch Trauer! Herzensbruder, noch hab' ich keine Spur von meiner Albertine.
Fritz. Ich sag', wir kommen zu spät; Albertine ist schon Frau Bürgermeisterin geworden.
Franz. Dann spreng' ich das Rathaus in die Luft und begrabe mich unter seinen Ruinen.
Fritz. Hier ist Lustig, er scheint ein Anliegen an uns zu haben – ich glaube, er wird unser Vertrauen nicht mißbrauchen. Weißt du was? Den wollen wir ausholen.
Franz. Nur behutsam!
Lustig. Vorige.
Lustig. Hier bin ich! Dankbar nehme ich Ihre Einladung an. Ich weiß nicht, Sie haben so viel Zutrauliches in Ihren Gesichtern, daß ich Ihnen mein ganzes Lebensglück in die Hände geben und doch dabei gut fahren wollte.
Fritz. Und mir werden Sie täglich bekannter. Sagen Sie mir, waren Sie nie in Frankfurt?
Lustig. O ja, doch da war ich übel dran; ich war krank und mußte mich ins Theater tragen lassen, um meine Schwester, Madame Gutsmuth, debütieren zu sehen.
Fritz. Madame Gutsmuth ist Ihre Schwester?
Lustig. Schon solange sie auf der Welt ist. Sie ist da in Krähwinkel bei mir. Ich wollte hier heiraten und ein Theater etablieren – aber es geht nicht, der eigensinnige Bürgermeister gibt mir keine Erlaubnis, weil er an meinem Talent zweifelt.
Fritz. Ihre Schwester hier? So wäre ich denn nicht umsonst in dieses verwünschte Nest gereist! (Besinnt sich.) Bitt' um Verzeihung, es war so übel nicht gemeint.
Lustig. Genieren Sie sich nicht, ich hasse diesen Narrenort selbst. Ein Weib will ich mir verdienen – helfen Sie mir nur, es soll tausend Spaß geben.
Fritz. Beim Spaß bin ich dabei, lassen Sie mich nur mit Ihrer Schwester zusammenkommen.
Franz. Und mich mit meiner Albertine. (Schlägt sich auf den Mund.) Doch ja, mögen Sie es wissen, ich bin hier, Albertine, des Bürgermeisters Braut, zu entführen, wenn sie nicht etwa schon seine Gattin ist.
Lustig. Nein, das ist sie nicht. Heißa! Da leiden wir ja beide an einer Krankheit. Ich will Ihnen helfen, helfen Sie mir. Neuerdings ist mein Plan jetzt prächtig. (Geheimnisvoll.) Ich will hier die Catalani vorstellen, das schafft uns Entree in des Bürgermeisters Haus, das weitere erfahren Sie schon noch ausführlicher.
Fritz. Die Catalani wollen Sie vorstellen? Was heißt das? Ich begreife Sie nicht; doch gibt es Jux, so haben Sie mich mit ganzer Seele.
Vorige. Käthchen Gutsmuth. Albertine. Bärbel voraus.
Bärbel. Hier ist Herr Lustig, belieben Sie sich nicht zu genieren, es sind lauter wackere Herren beisammen.
Käthchen (tritt zurück). Was sehe ich? –
Albertine (erblickt Franz). Gott, mein Franz!
Lustig (zu der Kaffeesiederin). Sie, schaun S' ein bissel nach, ob's Obers nicht anbrennt; ich glaube, die Schokolade ist übergegangen, ich rieche etwas.
Bärbel. Ich gehe schon; gar nichts kann man erschnappen, aber ich werde schon horchen. (Ab.)
Vorige ohne Bärbel. (Franz und Fritz stürzen links und rechts vor ihren Schönen nieder. Die Damen nehmen eine warnende Bewegung an. Lustig ist an der Tür und sieht nach.)
Lustig. Wir sind schon sicher, entschleiern Sie sich nun, meine Damen!
(Albertine und Käthchen schlagen den Schleier zurück.)
Franz. Habe ich dich wieder?
Fritz (zu Käthchen). Erlauben Sie, daß ich Sie kniend um Verzeihung bitte, daß ich in Frankfurt nicht Abschied genommen habe.
Lustig (springt zu den Damen hin und kniet ebenfalls nieder.) Ei, wo zwei knien, darf der Dritte auch nicht fehlen.
Käthchen. Meine Herren, stehen Sie auf, solche Szenen sind nicht gut an einem Orte, wo die Mauern Ohren haben.
(Franz, Fritz und Lustig stehen auf.)
Franz. Ach, so wären wir doch wieder beisammen!
Käthchen. Um uns gleich wieder zu trennen. Ich habe nur meinen Bruder aufgesucht; auf das Glück, diese Herren zu treffen, war ich nicht gefaßt. Also das ist Ihr Geliebter?
Fritz. Mein Bruder –
Käthchen. Desto besser! Von dem Sie leider aber wieder scheiden müssen. (Zu Lustig.) Fräulein Albertine hat sich zu mir geflüchtet; sie kann den Bürgermeister nicht heiraten, ich habe sie auch bei mir verborgen; doch wird jetzt schon ganz Krähwinkel wegen ihr durchsucht. Ich rate also, um das Aufsehen in der Stadt zu vermeiden, sie ginge wieder zurück.
Albertine. Ach, ich gehe nicht mehr zurück. Bei dir will ich bleiben, Franz; ich bin geflohen, wie du wünschtest, und lasse mich nicht zu dieser Heirat zwingen.
Lustig. Ja, meine Schwester hat recht; zurück werden Sie doch wieder gehen müssen. Die Rettung ist näher, als Sie glauben. Wir haben schon etwas – folgen Sie, wir sind da, um Sie zu befreien. Nur ein Wort: die Catalani wird ankommen, die soll helfen, ich habe Göttergedanken im Kopfe. (Bei dieser Rede sieht man die Kaffeesiederin den Kopf zur Tür hereinstecken.)
Bärbel (halb leise). Die Catalani?
Lustig (bemerkt es und dreht Albertine mit dem Rücken gegen die Türe). Ja, die Catalani wird ankommen, wird hier singen und uns helfen.
(Bärbel fährt zurück.)
Käthchen. Hast du schon wieder eine Spitzbüberei?
Lustig. Hier ist's nicht heimlich, darum die Schleier herunter, wir gehen fort. Genug, ich habe einen Plan, der uns allen gute Dienste leisten soll.
Franz. Ja, ja, fort! Mir scheint es selbst hier nicht geheuer. O, meine Albertine! Ich vertraue auf den Himmel und deine Liebe! (Führt sie ab.)
Fritz. Schönes Weib! Diesmal wollen wir uns nicht mehr trennen!
Käthchen. Ja, wenn Sie kein Sausewind wären! (Sie gehen ab.)
Fritz (legt im Abgehen einen Beutel mit Geld auf den Tisch, zu Lustig). Bestreiten Sie das Frühstück und alles, was Sie zu Ihrem Plane notwendig haben! (Ab.)
Lustig. Ei, das ist prächtig! Lauter Gold, das kommt mir gerade recht. (Ruft zur Tür hinaus.) Herr und Frau Kaffeesieder oder Surrogatpritschler, wie ich besser sagen soll, kommen Sie herein!
Kaffeesieder und Frau. Lustig.
Lustig. Ihrem Hause ist ein Glück widerfahren. Soeben ist die Begleiterin der berühmten Catalani angekommen, um für die große Künstlerin selbst Quartier zu machen. Denken Sie, eine von den verschleierten Damen ist es, sie ist im »Goldenen Bock« einlogiert. Geschwind zum Herrn Zeitungsschreiber, daß er es bekannt macht! Hier hat sie dieses Geld zurückgelassen, um ihrer Gebieterin einen guten Empfang vorzubereiten.
Kaffeesieder. O Glück für mein Kaffeehaus! Ich laufe, dieses aller Welt zu berichten.
Bärbel. Die Catalani kommt? Ganz recht, ja, ich habe selbst von ihr reden gehört. Das erzähl' ich jetzt gleich auf dem Markte.
Lustig. Bravissimo! Ich weiß's ja ohnehin, Frau Kaffeesiederin, im Tritschen und Tratschen sind Sie einzig! Fort, fort! Sie wird noch dankbarer sein, wenn Sie beide mit ihrem Namen die ganze Stadt in fünf Minuten in Aufruhr bringen.
Bärbel (fährt zur linken Tür hinaus). Soll geschehen! Ich will wie ein Narr herumlaufen und schreien, daß sie angekommen ist! (Ab.)
Kaffeesieder. In die Zeitung mit der Nachricht und dann zum Bürgermeister! Die Catalani singt ihre himmlischen Lieder! (Ab.)
Lustig (bleibt ein wenig stehen und lacht). Es geht prächtig! (Will ab.)
Rummelpuff. Lustig.
Rummelpuff (eilig zur andern Tür herein). Halt, Herr, halt! Stille stehen, kommandier' ich! Rechts g'schaut, Order pariert! Nicht mucksen oder ich gebe Feuer!
Lustig. Was soll's sein, Herr Stadtkommandant?
Rummelpuff. Was es sein soll? Der Feind ist im Anzuge und ich bin hier, meine defensive Lage in eine offensive zu changieren, den Gegner in seinen Verschanzungen aufzusuchen, mit gefälltem Bajonett über ihn herzufallen, auf Blut und Leben zu attackieren und den Kerl aufs Haupt zu schlagen.
Lustig. Ich verstehe kein Wort.
Rummelpuff. Weil Er keine Taktik im Leibe hat!
Lustig. Das kann sein. Von der Taktik weiß ich nichts, aber ticktack schlagt mein Herz.
Rummelpuff. Er hat ein Hasenherz! Ich komme, Ihn nun selbst zu vernehmen. Wie ich beim Befehlshaber der Schulknaben, zu deutsch Schulmeister, erfahren habe, hat Er mir den Krieg erklärt. Er will mir meine Eh'standsfestung rauben, mir das Winterquartier meines Alters streitig machen, kurz, mir meine Braut entreißen.
Lustig. Ist's um diese Zeit? Ei, nun verstehe ich Sie, Herr Stadtkommandant. Ja, das will und werd' ich! Ja, ja, auf diese Art führe ich Krieg mit Ihnen. Meine Pläne sind schon gemacht: Sie werden von drei Seiten angegriffen, und wenn Sie nicht gutwillig Friede schließen, so lasse ich die Besatzung über die Klinge springen.
Rummelpuff (fährt an den Degen). Ha! Das hat mir noch keiner gesagt, am wenigsten ein solcher Krippenreiter. – Blut!
Lustig. Lassen Sie ihn stecken, es friert ihn ohnehin an Ihrer Seite. Und Blut, Blut? Es tut Ihnen nicht gut.
Rummelpuff. Ich lasse augenblicklich zum Alarm blasen.
Lustig. Es möchte Ihnen der Atem ausgehen.
Rummelpuff. Tausend noch einmal! Das ist mir bei Roßbach nicht passiert. Weiß Er, Herr, wie es dort heiß war, und ich bin gestanden, die Kugeln pfiffen links und rechts und ich bin gestanden, die Kameraden fielen vor und hinter mir und ich bin gestanden; alles war tot, ich bin gestanden; der Friede wurde unterzeichnet und ich bin gestanden!!!
Lustig. Nun, so nehmen Sie jetzt Platz, Sie werden müd' sein. – Kurioser Mensch! Ist er dreißig Jahre in einemfort gestanden!
Rummelpuff. Nehme Er seine Erklärung zurück und ich will Ihn frei ziehen lassen. Bei allen Ladstöcken und Patrontaschen der Nürnberger Truppen warne ich Ihn, nehm' Er seine Erklärung zurück oder ich spieße Ihn an meinen Degen wie eine Leipziger Lerche.
Lustig. Sie werden wenig mehr spießen. Ja, schauen Sie mich immer grimmig an; aber Hannchen muß mein werden. Hat Ihnen ihr Vater alles erklärt?
Rummelpuff. Alles! Ich selbst werde mich vor Ihm beugen müssen? Ich selbst werde Ihn noch bewundern? Aber das geschieht nicht, eher kehrt eine Kugel in ihren Lauf zurück und die Regentropfen fallen aufwärts start abwärts, eh' ich Ihn salutiere.
Lustig (beherzt). Wissen Sie was, Sie großer Held, wir setzen eine Bedingung fest. Wenn ich vor Ihnen knie, so heiraten Sie Hannchen –
Rummelpuff. Das geschieht auf jeden Fall, potz Kosaken und Baschkiren!
Lustig. Wenn Sie aber vor mir knien, wird Hannchen mein.
Rummelpuff. Zieh' Er jetzt aus mit Hasenschritten, sonst hau' ich Ihm den Kopf ab und setz' Ihm einen andern auf.
Lustig. Nur den Ihrigen nicht.
Rummelpuff. Haha! Der Kerl will sich mit mir messen, eine Maus mit einem Löwen!
Lustig. Ja, mit einem Müllerlöwen!
Rummelpuff. Basta! Das kleine Scharmützel soll beginnen! (Lacht.) Was tut ein Held nicht in Friedenszeiten, um sich die Zeit zu vertreiben? Nero hat Komödie gespielt und Herkules saß am Spinnrocken. Es gilt, kleiner David, Goliath wird aber seine Knie nicht beugen, nicht einmal mein Haarzopf wird sich vor ihm beugen!
Lustig. Um den Haarzopf parier' ich. Ich setze meine Nasenspitze dagegen.
Rummelpuff. Es gilt! Haha! Alexander hat ja auch gelacht und sogar Cäsar soll zuweilen geschmunzelt haben. (Taumelt mit dem Degen nach ihm.) Pfutsch, werd' ich die Nase wegstibitzen!
Lustig. Ja, ja, aber pfutsch wird diese alte Hausader (auf den Zopf weisend) in meinen Händen sein. Hernach geht der Cäsar à la Titus. Nun, das tut nichts, Titus ist ja auch ein Kaiser gewesen.
Rummelpuff. Ha, ha, ha! Nun adieu, Herr Kalmuck! (Ab.)
Lustig. Leben Sie wohl, Monsieur Hannak! (Geht ihm nach.)
Zimmer im Hause des Bürgermeisters. Bürgermeister, hinter ihm Klaus.
Bürgermeister. Das hat Ihm der Teufel geraten, in allen Häusern der Stadt Nachsuchungen zu veranstalten, ob man meine Braut nicht verborgen hat. Ein solches Malheur soll geheim gehalten werden. Es ist unverzeihlich! Ist der Mensch vom Rathaus und schont meine Ehre so wenig! Welcher Esel hat Ihn zum Amtsdiener gemacht?
Klaus. Eure Herrlichkeit waren es selbst, wissen Sie's denn nicht mehr? Es war am 23. September 1792, wie die große Viehseuche war und mein Vorfahrer so plötzlich gestorben ist.
Bürgermeister. Ist wahr? Nun, ich danke Ihm für die Erinnerung, ich war damals selbst sehr krank. (Nimmt eine Prise Tabak.) Ich bin doch manchmal recht zerstreut. – Apropos – was haben denn die Leute zu meinem Malheur gesagt? Teufel! Es ist mir nie geschehen, daß mir eine Braut davongegangen wäre. Hat man mich bedauert?
Klaus. Sie nicht, aber die Braut. »So ein junges Geschöpf,« haben die Leut' gesagt, »sie hat recht, daß sie sich flüchtet.«
Bürgermeister. So? Gewiß der Syndikus?
Klaus. Nein, der Kellersitzer im Ratskeller.
Bürgermeister. Man muß ihn absetzen.
Klaus. Ei, er sitzt so schon tief genug.
Bürgermeister. Wer hat denn noch freche Reden geführt?
Klaus. Der Laternanzünder.
Bürgermeister. So? Der? Genug, der Kerl ist mir schon seines Metiers wegen verhaßt. Als Laternanzünder sucht er bei Nachtzeit zur Aufklärung beizutragen. Man könnte ihn ganz schicklich einen Illuminaten nennen. Ich brauche aber nun nichts Klares, aber noch weniger etwas Helles in Krähwinkel. Holt ihn gleich ab, schließt ihn krumm!
Klaus. Er ist ohnehin schon krumm, wissen denn Euer Herrlichkeit nicht, er geht ja so! (Spottet ihn aus.)
Bürgermeister. Nun, so schließt ihn grad' und setzt ihn augenblicklich zu Wasser und Brot!
Klaus. Ja, gestrenger Herr, das ist sein Plan, er hat so nichts zu essen. (Man pocht heftig.)
Bürgermeister. Wer schlägt denn so an die Tür? Kommt meine Braut vielleicht wieder?
Klaus (öffnet). Nein, es ist der Zeitungsschreiber Pfiffspitz.
Vorige. Pfiffspitz.
Pfiffspitz. Euer Herrlichkeit verzeihen, daß ich so zur Tür hereinrase wie der glühende Samiel in der Wüste, allein ich brauche geschwind hohe obrigkeitliche Bewilligung auf eine Ankündigung. Soeben hat die berühmte Catalani zu mir geschickt und mit einem Douceur von zwei Dukaten die Nachricht gesandt, daß sie heute noch in Krähwinkel eintreffen und allda Konzert geben werde. Sie kommt soeben von der Residenz und hat, wie ich höre, einen Empfehlungsbrief vom General der Musikanten, von Seiner Exzellenz dem Herrn Kapellmeister Stimmhammer.
Bürgermeister. Von Seiner Exzellenz?
Pfiffspitz. So kam die Nachricht zu mir: der Kaffeesieder war der erste, dann kam ein Bedienter, endlich gar ein kleiner Knabe, sah aus wie ein fürstlicher Page, mit einem zierlichen Handbillet von der hohen Künstlerin.
Bürgermeister. Geschwind hinein in die Zeitung! Die Catalani kommt gewiß, weil sie von meiner Vermählung gehört hat – verdammte Geschichte! – Und ich habe keine Braut.
Pfiffspitz. Das Fräulein Braut habe ich auch soeben gesehen, sie folgt mir auf dem Fuße.
Bürgermeister. Was? Meine Braut ist wieder da? Hinein mit ihr ditto in die Zeitung. Ich bin ein berühmter Mann, ich lasse gern von mir öffentlich reden.
Klaus (zum Fenster hinaus). Da kommt schon die künftige Frau Bürgermeisterin, Herr Sperling mit ihr. Gott sei Dank, so kriegen wir doch endlich unsere Frau.
Albertine. Sperling. Vorige.
Bürgermeister. Meine Albertine, was hast du getan?
Albertine. Herr Bürgermeister, was haben Sie mir getan? Ich gehe bloß nach der Kirche, um mich für die auf heute Abend bestimmte Vermählung vorzubereiten, als mich eine Jugendfreundin, die soeben durchreist, grüßt und mir in ihrem Wagen die Offerte macht, eine kleine Strecke mit ihr zu fahren, um Madame Catalani auf ihrer Reise in einem Dorfwirtshause zu sehen. Ich, das Wohl und den Glanz der Stadt im Auge, säume nicht, sie zu besuchen, erzähle ihr von unserem Hochzeitstage und sie, die nach Paris will, kommt nun hieher, die erhabene Hochzeit durch ihren Gesang zu verherrlichen. Doch der Herr Bürgermeister, statt voll Vertrauen auf mich zu warten und mir für diese Überraschung wenigstens zu Füßen zu fallen, lassen mich als Ihre eigene hohe Braut für flüchtig erklären. Zur Strafe soll Madame Catalani nun nicht kommen und aus der Verlobung wird jetzt nichts, und wenn mein Herz drüber verbluten sollte!
Bürgermeister. Kind, warum nicht gar! Warum die Hochzeit vernichten? Bedenk' meine Unkosten, es ist schon ein schöpserner Schlegel, mit Knofel gespickt, ein Pomeranzensalat und böhmische Kolatschen mit Powidl im Hause.
Sperling. Auch sind schon meine Gedichte gedruckt.
Pfiffspitz. In der Zeitung steht es auch schon.
Klaus. Mein Galarock ist schon beim Fleckausbringer.
Albertine. Ich kann mir nichts vergeben.
Bürgermeister. Was mach' ich mit dem großen Schwein, das ich und Herr Sperling bis auf den heutigen Tag mästeten? Sollen wir es noch länger füttern?
Sperling. Das können Sie tun mit Ihrer Hälfte, mich aber kommt's zu hoch, ich steche meinen Teil ab.
Pfiffspitz. Ich müßte ein ganzes Blatt auf morgen umdrucken lassen; ich hab' schon die Hochzeit im voraus beschrieben, damit ich desto länger beim Schmaus bleiben kann.
Albertine. Gut, in Erwägung dieser wichtigen Dinge, Herr Sperling, eilen Sie auf die Post und holen Sie Madame Catalani, sie wartet nur auf meine Nachricht; aber merken Sie sich's, künftiger Herr Ehegemahl, keine solchen Dinge mehr!
Bürgermeister. Ach, der verfluchte Klaus ist an allem schuld.
Sperling. Ich fliege nun und führe die Gefeierte herein. (Begeistert.)
Flieg, Sperling, hin zur Schönsten aller Schönen,
Hol' sie herbei, die Sphärensängerin,
Die Priesterin und Herrin der Kamönen,
Der Erde Zier, der Lieder Königin.
Ein Ton von ihr, und alle Herzen weinen!
A revoir, bald wird sie hier erscheinen.
(Eilt ab.)
Vorige ohne Sperling.
Bürgermeister. Gott sei Dank! Das wäre in Ordnung! (Wischt sich den Schweiß ab.) Kind, du kannst mir warm machen.
Albertine (für sich). Soll schon noch ärger kommen!
Bürgermeister. Doch ich sehe es selbst ein, der Affront war zu groß! – Klaus!
Klaus. Euer Herrlichkeit!
Bürgermeister. Wenn die Hochzeit vorbei ist, kommt Er auf sechs Wochen in Arrest. Er muß für seine Dummheit strenge gezüchtigt werden; ich sollte Ihn gleich einsperren lassen, allein ich brauche Ihn heute noch zum Vivatschreien; also Gnade indessen! Nun aber zu etwas Wichtigerm! Wegen unserer Hochzeit ist alles in Ordnung, aber wegen Madame Catalani muß eine Session sowohl von allen Autoritäten der Stadt als auch von allen Verwandten des Hauses angeordnet werden. Klaus, geschwind die Honoratioren und meine ganze Freundschaft hieher zitieren! Sag' aber allen, die Zusammenkunft sei nicht im Rathause, sondern auf der Schießstatt im Freien. Im Saale hätten wir alle nicht Platz, und damit keine Not an Stühlen ist, muß jedermann, er sei, wer er sei, seinen Sessel selbst mitbringen; auch darf kein Stummer erscheinen, wir brauchen Rat und Meinung. Geh und sag': Personen ohne Sitz und Stimme ist der Eintritt verweigert.
Klaus. Ich komme mit der Feuerleiter, damit ich alles übersehen kann. (Läuft ab.)
Bürgermeister. Sie, Herr Zeitungsschreiber, eilen gleich in die Druckerei! Auf meine Kosten kommt eine Beilage mit roten Lettern, welche die schönen Feierlichkeiten, so Krähwinkel zu erwarten hat, schon voraus beschreibt.
Pfiffspitz. Sobald ich meine Kommissionen verrichtet habe, komm' ich wieder. Dasmal will ich in meiner Zeitung lügen, daß alles blau werden soll. (Ab.)
Bürgermeister. Du ziehest das Galakleid von meiner ersten Frau an; das ist in Krähwinkel respektiert, ich habe es oft zur Nikolauszeit zum Kinderschrecken hergeliehen. Auch bekommst du einen echten Chignon mit falschen Steinen und zehn Schnüre schöne Kropfperlen ditto von meiner ersten Frau, wo noch der ganze Kropf darin zu sehen ist. (Ab mit Albertine.)
Die Schießstatt. Klaus. Der Schulmeister. Hannchen. Ein Träger mit drei Stühlen.
Klaus. Nur herein da, Herr Schulmeister! Es ist schön, wenn Sie den Anfang machen.
(Der Träger hat die Stühle in Ordnung gesetzt und geht ab.)
Klaus (keck zu Hannchen). Nu, Mamsell Hannchen, heute wird Sie sich wohl ausgesungen haben. Die Catalani kommt und nu, wenn diese singt, so darf ein anderes Menschenkind den Mund nicht mehr aufmachen. Die Nachtigallen verstummen und sind froh, wenn man sie für Spatzen ansieht.
Schulmeister. Ich bin doch recht neugierig. Man hat mir gesagt, die Alten werden wieder jung, wenn sie singt.
Klaus. Man sagt Verschiedenes, ich kann mich nicht darüber herauslassen, ich bin vom Amte und muß also dasjenige verschweigen, was ich nicht weiß. (Stolz.) Soviel ist gewiß, unser Nachtwachter will keine Note mehr singen, seitdem er gehört hat, daß sie hier eintrifft. (Ab.)
Vorige ohne Klaus.
Schulmeister. Jetzt zeigst du den Brief her, den du soeben im Hergehen von einem kleinen Buben bekommen hast.
Hannchen (für sich). Gott, ich bin verloren! (Laut.) Ach, schonen Sie mich doch, ich habe den Brief selbst noch nicht gelesen.
Schulmeister (öffnet ihn). Von Lustig? Ha, von dem sauberen Patron! Viktoria, Viktoria! Sein ganzer Plan steht da – nu warte, wir wollen ihn dir vereiteln. (Liest laut.) »Liebes Hannchen! Leider hab' ich dich nicht mehr sehen können, doch sei getrost, die Rettungsstunde ist da. Ich kann dir in Eile von meinem Plane nichts mehr mitteilen, als daß ich in einer Verkleidung erscheinen werde. – Diese List kann nicht fehlschlagen, sie ist zu gut vorbereitet; verzage nicht; heute noch sollst du die Meinige sein. Dein bis in den Tod unveränderlicher Lustig.« (Spricht.) O, du sollst schon noch traurig werden!
Hannchen (für sich). Wie rette ich mich? (Laut.) Glauben Sie diesem Schreiben nicht, ganz sicher hat es der hartherzige Rummelpuff fingiert, um mich recht unglücklich zu machen.
Schulmeister. In einer Verkleidung kommt er? Bravo, da hab' ich ihn schon – wahrscheinlich als Kriegsheld, um unsern Stadtkommandanten zu schrecken. Doch ich sehe gut, ich sehe scharf, ich sehe durch ein Brett, wenn ein Fenster drin ist.
(Die sämtlichen Honoratioren und Verwandten des Bürgermeisters. Klaus führt sie an. Jeder hat einen Stuhl in der Hand.)
Klaus.
Herein, Ihr Herrn und Damen,
Bald sind alle Leute beisammen,
Bald kommt der Augenblick an;
Bald hört man hier herrliche Lieder,
Indessen setzt jedes sich nieder
Und wartet, solang es kann.
Chor.
Serviteur! Serviteur! Serviteur! Servant!
Ha, schön ist der Zirkel, charmant und galant.
Willkommen, willkommen! Welch Festtag ist heut!
Und alles in Gala, welch herrliche Zeit!
Klaus. Sind die Trompeter und Pauker da, damit gleich ein Intrada geblasen wird, wenn der Herr Bürgermeister eintritt?
Ein Kerl mit einer Trompete. Ja, aber der Pauker ist in einer großen Verlegenheit, sein Eselsfell ist von letzthin noch zerrissen und nirgends konnt' er ein anderes bekommen.
Klaus. Das ist doch verdammt, es ist doch sonst an Eselsfellen in Krähwinkel keine Not. (Es fährt ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf.) Wart' Er! (Geht an die Kulisse und schiebt einen Schubladkasten heraus.) Da ist ein alter Kasten! (Setzt sich darauf.) Wenn man da mit beiden Füßen pumpert, so ist's wie eine Pauke. (Probiert es.) Schau, es klingt noch viel schauerlicher, man glaubt, ein Schubkarren fahrt vorbei. Also richt' euch! Herr Bader, Sie werden ersucht, die Pauken mit den Füßen zu schlagen, Sie sind musikalisch, stimmen Sie die Schublade durch einiges Herausziehen. (Holt seine Leiter.) Ich werde das Zeichen geben. (Steigt hinauf und schaut über die Mauer.) Richtig, der Herr Bürgermeister kommt schon. Trompeten und Schublad'! Vivat!
Alle. Vivat! Vivat! (Der Trompeter bläst, der Bader trommelt auf den Kasten mit den Füßen.)
Klaus. Noch einmal Trompeten und Schublad'!
Alle. Vivat! Vivat!
Klaus. Und zum drittenmal Trompeten und Schublad'!
Bürgermeister. Albertine. Pfiffspitz. Vorige.
Bürgermeister. Ich danke, meine Lieben und Getreuen, für so viele zweideutige Beweise von parteiischer Anhänglichkeit und niederträchtiger Ergebenheit. Ich werde diese einfältige Zuneigung stets zu vergessen streben und unaufhörlich bedacht sein, Sie öfters zu malträtieren. Vor der Hand nehmen Sie die verschiedenen Tränen meiner Rührung und meines unveräußerlichen Schmerzes. Gott sei Dank, daß ich ein solcher Redner bin, Ihnen das Übrige, was ich empfinde, zu verschweigen.
Klaus (auf der Leiter). Vivat!
Bürgermeister (sieht hinauf). Wart' Er noch ein wenig! (Fährt fort.) Solang' Krähwinkel stehen wird, werd' ich Sie lieben, wenn mir Gott das Leben gibt, und an jeden einzelnen freudig denken, wenn ich Zeit hab'.
Klaus. Vivat! Trompeten und Schublad'!
Alle. Vivat!
Bürgermeister. Nun zu etwas Außerordentlichem! Die große Kunde wird schon in Ihre großen Ohren gedrungen sein? Der König hat von meiner Vermählung erfahren und mir seine eigene erste Sängerin zur Feier meiner Hochzeit gesendet; vielleicht kommen auch noch Tänzer. Im Wirtshaus »Zur silbernen Wuckel« soll schon ein Mann auf einem Fuß herumgehüpft sein. Wir haben nun zu beratschlagen, wie die Fremden zu bewillkommnen, zu unterbringen, zu verkösten sind und ob Madame Catalani als fremde Dame bei mir, als Künstlerin beim Schulmeister oder als kränkliche Reisende beim Bader soll einquartiert werden. Ich bitte, sich allerseits zu setzen und sodann Ihre Meinung zu sagen. (Alle setzen sich.)
Bürgermeister. Herr Bruder, Vice-Waisenamtsvorsteher und ältester Ratsherr, Ihnen gebührt das erste Wort, lassen Sie es fallen!
Vize-Waisenamtsvorsteher (räuspert sich). Wenn man bedenkt, daß die Künstlerin in ganz Europa viele Ehren genossen hat, so muß sie auch hier hohe Auszeichnung erhalten. Jedoch beim Herrn Bürgermeister selbst (sieht auf und verneigt sich), denke ich, kann sie nicht wohnen – dort ist zuviel Herrlichkeit für eine bloße Künstlerin; ich stimme also: sie möge beim Schulmeister einquartiert werden.
Zweiter Ratsherr. Dafür stimm' ich nicht, man muß menschlich sein, sie ist Patientin, der Bader kann ohnehin seit vier Wochen seinen Zins nicht bezahlen, er soll exekutiert werden; nur eine große Kur kann ihn retten. Wo aber eine solche hernehmen? Die berühmte Reisende muß bei ihm einquartiert werden; an ihr kann er so lange kurieren, bis er seinen Zins beisammen hat. Alsdann läßt man sie singen, und was eingeht, wird gleich für den Doktor und Apotheker in Empfang genommen.
Alle. Bravo! Bravo!
Pfiffspitz. Bravissimo! Auf unsere Leute muß man am meisten denken. Es ist gut, wenn man was aussinnt, daß die fremden Künstler das Geld wieder im Lande lassen, sie tragen es ohnehin meistens in Kisten davon.
Bürgermeister. Bei uns wird es aber wenig Geld geben, ich kenne meine Leute. Sooft hier jemand Konzerte gab, hat er daraufbezahlen müssen. Die fremde Künstlerin soll uns nun nicht ausrichten können. Ich für meine Person kann ohnehin nichts geben, erstens singt sie bloß zu meiner Vermählung – da kann sie sich mit der Ehre begnügen – und zweitens bin ich ja das Oberhaupt hier, da würde ich nur einen neuen Brauch einführen, wenn ich großmütig wäre; also muß an die andern gedacht werden: sie wohne beim Schulmeister und er verköste sie gratis.
Pfiffspitz. Einverstanden! Hat ihr Deutschland den Braten auf den Tisch gesetzt, so kann ihr Krähwinkel den Salat dazu geben. Sie werde beim Schulmeister einquartiert! Sie ist eine Französin oder kommt vielmehr aus Frankreich und die französischen Einquartierungen sind uns Deutschen nichts Neues, wir möchten sonst zu bald darauf vergessen.
Schulmeister. In Gottes Namen, wenn meine Tochter nur einen Triller von ihr lernt, so bin ich reichlich bezahlt.
Bürgermeister. Der Schulmeister hat aber wenig Zimmer; wo soll sie denn wohnen, daß sie es nett und bequem hat?
Schulmeister. Ach, daran ist keine Not. Bei meiner Tochter, diese Ehre lass' ich mir gar nicht nehmen. Da können sie dann Tag und Nacht miteinander singen, ich will schon sorgen, daß sie nicht aus dem Takt kommen.
Bürgermeister. Das wäre nun abgetan und alle Teile sind zufrieden. – Man schicke nun eine Deputation – Herr Bruder!
Klaus (auf der Leiter). Da kommt der Herr Runkelrüben-Kommissionsassessor Sperling im schnellsten Lauf – Vivat! Jetzt stolpert er, Vivat! Jetzt liegt er auf der Nase, Vivat!
Alle (ungestüm). Vivat!
Bürgermeister. Klaus, sei Er nicht so dumm, nur bei mir wird Vivat gerufen.
Klaus. Er steht wieder auf, er wischt sich ab, da ist er schon, aber ohne Vivat.
Vorige. Sperling (atemlos, er macht sich rein vom Fallen).
Sperling. Komme, gehorsamst zu vermelden, daß Madame Catalani gleich hier sein wird. Sie ist nun wieder ganz hergestellt, eine kleine Heiserkeit wird sie nicht abhalten zu singen. Sie läßt den Herrn Bürgermeister und die ganze Stadt freundlich grüßen.
Bürgermeister. Bloß freundlich?
Alle. Kurios!
Sperling. Auch untertänigst, submiß und demütig.
Bürgermeister. Das ist etwas anderes, die Demut haben wir gern.
Sperling. Ihrem Gebrauch nach und nach dem Wunsche Seiner Exzellenz des Herrn Generals der Musikanten in der Residenz wird sie in wenigen Augenblicken ihren Einzug hier halten. Da wir nur ein Postpferd haben und das krank ist, so hab' ich vor ihren Wagen die Schulbuben vorspannen lassen.
Bürgermeister. Bravo! Das kann man öfters applizieren.
Sperling. Zwölf neugewaschene Kinder mit Blumenkränzen tanzen vor ihr her.
Pfiffspitz. Vivat, Herr Sperling, das ist ein ganzer Mann! O köstlicher Anblick!
Sperling. Den Anfang macht unser Stadtkommandant mit der ganzen Besatzung von acht Mann. In der Mitte fährt der Wagen, sie sitzt an der Seite ihres Begleiters, eines jungen Italieners. Die äußerste Spitze dieses Zuges formieren unsere sämtlichen Stadtmusikanten, eine Fahne und zehn Flambeaux vom alten Theater hab' ich auch dazu bestimmt.
Klaus. Sie kommt schon! Sie kommt schon!
(Alle Krähwinkler fahren bei diesem Geschrei auf, werfen die Stühle durcheinander, schreien: »Sie kommt! Sie kommt!« und laufen wie besessen ihr entgegen.)
Bürgermeister (äußerst eilig). Geschwind, die Stühle zurück! Ist denn nichts da, worauf ich mich postieren kann? – Ich muß doch erhaben sein. (Unterdessen wurden die Stühle schnell beiseite geschafft.)
Klaus. Euer Herrlichkeit, der Kasten!
Bürgermeister. Ja, ja, nur her damit! (Stellt sich darauf.) Der hohe Rat umgebe mich! (Es geschieht.)
(Man hört einen komischen Marsch, in den, sobald der Zug auf die Bühne kommt, das Orchester einfällt.)
Klaus. Ich werde die Sturmglocke läuten, damit die Nachbarn auch erfahren, was hier für ein Fest ist. (Ab.)
Bürgermeister (ergriffen). Recht! Recht! Ganz Europa soll zu Grunde gehen! Lärm und Spektakel! Albertine, komm zu mir herauf. Jetzt stehen wir wie Juppiter und Juno. Vivat!
Ein lumpiger Kerl mit einem roten Theaterkleide trägt voraus eine Fahne, hinter ihm kommen zwölf in sehr komischen Karikaturkleidern und ärmlich aussehende Musikanten. Hierauf zwölf nette Kinder mit Kränzen, die in ziemlich eingeübten Tänzen hereinschweben. Hierauf der Stadtkommandant mit acht Mann, die aber Invaliden sein müssen. Sodann zwölf Jungfrauen, dann die soeben davongelaufenen Krähwinkler paar- und paarweise. Hierauf zehn Straßenjungen, die den Wagen ziehen, welcher eine offene Chaise sein muß, endlich der Wagen, in welchem Lustig als Frauenzimmer und Käthchen als Mann erscheinen. Neben dem Wagen gehen Franz und Fritz als Bediente. Lustig grüßt die Versammlung äußerst leutselig. Hinter dem Wagen kommt der Hirt, der Nachtwächter und der Bader. – Als die Tour gemacht ist, kommandiert Rummelpuff unter der Musik. Die Sturmglocke wird geläutet.
Rummelpuff. Halt! Präsentiert! Gebt Feuer! Setzt ab! Das Gewehr unter den Arm!
(Der Wagen steht in der Mitte. Großes Tableau.)
Chor. Sei uns willkommen,
Freundlich willkommen,
Süße, Verehrte,
Längst schon Ersehnte!
Weil' hier und singe
Freundlich am Feste
Unseres Meisters
Herrliche Lieder!
Sperling (tritt vor und spricht).
Hier, Sängerin, hier ist der Ort der Freude,
Hier steht der dicke Mann in seinem Hochzeitskleide,
Ihm weihe deine Kunst, ihm weih' dein schönes Lied,
Ich bitt' in aller Nam' und alle bitten mit!
Lustig (singt in der Fistel).
Mich freut diese Güte, ich muß es gestehn,
Ich werde euch singen, soll heut' noch geschehn!
Chor.
Viktoria! Viktoria!
Hoch lebe Catalania!
Sie singt so süß, so schön,
Das muß der Neid gestehn!
(Hierauf fällt ein Marsch ein, wie die Partitur weist. Rummelpuff tritt mit gemessenen Schritten vor und kommandiert, während er marschiert: »Habt acht! Vorwärts! Linker Flügel schwenkt sich, marsch! Mit beiden Füßen zugleich!« – Die lahmen Stadtsoldaten hinken einzeln hinter ihm her. Sie ziehen quer über die Bühne beim Souffleur vorbei. Links in der Ecke vorn steht der Schulmeister, der die ganze Zeit bewundernd dastand. Rummelpuff salutiert dem Schulmeister. Die Soldaten ziehen vor dem Schulmeister linkisch die Hüte ab und machen ihm einen Kratzfuß. Da aber die Zöpfe an die Hüte angenäht sind, so springen sie mit herunter und machen also einen sehr komischen Effekt. Der Bürgermeister mit Albertine folgt kurz vor dem Wagen, die Ratsherren begleiten ihn. Pfiffspitz führt Hannchen. Lustig grüßt neckisch und herablassend. Käthchen beguckt die Weiber mit dem Stecher und sieht vornehm für sich hin, schüttet auch Kölnisches Wasser auf die Straßenjungen. Der Chor und die Musik dauern während des Zuges fort. Sperling ist auf den Wagen hinten hinaufgesprungen und hält einen ganzen Triumphbogen von Girlanden über das Künstlerpaar. Den gänzlichen Beschluß macht der Nachtwächter, dem die Zähne eingebunden sind.)
Freier Platz in Krähwinkel mit einer Reihe Häuser. Im Hintergrunde rechts ist die Wohnung des Schulmeisters. An der Haustür desselben sind versammelt: Schulmeister, Hannchen, Sperling, der Ratsdiener, welche die Leute zurücktreiben. Der Nachtwächter hat die Zähne eingebunden. Mehrere Krähwinkler.
Schulmeister. Ich bitte euch, Kinder, geht nach Haus, es nützt euch nichts. Jetzt könnt ihr die Künstlerin nicht sehen. Sie ist von der Reise noch ermüdet, und wenn ihr glaubt, daß sie dann beim Fenster zum Besten der Armen eine Arie singen wird, die jeder, der kein Geld hat, gratis hören kann, so irrt ihr euch – sie singt nichts, gar nichts umsonst; für heute Abend zur Akademie hat sie sich's aufgespart.
Sperling (drängt den Nachtwächter zurück). Ich weiß nicht, was der Sozius so herdrängt, Er soll lieber helfen, Ordnung machen.
Nachtwächter. Meine Zahnschmerzen will ich verlieren, ich kann die Stund' nimmer ausrufen vor lauter Pein.
Sperling. Nun, so geh' Er nach Haus und leg' Er sich nieder.
Nachtwächter. Nein, die Künstlerin will ich singen hören, ich hab's schon gehört, daß hernach die Schmerzen vergehen.
Sperling. Dummer Mensch, bis eine solche Stimme durch seine Ohren dringt, da gehört viel dazu; helf' Er lieber, dem Andrängen entgegenarbeiten. (Ein Bursche drängt gewaltsam auf Sperling los.) He da! Nachtwachter, führ' Er mir den Tagdieb ein!
Nachtwächter. Ein Tagdieb? Das müssen Sie einem Tagwachter sagen, ein Nachtwachter führt nur die Nachtdiebe ein. (Geht zurück.)
Sperling (wütend). Zurück! (Stampft mit aller Gewalt zur Erde und tritt dabei sehr unsanft dem Ratsdiener auf die Füße, der darüber unbändig zu schreien anfängt.) Aber um's Himmels willen, beträgt man sich denn so vor dem Fenster einer Dame, die, von der Reise ermüdet, ausruht?
Schulmeister. Still! Still! Zum letztenmal still! Ich reiß' Ihm die Zunge aus dem Mund', wenn Er nicht ruhig ist – die Künstlerin wacht ja auf!
Sperling (reißt in der Eile dem Nachtwächter die Hellebarde aus der Hand und drängt die kleinen Buben zurück, daß mehrere nach aller Länge hinpurzeln.) Herr Fähndrich Rummelpuff und hochansehnlicher Kommandant von Krähwinkel, ich bitte, kommen Sie! Zu Hilfe! Zu Hilfe!
Rummelpuff. Vorige.
Rummelpuff (eilig). Was geht hier vor? Potz Kosaken und Baschkiren! Warum liegt unsere Nachkommenschaft auf der Erde?
(Plötzlich ist Ordnung, die Buben stehen auf.)
Rummelpuff. Ist eine feindliche Haubitze in die Stadt geflogen? Ist Krieg im Anzuge? Sogleich schicke ich einen Trompeter ins Lager und lasse um Waffenstillstand bitten.
Sperling. Nichts von all dem. Die fremde Sängerin wollen die Leute sehen und darum spektakulieren sie so.
Schulmeister. Sie schläft aber noch und muß als eine Fremde mit Artigkeit behandelt werden.
Rummelpuff. Blitz und Knall! Wollt ihr nach Hause gehen, ihr Seehunde, oder ich ziehe meinen Degen und schieße alles nieder, was nicht Reißaus nimmt. (Alle lachen.) Das Volk lacht? Das Volk lamentiert nicht, wenn die Obrigkeit spricht? Wartet, ich werde euch Respekt lehren! Herr Sperling und Herr Schulmeister, halten Sie indes noch Ordnung; ich eile nur geschwind ins Lazarett und hole die Mannschaft. Ich stelle hier Posten aus und arretiere alles, was ich vorfinde. Wenn ich noch ein Dutzend beisammen finde, muß der dreizehnte Mann davon sterben. (Ab.)
Vorige ohne Rummelpuff.
Schulmeister. Nun habt ihr's selbst gehört, Leute, drum geht nach Hause, ich will an keines Menschen Tod schuld sein. Geht! Geht! (Die Krähwinkler gehen.)
Sperling. Das ist eine Bagage! Was die Gebildeten sind, so sind schon die im stande und werfen ihr die Fenster ein.
Schulmeister. An dem allen ist unser guter Geschmack schuld. Apropos, Hannchen, was machst denn du da? Hab' ich dir nicht gesagt, du sollst unsern Gast keinen Augenblick verlassen? Sogar bei der Nacht sollst du bei ihm sein!
Hannchen. Ja, Vater, ich bin nur fort, weil ich gedacht habe, sie möchte aufwachen und sich anziehen.
Schulmeister. Just beim Anziehen sollst du dabei sein; die Frau hat niemand.
Hannchen. Ihre Bedienten und der Stadtfriseur, der auch den Pudeln die Haare schneidet, sind oben.
Schulmeister. Verwünschtes Mädel, gehst du gleich auch hinauf! Wenn sich die Künstlerin frisieren läßt, so kannst du ja etwas lernen. Das ist ein Kreuz, Herr Sperling, könnt's das Mädel so bequem haben und benützt's nicht! Ich könnte mich ins Grab legen vor Ärger.
Hannchen. Nu, ich geh' schon, weil's der Vater durchaus so haben will, ich geh' schon. (Ab; indes ist die Bühne von Gaffern leer geworden.)
Sperling. Schulmeister.
Schulmeister. Warte, ich werde dir einen Strich durch die Rechnung machen. Ich weiß schon, was du willst; von dem Brief des Lustig habe ich Ihnen gesagt, daß er in einer Verkleidung hieher kommen und uns überlisten will. Ich glaube, auf diesen Kerl wartet sie. Der Rummelpuff ist auch von der Geschichte unterrichtet. O, es braucht Vorsicht, der Mensch ist pfiffig, als Schauspieler steckt er sich in alle Gestalten, seine Größe ist nicht auffallend.
Sperling. Ich habe mich mit ihm gemessen, er geht mir nur bis zu dem Knopf; so ein Körper kann alle Charakter annehmen.
Schulmeister. Vorsichtig, es gilt eine große Wette. Bedenken Sie nur immer, daß Sie auf die Hochzeit eingeladen werden.
Sperling. Um so etwas habe ich die Augen wie ein Luchs.
Vorige. Ein Jude.
Jude. Herzleben, meine Herren, können Sie mir nicht sagen, wo da die grauße Sängerin wohnt, die erst angekommen ist?
Schulmeister. Was will der Jude?
Jude. Zu der graußen Sängerin will ich, hab' ich doch ihren Namen vergessen.
Sperling. Die große Sängerin wohnt hier; was soll's sein?
Jude. Ich habe mit ihr gesprochen in Frankfurt, wird sein drei Monat', hab' ich schöne Staner gehabt, hab' ich wollen mit ihr was handeln; aber ist ihr gewesen meine War' zu schofel. Hat sie gesagt: wenn ich einmal wieder auf meinen Reisen sie arrivier' und ich hab' was Rares, soll ich ihr's bringen. Nun kümm ich da zu gehn und erfahr' auf einmal im Kaffeehaus, in der Zeitung hab' ich's gelesen, Madame Catalani ist hier angekommen und wird Konzert geben; eil' ich nun hieher geschwind, ihr einen schönen Schmuck anzubieten, den ich habe eingehandelt von einer Gräfin und der ihr ganz gewiß gefallen wird.
Sperling. Sie ist noch nicht auf, der Herr muß später kommen. (Schulmeister betrachtet ihn plötzlich mißtrauisch.)
Sperling. Wenn der Schmuck schön ist, wird sie ihn gewiß kaufen, denn sie hat Geld wie Mist.
Schulmeister. Aber kein falscher Schmuck, sondern ein echter muß es sein (mit Beziehung), denn falsche Sachen und falsche Leute kennt man gleich. (Zu Sperling.) Merken Sie nichts? Das ist der Lustig.
Sperling (leise). Was?
Schulmeister (winkt ihm). Messen Sie ihn nur!
Jude. Falsche Sachen, falsche Leute? Herzleben, verzeihen S', da kennen Sie den Aron nicht. Ich bin ein ehrlicher Jüd, reise weit und breit in der Welt herum, komm' von einer Mess' auf die andere; aber echt ist alles, was ich hab'.
Schulmeister (halb leise). O, Spitzbube!
Jude. Nein, schimpfen Sie nicht! Wenn Sie sein ein Kenner – da ist doch der Schmuck, schau'n Sie her, wie das blitzt, wie das funkelt; einen solchen Schmuck hat eine Prinzessin nicht.
Schulmeister. Ja, keine Theaterprinzessin; nur jetzt keine Mäuse gemacht!
Sperling (ist hastig hinzugetreten und hat den Juden beim Kopf genommen und an dem Knopfe seines Gilets gemessen). Ist's schon, Herr Schulmeister! (Jude will entwischen.)
Schulmeister (packt ihn beim Rock). Herr Lustig, den Spaß kennen wir schon; das wäre freilich die schönste Manier, ins Haus zu kommen.
Jude (retiriert sich). Herzleben! Gestrenge Herren! Was haben Sie? Lustig? Spaß? Ja, lustig, spassig bin ich!
Schulmeister. Ja, reden Sie, was Sie wollen; die Verstellung ist zwar gut, aber ich habe Sie doch erkannt; nun geschwind, demaskieren Sie sich, die Wette ist verloren!
Sperling. Herunter mit der Larve und Seinen Plan aufgegeben! Uns foppt man nicht so leicht, Mussi, wir sind zu pfiffig! Glauben Sie, ich hätte nicht gesehen, daß Sie eine Wachslarve vor haben? Ich kenne alles; sogar die Ohren sind falsch!
Jude. Au wai geschrien! Was wollen Sie von mir? Was hab' ich Ihnen getun? Ha, da doch zu Hilfe! Ist das die Stadt, wo man mit den Leuten so umgeht, die ganz manierlich sind? Au wai geschrien, lassen Sie mich doch los, ich bin ein ehrlicher Jüd!
(Sie springen um ihn herum und er schreit immer heftiger.)
Sperling (setzt ihm nach). Nur demaskieren, nur die Larve herunter!
Rummelpuff mit fünf Mann. Vorige.
Rummelpuff. Noch immer keine Ruhe? Ha! Was ist das schon wieder? Abermals Krieg? Vielleicht gar ein Spion? Zu Boden mit dem Verräter!
Schulmeister. Allerdings ein Verräter, Herr Schwiegersohn und Stadtkommandant! (Leise.) Das ist der Lustig, der saubere Lustig!
Rummelpuff. Der Jude ist lustig? Warum ist er lustig?
Schulmeister. Nein, nicht der Jude ist lustig, Lustig ist der Jud'. So hat er sich in das Haus Ihrer Braut schleichen wollen.
Rummelpuff. Bomben und Kartätschen! Nun hab' ich die Kriegslist. Ha! Das Verbrechen wird nun anders getauft: arglistiger Überfall. Der Monsieur wird arretiert, ich nehme alles über mich, und wenn meine Hochzeit mit Ihrer Tochter vorbei ist, wird er entlassen und dann mag er die Wette gewinnen, mit wem er will. (Zu der Mannschaft.) Tut eure Schuldigkeit!
Jude. Herzleben, Euer Gnaden, Herr General oder Feldwaibel, was Sie sein, hab' ich doch nichts getun! Warum soll ich im Gefängnis schmachten? Da schau'n Sie her, ich bin kein gemeiner Jüd, schaun Sie her, was ich hab' für Pretiosen und gute Staner, Herr Kommandant, schauen Sie den Reichtum an, niederknien möcht' man sich vor Pracht.
Rummelpuff. Niederknien?! Ha, Herr Lustig, das war sein Wort; ich sollte mich vor ihm niederknien! Nun erkenne ich ihn ganz. Fort, fort und nicht ins Gefängnis, sondern in den Kotter; ich werde es schon verantworten. Herr Lustig, es soll Ihnen nichts geschehen, aber diese Satisfaktion muß ich haben; denn sehen Sie, ich schenke Ihnen ja Ihr Nasenspitzchen, um das ich gewettet habe. (Lacht.) Haha! Nur fort!
Jude (schreit gewaltig). Au wai! Au wai! Frau Sängerin! Helfen Sie mir doch! Helfen Sie! (Wird abgeführt.)
Pfiffspitz eilig. Vorige.
Pfiffspitz. Was Neues? Was Neues? Was ist's denn mit der fremden Sängerin? Was ist's denn mit der berühmten Catalani? Ist's denn wahr, daß sie den Armen noch gestern Nacht ein paar Triller herabgeworfen hat?
Schulmeister. Nein, das nicht, aber durch ihre zwei Bedienten, ganz schmucke Leute, hat sie den Dürftigen fünfzig Gulden austeilen lassen.
Rummelpuff. Das ist mehr als eine ganze Arie!
Sperling. Aber, Herr Stadtkommandant, wie Sie wieder zu reden belieben! Eine Arie kommt ja über zweihundert Taler! Sie hat neulich irgendwo hundertfünfzig Taler an einen Kaufmann zu zahlen gehabt; was tut sie, um das Geld zu ersparen? Sie geht in das Gewölbe des Kaufmannes hin, singt eine Arie und bekommt noch fünfzig Taler und wegen einer kleinen Verzierung zweiundzwanzig Groschen heraus.
Pfiffspitz. Sapperment! Das ist eine göttliche Erfindung! (Nimmt seine Schreibtafel heraus und notiert.) Gleich morgen in die Zeitung! So möchte ich singen können! Mein Schuster sekkiert mich immer um die Bezahlung meiner neuen Zischmen. Da säng' ich ihm ein kleines Lied vor und er müßte mir noch ein paar gelbe Kappen daran setzen.
Der Friseur aus dem Hause. Vorige.
Schulmeister. Ach, sie ist schon auf, der Mussi Jean ist schon fertig. (Alle drängen sich hin zu ihm und sagen die nachfolgenden Reden auf einmal.)
(Zugleich.)
Pfiffspitz. Hat Er die Meisterin frisiert?
Rummelpuff. Was hat sie gesprochen?
Sperling. Ist sie leutselig, freundlich?
Schulmeister. Wie hat sie denn geschlafen?
Pfiffspitz. Hat sie schon etwas gesungen?
Jean. Ach, lassen Sie mich doch zu Atem kommen, ich bin noch nicht recht bei mir vor Eile, Erstaunen, Bewunderung, Ekstase, Auszeichnung und Freude!
Alle. Auszeichnung und Freude? Was der tausend!
Pfiffspitz. Freund, red' Er langsam, denn ich schreibe jedes Wort auf.
Jean. Ja, da müssen Sie geschwind schreiben, so etwas kann man nicht langsam erzählen.
Alle (höchst begierig, drängen sich um ihn herum). So drück' Er los, drück' Er los, wir können's nicht erwarten.
Jean (wischt sich den Schweiß ab). Hören Sie, hören Sie, das ist eine Frau, eine Frau, eine solche Frau gibt's auf der weiten Welt nicht wieder. Die Leutseligkeit, die Leutseligkeit, nein, ich kann's gar nicht beschreiben, ich kann's nicht beschreiben!
Pfiffspitz. Das sei meine Sorge!
Sperling. Leutselig, das kann ich auch brauchen in ein Gedicht. (Notiert von der andern Seite und skandiert sogleich.) Leutselig bist du Holde, gut und fromm!
Jean. Gleich wie ich hineintrete, hat sie der Schnackerl gestoßen. Ich hab' schon mein Leben viel gehört, aber so was Schönes noch nie. (Macht's nach.) Hapuplup! Durch alle Tonarten und mit einer Expression, wie der Herr Sperling auf seiner Geige, wenn er in der Applikatur spielt.
Schulmeister. Auch ihr Schnarcher ist sehr schön.
Rummelpuff. Nur weiter!
Jean. Sie niest; meine hochansehnlichen Herren, wenn Sie den Nieser gehört hätten –, ich sag' Ihnen nicht viel, aber wie ein Solo mit Tschinellen! Nein, so schön, so sonor und ausgiebig gibt es nichts. Im Anfang bin ich zwar erschrocken, aber hernach hab' ich »Bravo!« gerufen, denn »zur Gesundheit!« kann man bei einem solchen Nieser unmöglich sagen.
Pfiffspitz. Red' Er nicht so schnell, Freund, ich bin noch immer beim Schnackerl, halt' Er ein wenig ein, bis ich den Nieser auf dem Papiere habe.
Rummelpuff. Ei warum nicht gar! Nur rasch forterzählt! Mich interessiert die Sache sehr. Beim Regiment haben wir einen Trompeter gehabt, der hat auch so niesen können, einmal ist ein ganzer Postzug durchgegangen wegen seinem Nieser.
Jean. Ihr Husten ist ein pures Konzert; zuerst hustet sie allegro, dann kommt ein Assai, hernach hält sie sich ein wenig im Andante auf und geht mit Riesenschritten ins Adagio über. Sie wissen allerseits, daß ich auch musikalisch bin und daß ich auf der Bratsche einen ordentlichen Strich habe; aber ein solches Adagio von einem solchen Huster hab' ich mir doch noch nicht vorgestellt. Gleich nach dem Huster hab' ich gesagt: »Jetzt, Euer Gnaden, frisier' ich Sie umsonst; denn ich müßt' ein Unmensch sein, wenn ich nach solchen Hochgenüssen von Ihnen noch Geld annehmen könnte.«
Sperling (schreibend). Da muß ich mir hernach gleich was husten lassen.
Rummelpuff. Was Menschenhänd' nicht alles machen können!
Schulmeister. Aber so sind Sie doch nicht so sonderbar, Herr Fähndrich! Sie hustet ja nicht mit den Händen, sondern mit dem Munde. Nicht wahr, Mussi Jean, sie hustet mit dem Munde?
Jean. Versteht sich, mit dem Munde, alles mit dem Munde, ich habe ja genau acht gegeben. Wie ich das gesagt habe vom Gratisfrisieren, schaut sie mich mit ihren zweierlei Augen an –
Rummelpuff. Zweierlei Augen? Warum nicht gar!
Jean (wichtig). Ja zweierlei, ein link's und ein recht's Aug' hat sie; und sagt: »Willkommen, Maestro della Frisura! Eh bien, ich bin zur Frisur bereit – kommen Sie, frisieren Sie mich, ich werde indes eine Arie auf den – Erfinder des Haarpuders singen, der jetzt so vergessen wird, daß man ihn kaum mehr dem Namen nach kennt.« Hören Sie, bei dieser Rede sind mir die Tränen in den Augen gestanden. Ich lasse mir aber nichts merken, gehe gleich langsam und demütig zu ihr hin, küsse ihr das Kleid und mache meine Künste auf ihrem Kopf.
Pfiffspitz (neugierig). Wie hat sie sich frisieren lassen?
Jean. Wie anders als à la Catalani!
Sperling. Ganz natürlich, à la Catalani!
Jean. Zum Glück habe ich diese Mode schon aus den Journalen gekannt. Ich beginne daher mein großes Werk und schon bei der dritten Locke, die ich ihr wutzelte, fangt sie ihre Götterstimme zu riegeln an.
Rummelpuff. Nun, nicht wahr, recht hoch?
Schulmeister. Ei beileibe, recht tief!
Jean (zum Schulmeister). Sie haben recht, so tief wie unser Brunnen auf dem Rathause. Bei einem Ton, den sie die Ofenröhre-Force nennt, bin ich völlig in Ohnmacht gefallen. Ich habe geglaubt, sie hat sich unter meinen Händen in den ersten besten Bassisten verwandelt.
Schulmeister. Ja, ja, von der Tiefe habe ich schon gehört.
Pfiffspitz. Wie ist's denn aber mit der Höhe?
Jean. Allen Respekt, eben so brav! In einem Augenblick ist sie aus dem Keller ihres Basses auf dem Boden ihrer Diskantstimme oben, und indem sie übergeht, formiert sie eine ordentliche Stiegen, wo man die Staffeln völlig zählen kann. Vom Text ihres Liedes habe ich zwar nichts verstanden, aber auf das Wort Haarpuder hat sie einen Triller geschlagen, daß ich über drei Stunden gestanden und vor Erstaunen gar nicht zu mir gekommen bin. Endlich weckte sie mich durch einen Lauf durch alle zwei Zimmer in die Küche und durch denselben Lauf aus der Küche ins Vorhaus aus meiner Betäubung, springt auf, wartet gar nicht, bis ich fertig bin, und schenkt mir zwei Louisdor für meine Mühe.
Pfiffspitz. Ei, ei, zwei Louisdor! Soviel Geld hab' ich mein ganz's Leben noch nicht gehabt.
Jean. Ich falle ihr zu Füßen, sie singt mir noch ein Adieu; ich springe entzückt auf, küsse ihr abermals das Kleid und will fort.
Sperling. Endlich!
Jean. Will, sag' ich, denn wie ich an der Tür war, hält sie mich zurück und sagt: »Freund, noch ein Wort! Sie müssen mir noch eine Gefälligkeit erweisen! Sie haben mich frisiert, ich bin mit Ihnen, als einem Negligé-Friseur, zufrieden, aber Sie müssen mich – und nun spitzen Sie gefälligst allseits die hochansehnlichen Ohren – müssen mich – was glauben Sie wohl? (Pause) barbieren!
Alle (treten vor Erstaunen zurück). Barbieren?
Jean. Ja, ja, barbieren, staunen Sie nur! In allem Ernste, barbieren, barbieren, so wahr ich lebe!
Pfiffspitz. Nicht möglich!
Jean. Ich schwöre!
Schulmeister. Recht kann er haben, jetzt weiß ich, woher sie die ungeheure Tiefe nimmt.
Jean. Ich überzeuge mich sogleich, daß es ihr Ernst ist, fahre ihr ein wenig an das Kinn, und wie ich das Spiel der Natur bewundert hatte, seife ich sie ein und barbiere sie nach Herzenslust.
Pfiffspitz. Das ist das Allerneueste! Diese einzige Notiz kann mir um zehn Pränumeranten mehr schaffen, davon hat noch kein Blatt etwas gemeldet. (Notiert, indem er spricht.) »Merkwürdig ist es: die Künstlerin hat auch einen starken Bart.«
Jean. Sie bittet mich nach geschehener Arbeit sogleich um Verschwiegenheit, den Bart betreffend, was ich ihr auch ehrlich zusagte und halten werde, wie Sie mich kennen, und läßt mich gehen. Ich habe nun an Sie, Verehrte, ebenfalls die gehorsamste Bitte, keinen Gebrauch davon zu machen. (Bittend.) Nichts erwähnen von dem Bart!
Pfiffspitz. Nur in die Zeitung werd' ich's setzen, das darf ich doch?
Jean. Drucken lassen, das können Sie, aber nur nicht weiter sagen, ich hätte tausend Verdruß.
Sperling (schüttelt den Kopf). Mussi Jean, der Bart, der Bart, der Bart scheint mir doch erlogen!
Rummelpuff. Warum? Beim Regiment haben wir eine Marketenderin gehabt, die täglich zweimal rasiert werden mußte, und die konnte doch gar nicht singen.
Jean. Ich habe geschworen und lüge nie; doch wozu noch mehr Beteuerungen? Ich habe es ja gesagt. Adieu! Aber es bleibt alles unter uns, Sie wissen, ich plausch' nicht viel und wünsche, so sollen es andere auch machen. Ich habe so nur das Wenigste von dem mitgeteilt, was ich hätt' sagen können, wenn ich hätte lügen wollen. A revoir, in einer Stunde ist ganz Krähwinkel in Alarm! (Er hüpft fort, stößt jedoch ungeschickt an Rummelpuff, dem er die Uniform weiß macht. Rummelpuff schreit auf und fährt sogleich an den Degen.)
Schulmeister. Um Gotteswillen, Herr Schwiegersohn, was ist denn geschehen?
Rummelpuff (macht sich rein). Zum Teufel! Der Kerl hat mir was weiß machen wollen, ich morde ihn!
Pfiffspitz. Nicht doch! Wir haben nur den einzigen Friseur. Doch wenn Sie jemand morden wollen, wir haben zwei Kürschner, nehmen Sie da einen davon.
Käthchen als Mann. Vorige.
Rummelpuff. Ich bin doch begierig, ob sie so schön singt wie meine Braut.
Käthchen (tritt vor, sie spricht im italienisch-deutschen Dialekt). Buon giorno, Ihr Herren!
Schulmeister. Ah, das ist der wällische Herr Italiener, der die Künstlerin begleitet.
(Pfiffspitz und Sperling stecken schnell ihre Schreibtafeln ein.)
Schulmeister. Guten Morgen, guten Morgen, Mussi Signor! Nu, wie haben Sie geschlafen? Freut uns, daß Sie schon aus den Federn sind; ich werde jetzt gleich zur Madame hinauf gehen.
Käthchen. Du bleiben da, sie singen gerade ein Duetto mit deiner Figlia und studieren ihr die Arie ein: »Wenn mir dein Auge strahlet – –«.
Schulmeister. Das freut mich, das freut mich; das war schon lange mein Wunsch.
Pfiffspitz. G'vatter, er sagt ja du?
Schulmeister. Das ist ja eine Ehre, wenn ein Ausländer einen duzt. (Zu Käthchen.) O möchte meine Tochter bald mit ihr singen: »Ich widme dir mein ganzes Leben!«
Käthchen. Nur nicht verzagen, vielleicht singt sie heute noch mehr: »Reich' mir die Hand, mein Leben, komm in mein Haus mit mir!«
Schulmeister. O, ich glücklicher Vater!
Käthchen. Aber nun bin ich gekommen aus einer ganz andern Ursachen. Ich soll sucken eine Poeta, der macken die Anschlagzetteln und der gleich besorgen die Druckerei.
Sperling und
Pfiffspitz (zugleich). Da könnte ich mich gehorsamst empfehlen.
Käthchen. Wer sein die Herren?
Pfiffspitz. Ich bin der Redakteur von der bescheiden gelesenen Zeitschrift: »Der gestiefelte Postreiter«.
Käthchen. Ah, ik brauken keine Stiefel.
Sperling. Und ich bin der Haus-, Hof- und Tischpoet der Bewohner dieser Stadt, auch korrespondierendes Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften vor der Linie.
Käthchen. Ah, per Dio, das sein mir gerade recht!
Sperling. Mein Name ist Sperling Edler von Spatz.
Käthchen. Schon recht, den suck' ich. Allons, kommen, meine Gebieterin warten; aber sein manierlich und machen recht viel Komplimente!
Sperling. O, bis auf die Erde!
Pfiffspitz. Impertinent! Mich zu übergehen!
Käthchen. Andiamo, aber lassen vorher durch die Servitore melden und verlieben sich nicht etwa in meine Donna adorata.
Sperling.
Verlieben? O bewahre, das werd' ich niemals wagen,
Nur ehren, preisen will ich sie, die Künstlerin,
Was sie von mir begehrt, das will ich leise fragen,
Und wo sie kommandiert, dort schweb' ich eilig hin.
Drum sorgen Sie sich nicht, ich komm' mit andern Künsten
(mit Beziehung),
Die Liebe lass' ich den von höheren Verdiensten.
(Geht ab.)
Käthchen. Bene! Ei, der scheint mir eine geschickte Poeta.
Schulmeister. O ja, das ist der Schiller unserer Stadt, oder mit den Italienern zu reden, der Shakespeare.
Pfiffspitz. Ich muß nur gehen, sonst verzehrt mich die Galle. Mich zu übergehen! Doch warte, der »gestiefelte Postreiter« wird dir's geben; nun mache ich Partei gegen die Catalani. (Ab.)
Rummelpuff (stolz). Ich werde jetzt hinauf gehen zu der großen Künstlerin. Der Herr Italiener kennen mich wahrscheinlich nicht, ich bin ein großes Tier in diesen Mauern.
Käthchen. Ich sehen schon.
Rummelpuff. Was sehen Sie?
Käthchen. Una grand bestia!
Rummelpuff. Was geht den Herrn meine Weste an? Und da ich auch ein Freund von Künstlerinnen bin, so werde ich ihr meinen Besuch machen.
Käthchen. Ich lassen keinen Soldaten zu meiner Patronna.
Rummelpuff. Ha, ich werde wohl nicht lange fragen, Fähndrich Rummelpuff geht überall gerade zu, vor meinem Ansehen öffnen sich alle Türen.
Käthchen. Das seien möglich, aber gerade die bleibt zu; ich lassen dich nicht gehen.
Rummelpuff. Du? Potz Zeltstangen und Türkengeschwader, so durfte der Hauptmann nicht zu mir sagen.
Schulmeister. Mussi Signor, lassen Sie ihn gehen, er ist etwas sehr Bedeutendes.
Käthchen. Das ist mir ganz gleich, das!
Rummelpuff. Herr Italiener, ich werde meinen Degen aus der Scheide tanzen lassen.
Käthchen. Und ich werde dich tanzen lassen.
Rummelpuff. Bürschchen! Nur wegen der Künstlerin schone ich dich.
Käthchen. Was? Bürschchen? Das sein so viel wie Furfante? Du geben mir eine Spitznamen? Per Dio! Cattivo! Ich pappen dir eine auf deine Haarzopf, daß du nicht mehr sollst sehen und nimmer sollst hören.
Rummelpuff. Was? Beleidigungen gegen einen Helden meiner Art? Heraus, mein Degen! Seitdem du auf der Welt bist, sahst du kein Menschenblut, aber jetzt muß es sein. Knie nieder zum Gebet, Knabe, du mußt sterben!
Käthchen. Sterben? Io non voglio morire. Rekt kommt mir dein Degen, ich habe auch eine Spada! (Zieht aus dem Stock einen Degen.) Du nun mit mir kämpfen, du mir geben Satisfazione oder du müssen morire! (Stampft mit dem Fuße.) Noi vogliamo tirar di spada? Presto! Wann du sein ein Uomo di curaggio, fekten du mit mir oder ich spießen deinen Schädel wie die Köpfen von einem Stiegelitzen.
Schulmeister. Das ist eine saubere Bescherung! Der Kerl ist ein Fechtmeister, der reist wohl gar in der Welt herum, um die Leute tot zu stechen.
Käthchen (hat sich in Positur gestellt und einen Ausfall auf Rummelpuff gemacht). Curaggio! Curaggio! Per Dio!
Rummelpuff. Steck' der Herr ein, ich kann nur deutsch fechten, auf die wällischen Stich' versteh' ich mich nicht.
Käthchen. Ha, du haben keine bravura, du sein bloß ein Streichenmacher. Ich dir schenken dein Leben, aber du mir nicht mehr widersprechen oder Kopf putz weg! Kaput du, du müssen heideln gehen!
Rummelpuff. Was Kaput du, ich brauch' dem Herrn seinen Kaput nicht, ich habe Kaput zu Hause. Verfluchter Kerl!
Schulmeister (leise zu Käthchen). Ums Himmels willen, versöhnen Sie sich doch mit ihm, Mussi Signor, es ist ja unser Stadtkommandant!
Käthchen. So soll er kommandieren die Stadt, aber nicht mich!
Schulmeister. Da haben Sie wieder recht.
Käthchen (stolz). Steck' ein deine spada, und damit du siehst, daß ich sein großmütig, so geh jetzt hinauf zu meiner Donna, du sein mir nicht gefährlich, du haben keine Schneid.
Rummelpuff (steckt den Degen ein). Ware das Duellieren nur nicht verboten! Doch, wir sprechen uns noch! Verfluchter Salamimann! (Ab ins Haus.)
Käthchen (läuft ihm nach). Nicht mucksen!
Schulmeister (für sich). Das ist eine gute Geschichte, ich möchte auch hinein ins Haus, vielleicht läßt er mich auch nicht gehen. (Laut.) Ich bitte gar untertänig, ich bin der Hausherr hier, darf ich nicht in meine Wohnung?
Käthchen. Ich glauben, du sein der Schulmeister und Vater von der hübschen Tochter, der Giovanna?
Schulmeister. Ja, ich bin ihr Vater, wie ich mir schmeichle.
Käthchen. Nun, so geh du hinein.
Schulmeister. Ich danke tausendmal! – Aber so sein die Ausländer: wenn sie sich einmal wo eingenistet haben, so spielen sie gleich den Herrn und werfen die Leute, die hinein gehören, hinaus.
Käthchen. Du nicht murmeln, du nicht brummen! Das sein meine Gewohnheiten: wo ich hinkomme, schlagen, schießen und stecken ich alles tot.
Schulmeister. Charmanter Mussi! Da haben Sie immer eine kleine Unterhaltung.
Käthchen. Jetzt zeigen du mir das Haus vom Bürgermeister! Ich muß ihm machen im Namen meiner Donna mein Kompliment. Gehe ein Stückel mit mir und lassen dir erzählen. Heute bin ich noch höflich; aber wenn ich noch länger hier bleibe, werde ich grob, so grob, daß die ganze Stadt wünschen, hätte Sie mich lieber nie gesehen. (Hängt sich in den Schulmeister ein, der ehrfurchtsvoll mit ihr in das Haus des Bürgermeisters schleicht.)
Schulmeister. So jung und schon so grob! Wann der älter wird, kann jeder Portier zu ihm in die Schule gehen. (Beide ab.)
Schulmeisters Wohnung. Im Vordergrunde wird ein Fortepiano aufgestellt. Franz und Fritz als Bediente.
Franz. So, das Fortepiano stellt nur hieher. Nun geht wieder. (Träger ab.)
Fritz. Man schwört, wenn man uns sieht, wir seien solche französische Windbeutel von Lakaien. Hätte ich doch nie geglaubt, daß die Theatergarderobe des Lustig so propre ist.
Franz. Ich höre immer räuspern und husten, wer muß denn da sein?
Fritz (geht an die Tür). Herr Sperling! Ah, er kommt, seine Aufwartung und wahrscheinlich die Anschlagzettel zu machen. Geschwind, jetzt, Verstellungskunst, komm' uns zu Hilfe! Der könnte uns leicht erkennen. (Man klopft.) Herein!
Sperling. Vorige.
Sperling (kriecht völlig zur Tür herein.)
Fritz. Was wünschen Sie, mein Herr?
Sperling. Ich bin hochgnädigst hieher beschieden worden als Poet, Schriftsteller, Dichter, Broschürenschreiber u. s. w., die Anschlagzettel der verehrtesten aller Sängerinnen zu verfassen.
Franz. Ah, Herr Sperling! Des Schulmeisters Tochter hat Sie schon empfohlen. Belieben Sie nur, hier zu warten, bis unsere Gebieterin herauskommt.
Fritz. Belieben Sie aber, nicht sogleich zu sprechen, sie hat öfters ein paar Töne noch im Halse, die dürfen ihr nun durchaus nicht abgeschreckt werden, sonst wird ihr Husten noch ärger und sie kann am Ende gar nicht singen.
Franz. Ich höre jetzt kommen.
Lustig. Vorige.
(Die Türe fliegt auf. Lustig als Frauenzimmer kommt mit einem Notenbuche, aber noch in neckischer Negligé und ein Häubchen auf, ohne Sperling zu bemerken, heraus. Er wankt zum Fortepiano hin und ruft:)
Henry!
Fritz. Euer Gnaden!
Lustig. Man setze mir den Stuhl zurecht, man öffne das Fortepiano, man lege mir meine Liedersammlung auf das Pult. (Es geschieht.) Pierre!
Franz. Gnädigste Gebieterin!
Lustig. Man schließe dort das Fenster, damit kein Zug hereinkommt, man lüfte mir den Schleier und nun bringe man mir das Mälzlische Metronum, den Taktmesser und den Stimmhammer herbei. (Es geschieht.) Ruhe will ich jetzt haben, ich darf nicht atmen hören, ich will meine Lieder durchgehen und meine Lieblingstexte rezitieren. Also kein Wort!
Sperling (leise an der Tür). Das wird gut werden; nicht atmen soll man und ich habe den Dampf, ich muß alleweil pfnausen wie ein Bier-Igel.
Lustig (spielt auf dem Fortepiano, blättert im Notenbuche und singt). »Endlich bin ich angekommen.«
Sperling (leise). Das seh' ich.
Lustig (singt). »O, welche Lust gewährt das Reisen!«
Sperling. Das glaub' ich, wenn man überall eine halbe Million mitnimmt.
Lustig (singt). »Wer hat mich je traurig gesehen?«
Sperling. Ich könnt' auch lustig sein, wenn ich ihr Geld und sie meine Schulden hätte.
Lustig (singt). »O, das waren mir selige Tage!«
Sperling. Ich hab's gehört: in Wien allein in der Redoute siebzehntausend Gulden!
Lustig (singt). »Ja, wo's mir gut geht, dort bleib' ich. Und was mich g'freuen tut, das treib' ich.«
Sperling (sich vergessend). So bin ich auch! Ubi bene, ibi patria! Wo man was zu essen hat, dort ist mein Vaterland!
Lustig (sieht sich um). Wer spricht da?
Sperling (erschrickt). Ach, Eure wohltönende Herrlichkeit, süßflötende Künstlerin, hochharmonische Gebieterin, ich bitte tausendmal um Verzeihung – die Begeisterung über Ihren schönen Gesang hat mir Worte ausgepreßt, Worte der Bewunderung und des Erstaunens.
Lustig (stolz). Wer sind Sie?
Sperling. Sperling Edler von Spatz ist mein Name; ich bin hiehergeschickt, Ihre Annoncen ergebenst zu verfassen.
Lustig (plötzlich leutselig und freundlich). O, sind Sie mir tausendmal willkommen! (Streckt die Hand zum Kusse hin.) Baisez la main, mon cher! –
Sperling (hüpft zu Lustig). O, ich Glücklicher! (Küßt die Hand mit Inbrunst.)
Lustig. Henry!
Fritz. Euer Gnaden!
Lustig. Bring' mir das beschriebene Blatt Papier aus meinem Kabinette. (Es geschieht.) Hier, teuerster Freund, ist ein Verzeichnis meiner Musikstücke, machen Sie eine Sauce darüber und entschuldigen Sie mich am Ende meines Anschlagzettels mit einem Katarrh.
Sperling. O, ich werde alles gleich nach Eurer süßflötenden Herrlichkeit Befehl in Ordnung bringen.
Lustig (wohlgefällig). Charmant! Eh bien, baisez la main encore une fois!
Sperling (tut's). Was reget und bewegt die holde Schwanenbrust? (Küßt die Hände begeistert in einemfort.)
Lustig. Nun fort, süßer Dichter! Die Zeit drängt, ich vertraue ganz auf Sie. (Ihn wegen seiner verliebten Zudringlichkeit vor den Bedienten warnend.) Je vous prie, regardez les domestiques!
Sperling. Taki, taki! O Engel, o himmlisches Weib! Sobald ich Ihre Geschäfte verrichtet habe, komme ich wieder. (Wirft Lustig einen Kuß zu.) Ich kann nicht weiter reden. O ihr neun Musen, ich glaube, sie liebt mich! O ich glücklicher Sterblicher! Sie liebt mich, ha, sie liebt den süßen Dichter, vernimm es, Welt, vernimm es, du da oben über den Sternen! (Er läuft ab und stößt in der Begeisterung überall an.)
Vorige ohne Sperling. (Fritz und Franz fangen fürchterlich zu lachen an. Lustig springt auf, läuft ausgelassen herum und lacht.)
Franz. Stille! Es kommt schon wieder jemand!
(Lustig läuft geschwind ans Fortepiano, tut, als wenn nichts vorgefallen wäre, und setzt sich.)
Rummelpuff. Vorige.
Lustig. Ah, der Herr Stadtkommandant! (Für sich.) Himmel, verleih mir nur jetzt deine Hilfe!
Rummelpuff. Votre Serviteur, Madame, vergeben Sie, daß ich so geradezu hereintrete; aber ich komme aus zweifachen Gründen.
Lustig. Mit wem hab' ich die Ehre? – Henry, einen Stuhl!
Rummelpuff. Bitte gehorsamst, ich sitze nicht gern, Soldaten, wie Sie wissen, stehen bloß oder liegen, das heißt, wie man sich auszudrücken pflegt, sie stehen im Felde oder sie liegen im Quartier; vom Sitzen ist bei uns nie die Rede. Ich bin der Fähndrich Rummelpuff, Oberster über acht Mann und Kommandant in Krähwinkel.
Lustig. Ah, Sie haben ja meinen Einzug angeführt; ich habe schon die Ehre, Sie zu kennen. Bediente, augenblicklich hinaus vor die Tür, mit einem so erhabenen Heros muß ich allein sprechen. (Franz und Fritz ab.)
Rummelpuff (für sich). Das einzige Wort macht sie zur großen Sängerin.
Lustig (steht auf und geht auf ihn zu). Rummelpuff heißen Sie, Fähndrich Rummelpuff? Etwa gar der, von dem man erzählt, daß er den Dreißigjährigen Krieg mitgemacht habe? Und –
Rummelpuff. Ja, der nämliche; ich habe auch gegen die Türken gefochten.
Lustig. Und bei Roßbach waren Sie auch, wie ich erfuhr?
Rummelpuff. Ja, das war wieder ein andermal; die Bataille bei Roßbach hat von mir den Namen erhalten, weil ich damals mit meinem Roß in einen Bach gefallen bin.
Lustig. O Gott, wie lange wollte ich diesen Helden persönlich kennen lernen!
Rummelpuff. Zu viel Ehre und um so erfreulicher für mich, von Ihnen so geschätzt zu werden, als ich vorzüglich hieher komme, mich über Ihren Begleiter, einen jungen, naseweisen Italiener, der mich auf offenem Platze, gleich hier vor dem Hause, niedrig beleidigte, zu beklagen.
Lustig. Comment!
Rummelpuff. Ja, ich weiß nicht, heißt er Komma oder Punktum; aber ein Semikolon hätte er mir gern mit seinem Degen ins Gesicht geschrieben, wenn ich ihn nicht durch meinen Mut zu Paaren getrieben, ihn zittern gemacht und ihm dann großmütig das Leben geschenkt hätte.
Lustig (halb für sich). Verwünschte Geschichte, daß mein Fernando diese Kühnheit begangen hat; eine halbe Million wollte ich darum geben, wenn mir das nicht geschehen wäre.
Rummelpuff. Potz Mörser und Kanonen, wegen mir soll der junge Mensch nicht Ihr Herz verlieren!
Lustig. Was reden Sie von meinem Herzen, er ist ja nicht mein Geliebter; er möchte wohl, aber ich kann an einem so jungen Menschen kein Wohlgefallen finden. Was hätte ich für Aussichten mit dem Springinsfeld? Mir mein Vermögen verprassen lassen? Dreiundzwanzig Millionen sind bald vertan!
Rummelpuff (für sich, fährt vor Erstaunen auf). Dreiundzwanzig Millionen! Himmel, die Frau muß reich sein!
Lustig. Ja, wenn ein Mann käme, der Tapferkeit und Heldenansehen vereinigte, ein Mann, dessen Leben Großtaten bezeichnen und der etwas getan hat, was der Rede wert ist, worüber die Nachwelt staunen muß, und wenn er auch in einem Winkel der Erde verborgen wäre, nichts besäße als seinen Mut, ich würde ihn augenblicklich zum Gatten wählen.
Rummelpuff. O, Heldenmänner gibt's schon noch, z. B. ich bin gleich einer! Ich habe, ohne Ruhm zu melden, mehr getan, als irgend ein Extrablatt, eine Kriegsrelation oder eine Chronik beschreiben kann.
Lustig. O, erzählen Sie doch!
Rummelpuff. Einmal sagte der General an einem heißen Sommertage: »Kinder, die Batterie auf der felsigen Anhöhe tut uns großen Schaden, Ihr müßt hinauf, die Batterie stürmen; freilich feuert sie auf uns wie aus dem Höllenpfuhl, aber es muß sein!« Totenblaß waren alle Gesichter.
Lustig. Das Ihrige auch?
Rummelpuff. Nein, das blieb rot. – »Will keiner?« schrie er, »sind keine Freiwilligen da?« Grabesstille herrschte durch alle Reihen. Da trat ich allein hervor.
Lustig. Großer Gott!
Rummelpuff. »Ich allein,« sagte ich, »Euer Exzellenz, ich allein nehme die Batterie.«
Lustig. Himmel, welche Kühnheit!
Rummelpuff. »Rummelpuff, es sind sechzehn Kanonen,« sagte die Exzellenz. »Meinetwegen hundert!« antwortete ich, »für mein Vaterland ist mir nichts zu viel.«
Lustig. Ach, ich sehe Sie schon stürzen.
Rummelpuff (in Feuer). Noch nicht! Wie ein Rasender sprengte ich mit meinem Pferde aus der Reihe, drückte so den Sturmhut ins Auge, setzte die Sporen ein und sprengte gerade zwischen die vierte und fünfte Schußlinie mitten hinein. Pum! knallte es rechts, pum! links. Mein Pferd bäumte sich; ich, mit dem Säbel in der Hand, nur vorwärts.
Lustig. Ich sinke in die Erde.
Rummelpuff. Noch nicht! – »Zurück!« schrien die Kunststabler, »Tollkühner, hier schießt man nicht mit Kirschenkernen.« »Alles eins!« donnerte ich und ritt mit einem Hurra immer rascher gegen die felsigen Anhöhen.
Lustig (mit affektierter Teilnahme). Ach, kehren Sie doch um, Sie sind gewiß verloren!
Rummelpuff. Noch nicht! – Schon war ich ganz nahe, da fielen die Kugeln dichter, doch schlug sie mein Sarrasch mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit wie Fliegen aus meiner Nähe. Pum, pum, pum! hieß es jetzt – pum!
Lustig. Gott, ich sterbe vor Angst!
Rummelpuff. Noch nicht! Pum, pum! In mein Pferd hinein, im Sattel waren sechzehn Kartätschen; ich spornte wie ein Höllenhund und von rückwärts mit Blut und Staub bedeckt, auf die Batterie hinauf, da sank mein Streithengst, ich herab und riß dem hintersten Kanonier die Lunte aus der Hand, warf sie ins Pulverfaß und wir alle flogen in die Luft.
Lustig (sinkt auf einen Stuhl). Gerechter Himmel, meine Ahnung! Sie waren tot!
Rummelpuff. Noch nicht! Doch von diesem Augenblicke wußte ich nichts mehr von mir. Erst in acht Tagen erwachte ich und blickte auf; da hatte mich die Gewalt des Pulvers eine halbe Meile hinter unsere Armee zur Bagage hingetragen, die sechzehn Kanonen lagen mir im Arme.
Lustig. Schöpfer, ich danke dir, mein Liebling ist gerettet. (Bewacht sich schnell.) Doch, was rede ich da? Wie wenig beachte ich weibliche Schamhaftigkeit und jungfräuliche Delikatesse. Jüngling, bemerke nicht den Anteil, den deine Gestalt und dein Mut auf mich gemacht haben!
Rummelpuff (begeistert). Wie? Ich wäre im Ernste so glücklich, schon jetzt Ihren Anteil zu verdienen? O, ich kann auch Schwärmer sein. (Für sich.) Was kann der Mensch nicht alles für Millionen! (Laut.) Hab' ich ein Herz hier gerührt? Potz Granaten und kongrevische Raketen! Das wäre dann mein schönster Sieg! (Umarmt Lustig.)
Lustig (macht sich schüchtern los). Nicht doch, wenn jemand käme, wir sind nicht allein.
Rummelpuff. Ein hitziger Liebhaber und ein feuriger Held fürchten den Teufel nicht. (Wird ungestüm.) Fortuna, hilf mir!
Lustig. Ach, was tun Sie? Mein Herz pocht, meine Pulse beben, mein Busen wallt.
Rummelpuff. Dein Busen? Wo hast du deinen Busen? Laß mich hinsinken auf diesen Busen und dir Liebe gestehen. Herrliches Weib, laß mich nur diese Schlacht nicht verlieren und ich bin glücklich; ach, ich bete dich an und will der Deinige sein. Weib, ich heirate dich!
Vorige. Hannchen bebt scheinbar bei diesem Anblick mit einem Schrei zurück.
Rummelpuff. Meine Braut, nu, das ist eine schöne Bescherung!
Hannchen. Abscheulicher, treuloser Bösewicht! Aber so machen sie's, die Helden.
Lustig. Was ist das? Ist Ihr Herz schon verschenkt? Welche grausame Erfahrung! Sie sind nicht mehr frei und tragen mir Ihre Hand an? Sehr schmeichelhaft für mich, mir ein Geschenk anzubieten, über das Sie nicht mehr disponieren können.
Rummelpuff (verlegen). Was wollen Sie hier, Mamsell?
Hannchen (ernst und bestimmt). Meinen Bräutigam zur Verlobung holen.
Rummelpuff. O, ich bitte Sie, Mamsell, tun Sie jetzt nicht plötzlich so, als ob Ihnen an mir was gelegen wäre. Gehen Sie zu Ihrem herzallerliebsten Monsieur Lustig, den Sie mir immer vorgezogen haben; zu diesem gehen Sie!
Hannchen. Der ist leider davon gegangen und hat mich mehr getäuscht als Sie!
Rummelpuff. Meinen Sie? Ich aber sage Ihnen, er ist nicht davon gegangen; er ist hier; ich habe ihn in seiner Verkleidung erkannt.
Lustig (erschrickt). Was sagen Sie?
Hannchen (halblaut). Gott, wir sind verloren!
Rummelpuff. Ja, mir entgeht nichts. Er ist als Jude verkleidet ums Haus geschlichen, der Papa und Sperling haben ihn aufgestöbert. Wissen Sie denn von nichts?
Hannchen. Was sagen Sie?
Lustig (triumphierend, halb laut). Ein herrliches Mißverständnis wahrscheinlich. Hannchen, sei klug und verrate dich nicht; Hannchen, Geistesgegenwart! Steck' um!
Rummelpuff. Aber er soll jetzt ans Tageslicht kommen; hier haben Sie den Schlüssel, holen Sie ihn selbst aus seinem Kerker!
Lustig (rasch und der Sache vorbeugend). Um Verzeihung, da tu' ich Einspruch. Wie ich merke, sind der Herr Fähndrich der bestimmte Bräutigam der Mamsell. Nein, wegen mir soll sie nicht den Mann verlieren, der so viele Tugenden besitzt! Wer weiß, was der andere für ein Vagabund ist!
Hannchen (winkt Lustig). Es ist wahr, den Willen meines Vaters muß ich doch befolgen. Ja, Florian, du hast um meine Hand angehalten, Florian, du mußt der Meinige sein.
Lustig. Florian heißt er? Ha, welch romantischer Name! Ich leugne es nicht, der Kampf in mir, ihn zu missen, ist groß. Ach, Florian, was hast du getan! Wie konntest du in meinem Herzen eine Feuersbrunst entzünden, die du, lieber Florian, nicht löschen kannst?
Rummelpuff. Nun komm' ich schön in die Patsche.
Hannchen. Komm also hieher zu deiner Braut, komm an das klopfende Herz deiner Geliebten!
Lustig. Nein, Florian, zu mir komm noch einmal, weil ich dich durchaus missen muß, gib mir den Todesstreich, knicke in dem Lenz der Jugend mich, deine duftende Rose!
Rummelpuff. Sapperment, bei Roßbach war es heiß, doch hier ist es noch heißer!
Lustig (zu Hannchen). Nur frisch, jetzt gilt's!
Rummelpuff. Was soll ich tun? So lang ich auf der Welt bin, haben mir die Weiber nicht so zugesetzt.
Beide (hastig). Entscheidung!
Rummelpuff. Meine Damen, nur einen Augenblick Geduld, der Feind will mir von zwei Seiten ins Zentrum dringen, ich muß schnell Kriegsrat halten. (Tritt vor.) Ich will fürs erste Ihre Eigenschaften gegeneinander in die Wagschale legen und sie genau miteinander abwiegen; dort, wo dann das Gewicht hinunter schwert, dort lege ich mein Herz hin und meine Hand. Die Wage werde ich mir gleich machen. (Breitet die Arme vor sich hin und formiert mit den hohlen Händen zwei Wagschalen.) Hier Hannchen und hier sie, die Auserlesene. Hannchen Jugend, rote Wangen, feuriges Blut und mein Wort. – Sie Glanz, einschmeichelndes Wesen, Herzensgüte. (Balanciert.) Ganz gleich! Doch, Hannchen eine Schulmeisterstochter, vielleicht gar keine Tochter, eine Inländerin und arm – sie (begeistert) eine Ausländerin und dreiundzwanzig Millionen! (Die eine Hand sinkt ihm herunter, die andere fliegt hoch hinauf.) Hannchen, mir ist leid, du fliegst. (Kehrt sich rasch zu Lustig.) Weib, du bist mein, ja, nur für dich neigte sich die Schale; dich, Hannchen, muß ich aufgeben, was auch daraus entsteht. Ich will nun zu deinem Vater hin und ihm selbst alles sagen. (Zu Lustig.) Wenn ich wieder komme, dann führe ich dich zum Altar; nein, zuerst in dein Konzert und dann gleich zur Trauung. (Ab.)
Hannchen. Lustig. (Beide springen auf und stürzen sich lachend in die Arme.)
Lustig. Der Himmel sei gepriesen, er ist in der Falle, aber es hat Mühe gekostet.
Hannchen. Wenn er nur den Betrug nicht noch entdeckt! (Erschrickt.) Jetzt wird er gewiß den Juden entlassen, den man für dich genommen hat.
Lustig. Immerhin, der Kerl ist froh, wenn er mit heiler Haut davon kommt. Höre du, mit dem Juden ist das ein prächtiger Zufall!
Hannchen. Wie mag das zusammenhängen?
Lustig. Ganz einerlei. Noch einige Stunden in dieser Maske, dann auf ewig dein treuer, lustiger Lustig. (Ab.)
Hannchen allein.
Hannchen. Ich atme wieder freier. Zu was doch die Liebe alles verleitet! Gott Amor, laß deine Verehrer nicht zu Schanden werden, damit wieder Frohsinn und Freude in meine Brust kommt! (Ab.)
Wohnung im Hause des Bürgermeisters. Albertine. Käthchen noch in Mannskleidern.
Albertine. O, wie danke ich Ihnen, es geht vortrefflich. Sie haben dem Bürgermeister furchtbare Dinge in den Kopf gesetzt. Er glaubt es wirklich, daß bei Hof nur von ihm gesprochen wird und daß der Minister ihn gern zum Schwiegersohn haben möchte.
Käthchen (spricht nicht gebrochen deutsch). Möchte es mir gelingen, Sie in die Arme Ihres Geliebten zu führen, um Sie ewig glücklich zu wissen!
Franz und Fritz als Bediente, schleichen herein.
Fritz. Ist's erlaubt? Wir sitzen auf Kohlen und brauchen jemand, der die Glut unserer Erwartungen abkühlt.
Käthchen. Vorsichtig! Leise, leise! Man wird gleich hier sein.
Franz. Dürfen wir Atem schöpfen?
Käthchen. So viel Sie wollen.
Fritz. Geht's gut oder sollen wir unverrichteter Sache nach Hause kehren?
Albertine. Es wird über die Erwartung gelingen, hier hat uns der Himmel einen Schutzgeist gesendet. (Umarmt Käthchen.)
Käthchen. Nichts davon! Am Schlusse wollen wir sehen, was der Rede wert ist. Was macht denn mein Bruder?
Fritz. Die Festung ist schon gefallen; Rummelpuff ist vor der Sängerin gekniet.
Käthchen. Gott sei Dank, nun will ich auch Mut fassen, das sind schon gute Aspekten. Nun fort, meine Herren!
Fritz. Schon wieder fort? Ach, geliebtes Käthchen, ohne einen Kuß kann ich diesmal nicht scheiden.
Käthchen. Warum nicht gar! Damit hat's noch Zeit.
Franz. Ja, ja, einen Kuß, wir sind allein.
Fritz. Und wenn wir auch nicht allein wären, ich gehe wenigstens nicht von der Stelle, nur einen einzigen Kuß, es koste eher unser ganzes Glück.
Albertine. Der Bürgermeister!
Käthchen. Da haben Sie es nun!
Bürgermeister kommt schnell. Vorige.
Käthchen (halblaut). Geschwind wieder ins Italienische übersetzen! (Die Anwesenden bemerken ihn sogleich. Laut zu Franz und Fritz.) Geht, Enrico und Pietro, und sagen der Donna, ich komme so bald als möglich und holen zum Concerto. (Fritz und Franz bleiben an der Türe stehen und schauen mit Sehnsucht Albertine und Käthchen an.) Nun, machen keine lange Aufenthalt! Ciascun attenda a fatti suoi!
Bürgermeister (bemerkt es). Was Teufel! Die Kerls schauen ja ganz verliebt auf meine Braut her.
Käthchen. Non, non, Signor; ich weiß schon, was sie wollen –
Fritz (leise). Einen Kuß, Käthchen, einen Kuß! Ersinnen Sie eine Ausrede, helfen Sie, sonst gehe ich nicht fort.
Käthchen. Warte, Trotzkopf! (Laut.) In Italien ist das so der Gebrauch, daß, wenn die Domestiken zuerst in ein Haus eintreten, man ihnen zum Zeichen, daß man ihnen traut, erlaubt, einen Bussel auf die Stirn oder den Mund geben zu dürfen.
Fritz (leise). Prächtiges Mädel!
Käthchen (leise). O, ich werde dich schon bezahlen. (Laut.) Ich bitte also um Erlaubnis, daß darf hier der Pietro geben ein Bussel der Patrona.
Franz (leise). Tausend Dank!
Käthchen. Und der Enrico –
Fritz (leise). Dir –
Käthchen. Dem Herrn Bürgermeister.
Bürgermeister. Wann das so der Gebrauch ist, so wollen wir uns herablassen. Ländlich, sittlich. In Gottes Namen, komm' Er her, Freund, und küss' Er mich, wohin Er will! –
Fritz. Verdammt! (Tut's; Käthchen lacht.)
Bürgermeister. Jungfer Braut, werfen Sie sich einmal weg und erlauben Sie's auch! Geh' Er nur her und küsse Er die künftige Bürgermeisterin, Er soll auch einmal einen guten Tag haben.
Franz (springt hin, tut's mit allem Feuer).
Bürgermeister. Ei, das ist zuviel! (Franz küßt sie schon wieder.)
Bürgermeister (lacht). Da sieht man den feurigen Italiener! Nu, mir recht, hab' ich wieder was gelernt. (Zu Fritz.) Er ist schon nicht so feurig, er hat mich nur ein einziges Mal geküßt.
Fritz (spricht auch gebrochen). Ich nur sein entzückt bei meinen Herrn, nur da küssen mit Leib und Seel'. (Umarmt Käthchen heftig und küßt sie trotz ihres Sträubens.)
Bürgermeister (verwundert). Das ist eine Lieb' von einem Bedienten! Er läßt seinen Herrn gar nicht aus; wenn ich das meinem Klaus befehlen möchte, er ging' mir eher aus dem Dienst, als er mich nur ein einziges Mal küßte.
Franz. In Italien bezahlt man die Bedienten mit Küsse.
Bürgermeister. So? Da reis' ich hin; mein Kerl kostet mich alle Jahre sechzehn Gulden, da geb' ich doch lieber sechzehn Küsse her.
Käthchen. Nu ist's genug! Jetzt geht! Marsch fort, sonst macken mich bös!
Fritz (zu Käthchen). Doch erwischt! (Mit Franz ab.)
Vorige. Bürgermeister.
Bürgermeister. Das müssen brave Kerls sein. Doch, jetzt noch etwas mit Ihnen, Herr von Fernando, ich dachte schon, Sie hätten sich entfernt, ohne Abschied zu nehmen.
Käthchen. Ich sein nicht so unartig.
Bürgermeister. Ich weiß es, Liebster. Nu, nu, was ich sagen wollte. Ach, ich habe wirklich ein sehr bedeutendes Anliegen an Sie. (Zu Albertine.) Liebe Jungfer Braut, wollen Sie uns wohl allein lassen?
Albertine. Sehr gern, obgleich mich die Heimlichkeiten nicht erfreuen können. (Sieht Käthchen freudig an, als wenn sie bemerken wollte, daß er ins Netz läuft, und geht ab.)
Bürgermeister. Käthchen.
Bürgermeister. Mir scheint, Sie merkt etwas. Freund, in Gottes Namen! Sie haben mir bei der Tafel einen sonderbaren Floh ins Ohr gesetzt; ja, ja, Sie haben recht, es war von mir beim Minister die Rede. Nicht umsonst hat er mich, als ich neulich in der Residenz war, gefragt: »Lieber, stupider Mann, sind Sie noch immer Witwer? Und wollen Sie von dem Gott Hymnus gar nichts mehr wissen?« Seine Exzellenz geruhten, mir einen Heiratsantrag auf die Zunge zu legen, und ich Esel schluckte ihn hinunter.
Käthchen. Ich konnte mich vor Erstaunen gar nicht erholen; ich und meine Patronna kamen bloß, um bei der Hochzeit einer Ministerstochter gegenwärtig zu sein. Allen Respekt für Sie, per Dio! Aber eine solche Braut! Ich darf meiner Patronna gar nicht sagen, die ist capable und singen nicht.
Bürgermeister. Das wäre entsetzlich!
Käthchen. Ja, da darf man nicht viel machen, so kommt sie gar nicht ins Conzerto. Ihre Braut ist vielleicht gar nicht von angesehenen Eltern.
Bürgermeister. Ach du lieber Himmel! Ihr Vater war nur bei der Lieferung; Geld hat er sich freilich gemacht wie Sand am Meer, aber die Ehre, die Ehre ist zum Teufel gegangen.
Käthchen. So, die Ehre? Und Sie wollten sich doch in eine solche Mesalliance einlassen?
Bürgermeister. Leider, leider! Daran aber waren Verbindungen mit dem Vater meiner Braut schuld. Ich muß es Ihnen nur gestehen, ich hatte auch die Hand mit im Spiele bei den Lieferungen. Gott sei Dank, wir haben die Leute in Kompagnie schön betrogen. Zum Beispiel wir haben Wein geliefert, der so sauer war, daß er den Soldaten die Löcher in den Strümpfen zusammengezogen hat, und Brot mit ganzen Alleen von Schimmel. Nehme ich das Mädchen nicht, dachte ich mir, so wird die Familie meiner Albertine über mich herfallen und mich stürzen wollen; nun aber will ich einen Gewaltstreich ausführen, ich hab' schon alles überdacht. Sie reden mit dem Minister, Sie gelten alles bei ihm und schaffen mir Schutz und ich lasse das Mädchen fahren und suche am Hofe mein Glück.
Käthchen (schlau). Bene! Ich nehmen mich um Sie an – ich muß aber von Ihnen haben eine Schrift, worin Sie alles detaillieren, dem Minister freiwillig machen eine Descriptione von allem, was Sie haben auf dem Gewissen; ich übergebe dieses Seiner Exzellenz und ich garantiere, ich bringe alles in Ordnung.
Bürgermeister. Ein Stein rollt von meinem Herzen; ich sag' Ihnen, so oft mir die Geschichte eingefallen ist, hat mein Ansehen gewackelt. Doch jetzt soll es noch fester sich begründen. Ich heirate die Ministerstochter, und wenn ihr Vater stirbt, werde ich vielleicht selbst Minister, und das alles durch Ihre gütige Protektion.
Käthchen. Ich kann alles bei Hofe; lassen Sie mich nur gehen. Geschwind schreiben Sie die Schrift, entsagen aber vor allem der Albertine. Das muß ich dem Minister zuerst schriftlich bringen.
Bürgermeister. Alles, alles! Sie sollen mir diktieren, wie Sie's wollen, und ich schreib's wörtlich nach.
Käthchen. Andiamo! Sie werden der Stunde gedenken, wo Sie mich haben kennen lernen. Ich mache mit Ihnen ein Meisterstucken. O, dazu gehören große Talente, die Menschen zu vereinigen, die zusammengehören, und die Feinde zu versöhnen. Wenn ich habe die Schriften, dann komme ich mit Ihnen zum Conzerto, dann nach Hofe. Vittoria! Al fine si canta la gloria!
Bürgermeister (freudig). Schön, schön! Aber was heißt das?
Käthchen. Das heißt: Enden gut, alles gut!
Bürgermeister. Ja, ja, so soll es heißen: Finula cantula glorula! (Beide ab.)
Straße. Schulmeister. Rummelpuff.
Schulmeister. Herr Schwiegersohn, diese Schande für mein Haus –
Rummelpuff. Ja, mir ist leid, aber ich heirate die Sängerin.
Vorige. Sperling.
Sperling. Servus, servus, meine Herren! Hier hab' ich die Annoncen.
Schulmeister. Lesen Sie, lesen Sie.
Sperling. Ich bitte um geneigtes Gehör. (Liest.) »Mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung und besonderer Lizenz Seiner Herrlichkeit des Herrn Bürgermeisters, auch Oberältesten von Krähwinkel, wird die durchreisende Fremde, allererste Sängerin von ganz Europa, die große, berühmte Madame Catalani heute ein großes musikalisch-deklamatarisch-plastisches, theatralisch-dramatisch-mimisches, melodisch-ariöses, langweiliges Kunst-, Stimm-, Ton- und Gesangskonzert zu geben die untertänigste Ehre haben.«
Rummelpuff. Kurz und gut!
Sperling (liest). »Den Anfang macht eine Ouverture aus B-Moll aus der unkorrigierten Oper des Herrn Sperling, Musik von Herrn Kapellmeister Taub, betitelt: ›Wie geht's, wie befinden Sie sich? – Ich dank' Ihnen, es muß gleich gut sein.‹ Hierauf folgen Violin-Variationen über das Thema: ›Es ist alles eins, ob man Geld hat oder keins,‹ vorgetragen von Herrn Gansleber, Schulmeister in Krähwinkel, welche aber so künstlich variiert werden, daß jedermann am Schlusse bemerken wird, daß es doch nicht ist alles eins, ob man Geld hat oder keins.«
Rummelpuff. Darauf freu' ich mich. Ha, ich werde schon applaudieren.
Schulmeister (verneigt sich). Zu viel Gnade! Nun weiter!
Sperling (liest). »Nun wird die neuangekommene Künstlerin etwas singen – was, das weiß sie jedoch selbst noch nicht – und womit sie nicht allein das Publikum, sondern auch sich selbst zu überraschen gedenkt.« –
Sperling (liest). »Nr. 5, große, neue italienische Bravour-Arie aus der Oper: ›Il spazzo camino‹, zu deutsch: ›Der Rauchfangkehrer oder Bin ich nicht ein schöner Kohlbauernbub, da schaut's her!‹ Nr. 6, wird der Nachtwächter auf eine ganz neue Art das vaterländische Lied singen: ›Alle meine Herren und Frauen, laßt euch sagen, der Hammer hat an der Glocke neune geschlagen,‹ damit man weiß, wann das Konzert zu Ende geht, und niemand beim Fortgehen auf die Uhr schauen darf. Der Nachtwächter wird dabei in Ermangelung einer Mimik Gesichter schneiden. Eintrittspreise werden nicht bestimmt, da der Bürgermeister schon repartieren wird. Für den ersten Platz gibt man übrigens, was man im Sack hat, Kunstfreunde sind gratis, bringen jedoch einen Metzen Erdäpfel mit.«
Rummelpuff. Das ist billig, so hat man doch gleich etwas zu schmausen.
Pfiffspitz sehr eilig. Vorige.
Pfiffspitz. Nu, Sie machen es gut allerseits, das Konzert hat schon lange angefangen, die Sängerin wartet auf den Herrn Schulmeister zum Aufführen und Dirigieren ihrer Gesangstücke und Sie lesen noch den dalkigten Anschlagzettel.
Sperling. Dalkigt? Herr, menagieren Sie sich, ich hab' ihn gemacht!
Rummelpuff. Im Ernst, schon begonnen? Wie ist das möglich? (Man hört stimmen.)
Sperling. Richtig, sie stimmen schon.
Schulmeister. Da muß ich fort. (Ab.)
Pfiffspitz. Lassen Sie sich Zeit, meine Herren, zu dem Schmarrn kommen wir immer noch zurecht.
Rummelpuff. Was?
Pfiffspitz. Ich werde weiter nicht schimpfen! Ein Unglück ist schon geschehen, die Baßgeige ist umgefallen und hat sich den Hals gebrochen.
Rummelpuff. Den Teufel, Herr, Sie werden nicht schimpfen oder ich schlage Sie tot!
Pfiffspitz. Ist wahr, Sie sind ja der Gefeierten Bräutigam. (Lacht.) Die ganze Stadt meint, Sie werden eine Baßarie singen. (Ab.)
Rummelpuff (ruft ihm nach). Mir Spott? Herr, ich zerknicke Sie wie Seidenpapier.
Sperling. Gehen wir, wir kommen sonst zu spät. Lassen Sie ihn reden, Herr Fähndrich, ärgern Sie sich nicht über die schwarze Seele! Wir applaudieren, und sollte es auf seinem Buckel sein.
Rummelpuff. Ich schlag' ihm das Kreuzbein ein. Ha, mir soll keiner trauen, bei Roßbach hab' ich auch einen ähnlichen Kerl ermordet, der war aber früher schon tot gewesen. (Erzählend mit Sperling ab.)
Rathaussaal in Krähwinkel, als Konzertsaal zugerichtet. Die Akademie hat bereits begonnen. Alle Kleinstädter sind zugegen. Gleich, wie aufgezogen wird, trägt sich der Friseur eine Bank an das Proszenium, um darauf zu stehen und dem Konzert durch seinen Applaus besser zu imponieren. Soeben tritt der Schulmeister ein, verneigt sich dreimal und spielt seine Variationen. Man applaudiert wütend. Gegen das Ende treten auch Rummelpuff, Sperling und Pfiffspitz ein. Pause – sodann beginnt der
Bürgermeister. Nr. 3, bravo! Das war also das berühmte Lied: ob wir Geld haben oder keins, das sei alles eins? – Das Lied ist gut, aber ich werde es verbieten. Denn wenn wir wieder Steuern einfordern, sind die edlen Bürger im stande und singen uns: »Es ist alles eins, ob man Geld hat oder keins.« – Nun wird die Künstlerin erscheinen. Wir wollen uns doch ein bißchen auseinander setzen; so kann ich die Sachen besser übersehen. Noch eins: wenn sie heraustritt, schickt ihr nur gleich einen Hagel von Applaus entgegen. Lasset sie nicht zu Wort kommen, zuerst höre sie uns, dann wir sie. Apropos, Signor Fernando! (zu Käthchen.) Sie singen nicht, Sie spielen nicht?
Käthchen. Nein, ich singen gar nit, ich nehmen bloß der Geld.
Bürgermeister. Charmant! Das ist auch bequemer.
Friseur. Rummelpuff. Sperling. Ruhe! Stille! Sie kommt! Applaudieren! Applaudieren!
Der Schulmeister führt Lustig als Frauenzimmer heraus. Allgemeiner Applaus. Lustig verneigt sich anständig und freundlich.
Sperling. Rummelpuff. Bravo, bravo!
(Lustig ist indessen bescheiden stehen geblieben und hat bloß gelächelt. Er muß als Madame Catalani gerade so angezogen sein, wie sie es bei ihren Konzerten war. Hier würde eine plumpe Karikatur am unrechten Platze sein. Je schöner hier Lustig gekleidet ist, desto besser ist die Wirkung.)
Schulmeister. Ruhe jetzt, ich gebe das Zeichen!
(Das Orchester beginnt. Lustig singt Variationen, die nach jedem schicklichen Moment lebhaft applaudiert werden. Als die Variationen zu Ende sind, schleicht sich)
Der Jude herein; er guckt allenthalben herum, macht große Augen, als er Lustig sieht, endlich spricht er:
Jude. Mit Verlaub zu reden, wo ist der Herr Bürgermeister?
Klaus (dem Juden nach). Zurück, Mauschel!
Rummelpuff. Was tausend! Der Lustig hier? Ich befahl doch, ihn zwar zu befreien, aber nicht hieher zu lassen.
Klaus. Ja, er ist mir aber davon gelaufen, er hat immer geschrien, er sei nicht Lustig, und von Unrecht lärmt er in einemfort. Er will zum Herrn Bürgermeister, um zu klagen.
Bürgermeister. Was soll das sein? Wo hat man je beim Konzert der Catalani für etwas anderes Sinn gehabt als für sie?
Jude. Euer G'strengen verzeihen, was Catalani? Das ist nicht die Catalani und Genugtuung muß ich haben, daß ich unschuldig bin eingesperrt worden. (Alles in Bewegung.)
Schulmeister. Herr Bürgermeister, dieser Jude ist der Schauspieler Lustig; er will uns nur täuschen. Er will in der Verkleidung Aufsehen machen, aber es soll ihm nicht gelingen.
Lustig. Was ist das?
Rummelpuff. Madame Catalani, verzeihen Sie, daß Sie gestört wurden. Eh' ich noch das Glück hatte, Sie kennen zu lernen, hatte ich mit einem Nebenbuhler eine Wette gemacht. Er kommt nun, als Jude maskiert, hieher, glaubt, die Wette zu gewinnen, (lachend) und meint, er wolle uns alle täuschen.
Lustig. Wer will täuschen?
Rummelpuff. Nun, der saubere Lustig.
Lustig. So? (Lacht und spricht plötzlich im tiefen Baß.) Da bitt' ich um Verzeihung, Lustig will und glaubt nicht nur zu täuschen, er hat schon getäuscht. Es ist ihm schon gelungen, Aufsehen zu machen. Sagen Sie selbst, meine Herren und Damen, wer hat je in Krähwinkel mehr Sensation gemacht als ich? (Nimmt die Frisur ab.)
Alle (springen voll Erstaunen zurück). Was ist das?
Rummelpuff. Potz Karabiner und Küraß, bin ich aufs Haupt geschlagen! Was ist das?
Schulmeister (starrt Lustig ins Gesicht). Hat hier der Teufel sein Spiel? Was seh' ich?
Lustig. Die gewonnene Wette, den Bräutigam Ihrer Tochter – Herr Schulmeister – den Rivalen, Herr Stadtkommandant, vor dem Sie sich niederknien mußten.
(Pfiffspitz macht einen langen Hals und es dämmert Freude auf seinem Gesichte. Rummelpuff hält sich den Hut vor das Gesicht.)
Jean. Jetzt weiß ich's, warum ich sie hab' barbieren müssen.
Lustig. Wo ist denn mein Hannchen? Geh her, wir wenden uns an den Herrn Bürgermeister. (Geht mit Hannchen zu ihm.) Euer Herrlichkeit, lassen Sie Gnade für Recht ergehen; ich bin völlig gehetzt worden, Sie mit zu täuschen; das höchste Aufsehen in Krähwinkel zu erregen, um mir dieses brave Mädel zu verdienen, ward mir aufgegeben: verzeihen Sie mir, so wie mir die wahre Catalani verzeihen möge, daß ich durch die Benützung ihres Namens glücklich wurde.
Bürgermeister. Ich komme gar nicht zu mir vor Erstaunen. Also doch! Ha, welch ein Frevel! Nein, hier wird nichts verziehen! Wache herein!
Rummelpuff. Alle acht Mann!
Käthchen (tritt an die andere Seite des Bürgermeisters). Geben Sie gutwillig Pardon! Ich habe hier Schriften, der Minister –
Bürgermeister. Verdammt! Auch hier Täuschung? Wer sind denn aber Sie?
Käthchen. Ich bin ein Frauenzimmer.
Bürgermeister. Ein Frauenzimmer? Jetzt ist der ein Frauenzimmer!
Lustig. Ja, Herr Bürgermeister, dieser Herr ist meine Schwester!
Bürgermeister. O Schande und Spektakel, o Irrtum auf allen Ecken! Ein Frauenzimmer? Meine Braut hab' ich jetzt auch verscherzt! In Gottes Namen, aber wie heißen Sie?
Käthchen. Ich heiße Käthchen Gutsmuth und habe mir es einfallen lassen, ein bißchen Komödie zu spielen.
Bürgermeister (für sich). Was mach' ich denn, daß ich nicht prostituiert werde? Weiß schon. (Laut.) Kinder, es freut mich, daß es so gekommen ist; ich muß es nur offenherzig gestehen, ich habe von allem gewußt und hab' nur den Spaß zugelassen, weil ich ihn für unschädlich hielt. Gebt euch die Hände, die falsche Catalani hat ihre Sache gut gemacht, sie lebe, (reißt Käthchen die Papiere aus der Hand) aber dann soll sie sich zum Teufel trollen, wie ich mich jetzt trolle. (Wütend ab.)
Fritz. Käthchen, du bist mein und alles übrige sei verziehen und vergessen! Toll soll es in Krähwinkel zugehen, wir wollen alle eine Hochzeit halten, die sechs Wochen dauern soll, und alle hier sollen unsere Gäste sein.
Schulmeister (reißt dem Rummelpuff den Hut vom Gesicht). Tanzen wir mit?
Rummelpuff. Bei Roßbach wurde ich auch einmal vom Feinde überrumpelt, doch das war nur Kinderspiel gegen dies. Ich gehe jetzt und hole meine Mannschaft und lasse alles arretieren. (Will fort.)
Lustig (läuft ihm nach). Halt! Ich habe die Wette gewonnen, ich bitte um die alte Hausader!
Rummelpuff. Geh' Er zum Teufel! (Ab.)
Sperling (läuft beschämt nach und spricht böhmisch). Dobre noce!
Schulmeister. Der Lustig ist doch ein ganzer Kerl! Ja, er soll's Mädel haben, er hat die Wette gewonnen!
Lustig. Bravo! Jetzt ist's recht, auf das hab' ich noch gewartet. Hannchen, jetzt freut's mich, daß ich um dich so viel gewagt habe. Wer wagt, gewinnt!
Schlußchor.